Samstag, 22. Februar 2020
Hanau: Wir und die Anderen
Vielleicht ist das der Moment, den Blog anders deutsch wiederzubeleben. Der Moment, in dem ich ganz stark das Gefühl bekomme anders zu sein. In der Berichterstattung zum rechten Terror in Hanau und in den Solidaritätsadressen an die (potentiellen) Opfer, wird die vom Rassismus gemachte Differenzierung in Wir (die Deutschen oder so ähnlich) und die Anderen (die mit den ausländischen Wurzeln, mit Migrationshintergrund oder so) immer wieder bestätigt und gestärkt. Wir (wozu ich wohl nicht gehöre) zeigt sich solidarisch mit den Anderen (wozu ich vielleicht gehöre) und steht an deren Seite. Das fühlt sich sehr seltsam an. Ich merke, dass ich nicht zum Wir gezählt werde. Vielleicht ist es gut, das zu merken, weil es längst Realität ist. Aber es fühlt sich nicht gut an. Und es ist auch kein Weg aus dem Rassismus. Dazu muss das Wir viel inklusiver werden.

Und: Der rechte Terror geht alle in Deutschland an. Er betrifft nicht nur die, die in Shisha-Bars sitzen, die einen Migrationshintergrund diagnostiziert bekommen. Rechter Terror ist eine Gefahr für alle!

Nachtrag 05.03.20: Es gibt viele, die sich nach Hanau (noch mehr) als anders fühlen. Es gibt viele, die darauf auch bestehen und nicht wollen, dass alle sich betroffen fühlen, weil das die reale Gewalt verdeckt. Ich sehe den Punkt zwar, finde ihn aber gefährlich, denn die ganze Gesellschaft ist betroffen. In der taz hat Gild Sahebi geschrieben Ich bin kein Opfer. Und ich habe das Gefühl, dass sie einen Teil meines Zwiespalts abbildet, wenn auch mit einem anderen Schwerpunkt. Aus dem Herzen spricht sie mir mit:

"Wir drehen uns spätestens seit der Aufdeckung der NSU-Morde im Kreis. Rechtsextremismus wird externalisiert. Er betrifft die anderen. Er betrifft Menschen mit Kopftüchern, mit Kippa oder mit Davidstern. Wie wunderbar einfach. Damit lassen wir uns den Diskurs seit Jahren von Rechten aufzwingen. Warum sollte die sogenannte Mehrheitsgesellschaft gegen rechts aufbegehren, wenn es doch nur „die anderen“ betrifft?"

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Samstag, 29. Juni 2013
Ethnologische Studien
In einem Artikel über den Berliner Preußenpark schreibt Susanne Messmer in der taz:

"Auf der sogenannten Thaiwiese, auf der sich die thailändische Community bereits seit Anfang der Neunziger trifft, könnte man ethnologische Studien anstellen."

Was sie damit wohl meint?

Ethnologische Studien kann mensch so ziemlich überall anstellen. In taz-Redaktionen. In Banken. Im KaDeWe. Im Preußenpark. Auf taz.de. usw. Damit ist die Aussage eigentlich inhaltlos, es sei denn sie verwiese auf eine spezifische ethnologische Studie (wie z.B. auf die Beobachtungen einer meiner Studentinnen).

Aber das scheint die taz-Autorin nicht zu meinen. Sie führt weiter aus:

"Denn viele Frauen, die hier kochen, stammen aus Isaan. In den Siebzigern und Achtzigern heirateten einige von ihnen deutsche Männer, um der Armut zu entkommen und die zu Haus gebliebene Familie zu unterstützen."

Also scheinen sich als Objekt ethnologischer Studien besonders zu eigenen: Frauen, die kochen? Frauen aus Isaan? (Ehemals) arme Frauen? Frauen, die Deutsche geheiratet haben? Meint die Autorin, das der Gegenstand 'exotisch', 'fremd' oder so genug ist, um für ethnologische Studien interessant zu sein? Meint sie, mensch könne im Preußenpark etwas über Isaan lernen?

Aber klar, der Preußenpark eignet sich bestimmt für ethnologische Studien. Die Berichterstattung darüber auch.

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Freitag, 4. Januar 2013
Gegen Gewalt gegen Frauen
Seit der Massenvergewaltigung einer jungen Frau in Delhi Mitte Dezember gibt es beständige Proteste in Indien gegen Gewalt gegen Frauen (für Berichte aus einer machtkritischen Perspektive siehe den Blog kafila). Gewalt gegen Frauen ist ein alltägliches Problem in Indien (siehe meinen Blogeintrag vom letzten Frühjahr). Gesetze dagegen gibt es, aber diese werden nicht durchgesetzt. Es ist also viel zu tun und es gibt viele Aktivist_innen, die sich schon lange dafür einsetzen.

Im konkreten Fall waren die Proteste so beständig und öffentlich, dass nicht nur die indische Politik darauf reagieren musste sondern auch die westlichen Medien aufgegriffen haben. Dabei dominiert allerdings die Sicht, dass Gewalt gegen Frauen ein Zeichen von traditionellen/ rückständigen/ nicht so fortschrittlichen Gesellschaften wie wir sei. Das ist höchst problematisch, denn auch in Deutschland ist Gewalt gegen Frauen ein Thema, das nicht ausreichend Öffentlichkeit bekommt. Auch hier muss eine Frau, die eine Vergewaltigung oder sexuellen Übergriff anzeigt, damit rechnen, nicht ernst genommen zu werden, erniedrigt zu werden. Die Bestrafung von Tätern ist alles andere als wahrscheinlcih.

Margarete Stokowski zeigt in einem taz-Kommentar diese Verbindung zwischen Indien und Deutschland auf:

"Die Reaktionen in Indien sollten uns ein Beispiel sein."

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Mittwoch, 19. Dezember 2012
Asiatisch
Aus einer Polizei-Pressemitteilung:

"Der gesuchte Zeuge wird wie folgt beschrieben:

1 Meter 60 bis 1 Meter 70 groß
etwa 16 bis 17 Jahre alt
hat ein asiatisches Erscheinungsbild
kurze, schwarze Haare und eine schlanke Figur
er trug helle Kleidung"


Mal wieder fahndet die Polizei nach Asiatischem. Abgesehen davon, dass der Zeuge vermutlich Berliner ist und auch wie einer aussieht, hat die Berliner Polizei doch ein Recht eingeschränktes Bild von Asien. Asien ist in Deutschland immer nur (Süd)Ostasien (vgl. meinen Artikel zum Konzept 'Asiatische Deutsche').

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Sonntag, 16. September 2012
Integration - Geh weg
In der taz nimmt Daniel Bax die "Geh Deinen Weg"-Kampagne der 'Deutschlandstiftung für Integration', die unter anderem von der Kanzlerin unterstützt wird, auseinander. Für die Zeitungs- und Zeitschriftenverlegenden, die hinter der Deutschlandstiftung stehen (inklusive Springer-Verlag), hat Bax Vorschläge, wie sie mehr für die 'Integration' (wohl im Sinne von Partizipation fördern, Ausgrenzungen abbauen) tun könnten: mehr nicht bio-deutsche Journalist_innen einstellen, weniger rassistisch berichten (meine Formulierung seiner Vorschläge). Bax schreibt auch, dass die Kampagne an den real existierenden Problemen in Deutschland vorbeigeht:

"Sie erweckt den Eindruck, als würde es nur an fehlender Motivation oder Entschlossenheit liegen, dass vielen Migrantenjugendlichen der soziale Aufstieg nicht gelingt. Aber was, wenn sich jemand dir in den Weg stellt? Dazu sagt die Kampagne nichts."

Die Deutschlandstiftung ist auch schon früher mit seltsamen Kampagnen aufgefallen, zum Beispiel mit den schwarz-rot-goldenen Zungen.

Geh mir weg mit solchen aufgeblasenen Werbekampagnen.

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Dienstag, 28. August 2012
Netzwerk für Integration


Das Banner "Netzwerk für Integration der Migranten und Migrantinnen in Treptow-Köpenick" ist bestimmt gut gemeint. Es ist aber auch das perfekte Beispiel dafür, warum die Integrationsdebatte so furchtbar ist:

Zum einen konstruiert das Banner den Gegensatz zwischen den "Migranten und Migrantinnen in Treptow-Köpenick" und den unbenannten 'Normalen'. Zudem konstruiert es die "Migranten und Migrantinnen" als passiv, da etwas für sie getan werden muss. Aktiv ist das Netzwerk, zu dem wohl vorallem die 'Normalen' gehören. Das drückt sich zum einen in dem 'für' des Titels aus (und nicht 'von und für') und zum anderen zeigt es sich in den Personen, die das Banner gehalten haben und die zumindest phänotypisch nicht in das konstruierte Bild von "Migrantinnen und Migranten" passen. Worein die "Migrantinnen und Migranten" integriert werden sollen, bleibt auch unklar. Und so gehe ich davon aus, dass es um den gerade dominanten Integrationsbegriff geht. Wenn es um Partizipationsmöglichkeiten ginge, dann könnte mensch das ja auf das Banner schreiben.

Phänotypisch gehöre ich zwar auch nicht eindeutig zu dem Bild von "Migrantinnen und Migranten". Aufgrund anderer Merkmale weiss ich aber, dass ich wohl dazu gehöre (statistisch gehöre ich in die Kategorie 'mit Migrationshintergrund'). Und deswegen wirkt das Banner auch so abstossend auf mich:

Danke nein, ich will von keinem Netzwerk integriert werden! Schon gar nicht, wenn ich nicht gefragt werde und nicht weiss, wohin ich integriert werden soll.

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Samstag, 25. August 2012
Integration, Bayern und die taz
Da nimmt sich die taz einen Artikel Platz, die Symbolpolitik der bayrischen Integrationspolitik zu kritisieren und zum Beispiel einen migrantischen Integrationsbeauftragten anzumahnen. Soweit so gut. Besser wäre es allerdings würde auch die taz auf Symbolpolitik verzichten und sich ernsthaft mit 'Integration' auseinandersetzen, dann würde so manches nicht geschrieben werden.

So geht die taz davon aus, ein Migrant (ob Migrantinnen auch gemeint sein können, geht aus dem Artikel nicht hervor) "spräche seine Muttersprache fließend". Ok, dann meint sie wohl tatsächlich nur selbst migrierte Menschen, die an einem Ort an dem sie vorher gelebt haben, eine andere Sprache als Deutsch gelernt haben. Oder meint sie jemenschen, der aus der Türkei gekommen ist und Türkisch kann? Der Absatz vor dem Zitat deutet darauf hin. Kann mensch auch fordern. Aber so zu tun, als ob alle Migrant_innen die gleiche Sprache sprechen würden (ausser natürlich Deutsch) zeugt nicht gerade von Nachdenken.

Aber es geht gar nicht um migrierte Menschen, wie die weiteren Ausführungen zeigen: "Dass das aber nicht möglich ist, liegt an der Zusammensetzung des Bayerischen Landtags. Kein einziger der 187 Abgeordneten ist das Kind oder der Enkel von Gastarbeitern."

Den 'Gastarbeitern' wird Politik wohl gar nicht zugetraut, also muss auf deren Kinder und Enkel zurückgegriffen werden. Warum aber sollen die eine andere Sprache als die in Deutschland gelehrten fließend sprechen können? Oder dürften nur die, die das können, Integrationsbeauftragte werden? Damit sie mit den 'Gastarbeitern' aus der Türkei (das sind wohl die zu Integrierenden) in deren Sprache (die nicht Deutsch sein kann) reden können?

Und dann wird nochmal so eben mit Verweis auf die vorhandenen Arbeitsplätze behauptet: "Anders als in anderen Regionen Deutschlands sind die meisten Migranten in Bayern extrem gut integriert."

Als ob es bei der Integrationsdebatte um Integration in den Arbeitsmarkt ginge. Als ob es möglich wäre, den Status integriert zu bekommen.

Symbolpolitik auf allen Seiten.

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Donnerstag, 5. Juli 2012
Für Niederländer
Letzte Woche war ich auf der Konferenz Digital Crossroads in Utrecht. Eine wirklich gute Konferenz. Sehr international mit Teilnehmenden von allen fünf Kontinenten. Mit sechs überwiegend beeidruckenden Keynote-Referentinnen. Nur die Technik und das Mobiliar haben nicht so ganz mitgespielt. Das Mobiliar sagte eine aus dem Team der Organisator_innen sei für Niederländer gemacht - auf ihre Größe ausgelegt.



Um genauer zu sein: für weiße männliche Niederländer_innen. Das scheint die Masseinheit für Stehpulte und ähnliches zu sein. Viele der nicht-weißen, nicht-männlichen Referent_innen hatten Schwierigkeiten über das Pult zu schauen bzw. gesehen zu werden.

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Mittwoch, 29. Februar 2012
Zum Muslim gemacht
Im taz berlin-Interview beschreibt der Gemeindevorsitzende der Sehitlik-Moschee Ender Cetin wie er zum gläubigen Muslim wurde:

"Das Interesse kam durch die Suche nach meiner eigenen Identität. Ich bin in Nordneukölln aufgewachsen und habe dort auf dem Gymnasium Abitur gemacht. Die Lehrer oder auch Eltern von Mitschülern fragten andauernd nach der Religion, ständig wurde ich auf den Islam angesprochen und musste mich als Muslim rechtfertigen, auch in Verbindung mit politischen Themen. Da muss man sich dann irgendwann positionieren. Ich weiß nicht, ob ich mich mit dem Islam zu befasst hätte, wenn mich nicht dauernd Leute danach gefragt hätten. "

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Sonntag, 25. Dezember 2011
Gewalt mit Migrationshintergrund?
Die taz berichtet über zunehmende Gewalt gegen Schiedsrichter_innen im Berliner Fußball. Es geht darin auch um die Ursachendebatte, die zum Teil mit Hilfe von rassistischen Bildern geführt wird:

"Während Sprecher Kevin Langner weder einen "Trend noch andere Tendenzen" erkennt, meint Wehling, häufig sei "ein Migrationshintergrund dabei, das tut weh, das zu sagen"."

Was soll das heißen, häufig sei ein Migrationshintergrund dabei? So wie das hier verbunden wird, erscheint es als ob der Migrationshintergrund als Gewaltursache suggeriert wird. Ich vermute mal einfach, dass häufig auch das Geschlecht Mann sowie das Hobby Fußball dabei ist. Aber auch das dürfe als Ursache für Gewalt nicht ausreichen, ein bisschen mehr Analyse wäre hilfreich.

Ein bisschen mehr 'Anlayse' wird dann im Artikel auch noch geliefert: "Der Chef der Verbandsgerichts, Jürgen Lischewski, wird deutlicher: "Wenn jemand sagt: ,Ich ficke deine Mutter', dann sehen die Menschen mit Migrationshintergrund rot, das ist einfach so.""

Ist das so? Na dann. Die ohne Migrationshintergrund finden die Aussage wahrscheinlich toll. - Die Frage, die ich mir hier stelle, ist, warum wird überhaupt beleidigt. Wer beleidigt wen wie? Wie wird das sanktioniert?

Lischewski scheint überhaupt ein großer Analysierer zu sein: "Immerhin sei 21 Jahre nach dem Mauerfall die Ost-West-Problematik zu vernachlässigen, führt der 67-jährige Notar aus."

Was er uns damit wohl sagen will?

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