Sonntag, 25. Januar 2015
Wieviele demonstrieren?
Zwischen Polizei und linken Demonstrant_innen gibt es selten eine Übereinstimmung darüber, wie viele nun auf einer Demonstration waren. Die Linken gehen in der Regel davon aus, dass sie mehr waren als die Polizei gezählt hat. Bei den Pegida-Demonstrationen gibt es auch wieder Unstimmigkeiten über die Anzahl der Demonstrierenden. Und zwar wieder zwischen Linken und der Polizei. Diesmal wundern sich Demo-Beobachtende immer wieder über die hohen Schätzungen der Polizei. Jedes mal werden es mehr. Vor Weihnachten sollen es 17.500 gewesen sein, danach 18.000 und dann 25.000 wenn ich mich recht erinnere.

Es sind aber nicht nur linke Aktivist_innen, die die Zahlen in Frage stellen. Eines der Forschendenteams, die versucht haben Pegidisten zu befragen hat zwar nicht wirklich Aussagen zu den einzelnen Demonstrierenden bekommen, bezweifelten letzte Woche aber laut tagesschau.de die Polizei-Schätzungen:

"Die offizielle Teilnehmerzahl der Polizei halten die Wissenschaftler um Rucht ohnehin für zu hoch gegriffen. Laut ihren Erhebungen mobilisierte Pegida am vergangenen Montag nicht 25.000, sondern allenfalls 17.000 Demonstranten."

Und nach der Legida-Demonstration in Leipzig haben sich Pressefotograf_innen laut Spiegel Online daran gemacht, mal nachzuzählen, wieviele denn da waren. Sie kamen auf viel weniger als die 15.000, die die Polizei geschätzt hat:

"Damit wäre die Gesamtzahl der Teilnehmer kurz vor Beginn der Demonstration maximal 4270 gewesen."

Der Fachstchaftsrat Soziologie der Uni Leipzig kam zu einem ähnlichen Ergebnis:

"Nach unseren Schätzungen haben an der Legida-Demonstration am 21. Januar maximal 5000 Leute teilgenommen."

Diese eklatant unterschiedlichen Schätzungen sind wichtig (auch wenn ich sonst gegen Statistiken wettere). Pegidas Erfolg (wachsende Teilnehmendenzahlen, Berichterstattung, Nachahmer, Reaktionen von Politiker_innen, etc.) ist wesentlich davon abhängig, dass sie als erfolgreich gelten, dass davon ausgegangen wird, dass sie immer mehr Menschen mobilisieren können. Die hohen Zahlen der Polizei helfen also Pegida.

Wenn die Polizei massiv überschätzen sollte, dann müsste untersucht werden, wieso es dazu kommt. Und die Überschätzungen müssten natürlich beendet werden.

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Freitag, 23. Januar 2015
Widerspruch statt Dialog
Stefan Schönfelder von der sächsischen Heinrich-Böll-Stiftung fragt in der taz Wozu Dialog?. In seinem Kommentar setzt er sich mit der Forderung, mit den Pegidisten in Dialog zu treten, auseinander und zählt verschiedene Irrtümer aus. Spannend finde ich insbesondere den dritten Irrtum, dass es um Dialog und nicht Streit gehen solle:

"Wer sich aber mit seinen Überzeugungen in den öffentlichen Raum begibt, der muss Kritik, Widerspruch und auch Streit aushalten und nicht als Zensur absichtlich missverstehen. Die Anhängerschaft von Pegida kann und will keinen Widerspruch aushalten, verzerrt die Auseinandersetzung (Transparente, Gegenkundgebungen oder Sprechchöre) als "Verbot" und inszeniert sich als Opfer von Unterdrückung. Und alle, die Streit und Abgrenzung ablehnen, helfen ihnen dabei. "

Meinungsfreiheit heisst eben nicht Kritikfreiheit. Wer menschenverachtende Meinung vertritt, muss mit Kritik konrontiert werden. Alles andere legitimiert diese Meinung.

Schönfelder wendet sich auch gegen die Einschätzung die Pegidisten wären normale Bürger_innen:

"Normal sind sie im Sinne der weiten Verbreitung rassistischer Ressentiments. Dies zur Normalität im politischen Diskurs zu machen, ist ein brutaler Fehler."

Das finde ich spannend, weil es so selten in den Medien zu lesen ist, aber ein wesentlicher Teil von rassismuskritischer Forschung ist. Ja, Rassismus ist in unserer Gesellschaft normal, Teil unserer Normen. Deswegen funktioniert er so gut und ist so stabil. Die Pegidisten sind insofern normal, unnormal ist nur, dass sie ihn öffentlicher vertreten als das sonst üblich ist. Normal ist also nicht gut, sondern eher normierend und in diesem Fall ausgrenzend. Gegen diese Normalität muss mobilisiert werden.

Schönfelder kommt so zu der klaren Einschätzung:

"Der Kern ihrer Antworten, ihre grundlegende Haltung, ist nationalistisch, völkisch, rassistisch, chauvinistisch und schürt Angst. Ein unmittelbarer Dialog mit Pegida wertet diese auf und bringt keine - gute -Veränderung im demokratischen Klima und Alltag."

In Kritik der Handlungen der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung schliesst er zum Thema politische Bildung:

"Politische Bildung hat den Auftrag menschenrechtsorientierter Demokratiebildung. Deshalb darf sie keine Plattform für menschenverachtende, Grundrechte negierende Propaganda sein. Wenn Dialog zu mehr Demokratie führen soll, ist Widerspruch notwendig."

Dem kann ich nur zustimmen. Politische Bildung muss parteiisch für die Menschenrechte sein.

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Dienstag, 20. Januar 2015
Schrecklich
Unter der Überschrift Eine schrecklich nette Runde kommenteirt Jürn Kruse in der taz eine Jauch-Talk zur Etablierung von Pegida und AfD. Neben Vertreter_innen dieser beider Organisationen waren noch andere Pegida-Versteher anwesend. Die taz fasst zusammen:

"Die Talkshow zeigte: Die Anbiederung an die Protestbewegung hat begonnen."

Ist es eigentlich auch denkbar, dass in einer solchen Talkshow zu Pegida ausschliesslich Muslim_innen, Flüchtlinge, linke Aktivist_innen und Parteienvertreter_innen links der Mitte vertreten sind? Warum nicht, wenn es doch auch Talks nur von Rechten gibt?

So eine Zusammensetzung wie bei Jauch macht mir wirklich Angst.

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Samstag, 17. Januar 2015
Grenzen der Meinungsfreiheit
Nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo schienen sich alle einig: Das war ein Anschlag auf die Pressefreiheit. Satire darf alles. Wir sind alle Charlie. Die Freiheit, satirisch alles kritisieren zu dürfen, muss unbedingt geschützt werden.

Inzwischen sind einige Tage vergangen und die Aussagen und Handlungen sind weniger eindeutig. Allgemein wird zwar noch das Töten verdammt, aber immer häufiger kommt ein aber dazu. Die Meinungsfreiheit wird nicht mehr ganz so hochgehalten.

Der Papst meint laut tagesschau.de, dass man sich über Religion nicht lustig machen dürfe. Und soweit ich das mitbekommen habe, gab es zu dieser Aussage keinen medialen Aufschrei.

Und der Komiker Dieudonne wird laut tagesschau.de in Frankreich unter dem Vorwurf der Verherrlichung des Terrorismus festgenommen. In seinem Fall darf Humor wohl nicht alles. Gut möglich, weil er nicht wirklich witzig sondern eher antisemitisch ist (vgl. Blogbeitrag vom letzten Jahr).

Dass Satire aber einmal alles darf und einmal nicht, ist nicht ganz so leicht zu vermitteln. Vor allem denen nicht, die sich von der einen (als legitim angesehenen) angegriffen und von der anderen (als illegitim verurteilten) angesprochen fühlen. So berichtet die taz von Konflikten an französischen Schulen:

"Für die Erzieher im Bildungssektor ist es konsternierend, dass die Jugendlichen nicht begreifen, dass ein wesentlicher Unterschied besteht zwischen Karikaturen, die sich über Terroristen lustig machen, die im Namen religiöser Phrasen morden, und einem offen antisemitischen Pseudo-Komiker, der schmierige Witze über Millionen Holocaust-Opfer macht."

Der Artikel suggeriert hier, dass der Unterschied einfach zu sehen ist. Ich bin mir da nicht so sicher. Macht sich eine Mohammed-Karrikatur tatsächlich über Terrorist_innen lustig? Oder macht sie sich über die Religion insgesamt lustig? Machten sich die Charlie Hebdo-Karrikturen über die Terroristen oder über Muslime lustig? Wurde durch sie auch antimuslimischer Rassismus reproduziert? Ich kann das nicht wirklich beurteilen, da ich noch keine Charlie Hebdo in der Hand hatte. Von den öffentlichen Diskussionen kann ich aber schliessen, dass es eine beachtliche Zahl von Menschen gibt, die meinen, dass sich die Karikaturen entweder über die Religion lustig machen (was der Papst problematisch findet) oder antimuslimischen Rassismus reproduzieren (was ich problematisch fände).

Hierüber bräuchte es eine differenzierte Diskussion, die auch die Schwierigkeiten der Abgrenzung thematisiert und eingesteht, dass die Abwägung von Grundrechten (Meinungsfreiheit vs. Schutz vor Rassismus) nicht immer einfach ist. Es gilt auch zu schauen, wessen Meinungsfreiheit verteidigt wird und wessen nicht. Über wen alles gesagt werden darf und über wen nicht. Dafür mag es jeweils gute Gründe geben, aber die müssen angegeben und ausgehandelt werden. Es ist nicht so eindeutig, wie der Artikel über die konsternierten französischen Erzieher_innen suggeriert.

Auch Daniel Bax problematisiert in der taz die Verhaftung von Dieudonne:

"Solche Reaktionen sind Wasser auf die Mühlen all jener, die Frankreichs Staat und Gesellschaft vorwerfen, im Umgang mit seinen Muslimen mit doppeltem Maßstab zu messen. "

Mit Reaktionen im Plural meint Bax nicht nur die Aktionen gegen Dieudonne, sondern auch dass bei Charlie Hebdo die Meinungsfreiheit nie grenzenlos war:

"Zur Wahrheit gehört auch, dass es selbst bei Charlie Hebdo nie eine absolute Meinungsfreiheit gab. Vor sechs Jahren warf die Zeitschrift ihren langjährigen Zeichner Siné hinaus, nachdem dieser eine Karikatur von Jean Sarkozy, dem Sohn des damaligen Präsidenten, veröffentlicht hatte, die als antisemitisch kritisiert worden war. "

Bei der Aushandlung der Grenzen von Meinungsfreiheit handelt es sich um einen schwierigen gesellschaftlichen Prozess. Zur Meinungsfreiheit muss es dabei auch gehören, dass die Äußerungen von Anderen kritisiert werden. Charlie Hebdo zu kritisieren, sollte als Teil von Meinungsfreiheit verstanden werden. Die Meinungsfreiheit muss aber da enden, wo Gewalt ins Spiel kommt. Morde sind selbstverständlich nicht Teil von Meinungsfreiheit. Wie weit Reproduktionen von Rassismen Teil von Meinungsfreiheit sind, muss noch weiter ausgehandelt werden. Einfach ist das nicht.

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Dienstag, 13. Januar 2015
Differenziert betrachten
Der taz-Redakteur Daniel Bax, der wenn ich mich recht erinnere auch Islamwissenschaftler ist, hat in der taz einen Kommentar dazu geschrieben, warum sich Terrrorist_innen wie jene in Paris auf den Islam beziehen. Bax bietet dabei eine differenzierte Darstellungen der Entwicklung des Islams und seiner verschiedenen Schulen. Er plädiert dafür die Gegensätze nicht zwischen "westlichen Gesellschaften und den Muslimen [..], sondern zwischen Demokraten und Terroristen" zu sehen. Lesenswert.

Nachtrag 15.01.15: Und noch eine lesenswerte Kolumne in der taz. Rober Misik endet mit:

"Man kann den Islamismus ablehnen, ohne gleich jeden Muslim unter Generalverdacht zu stellen. Man kann den Terrorismus bekämpfen und gleichzeitig die Kopftuchträgerin gegen Anfeindungen in der U-Bahn verteidigen. Man kann den Rassismus bekämpfen, ohne die Gefahr des Islamismus kleinzureden. Man kann auch verstehen, weshalb der Islamismus als Identitätsangebot unter deklassierten jungen Muslimen so attraktiv ist, und ihn dennoch bekämpfen. Man kann für sich die Richtschnur zurechtlegen: Beim paranoiden „Wir gegen sie“ mache ich nicht mit. Wir haben nichts zu fürchten außer die Mutlosigkeit der Vernünftigen."

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Donnerstag, 18. Dezember 2014
Antimuslimische Mythen
Die taz berlin geht dem Mythos nach, dass in Kreuzberg Weihnachtsmärkte verboten seien und kommt zu dem Ergebnis, dass es in Kreuzberg zwar anti-muslimische aber keine anti-christlichen Regelungen gibt.

"Das ist die besondere Ironie des Weihnachtsmarktmärchens: Dass ein Beschluss, der sich in Realität bisher nur gegen den muslimische Ramadan gerichtet hat, als Angriff auf das christliche Abendland umgedeutet wird. Wenn Pegida, Hogesa und CSU wüssten, wie es wirklich ist - sie müssten stolz auf Kreuzberg sein."

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Dienstag, 16. Dezember 2014
Islamisierung des Abendlandes
Gegen die 'Islamisierung des Abendlandes' wollen sich die 'Patriotischen Europäer' wehren. Schon in ihrer Bezeichnung machen sie also klar, dass es bei PEGIDA nicht um rationale Sorgen etc. geht. Es kann ja wohl keine_r ernsthaft behaupten, dass eine Islamisierung Deutschlands bevorsteht. Der Begriff Abendland zementiert zudem den Gegensatz zwischen Europa/Deutschland und dem Orient und ist ein Teil orientalisitischen Otherings. Das hinter PEGIDA antimuslimischer Rassismus steckt ist also offensichtlich.

Diese Bewegung muss ernst genommen werden. Werden wöchentlich Tausende von Menschen auf die Straße gehen, ist das erschreckend. Wenn Gegendemonstrationen viel kleiner sind, ist das noch erschreckender. Die Dresdner Demonstrationen müssen im Kontext all der anderen rassisistichen Demonstrationen gegen Flüchtlinge, Muslime, etc. gesehen werden. Unsere Gesellschaft hat also eindeutig ein Problem und muss sich damit beschäftigen.

Die Sorgen der Demonstrierenden müssen ernst genommen werden, weil sie uns Aufschlüsse darüber geben unter welchen Themen mobilisiert werden kann, welche rassistischen und undemokratischen Ansichten verbreitet sind, etc. Dagegen muss gearbeitet werden auf allen Ebenen (in Bildung, Journalismus, Politik, Wissenschaft, im Alltag). Das heisst aber nicht, dass die sogenannten Sorgen von Politik und Medien in der Hinsicht aufgenommen werden dürfen, dass sie berechtigt sind. Mit Menschen, die anderen Menschen keine Grundrechte zugstehen, kann man nicht in einen offenen Dialog eintreten. Da muss mensch sich klar dagegen stellen.

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Freitag, 26. September 2014
Christliche Krankenhäuser
Krankenhäuser in christlicher Trägerschaft sind ein Problem. Obwohl überwiegend mit öffentlichen Geldern betrieben, darf in diesen Krankenhäusern diskriminiert werden.

Aktuell gerade in den Medien: eine Krankenschwester darf nicht mit Kopfbedeckung arbeiten. Es geht natürlich nicht um die Kopfbedeckung, sondern darum, dass die Krankenschwester muslimisch ist. Und da hat das Krankenhaus dann ein Loyalitätsproblem und kann keinerlei Kopfbedeckung (oder Einsatz im OP-Bereich) zusstimmen (wenn die Ausführungen in der taz so stimmen). Der Anwalt des Krankenhauses sagte:

„Wenn auf einer normalen Station eine einzelne Schwester eine Kopfbedeckung trägt, fällt das doch auf.“

Ja, und? Was ist daran schlimm, wenn jemand auffällt?

Nachtrag am Abend: Der Direktor des deutschen Evangelischen Krankenhausverbands hat der taz ein wenig überzeugendes Interview zum Urteil gegeben.

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Dienstag, 23. September 2014
Distanziert euch!
überschreibt Katajun Amirpur ihren Kommentar in der taz. Darin diskutiert sie die immer wiederkehrenden Aufforderungen die Muslim_innen sollten sich von diesem oder jenen distanzieren bei gleichzeitiger Nicht-Beachtung von Distanzierungen.

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Donnerstag, 16. Januar 2014
Kopftuch
Das muslimische Kopftuch hat interessante Auswirkungen in Deutschland. Es scheint Menschen zu signalisieren, frag mich, was Du willst. Alle Fragen, die Du jemals zum Islam loswerden wolltest, stell sie. Auch wenn es keine Fragen sein sollten, sondern eigentlich Statements.

Die junge Mitarbeiterin des Veranstalters heute abend hat da Klasse darauf reagiert. Als der Typ auf sie zukam und sich alle Rechte des Fragens und Zuschreibens rausnahm, war ich völlig geschockt. Sie aber schien das gut zu kennen. Sie bezog sich ganz auf ihre offizielle Funktion, liess alles Persönliche abperlen und verwies auf das weitere Veranstaltungsprogramm, worin der Fragende sicher auch Veranstaltungen zum Islam finden würde. Damit hat sie ihn tatsächlich zum Verstummen gebracht. Beeindruckend!

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