Montag, 29. November 2010
Terror
Letzte Woche bei einem Seminar in einer ostdeutschen Stadt. Ein Teilnehmer erzählt, dass er am Tag zuvor am Bahnhof in einer Kontrolle geraten ist. Mehrere bewaffnete Polizisten haben ihn nach seinem Ausweis gefragt. (Ausser ihm wurde noch ein anderer nicht dominanzdeutsch aussehender Mensch kontrolliert.) Auf dem deutschen Personalausweis sahen die Polizisten einen Namen, der nicht dominanzdeutsch ist und fragten, ob er Muslim sei. Eine nicht ganz so einfache Frage. Sein Name ist tatsächlich muslimisch, seine Familie war es möglicherweise auch, er ist es nicht. Das den Polizisten klar zu machen, wäre aber zu kompliziert. Und das wollen sie wahrscheinlich auch gar nicht wissen. Der Einfachkeit halber (und weil der den Abend nicht auf der Polizeiwache verbringen will) sagt er, er sei Muslim. Da werden seine Daten zur Überprüfung irgendwohin geschickt. Seine Tasche wird gefilzt. Ganz so einfach will er das aber dann doch nicht so über sich ergehen lassen und sagt, dass er bei der Stadtverwaltung arbeitet. Irgendwann lassen die Polizisten von ihm ab. Sein deutscher Paß und die Arbeit in der Stadtverwahltung, vielleicht auch sein Alter, haben ihn wohl davor gerettet, noch schlechter behandelt zu werden.

Am Wochenende erzähle ich die Geschichte auf einem Familienfest. Ein Verwandter fängt dann an zu sagen, dass er auch der Meinung sei, dass hier keine Moscheen gebaut werden sollen. Andere stimmen darin mit ein. Mein Gegenhalten gegen diese antimuslimsichen Rassismen werden als aggressiv und gesprächsverweigernd klassifiziert. Der Terror ist am Kaffeetisch angekommen.

Mehr zum Thema heute in der taz.

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Ach, sind wir Verwandte? ;-)

Mein Eindruck: Das Bedürfnis, einander die Bestände rassistischen Wissens herzuzeigen - verbreitet als "Integrationsdebatte" bezeichnet - hat durch den jüngsten Terroralarm eine weitere offizielle Legitimation erhalten und bricht sich seitdem noch ein bisschen schneller Bahn.

Aber auch vorher musste bei jeder Gelegenheit, bei jedem vermeintlich harmlosen Gespräch und alle sozialen Klassen (und sicher viele Familien) durchdringend, mit diesem Bedürfnis gerechnet werden, und auch mit der im medialen Dauerstrom gestählten Bereitschaft, rationale Einwände nicht zur Kenntnis zu nehmen und als haltloses Beschwichtigen vermeintlich ganz realer Gefährdungen abzuwehren.

Dieses aggressive Selbstvergewisserungsgespräch aus arglos dahingesagten Ungeheuerlichkeiten, verkniffenen Anspielungen und lügengleichen Verallgemeinerungen entfaltet sich sozialpsychologisch faszinierend und gesellschaftlich erschreckend ungebremst, und das seit vielen Jahren. Also "Terror am Kaffeetisch" gibt's insofern nicht erst seit kurzem, meine ich.

Aber für die geanderten Menschen ist es sicherlich im alltäglichen Terroralarm, wenn die staatlichen und privaten "Organe" noch häufiger und kräftiger zu belästigen angehalten sind, noch eine Stufe unangenehmer als ohnehin.


Sehr gut, dass es Vernunftinseln wie diese Website gibt!

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Ohne Religion und mit mehr Philosophie wäre die Welt besser dran.

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Als kleine Ergänzung zu der Debatte schaut euch mal diesen Clip an: http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/extra_3/videos/extra2733.html Man darf halt nur nicht falsch aussehen in Deutschland....

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oder
dieses schöne bei annalist verlinkte video... http://annalist.noblogs.org/post/2010/11/30/terrrrrorrrisssten/

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Lieber ohne 'Black Face'
Das von katunia verlinkte Video gefällt mir besser. Das von alishamasala verlinkte, will sicher einen guten Zweck erfüllen. Es fällt aber in die gleiche Falle wie Günter Wallraffs Black Face. Wieso verkleidet sich der Reporter als seltsam aussehender Araber? Anschaulicher wäre es gewesen, wenn ein_e ganz normale Kreuzberger_in oder Neuköllner_in, die nicht so Standard-Deutsch aussieht, gegangen wäre.

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Die Reflexhaftigkeit auch, mit der immer sofort "die Moscheen" oder "das Kopftuch" auftauchen, sobald das Wort "muslimisch" auch nur in einem Satz vorkommt, egal, worum es geht!

Ich kannte den Kaffeetisch-Terror auch seit langem, aber seit den letzten Monaten ist es viel krasser geworden, und viel spezifischer gegen Muslim_innen. Und, ja, natürlich wird als "aggressiv" nie der rassistische Spruch wahrgenommen, denn das stimmt ja schon auch irgendwie und kann man nicht so einfach ablehnen und ist ja auch schon eine komplexere Sache und muss man doch auch mal sagen können, ohne dass da gleich, und können wir vielleicht wieder mal alle runterkommen? Wir sind doch heute zum Feiern hier, und es war ja nun wirklich nicht böse von ihm gemeint, und man muss ja nicht gleich anfangen, von rassistisch zu reden. Ok? Also, ich würd jetzt gern noch was essen.

Ich hatte in den vergangenen Monaten teilweise einfach nur noch Angst, vor allen.

Danke für den tollen Blog.

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he, Urmila, schreib doch mal was ueber diese unsaegliche 'Deutschland-taz', das kann ja wohl nicht WAHR SEIN..

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Der Terror ist am Kaffeetisch angekommen - bei mir leider schon vor Jahren am Çaytisch. Da musste ich mir von meiner (heute Ex-)Schwiegermutter (einer zumindest äußerlich aufgeklärt wirkenden Türkin der ersten Gastarbeitergeneration) anhören, was die Serben doch für ein "schmutziges Volk" seien...

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..
man muss das ja zugeben, die taz liest hier mit und lernt, statt wie Kristina Schroeder vom 'Rassismus' gegen deutsche zu reden, spricht man von 'Diskriminierung' von 'deutschen Schuelern', aber unterscheidet man sich in irgendetwas anderem von Schroeder?

"Werden deutsche Schüler dort, wo sie sich in der Minderheit befinden, unterdrückt? Seit auf einer GEW-Tagung in Berlin eine Lehrerin von deutschen Kindern berichtete, die sich nicht auf den Schulhof trauen, sind die Medien an dem Thema dran. Sind deutsche Schüler auch Opfer, haben Pädagogen ihre Situation zu wenig im Blick"

http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/da-muss-man-auf-zack-sein/

Man sieht also, dass es diesen leeren Streit um Worte ja gibt und dass sich Rassismus auch in PC kleiden kann. Und man darf sich auch fragen, ob man die Schroeder'schen Diskurse in der taz nicht dadurch affirmiert, dass man diese Zeitung immer dann zitiert, wenn einmal NICHT die Perspektive der weissen Privatschul-Kreuzberger eingenommen wird und man vor allem schweigt oder allenfalls Sprache bekrittelt, wenn dies der Fall ist.

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Früher nannte man das, was hier mit "Terror am Kaffeetisch" umschrieben wird, Salonfaschismus.

Aber racial profiling ist nun wirklich keine deutsche Besonderheit. Ich habe lange Jahre im "multikulturellsten Land" der Erde gelebt, auch dort ist es gang und gäbe und gehört zum polizeilichen Handwerkszeug.

Im Westen nichts Neues?

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