Nachtrag 09.05.11: In der taz heute ein Hintergrundbericht zur Lage von Roma in Gyöngyöspata.
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Die Nationalpolitiker_innen in der EU scheinen sehr viel weniger 'europäisches Bewusstsein' zu haben. Zumindest ist ihnen Bewegungsfreiheit kein hohes Gut. Die taz berichtet im Zusammenhang mit den tunesischen Migrant_innen in Italien vom Geschacher ums Schengen-Abkommen.
Da ab dem 01.05.11 im ganzen Schengenraum gleiche Rechte gelten werden berichtet die taz Ein Gespenst geht um in Europa. Es scheint das Gespenst, der Osteuropäer_innen zu sein, das uns jetzt überfluten wird oder so. Daher argumentiert die taz in einem anderen Artikel Die meisten sind schon da.
Für mich war die Bewegungsfreiheit immer wesentliches Element des europäischen Bündnisses (das ich auch gerne weiter ausdehnen würde). Ich bin entsetzt, dass die Politiker_innen dies nicht mal mehr diskursiv aufrecht erhalten.
Nachtrag 27.04.11: Die Bewegungsfreiheit nationaler Unternehmen in anderen EU-Staaten mögen die Nationalpolitiker_innen schon, wie die taz berichtet:
"So wenig Paris die Reisefreiheit tunesischer Flüchtlinge schätzt, so viel ist ihm an der Bewegungsfreiheit der eignen Konzerne in Europa gelegen."
Und natürlich stimmt auch mein romantisches Bild der Bewegungsfreiheit in der EU nicht. Die taz hat Hintergrundinformationen zum Schengen-Abkommen zusammengestellt:
"Der Wegfall der Personenkontrollen bei der Einreise von einem Schengen-Staat in einen anderen wurde durch eine Ausweitung polizeilicher Kontrollbefugnisse im Inland und grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit ausgeglichen."
"Mit der Abschaffung interner Schranken und der Freizügigkeit wuchs der Druck der Teilnehmerländer zu verschärften Kontrollen an den äußeren Grenzen, wo der Migrations- und Flüchtlingszustrom am stärksten ist. Zur verstärkten Bekämpfung der illegalen Einwanderung an den äußeren Grenzen des Schengen-Raums wurde 2004 die Agentur Frontex gegründet"
katunia hat mich ausserdem nochmal darauf hingewiesen, dass in Deutschland die Residenzpflicht die Bewegungsfreiheit von ungewollten Menschen auf einen minimalen Radius eingrenzt.
Nachtrag 12.09.11: Die EU will laut taz die Einschränkung der Bewegungsfreiheit für Ungewollte weiter legitimieren.
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"Die konservative Opposition und die regierende Laborpartei versuchen, sich gegenseitig an "Härte" gegen die Flüchtlinge zu übertreffen. Härte bringt Stimmen"
und das Ganze bei recht geringen Flüchtlingszahlen und guten Fluchtgründen:
"Nicht nur verglichen mit der Zahl der in anderen Ländern Asyl Suchenden sind 6.000 Bootsflüchtlinge pro Jahr wenig. Die Zahl der Touristen, die ihre Visumsfrist überziehen, liegt bei 50.000. Doch die meist aus Europa stammenden Besucher werden selten belangt. Wer dagegen den gefährlichen Weg über die Timorsee nimmt, macht von dem international geltenden Recht Gebrauch, in einem Drittland Schutz zu suchen. Das Gros der Ankömmlinge wird vom Australien schließlich auch als asylberechtigt anerkannt. "
Es geht ganz eindeutig um rassistische Ausgrenzung.
Nachtrag 16.05.11: Die taz berichtet wieder über die menschenverachtende australische Asylpraxis:
"Vergangene Woche hatte Canberra eine radikale neue Behandlung von papierlosen Asylsuchenden angekündigt, die per Boot über Indonesien kommend nach Australien wollen: Sie sollten sofort in ein Drittland ausgeschafft werden."
Dafür soll es ein Abkommen mit Malaysia geben.
Nachtrag 01.09.11: Die Print-taz überschreibt ihren Artikel zum Abschiebeverbot nach Malaysia mit "Auch Flüchtlinge haben Rechte".
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Eine solche Aussage habe ich schon von Christ_innen gehört. Ist das nicht auch die offizielle Haltung der katholischen Kirche? Begehren fühlen darf mensch, aber nicht ausleben? Diese Aussage ist also Teil des deutschen Diskurses, die Heteronormativität erhalten will. Das Zitat stammt aber von einem muslimischen Prediger oder "islamistisch" wie die taz schreibt. Die schreibt auch:
"Der islamistische Prediger mit jamaikanischen Wurzeln wird ausgewiesen - weil er "geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören"."
Könnte das auch einem christlichen (fundamentalistischen) Prediger passieren? Bestünde die Gefahr, dass der Papst ausgewiesen würde, wenn er ähnliches sagte? (Zu Protesten gegen den Papstbesuch in Berlin siehe sonntaz-Gespräch.)
Ausweisung scheint mir kein sinnvoller Umgang mit der heteronormativen Homophobie.
Nachtrag 09.05.11: Laut dem schwulen Theologen David Berger, der nicht mehr lehren darf, im taz-Interview krtitisiert die katholische Kirche nicht nur gleichgeschlechtliche Sexualität:
"was sich in der katholischen Kirche spätestens seit dem Pontifikatswechsel 2005 abzeichnet: eine Radikalisierung der Positionen im Hinblick auf Homosexualität. Viele sind aus Karrieregründen konservativer geworden. Nicht mehr "nur" die ausgeübte Sexualität wird als Sünde betrachtet, sondern schon die Veranlagung an sich wird verurteilt."
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"Das Leben als Gehörloser ist in Deutschland verdammt einsam, man wird immer wieder angestarrt und weggeschickt. Wenn ich in England oder den USA gebärde, wird damit ganz anders umgegangen. Auch in Schweden und in Finnland arbeiten viel mehr Gehörlosendolmetscher, und die Gebärdensprache ist dort als Amts- und Unterrichtssprache anerkannt. Aber hier werde ich ständig angestarrt, wenn ich gebärde. In Sachen Toleranz und Akzeptanz hinkt Deutschland noch weit hinterher."
Gut daß es Menschen wie ihn, Blogs wie meinaugenschmaus und andere Aktivist_innen gibt, die gegen die Ausgrenzung gehörloser Menschen in Deutschland arbeiten.
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Kann ich daraus, welche Temperatur ich fühle, ableiten zu welchem Geschlecht ich gehöre? Wenn meiner Freundin schneller kalt ist als mir, bin ich dann ein Mann?
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Rassistische Bilder stecken einfach tief drin - und damit ist die Rassismusreproduktion auch immer schnell da.
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Aber selbst von ökonomischen Argumenten lassen sich konservative Politiker_innen nicht beeindrucken:
"Die Bundesbeauftragte für Migration, Maria Böhmer (CDU), unterstützt den Vorschlag: "Der eingeschlagene Weg einer gesteuerten Zuwanderung muss ausgebaut werden", sagte die Staatsministerin. Als Kriterien nannte sie Sprachkenntnisse und schulische und berufliche Qualifikationen."
Ich vermute mal, dass die Desintegrationsbeauftragte mit Sprachkenntnissen die Kenntnisse der deutschen Sprache meint. Die wird aber von Hochqualifizierten ganz häufig nicht gebraucht. Das Berufsleben von vielen Hochqualifizierten läuft in Englisch und das Privatleben lässt sich auch in Englisch organisieren. Vorallem sind viele Hochqualifizierte hochmobil. Die Anforderung Deutsch zu lernen, ist nicht gerade ein Anreiz hierher zu kommen.
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"Nur etwa 14 Prozent der Beschäftigten in Pflegeberufen sind männlich, in den ambulanten Diensten sind es nicht einmal 10 Prozent. Nur 2,4 Prozent der Kita-ErzieherInnen sind keine Frauen, es gibt gerade mal 1,7 Prozent Bürokaufmänner.
Der Boys Day soll helfen, das zu ändern. "Er bietet Einblicke in interessante und chancenreiche Berufe, von denen viele Jungs bislang noch gar keine richtige Vorstellungen hatten", hofft Familienministerin Kristina Schröder (CDU)."
Chancenreiche Berufe? Was meint unsere Ministerin für Heteronormativität damit? Das sind lauter Berufe, in denen die Einkommen sehr gering sind, so gering, dass mensch davon eine Familie nicht ernähren kann. Die typischen Berufe für junge Frauen oder Zuverdienerinnen - denn diese haben keine Lobby für angemessene Bezahlung und Arbeitsbedingungen.
Wenn die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen in diesen Berufen besser wären, würden nicht nur mehr Männer diese ergreifen, es würde auch die Situation der arbeitenden Frauen verbessern. (Sie auch Leser_innenbrief: Unattraktive Berufe.
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"Blitz! Es blitzt hier ständig. Sieht für einen Fotografen natürlich toll aus, wenn eine Kopftuchtragende (!) Frau (!) neben dem eben genannten Kopftuchtragenden Mann und dem anderen mit der Halbglatze/langen Haaren sitzt. Alle konzentriert am Laptop. Wie cool. Ich komme mir ganz schön blöd vor als Quotentürkin/muslimin/frau/kopftuchträgerin/... . Ein realistischeres Re:Publica-Bild wäre ein Haufen "weiß" mit komischen Frisuren. Und einigen geschniegelten Yuppies dazwischen."
Die Autorin des taz-Artikels war glaube ich bei unserem Panel als Zuhörerin dabei als Kübra von dem Fotografieren erzählt hat.
Nachtrag: Kübra hat einen Scan des Bildes gepostet.
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Wie offen ist die deutsche Blogosphäre?
Deutsche Blogsphäre - das sagt mir nichts. Ich blogge, aber bin wenig auf anderen Blogs unterwegs, fühle mich nicht als Teil einer Gemeinschaft, der Blogosphäre. Daher gingen auch viele der Fragen an mir vorbei. Ich konnte mit ihnen nichts anfangen. Mein Blog ist ein Medium für meine rassismus- und heteronormativitätskritische Arbeit, aber nicht ein Zweck an sich. Ich freue mich, wenn er gelesen wird und wenn Kontakte darüber entstehen. Aber darüber freue ich mich auch bei anderen Publikationsformen, in der Lehre, bei Vorträgen, in Trainings, etc. Insofern ist es naheliegend, dass mich das Treffen der deutschen Blogosphäre, die re:publica nicht sonderlich interessiert.
Nichtsdestotrotz: zu der Frage will ich trotzdem etwas beitragen.
Zuerst stellt sich mir die Frage, wer will aus welchen Gründen, dass die deutsche Blogosphäre offen ist? Und zweitens, für wenn soll sie offen sein? Für Menschen mit Marginalisierungserfahrung durch Rassismus, Klassismus, Ableism, Heteronormativität, etc.? Oder einfach für alle? Auch für Nazis? Was ist das Ziel der Offenheit?
Ich nehme mal an, es geht um den Zugang der Marginalisierten. Und schreibe dazu mehr.
Hier stellt sich dann erstmal die Frage des Zugangs, was unter digital divide besprochen wird. Ich vermute, dass die meisten Menschen in Deutschland, einen Internetzugang nutzen könnten, wenn nicht zu hause, dann in Internetcafes oder öffentlichen Einrichtungen. Der rein technische Zugang ist vermutlich weniger das Problem. Wohl aber andere Ressourcen: habe ich genug Zeit dafür, verfüge ich über ausreichendes Wissen und die notwendigen Medien- und Sprachkompetenzen, gibt es Angebote, die mich ansprechen. Hier spielt auch (fehlende) Barrierefreiheit in verschiedensten Formen eine Rolle.
Die Stimme erheben können in der Blogosphäre viele, die Frage aber ist, wer wird wahrgenommen. Das hängt davon ab, in welchen Netzwerken mensch ist, über welches soziale Kapital mensch verfügt und wie anschlussfähig die eigenen Themen für andere sind. Hier verfügen Marginalisierte in der Regel über weniger Ressourcen als andere und werden schon aus diesen Gründen weniger wahrgenommen.
Zudem ist die deutsche Blogsphäre Teil der deutschen Gesellschaft und mit den gleichen Machtverhältnissen durchzogen. Wenngleich auch die Bloger_innen sicher etwas junger, technikaffiner, etc. sind als die Gesamtgesellschaft. Aber auch sie sind durch die heteronormativen, rassistischen, klassistischen, ableistischen, etc. Strukturen unserer Gesellschaft gepräggt und (re)produzieren diese auch (zumeist ungewollt) online. Diese Machtverhältnisse bestimmen, welche Themen angesagt sind, wem welche Kompetenz zugesprochen wird und was als Nischenthema, etc. wahrgenommen wird. Die Offenheit der Blogosphäre ist also durch die Machtverhältnisse in unserer Gesellschaft begrenzt.
Und trotzdem bleibt die Möglichkeit, die Stimme zu erheben, sich eine eigene Öffentlichkeit herzustellen, die offline häufig schwerer herzustellen ist, und sich mit anderen Marginalisierten zu vernetzen, was offline auch häufig schwieriger ist. Das Internet und die Blogosphäre hat damit erhelbliches Potential für marginalisierte Stimmen und für neue Bündnisse.
Öffentlichkeit ist aber auch mit Gefahren verbunden. Wer aus marginalisierter Position die Stimme erhebt und die Verhältnisse anprangert, öffnet sich auch für Gegenangriffe, für rassistische, heterosexistische, klassistische, ableistische, etc. Angriffe. Sich dem zu stellen, braucht viel Kraft. Denn diese Angriffe müssen ja auch offline ständig ausgehalten werden. Anonymität im Netz bietet hier einen gewissen Schutz (und auch Irritationspotential wie Sebastian angesprochen hat). Anonym lassen sich allerdings die Bilder über Blogger_innen schlechter brechen (wie Kübra betont hat).
Marginalisierten zu sagen, dass es doch ihre eigene Verantwortung sei, dass ihre Stimme wahrgenommen wird, ist eine höchst machtunkritische Perspektive. Selbstverständlich kümmern sich Marginaliierte selbst um ihre Interessen, sie erheben ihre Stimme, aber gegen dominante Machtverhältnisse können sie alleine nur wenig ausrichten. Zudem müssen sie ihre knappen Zeit- und Kraftressourcen auch selbstschützend einsetzen. Solidarität und Unterstützung von Menschen in privilegierteren Positionen sind nötig, damit sich in der Gesellschaft etwas ändert. Und diese Solidarität und Unterstützung erfolgt im Ideal, ohne dass eine Dankeschön erwartet wird. Anderenfalls ist es eine paternalistische Geste, bei der die als hilfsbedürftig Konstruierten ihren Helfer_innen danken müssen.
Ich könnte mich natürlich mehr in die deutsche Blogsphäre einbringen, mich mehr vernetzen. Aber gerade sind meine Prioritäten woanders. Mir geht es darum in Forschung, Lehre, Trainings und beim Bloggen Menschen rassismus- und heteronormativitätskritische Perspektiven näherzubringen. Und dabei entscheide ich selbst, auf welche Themen ich mich einlasse, was ich dabei kostenlos mache und wo meine Grenzen für kostenlose Bildungsarbeit sind.
Danke an Kübra und Sebastian! Aus der Diskussion mit Euch habe ich vieles Mitgenommen.
Wir haben gesprochen. Und verhältnismässig wenige haben zugehört (natürlich nur quantitativ gesprochen). qed
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Aber wieso? Warum müssen Menschen aus einer (relativen) Dominanzperspektive sich verkleiden und dann darüber berichten, wie sich das so angefühlt hat? Es gibt doch genug Menschen, die ohne Verkleidung genau das erleben und nicht nur mal kurz während der Verkleidung. Sie sind die Expert_innen. Warum lassen die Medien nicht sie zu Wort kommen? Warum sollten die sich verkleidenden Reporter_innen die besseren Berichterstatter_innen sein?
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