Mittwoch, 13. April 2011
Mehr zur (gespaltenen) Festung Europa
Italien hat einen Deal mit der neuen tunesischen Regierung geschlossen (siehe taz), damit diese die weitere Migration nach Italien unterbindet. Teil dieses Deals ist, dass die schon angekommenen Migrant_innen einen Aufenthaltstitel bekommen und sich frei bewegen können. Das führt dazu, dass die weiter entfernten europäischen Länder aufschreien, weil sie Angst haben, dass Migrant_innen bis zu ihnen kommen werden. Deutschland droht jetzt mit verstärkten Grenzkontrollen berichtet die taz. Deutsche Politiker_innen meinen:

"Die Visa-Pläne der Italiener seien "rechtswidrig" und eine "klare Erpressung der anderen EU-Länder"."

tagesschau.de fragt einen Juristen, was rechtmässig ist und was nicht. Und tatsächlich reicht die Bewegungsfreiheit in Schengen nicht weit:

"Die rechtlichen Regeln, niedergelegt in den Artikeln 18 und 21 des Schengener Übereinkommens, wurden erst im Jahre 2010 angepasst. Damals hat man sichergestellt, dass solche nationalen Visa nicht automatisch für das gesamte Schengen-Gebiet gelten. Die anderen Mitgliedsstaaten bleiben also berechtigt, die Einreise unter bestimmten Umständen zu verweigern, etwa wenn die betroffene Person nicht über hinreichend Geld verfügt."

Sehr weit scheint die europäische Vereinigung noch nicht gekommen zu seien. Nationale rassistische Überlegungen bleiben weiter dominierend. Trotzdem sind aber die Grenzkontrollen nicht angemessen, wie der Jurist erklärt:

"Für eine umfassende Wiedereinführung der Grenzkontrollen müsste eine schwerwiegende Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit gegeben sein."

Aber um die Rechtmässigkeit von rassistischen Ausgrenzungen kümmern sich EU-Politiker_innen in der Regel wenig. Aber die deutschen versuchen sich noch ein humanitäres Feigenblatt zu schaffen wie die taz berichtet:

"Innenstaatssekretär Ole Schröder sagte dem SWR, unter bestimmten Voraussetzungen sei Deutschland bereit, Bürgerkriegsflüchtlinge aus Libyen aufzunehmen."

In einem anderen taz-Artikel werden diese "bestimmten Voraussetzungen" etwas klarer:

"Deutschland will 100 [von 1000 auf Malta, u.]von ihnen übernehmen, vor allem Flüchtlinge aus Eritrea, verlautete aus Delegationskreisen. Es müsse noch geklärt werden, ob die Asylverfahren von deutschen oder maltesischen Behörden durchgeführt würden. Die ersten Flüchtlinge könnten dann in den kommenden Wochen in die Bundesrepublik einreisen, hieß es. "

Das ist doch mal wieder eine Heldentat. Großzügig nehmen wir vielleicht 100 Menschen auf, dann ist aber unsere Kapazität auch erreicht.

Nachtrag 13.04.11: Mehr zu den geplanten Kontrollen in der taz. Per Schleierfahndung werden verdächtige Personen (nach rassistischen Kriterien) überprüft. Die deutschen Behörden wollen dann die Visawürdigkeit nochmal untersuchen.

Nachtrag 22.04.11: Die taz berichtet über die Einstellung einer Bahnverbindung durch Frankreich, um die Einreise von Tunesier_innen zu verhindern, und darüber wieviel Geld Tourist_innen dabei haben müssen, um in EU-Länder zu reisen:

"Der Ausländer darf keine Gefahr darstellen, er muss gültige Papiere haben und er muss ausreichende Mittel für seine Reise nachweisen. Die Summen unterscheiden sich je nach Land. In Deutschland sind 45 Euro pro Tag die Regel. In Frankreich sind es 62 Euro pro Tag; wer eine Unterkunft hat, muss nur die Hälfte nachweisen."

Wenn das mich als deutsche Staatsbürgerin auch betroffen hätte, hätte ich vieler meiner Reisen nicht unternehmen dürfen.

Nachtrag 18.05.11: Die taz berichtet "Flüchtlingswelle" gibt es nicht.

Nachtrag 21.07.11: Die taz berichtet, dass über 100 Schiffsbrüchige auf dem Mittelmeer von allen europäischen Ländern die Aufnahme verweigert wurde und dass sie dann nach mehreren Tagen von Tunesien aufgenommen wurden.

Nachtrag 11.03.12: Die taz berichtet, dass sieben EU-Länder, die nicht am Mittelmeer liegen, interne Kontrollen wollen, wenn die Mittelmeerländer die Grenzen nicht total dicht machen.

Nachtrag 12.06.12: Die "EU-Innenminister haben sich auf eine "Notfallklausel" gegen Flüchtlinge geeinigt" berichtet die taz . Und Bundesinnenminister Friedrich behauptet, dass die Aushöhlung des Grundgedanken der EU (Abbau der Grenzen innerhalb der EU) "sende ein wichtiges Signal an die Bürger: "Wir sind handlungsfähig dort, wo Eure Sicherheit bedroht ist.""

Meine Sicherheit sehe ich durch Politiker wie Friedrich bedroht.

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Montag, 11. April 2011
Bildungsfern
Die taz berlin berichtet über ein Projekt, dass "Jugendliche nichtdeutscher Herkunft" zu Pflegeassistent_innen ausbildet. Die Jugendlichen brauchen diese Unterstützung, weil sie durch rassistische Ausgrenzungen von Ausbildung fern gehalten werden.

""Viele haben schlechtere schulische Ergebnisse. Aber auch bei guten Ergebnissen erleben sie Benachteiligung bei der Ausbildungsplatzsuche", so Rüffers."

Zudem hält ein unsicherer Aufenthaltsstatus von Bildung fern:

"Lebensmitteltechnologie wollte er studieren, aber sein Aufenthaltsstatus verbot ihm die Aufnahme eines Studiums."

Die Ausbildung zu wenig qualifizierten und schlecht bezahlten Pflegeassistent_innen wird kulturalistisch begründet:

"Der Krankenhausbetreiber Vivantes als Ausbilder für Pflegeberufe habe sich als Kooperationspartner angeboten, weil "in dieser Branche die besonderen Kompetenzen von MitarbeiterInnen nichtdeutscher Herkunft erkannt und gebraucht werden", so Rüffer: "Die Zahl alter und pflegebedürftiger Menschen, auch Migranten, steigt enorm. Wer soll denn die Berliner künftig pflegen, wenn nicht sie?""

So schafft sich der Staat gut auszubeutende Arbeitskräfte, die schlechte Arbeitsbedingungen und niedrigen Lohn in Kauf nehmen müssen, und eine wichtige Versorgungslücke schliessen.

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Blick auf die Festung Europa
Aus einem taz-Artikel über Tunesien:

""Europa spricht immer vom freien Warenverkehr, blockiert aber die Reisefreiheit. Das ist eine völlig falsche Priorität. Die EU muss das überdenken", sagt der Soziologe Mahdi Mabrouk, ein Vertreter des "Komitees für die Realisierung der Ziele der Revolution" aus Tunis"

Was soll sich frei bewegen und was nicht? Wie lässt sich das mit der EU-Philosophie begründen?

""Wir sind auf uns allein gestellt und haben 163.000 Bürgerkriegsflüchtlinge aus Libyen gerettet", heißt es in dem Papier des tunesischen "Forums für wirtschaftliche und soziale Rechte". In Italien hingegen seien seit der Revolution gerade einmal 15.000 Tunesier angekommen. "Das ist keine Katastrophe und auch keine strukturelle Migration.""

Was wird warum zum Problem? Was wird als selbstverständlich angesehen?

"Auch die beiden Tunesier Abdelbassete Jenzeri und Mohamed Amine Bayoudh sind derzeit in Berlin. Die Fischer hatten im August 2007 über 40 schiffbrüchige Papierlose gerettet und nach Lampedusa gebracht. Zwei Jahre später wurden sie in Sizilien zu je zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie sich der Anweisung der Küstenwache widersetzt und in italienische Hoheitsgewässer eingedrungen waren.

[...] Seit dem Prozess gegen uns haben die Fischer und Seeleute Angst", sagte er. "Wer Schiffbrüchige aufnimmt und nach Italien bringt, riskiert bis zu 14 Jahre Haft wegen Schlepperei. Kaum jemand traut sich da noch zu helfen.""


EU zwingt zur unterlassenen Hilfeleistung mit Todesfolge. Sind das abendländische Werte?

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Samstag, 9. April 2011
Internetsperren oder Rassismus
Die taz berichtet, dass die Regierung nun doch kein Internetsperren will und verweist dabei auf eine Abmachung unter den Regierungsparteien:

"Im Gegenzug stimmten die Liberalen der Einrichtung einer Visa-Warndatei zu."

Über das eine wurde viel in den Medien gejubelt, die rassistische Exklusionspolitik wurde aber nicht weiter thematisiert (für ältere Diskussion siehe z.B. hier).

Nachtrag 18.05.11: Die taz berichtet, dass der Gesetzentwurf für die Visa-Warndatei jetzt vorliegt. Christian Rath gratuliert in einem Kommentar der FDP:

"Die Visawarndatei hat die Union also teuer erkauft. Dafür gebührt der FDP Respekt. "

Ich verstehe nicht, wieso es so wenig Verurteilung der Visawarndatei gibt. Wenn Daten von Dominanzdeutschen gesammelt werden, dann gibt es einen kollektiven Aufschrei (der Linken). Wenn Daten von 'Ausländer_innen' gesammelt werden, dann kann das schon mal als ein Preis für Internetfreiheit durchgehen. Dabei lässt sich leicht ausmalen, dass die Visawarndatei in den nächsten Jahren ausgeweitet wird, 'Ausländer_innen' immer mehr überprüft werden und immer weniger einreisen dürfen.

Das diese rassistische Ausgrenzungspolitik viel Geld kostet, scheint auch niemanden wirklich zu stören. Die taz berichtet:

"Die Warndatei soll beim Bundesverwaltungsamt in Köln eingerichtet werden. Dort sollen 46 neue Stellen entstehen. Die Regierung rechnet mit Kosten von 6,9 Millionen Euro für die Einrichtung und 4,2 Millionen Euro für den laufenden Betrieb. Für den Anti-Terror-Abgleich werden weitere Kosten in noch unbekannter Höhe entstehen. "

Mehr Informationen zur Visa-Warndatei auf migration-info.

Nachtrag 04.12.11: Die taz schreibt in ihrer Kurzmeldung zur beschlossenen Visa-Warndatei: "Die Vergabe von Visa soll sicherer werden. "

Es fehlt jegliche kritische Auseinandersetzung mit dem Beschluss.

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Freitag, 8. April 2011
Roma-Tag
tagesschau.de bringt einen Bericht zum Roma-Tag. Im Mittelpunkt steht zwar die Perspektive der Kommunen, aber durch den Bericht kann die Leser_in trotzdem einen Blick auf die nach wie vor herrschende strukturelle Ausgrenzung von Roma nicht nur in Osteuropa sondern überhaupt in der EU und in Deutschland bekommen. Die rechtlichen Regelungen und das Nichthandeln des Staates werden die antiziganistischen Bilder (re)produziert. Und die Menschen leiden ganz konkret darunter.

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Donnerstag, 7. April 2011
Vizekanzler aus Vietnam
Die taz stellt heute den zukünftigen FDP-Parteivorsitzenden und Vizekanzler Philip Rösler auf zwei Seiten vor. Die Autorin thematisiert dabei auch immer wieder die 'Herkunft' von Rösler (vgl. ältere Berichte). Sie geht davon aus, dass seine Migrationsgeschichte für ihn prägend sein muss, auch wenn er das Gegenteil behauptet:

"Und das alles soll keine Spuren hinterlassen haben? Es ist nicht leicht, mit Philipp Rösler über diese sehr privaten Dinge zu sprechen. Er, [...] wird wortkarg, wenn er sagen soll, inwiefern seine Kindheit, das Nichtwissen um die leiblichen Eltern und die Zerrissenheit der Ziehfamilie seinen persönlichen wie politischen Kompass geprägt haben. "Mir hat nie etwas gefehlt", sagt er bloß, "ich hatte nie das Gefühl, mir würde eine Mutter fehlen oder leibliche Eltern." [...]

Aber Konflikte? Vorwürfe gar, ihn, das Adoptivkind, aus seinem Kulturkreis herausgeholt und damit auch Diskriminierungen ausgesetzt zu haben? Ihn mit dem Wunsch, ein Kriegskind zu retten, zugleich um das Wissen um die eigene Identität gebracht zu haben? Hat es nicht gegeben, niemals, beteuert Philipp Rösler."


Auch andere schreiben Röslers Herkunft eine Rolle zu, so der "politische Ziehvater" Walter Hirche:

"Andererseits kam manches im Leben von Philipp Rösler früher als bei anderen. Vielleicht auch deswegen, weil der Ehrgeiz, zu bestehen, bei ihm die Zögerlichkeit überwog. Und das, vermutet Hirche, könnte auch mit seiner Herkunft zu tun haben: "Ich könnte mir vorstellen, dass seine extrem höfliche Art des Umgangs damit zusammenhängt, dass er einfach nicht den robusten Auftritt haben kann wie jemand, der ausschließlich hier aufgewachsen ist und sich nie die - möglicherweise auch verunsichernden - Fragen nach den Wurzeln stellen musste." "

Sein sozialer Vater wiederum thematisiert weniger die Herkunft als die Realität des als Anders wahrgenommen werden. Er begründet den Widerstand seines Sohnes gegen einen Lehrer, der für die Republikaner Stadtrat wurde, wie folgt:

"Es war das erste Mal, dass Philipp bewusst dachte, Mensch, du siehst ja auch anders aus. Wenn Typen wie dieser Lehrer Macht bekommen: was passiert dann eigentlich - mit dir?"

Hier wird - wenn auch nicht mit dem Begriff - die Realität des Rassismus in Deutschland angesprochen. Die sich auch im taz verboten widerspiegelt. verboten legitimiert mal wieder seine Rassismusreproduktionen damit, dass es sich von diesen distanziere. (Vgl. Rassismusreproduktionen zu 'Asiat_innen' in taz-Werbung).

Rösler derweil scheint strategisch mit den Zuschreibungen umzugehen:

"der in Reden gern mit seiner vietnamesischen Herkunft kokettiert, für Vergleiche stets asiatische Sprichwörter heranzieht und bei öffentlichen Auftritten keine Gelegenheit auslässt, scherzhaft darauf hinzuweisen, er komme "ein bisschen weiter aus dem Süden", nämlich aus Bückeburg"

Nachtrag 11.09.13: Zur Diskussion im taz hausblog, die ich nur überflogen habe und in der mein Blog zitiert wird: Ich finde es einen Unterschied, ob jemand auf eine angenommene Herkunft ferstgelegt wird oder ob jemand über Rassismuserfahrungen befragt wird. Letzteres finde ich durchaus sinnvoll.

Nachtrag etwas später: danger! bananas hat einen nachdenkenswerten Kommentar zum taz-Interview mit Rösler geschrieben.

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Dienstag, 5. April 2011
Multikulti-Anfrage
Gestern bekam ich die Anfrage einer lesbischen Zeitschrift:

"Für unseren Heftschwerpunkt „Multikulti“ machen wir eine Kurzumfrage unter Lesben mit verschiedenen kulturellen Hintergründen. Es wäre toll, wenn du mitmachst. Wir möchten in kurzen Stichworten von dir wissen, wie du deine Lebenssituation in Deutschland als Lesbe und als eine, die einen nicht - oder nur teilweise – deutschen Hintergrund hat, einschätzt.
Unsere Fragen:
Zunächst persönliche Daten: Dein Name, Alter, Beruf, Wohnort in Deutschland (ggf. seit wann), dein Multikulti“-Hintergrund, wo bist du aufgewachsen, woher sind eine Eltern, welches ist deine Muttersprache und/oder ggf. zweite Sprache
Was ist an dir persönlich „multikulti“? (das kann von kulinarischen Vorlieben bis zu politischen Einstellungen gehen)
Was sind für dich die positiven Aspekte daran?
Und was sind negative Aspekte daran?"


Wo soll ich da anfangen? Das ist so viel, was dekonstruiert werden müsste. Negativ sind definitiv solche Anfragen. Aber das hängt weniger mit Multikulti und mir zusammen, sondern mit der Anfrage.

Nachtrag 01.09.11: Bin ich froh, dass ich da nicht mit gemacht habe. Inzwischen habe ich mir die L-MAG Mai/Juni 2011: Schwerpunktthema Multikulti: In allen Farben lesbisch angesehen und die ist so schlimm wie die Anfrage angedeutet hat.

Am allerschlimmsten ist die die Rubrik 'Psycho' unter dem Titel "Immer Ärger mit der Fremdenfeindlichkeit". 'Didem aus Hamburg' berichtet über doppelte Diskriminierung als 'Migrantin' und 'Lesbe' und 'Frau Dr. Schulze' kommentiert doch tatsächlich:

"Ein Glück, dass du bisher nur mit Worten verletzt wurdest, auch wenn diese nicht entschuldbar sind. Einige Frauen sind vielleicht einfach nur unsicher und stellen in ihrer Neugier die falschen Fragen. Um Klischees zu entschärfen, musst du dich aber auf Diskussionen einlassen - auch wenn das auf Dauer aufreibend ist."

Unter der Überschrift Fremdenfeindlichkeit ist ganz offensichtlich nichts Rassismuskritisches zu erwarten, sondern Fremdefestschreibendes und Rassismusverharmlosendes.

Ich hatte der Redaktion übrigens angeboten, dass sie mich zu Fragen der Verflechtung von Rassismus und Heteronormativität fragen können.

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Montag, 4. April 2011
Selbstmord vor Abschiebung
Die taz berichtet über einen Menschen, dem ein ordentlicher Aufenthaltstitel in Deutschland über 15 Jahre verweigert wurde, der die ganzen Jahren unter den unmenschlichen gesetzlichen Regelungen leben musste und der sich nun vor der angekündigten Abschiebung umgebracht hat.

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Integration durch Radfahren
Alternative Verkehrspolitik ist mir ein wichtiges Anliegen. Die Förderung von Radverkehr finde ich höchst wichtig, aber den aktuellen Vorstoss des ADFC finde ich mehr als seltsam. Die aktuelle radzeit (als pdf) des ADFC steht unter dem Titel Migration (via taz). Im Artikel "Migrant such Fahrrad" versucht Chefredakteurin Kerstin Finkelstein das Schwerpunktthema zu motivieren und stellt seltsame Thesen auf:

"Die große Mehrheit der russischen, arabischen
und türkischen Migranten fährt nicht Rad und hat auch nicht vor, das in naher Zukunft zu ändern."

"Da sich Stadtplanung im besten Falle an den Wünschen und Bedürfnissen der Bewohner orientiert, wäre es für uns Radler äußerst förderlich, auch die Berliner mit ausländischen Wurzeln fürs Fahrrad zu begeistern."

"Warum also nicht mal ein wenig größer denken? Immerhin werden alle neu in Deutschland einwandernden Menschen in „Integrationskursen“ ganze 645 Stunden geschult. Neben der deutschen Sprache werden dort die Grundzüge unseres politischen und wirtschaftlichen Systems gelehrt. Warum eigentlich nicht auch Radfahren? Schließlich ist Radfahren höchst integrativ"

"Radfahren fördert Partizipation und damit Integration
– auch Kinder aus wirtschaftlich schwachen (Migranten-)Familien, deren Eltern nicht Rad fahren, werden so vor dem Ausschluss aus der Gesellschaft bewahrt, ihr Bewegungsradius erweitert sich, das fördert Neugierde und Bildung."


Vielleicht ist der Artikel ja eine Glosse und alles ist witzig gemeint? Dann wäre der aktuelle Integrationssprech vielleicht schön in seiner Absurdität vorgeführt. Aber irgendwie habe ich nicht das Gefühl, dass es ums Parodieren geht. Ich glaube es geht tatsächlich drum, dass die 'Migrant_innen' nicht Radfahren und es ihre Integration fördern würde, täten sie es.

Bin ich gut integriert, weil ich radfahre? (Oder bin ich keine 'Migrantin', weil ich radfahre?) Bis jetzt hatte ich das Gefühl nicht. Radfahren fand ich bisher immer, grenzt mich von der Dominanzgesellschaft aus. Den diese definiert sich, soweit ich das sehen kann, als Autogesellschaft.

Welche Verbindungen werden hier weshalb gezogen?

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