Montag, 9. November 2009
Deutsch! Deutsch? Deutsch!
In einer Weddinger Grundschule erkämpfen bildungsbürgerliche Eltern aus Altmitte für ihre Kinder Klassen mit Sonderkonditionen: weniger Schüler_innen, Englischunterricht ab der ersten Klasse, Extra-Stunde Naturwissenschaften (siehe taz). Zusätzlich profitieren ihre Kinder von den besseren Ressourcen (sowohl sozial wie ökonomisch), die ihre Eltern ihnen mitgeben. Die Privilegierten sichern ihre Privilegien und bleiben dabei unter sich. Elitenförderung.

Dabei kommt zum Tragen, dass aus strukturellen Gründen bestimmte Privilegien häufig zusammen vorkommen bzw. dass bestimmte Marginalisierungen verbunden sind. So verfügen vorallem Menschen mit unhinterfragtem Aufenthaltsrecht, sicheren Arbeitsplätzen und eigenem privilegierten Aufwachsen über das hohe soziale und ökonomische Kapital, das das privilegierte Aufwachsen der eigenen Kinder unterstützen kann. Das häufig hemmungslos zum eigenen Vorteil und anderen Nachteil eingesetzt wird. Wobei diese egoistische Privilegiensicherung gesellschaftlich legitimiert ist, denn Privilegien werden gesellschaftlich ausgeblendet.

In dem Fall der Weddinger Schule wird auch nicht über Privilegien gesprochen. Da geht es um 'Deutsche' und 'Migrant_innen'. Die 'Deutschen' sollen vor den 'Migrant_innen' geschützt werden, weil die den Unterrichtsstandard absinken lassen. Deswegen werden 'Deutschenklassen' eingerichtet.

Müssen die 'Deutschen' einen 'Ariernachweis' erbringen, damit sie in die Elite-Klasse kommen können? Oder wie weisen sie Ihr 'Deutschsein' nach? Die 'Migrant_innen' müssen einen Sprachtest machen, aber die 'Deutschen'? Müssen die einfach nachweisen, in mehreren Machtverhältnissen privilegiert zu sein, um weitere Privilegien zu bekommen? Kann dann auch mal ein 'Migrant_innenkind', das über diverse Privilegien (Akademiker_inneneltern mit gesichertem Status und guten Stellen) verfügt, als 'Deutsch' anerkannt werden?

So jemand wie ich zum Beispiel? Oder würde ich das Niveau auch senken? Oder müsste ich zumindet den Deutschtest machen? Oder aber reicht doch der Ariernachweis meines Großvaters, der in der Wehrmacht war und bis ins Mittelalter nachgewiesen hat, dass da keine 'jüdischen' Vorfahren waren?

Ganz schön Deutschtümelnd die ganze Debatte. Und unsolidarisch. Sehr erschreckend.

Nachtrag 19.11.09: Da ich in den Kommentaren zu diesem Beitrag nicht mehr meiner Aufgabe als Blogverantwortlicher nachkommen konnte (auf rassistische etc. Aussagen überprüfen), habe ich die Kommentarfunktion ausgeschaltet. Dabei sind nun auch alle Kommentare verloren gegangen. Das war nicht meine Absicht, aber es ging nicht anders.

Nachtrag 20.11.09: Die Kommentare sind jetzt hier wieder online. Die Kommentarfunktion bleibt abgestellt.

Nachtrag 17.12.10: Aus dem taz-Montagsinterview mit Bernadette la Hengst:

taz: "Würden Sie Ihre Tochter in eine "Problemschule" geben?"

"Ich mache das. Wir wohnen an der Grenze von Wedding und Mitte. Die Schule im Wedding war die nächste, die Schulen in Mitte sind voll. Meine Tochter geht in eine Klasse, in der 90 Prozent der Kinder Migrationshintergrund haben. Aber ich habe ein gutes Gefühl. Ich glaube, dass ein selbstbewusstes Kind da ganz normal seinen Weg gehen kann. Mich ärgert, dass viele Eltern das nicht wenigstens ausprobieren. Da denkt jeder nur an sein eigenes Kind, anstatt sich als Gruppe zusammenzuschließen. Der sogenannte Mangel an Integration geht doch auch von den Menschen ohne Migrationshintergrund aus, die sich dieser Seite von Berlin nicht öffnen."

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Keine Toleranz
für rassismusverleugnendes und privilegiensicherndes Geschreibsel kann ich aufbringen. Was hat sich die taz dabei gedacht, so etwas untollerierbares wie Klingelschmitts Keine Toleranz für die Tolleranten zu veröffentlichen. Da finde ich noch nicht mal einen Ansatzpunkt für eine nüchterne Analyse und Kritik, mir wird einfach nur schlecht beim Lesen.

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Christliche Homophobie
"Auf einer Veranstaltung des Zentrums „Homosexuelle und Kirche” hatte der Landespräses es als Aufgabe der Kirchenleitungen gesehen, Homosexuelle vor Diffamierungen zu schützen." schreibt Der Westen über Präses Alfred Buß. Eigentlich sollte solch ein Schutz von Menschenwürde eine Selbstverständlichkeit sein. Unter Christ_innen wohl aber nicht. Laut Der Westen kritisieren mehr als dreißig evangelische Pfarrer_innen den Präses für diese menschenliebende Aussage:

"Wo Homosexualität als naturgeben „propagiert und Therapien diskreditiert werden, verweigert man Menschen, die unter ihren homosexuellen Empfindungen leiden, die Hilfe zur Veränderung”, heißt es im Brief weiter."

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Kruzifix
Der europäische Menschenrechtsgerichthof hat geurteilt, dass Kruzifixe in (italienischen) Schulen gegen die Religionsfreiheit verstossen (siehe z.B. die taz). Das Urteil hat heftige Kritik provoziert (siehe taz). Um das Kruzifix in den Schulen zu retten, greifen sie zu absurden Argumenten wie die taz zitiert:

"Die Kirche erklärt jetzt, Christus sei schließlich "für alle" inklusive der Nichtgläubigen am Kreuz gestorben, die sollten sich jetzt also nicht so anstellen, wenn in allen Schulen (genauso wie in allen Gerichtssälen) Kreuze hängen. Und Gelmini argumentiert, dass "das Kreuz in der Klasse nicht Zugehörigkeit zum Katholizismus ausdrückt, sondern ein Symbol unserer Tradition ist"."

Eine solche Argumentation sollten sich mal Angehörige irgendeiner anderen Religion erlauben.

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Unerlaubtes Textverwerten und unerhörtes Abmahnen
Wenn Texte einfach zweitverwertet werden und die Autor_in nicht um Erlaubnis gefragt wird, dann ist das mehr als ärgerlich. Als Autor_in ärgert mich das auch. Wenn meine Texte verfälscht und in einen anderen Kontext gestellt werden, ist das mehr als ärgerlich. Das Internet macht solche unauthorisierten Textübernahmen sehr einfach und es macht auch Sinn, darüber journalistisch zu arbeiten.

Der Versuch von Daniel Bouhs in der taz ist aber auch mehr als ärgerlich. Abgemahnt wurde ein Blogger der zitiert hat und nicht komplett kopiert. Abgemahnt wurde von einem kommerziellen Unternehmen, das sein Geld damit verdient abzumahnen. Die Abmahnsumme war unverhältnismässig hoch. Passender wäre hier ein Artikel über die Auswüchse des Abmahnwesens gewesen, was die taz in anderen Zusammenhängen auch macht. In diesem Fall liefern diese Analyse diverse Internetautor_innen, z.B. Johnny Haeusler von Spreeblick, der auch auf andere Quellen verweist. Einiges davon ist auch in den Kommentaren zum taz-Artikel zu finden.

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Montag, 2. November 2009
Wie Frauen so sind
Im taz-Interview spricht Katja Keßler, Autorin und Ehefrau von Kai Diekmann, immer mal wieder die unterschiedliche gesellschaftliche Positionierung von Männern und Frauen in unserer Gesellschaft an. Sie führt das dann aber nicht zu einer Kritik an den ungleichen Machtverhältnissen aus, sondern bemüht lieber genetische Unterschiede und andere Argumente, um die bestehenden Ungleichheiten zu legitimieren.

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Papierlose
Die taz hat über eine Studie über Papierlose in Deutschland berichtet.

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Sorge um Deutschland
Die taz hat letzte Woche den Roma-Aktivisten Miman Jasrovski interviewt. Zum Umgang mit den Roma, die im Görlitzer Park kampierten und aus der Stadt entfernt wurden (mit Geld), sagt Jasrovski:

"Das hat mir unglaublich schwer zu denken gegeben - ich mache mir immer noch Sorgen. "

Die taz fragt nach: "Sorgen um die Roma?"

und Jasrovski erwidert: "Nein. Sorgen um Deutschland."

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Minister mit Rassismuserfahrung
Nach der Benennung von Philipp Rösler als Gesundheitsminister war es schon klar, dass es zu einer solchen Schlagzeile kommen musste:

Vietnamese wird Gesundheitsminister in Deutschland, sagt die Bild am Sonntag.


Während die einen den Niedersachsen zum Vietnamesen erklären, versucht Felix Lee in der taz zu klären, ob Rösler Migrationserfahrung hat und kommt zu dem Schluss:

"Und doch: Ein Deutscher fernöstlicher Abstammung verfügt - wie im Übrigen auch einer mit schwarzafrikanischer - per se über sehr viel Migrationserfahrung, egal mit wie viel Jahren oder Monaten er oder sie von einer deutschen Familie adoptiert wurde. Qua Aussehen."

und zwar weil:

"MigrantInnen asiatischer oder schwarzafrikanischer Herkunft hingegen können sich noch so sehr assimilieren - der "MigrantInnenmakel" bleibt ihnen."

Mit letzterem hat Lee durchaus recht und belegt das auch im weiteren Artikel mit rassistischen Bezeichungen, die für Rösler genutzt wurden und sicher weiter werden. Nur hat das wenig mit Migrationserfahrung zu tun. Rösler macht Rassismuserfahrungen. Und das ist neu im Kabinett.

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Samstag, 31. Oktober 2009
Seminarankündigung: Migration in die BRD und DDR
Seminar "Migrant_innen und die Geschichte Deutschlands" vom 27. bis 29. November 2009 im Bildungszentrum Erkner:

Bei der feierlichen Erinnerung an den 20. Jahrestag des Mauerfalls und die so genannte "Friedliche Revolution" wird oftmals ausgeblendet, dass für bestimmte Bevölkerungsgruppen diese Zeit keineswegs "friedlich" verlief. Menschen, die von der Dominanzgesellschaft in beiden Teilen Deutschlands als nicht-deutsch definiert wurden und werden, erfuhren noch offensivere Ausgrenzungen, als es vorher schon der Fall war. Im nunmehr geeinten Deutschland erschien im Zuge eines erstarkenden
Nationalismus Rassismus zunehmend gesellschaftsfähig und legitimiert.

In Anbetracht dieses weißen Fleckens im deutschen
Nationalgeschichtsbild, strebt das Seminar eine kritische Auseinandersetzung mit der Migrationsgeschichte der BRD und der DDR an und stellt diese in einen analytischen Zusammenhang zur Geschichte der beiden deutschen Staaten. Im Seminar wird gemeinsam ein breiter Überblick über Formen und Politiken der Migration in die BRD und die DDR erarbeitet. Dabei werden Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Kontinuitäten herausgearbeitet, wobei der Schwerpunkt vor allem auf der DDR-Migrationsgeschichte liegt, da diese bis heute wenig wahrgenommen wird. Im Vordergrund stehen vor allem die Perspektiven von Migrantinnen und Migranten, mit ihren Erfahrungen der Ausgrenzung und ihren Kämpfen.

Mehr Informationen hier.

Nachtrag 17.11.09: Noch sind wenige Plätze frei.

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Samstag, 24. Oktober 2009
Gummihälse
Über die ambivalente Rolle von Deutschen in der Schweiz kann man einiges schreiben. Auch ich habe mich anlässlich meines Aufenthaltes in der Schweiz darin versucht. In der taz versucht es Marco Lauer, indem er über einen Integrationskurs für Deutsche in Zürich berichtet. Aber weder hinterfragt er die essentialistischen Zuschreibungen, die in diesem Kurs wohl erfolgt sind, noch beschäftigt er sich kritisch mit den Ambivalenzen gegenüber Deutschen in der Schweiz. Stattdessen unterstützt er platte Erklärungen und reproduziert Verharmlosungen von Rassismus.

"Plötzlich würden die Deutschen zu Sündenböcken, sagt Baldauf, lösten damit die Albaner ab, die ihrerseits wiederum vor Jahren den Italienern gefolgt seien."

Das ist absoluter Blödsinn. Die rassistische Ausgrenzung von Menschen, die Albanien zugeordnet werden, ist nach wie vor Realität. Diese Menschen erfahren viel existentiellere Ausgrenzungen und Gewalt als die überwiegend privilegierten Deutschen.

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Ehen haben sich gewandelt
"Die Richter wiesen das Argument zurück, dass in der klassischen Ehe ein anderer Versorgungsbedarf besteht, weil typischerweise ein Ehepartner zur Erziehung der Kinder zu Hause bleibt und seine Erwerbstätigkeit solange unterbricht. In der gesellschaftlichen Realität sei das Bild der Versorger-Ehe "nicht mehr typusprägend" und könne daher nicht zum rechtlichen Maßstab gemacht werden. Oft seien beide Ehegatten "beruforientiert", außerdem gebe es auch nicht in jeder Ehe Kinder."

berichtet die taz über einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur sogenannten Homo-Ehe.

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Koalitionsvertrag: Privilegien sichern
Die heutige taz berichtet auf vielen Seiten über den Entwurf des Koalitionsvertrags von Union und FDP auf Bundesebene. Eines scheint schon klar zu sein: Ziel der Koalition ist es die Privilegierten zu unterstützen, ihre Privilegien zu sichern und auszubauen und die Marginalisierten weiter zu marginalisieren. Und das scheint für alle Formen von Privilegien zu gelten. So sollen Reiche reicher werden dürfen. Rechte rechter. Dafür müssen Arme mehr abgeben und die Linken müssen mit aller Kraft bekämpft werden.

Unter anderem wirkt sich das, wie die taz berichtet, auf den Kampf gegen Rechtsextremismus aus. Der wird nun mit Linksextremismus und Islamismus gleichgesetzt, was wohl bedeuten wird, dass weniger Geld für den Kampf gegen Rechts zur Verfügung stehen wird. Dabei ist völlig unerheblich, dass von Links keine Gefahr gegen Menschen ausgeht, von Rechts sehr wohl :

"Links- und Rechtsradikalismus auf eine Ebene zu stellen trage zur Verharmlosung von rechter Gewalt bei. "Seit 1993 sind über 140 Menschen durch Gewalt von rechts ums Leben gekommen, aber kein Einziger durch Gewalt von links", erklärt Jelpke."

Die Koalitionäre haben aber offensichtlich mehr Angst um ihre Autos und sonstigen materiellen Reichtümer als um das Leben von irgendwelchen rassistisch ausgegrenzten Menschen. Rassismus ist offensichtlich anschlussfähiger in der deutschen Öffentlichkeit als die Kritik von Machtungleichheiten.

Zu den Auswirkungen der Umwidmung der Gelder gegen Rechts siehe auch einen taz-Kommentar.

Nachtrag 20.07.10:Die Bundesfamilienministerin macht laut taz weiter in der Kriminalisierung von linken Aktionen und er Verharmlosung von Rechtsextremismus.

Nachtrag 29.07.10: Die taz berichtet, dass das Geld für die Arbeit gegen Linksextremismus und Islamismus nicht abgerufen wird.

Nachtrag 02.10.10: Die taz berichtet Antifa-Förderung in Gefahr.

Nachtrag 07.10.10: Neues von der Antifeministin, Rassismusverharmloserin, Muslim- und Linkenjägerin Kristina Schröder in der taz.

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Samstag, 17. Oktober 2009
Kettenregelung
Laut taz plant die neue Regierung eine Kettenregelung für die Bleiberechtsregeung:

"Die Bleiberechtsregelung für langjährig Geduldete soll wohl um ein Jahr bis zum 31. Dezember 2010 verlängert werden - zu gleichen Bedingungen."

Und wird dafür klar kritisiert:

""So wird das Elend nur aufgeschoben", kritisierte Pro Asyl. Würden die Konditionen nicht vereinfacht, sei eine Verbesserung der Lage für über 60.000 langjährig Geduldete ausgeschlossen."

Auch die Ausnahmeregelungen für die 'Elite-Ausländer_innen' ist mehr als kritikwürdig:

"Die migrationspolitische Sprecherin der Linken, Sevim Dagdelem, nannte die Beschränkung der geplanten Verbesserungen auf wirtschaftlich leistungsfähige Migranten eine "Fortsetzung des Nützlichkeitsrassismus""

Nachtrag 03.12.09: Bayerns Innenminister betont in der taz, dass die Menschenwürde hinter angeblichen staatlichen Interessen zurücktreten muss:

"Wir wollen keine Zuwanderung in das deutsche Sozialsystem. Deshalb muss man den Druck aufrechterhalten. "

Wahrlich christlich.

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Black Face
Seit Jahrzehnten (wenn nicht schon seit Jahrhunderten) weisen schwarze Menschen auf Alltagsrassismus hin. Sie analysieren die alltäglichen Ausgrenzungspraxen, publizieren dazu und machen Filme. Ein Beispiel dafür ist der Schwarze Blog.

Wieso nutzen die Medien nicht diese Ressource? Warum stürzen sie sich (wie heute z.B. Funkhaus Europa) auf Günter Wallraffs Black Face-Recherche? Muss erst ein weißer Mann kommen, um qualifiziert über Rassismus gegen Schwarze sprechen zu können? Sind Schwarze zu betroffen? Könnnen nur Weiße universell sprechen?

Nachtrag 20.10.09: Noah Sow vom Braunen Mob hat tagesschau.de ein sehr pointiertes Interview zum Thema gegeben.


Nachtrag 23.10.09:Auch Spiegel-Online hat einen kritischen Artikel, in dem schwarze Expert_innen zu Wort kommen.

Die taz hingegen scheint das Problem nicht zu erkennen oder nicht thematisieren zu wollen:
David Denk durfte gestern in der taz eine ziemlich unkritische Filmrezension veröffentlichen. Online wirkt sie weniger unkritisch, da sie durch die kleine Wortkunde Black Face ergänzt ist, die in der Printversion aber erst heute erschienen ist. Die Berichterstattung fällt aber auch mit dieser Ergänzung weit hinter die beeindruckend kritische tagesschau.de-Berichterstattung zurück. Schwach von der taz.

Denk scheint das Problem mit Wallraffs Anmassung entweder nicht zu sehen oder nicht sehen zu wollen. Seine eigenen Rassismen und Sexismen hat er in der gestrigen Kolumne Der Blonde hört mit illustriert. Eine kleine Kostprobe:

... sagt die Rotblonde vom Nebentisch, die ohne ihre ambitionierte Brille wesentlich besser aussieht als mit. Ihre beiden Freundinnen, die Brünette im Minirock und die kleine Inderin ..."

Nachtrag 24.10.09: Noch immer kann sich die taz nicht dazu entschliessen schwarze Expert_innen zu Wort kommen zu lassen. Aber immerhin dürfen zwei weiße Redakteur_innen Pro und Contra austauschen. Dabei verharrt Daniel Bax im Ignorieren des Problems:

"Dass er vor allem für ein weißes Publikum in eine Rolle schlüpft und die Reflexe der Medien so gut zu bedienen weiß, ist so lange kein Problem, wie er damit wirklichen Problemen mehr Aufmerksamkeit verschafft."

Das grundlegende Problem ist, dass sich der weiße Wallraff zum Sprecher für schwarze Menschen erklärt und damit weiße Dominanz reproduziert. Und das völlig unreflektiert wie Christina Nord argumentiert:

"Aufklärung schlägt in Gegenaufklärung um, solange sie kein Bewusstsein von ihren Voraussetzungen entwickelt. ...

In Wallraffs Film findet sich von alldem kein Wort; genauso wenig denkt er darüber nach, warum er sich überhaupt verkleiden musste. Er hätte in Deutschland lebende Afrikaner und Afrodeutsche bitten können, die Reise durch Deutschland anzutreten, er hätte sie interviewen können, er hätte ihre Erfahrungen sichtbar machen können, anstatt diese Erfahrung als verkleideter Somalier nachzuholen und sie sich dabei anzueignen. ...."


Nord zeigt so, dass Wallraff seine 'Fähigkeit die Medien zu bedienen' auch anders nutzen hätte können. Ausserdem zeigt sie noch ein anderes Problem von Wallraffs Film auf:

"Das gibt demjenigen, der sich für aufgeschlossen hält, einen "Anderen", von dem er sich nur abgrenzen muss, um sich der eigenen Liberalität zu vergewissern."

Wenn frau sich die Kommentare zu diversen Artikeln ansieht, merkt sie zudem, dass Wallraff nicht dazu beiträgt, dass Rassismus ernster genommen wird. Viele nutzen Wallraffs unglaubwürdige Inszenierung dazu, zu behaupten er hätte die Ablehnung provoziert.

Nachtrag kurz später: In der sonntaz gibt es etwas versteckter doch noch mit Sheila Mysorekars Kommentar eine schwarze Stimme in der taz.

Noch ein Nachtrag: Im Zeit magazin schreibt Günter Wallraff selbst über seine Recherchen.

Nachtrag 10.11.09: Noah Sow kontert mit White Face und berichtet gerne (gegen Honorar natürlich) über die Erfahrungen weißer männlicher Journalist_innen.

Nachtrag 16.11.09: Wallraffs Anmassung wird honoriert. In einem Beitrag auf Schule ohne Rassismus wird er als Experte zu Rassismus gegen Schwarze genannt, der von seinen Erlebnissen berichten darf. Die anwesende Schwarze wird dann noch ergänzend erwähnt:

"Auch wenn Mamadee, eine der Sprecherinnen der Künstlergruppe "Brothers Keepers", in Köln solche Erfahrungen bislang noch nicht gemacht hat, hat sie doch aufgrund ihrer eigenen Biografie ebenfalls schmerzhafte Erfahrungen mit Vorurteilen und Fremdenfeindlichkeit gemacht."

Aufgrund der Biografie also auch. Aber die eigentlich richtige Erfahrung ist natürlich die von Wallraff.

Nachtrag 17.11.09: Die taz setzt Wallraffs Black Face heute nochmal in eine längere Tradition mit einem Artikel über rassistische Darstellungen und schwarze Schauspieler_innen im Weimarer Kino.

Nachtrag 26.01.11: Der Film lief gestern im Fernsehen und die taz hat nichts dazu gelernt. Sie hat wieder Denks völlig unkritische Filmbeschreibung veröffentlicht.

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Studie stellt fest, es gibt Rassismus, benennt ihn aber lieber nicht
Mal wieder hat eine Studie festgestellt, dass es rassistische Ausgrenzungen gibt. Die taz zitiert in ihrem Bericht Thomas Liebig, einen der Autor_innen. Ohne rassimuskritischen Ansatz windet dieser sich, Ausgrenzungen zu benennen und zu erklären:

""Das Ergebnis muss überraschen, schließlich erwerben beide Gruppen ihre Bildungsabschlüsse in der Regel im Inland", sagt OECD-Migrationsexperte Thomas Liebig, einer der Autoren der Studie. Doch besonders junge Männer aus Einwandererfamilien träfen trotz guter Abschlüsse auf "konsistente Barrieren": "Die statistische Diskriminierung wird in Deutschland immer noch unterschätzt", erklärt Liebig."

Was ist "statistische Diskriminierung"?

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Sonntag, 11. Oktober 2009
Diese Menschen
Torsten Mandalka vom RBB hat auf tagesschau.de einen Kommentar genutzt, um noch mal klar zu machen, wer hier eigentlich hergehört und wer nicht:

"Diese Menschen [die mit den ausländischen Wurzel] haben besondere Probleme - mit unserer Sprache, unserem Bildungssystem, unserem Arbeitsmarkt, unseren Vorurteilen ihnen gegenüber."

Letzteres wäre hier schon gleich belegt.
Gut dass ich nochmal höre, dass ich ein Problem mit Eurer Sprache habe. Was sprechen Mandalkas eigentlich?

Aber nicht nur "diese Menschen" haben Probleme:

"Wir haben unsere Probleme mit ihnen - mit ihrer Lebensweise, ihrer Orientierungslosigkeit, im Extremfall ihrem Abdriften in Parallelwelten."

Ist mir schon klar, dass meine Lebensweise Herrn Mandalka nicht passt. So als selbständige Wissenschaftlerin fehlt mir manchmal schon die Orientierung.

"Andererseits: wir nützen ihnen, weil sie bei uns eine bessere Existenz finden als in ihren Heimatländern. "

Ach so? Bei Herrn Mandalka würde ich eine bessere Existenz finden als in Deutschland - wo ist das denn? Oder meint er, dass ich in Berlin eine bessere Existenz finde als in Baden-Württemberg?

"Und sie nützen uns, weil sie unsere Lebenswelt bereichern - nicht nur durch Kultur und Restaurants. Migranten kurbeln die Wirtschaft an und schaffen Arbeitsplätze, das hat gerade wieder ein UN-Bericht nachgewiesen. Und sie verhindern, dass wir eine Gesellschaft von Greisen werden."

Heisst das, ich soll besser nicht alt werden?

PS: Mandalkas Kommentar ist als Unterstützung für ein eigenes Integrationsministerium gedacht.

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Donnerstag, 8. Oktober 2009
Wilde Jungs und pferdeliebende Mädchen
"Mädchen lernen anders- Jungs auch! Deswegen bringt PONS Diktat- und Textaufgaben- Bände speziell für Mädchen bzw. Jungs raus." bewirbt der Verlag Pons seine neueste Marketingidee Diktate für Jungs und Textaufgaben für Mädchen.

"„Wir wollen nicht altbekannte Klischees zementieren, sondern die Kinder da abholen, wo sie stehen“, sagt Sebastian Weber, Verlagsleiter PONS Selbstlernen. „Dabei nutzen wir zum einen ihre Themenwelten zur Motivation und bieten zum anderen gezielte Aufgabentypen für die jeweiligen Bedürfnisse.“ Wilde Jungs, die erst aktiv an ein Lernthema herangeführt werden, lösen anschließend bereitwilliger die nächsten Aufgaben konzentriert am Tisch. Gleiches gilt für Mädchen, deren Aufmerksamkeit vor allem über ihre Lieblingsthemen wie Pferde, Prinzessinnen und Mädchenfreundschaften gefesselt wird. Eine ideale Voraussetzung. Denn: Wer sich mit einer Aufgabe identifiziert, lernt motivierter. Und hat langfristig den größten Lernerfolg."

Was hätte bloss aus mir werden können, wenn ich mit Feen Textaufgaben gelöst hätte?

Mehr zu den Ponschen Genderklischee-(Re)Rroduktionen in der taz.

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Nutzenmaximierer_innen
"Der Sachverständigenrat für Migration hat CDU und FDP zu einer grundlegenden Neuorientierung in Sachen Migration aufgefordert." berichtet die taz. Dann folgen eine Reihe von Forderungen, die privilegierte Gruppen von Zuwanderer_innen weiter privilegieren sollen. Am Ende des Artikels gibt es dann auch noch ein paar humanitäre Überlegungen.

Solche Forderungen sind sicherlich gut gemeint. Sie sind sicher auch politisch durchsetzbarere als antirassistische Forderungen. Sicher würden sie auch das Leben von etlichen Menschen erleichtern.

Und trotzdem bekomme ich bei einer solchen auf Nutzenoptimierung ausgerichteten Argumentation immer das Grausen. Welches Menschen-/Gesellschaftsbild wird durch eine solche Argumentation gefördert? Haben Menschen, die keinen ökonomischen/ politischen/ gesellschaftlichen Nutzen versprechen, keine schützenswerte Menschenrechte?

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Kulturschock West-Berlin
Die taz berlin hat Andreas Murkudis interviewt, dessen Eltern vor dem griechischen Bürgerkrieg in die DDR geflohen sind:

taz: "Wie haben Sie den Umzug nach West-Berlin erlebt?"

Andreas Murkudis: "Es war ein Kulturschock. Es fing schon damit an, dass ich in der Schule wegen meines Sächsisch gehänselt wurde. Zudem spürte ich zum ersten Mal in West-Berlin, was es heißt, ein Ausländer zu sein. Unsere Familie musste jedes halbe Jahr ihre Aufenthaltsgenehmigung verlängern lassen. Eine menschenunwürdige Prozedur. Zwischen 6 und 9 Uhr zur Behörde, in der Hoffnung, noch am selben Tag einen Termin zu bekommen. Dann die Unfreundlichkeit der Mitarbeiter, die beispielsweise mit mir sprachen, als ob ich kein Deutsch verstehen würde. Dabei lasen sie in meinen Papieren, dass ich in Dresden geboren wurde."

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