Freitag, 10. November 2006
Vorurteil
Auf tagesschau.de gibt es heute aus gegebenen Anlass einen Artikel zum Thema Antisemitismus mit der Überschrift Die Geschichte eines Vorurteils. Was für ein unglaublich Verharmlosung! Weder bei Antisemitismus noch bei Rassismus, Islamophobie, Sexismus oder Homophobie geht es um Vorurteile. Das Konzept des Vorurteils unterstellt, dass es tatsächliche Differenzen gibt und frau nur die falschen Vorstellungen darüber hat. Darum geht es aber nicht. All diese -ismen und -phobien sind Differenzlinien, die konstruiert werden, um Machtstrukturen zu legitimieren und zu festigen. Es geht nicht drum, was die 'Juden' machen, sondern dass 'wir' die 'Juden' erst als Kategorie festschreiben und dann ausgrenzen.

Der Rest des Artikels ist nicht wirklich besser:

"Es ist allerdings nicht so, dass derjenige, der antisemitische Stereotype verwendet, auch zwangsläufig Antisemit sein muss. ...

Ein Paradebeispiel dieser Art findet sich bereits im historischen "Berliner Antisemitismusstreit" von 1879: Damals veröffentlichte der liberale Geschichtsprofessor Heinrich von Treitschke einen Artikel, der die Juden angriff und ihnen vorwarf, ihr Verhalten provoziere den Ausruf "die Juden sind unser Unglück"."


Was bitte daran ist nicht antisemitisch?

"Obwohl Treitschke ganz sicher kein gewalttätiger Antisemit war, machten die Nazis seinen Spruch 50 Jahre später zum Motto ihres Hetzblattes "Der Stürmer"."

Soll das heißen, dass antisemitische Einstellungen erst dann antisemitisch werden, wenn sie von Gewalt begleitet werden? Meistens sind die Vordenker von gewalttätigen Ideologien nicht selber gewalttätig. Sie legitimieren durch ihre Schriften aber Gewalt.

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Donnerstag, 9. November 2006
Girl-friend
Ich dachte immer, dass 'girl-friend' in einer Beziehung die Frau bzw. Frauen bezeichnet. Das stimmt - zumindest in Australien - aber nur, wenn es sich um die 'girl-friend' eines Mannes handelt. Da ist bei der Bezeichnung klar, dass er eine erotische Beziehung mit ihr hat. Wenn eine Frau von ihrer 'girl-friend' redet, bedeutet das etwas anderes. Es heißt schlicht, dass es eine weibliche Freundin ist. Die männlichen Freunde heißen bei Männern allerdings nicht 'boy-friend'. 'Friend' ist eindeutig männlich. Meine Mitbewohnerin erklärte mir das heute damit, dass Mädchen halt immer so einen Schwarm Freundinnen um sich haben, das sind dann halt die 'girl-friends'. Wenn aber ich von meiner Freundin sprechen will, dann ist das Wort 'girl-friend' nicht eindeutig, da muss ich schon von meiner 'partner' sprechen, welche dann wieder nicht eindeutig weiblich ist.

Ist das nun eine australische Eigenart der englischen Sprache? Oder gibt es das auch woanders?

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Bei Flüchtlingen ist alles anders
Für sie gelten insbesondere keine universalen Menschenrechte wie z.B. die alltägliche Arbeit ini gegen abschiebehaft zeigt und katunia immer mal in ihrem Blog beschreibt.

Daher ist es auch nur konsequent, dass sie in den ersten drei Jahren kein Elterngeld bekommen sollen wie der Newsletter Migration und Bevölkerung berichtet:

"Auf Betreiben der Unions-Innenminister der Länder hat das Bundeskabinett Anfang Oktober beschlossen, dass Flüchtlinge mit humanitärem Bleiberecht erst dann Anspruch auf das Mindestelterngeld haben, wenn sie bereits 3 Jahre in Deutschland leben. Zuvor hatte es diese 3-Jahres-Frist nicht gegeben. Der Berliner Flüchtlingsrat hält die Regelung für verfassungswidrig, da das Bundesverfassungsgericht 2004 festgelegt hat, dass Ausländer mit humanitärem Bleiberecht, wie etwa Kriegsflüchtlinge, nicht anders behandelt werden dürfen als andere Ausländer mit befristetem Aufenthalt (Az.: 1 BvL 4/97 und 1 BvR 2515/95)."

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Verschärfung Ausländerrecht
Der Newsletter Migration und Bevölkerung berichtet:

"Das Bundesinnenministerium will die anstehende Umsetzung von EU-Richtlinien dazu nutzen, das Ausländerrecht zu verschärfen. Eine Arbeitsgruppe von Union und SPD erarbeitet derzeit einen Gesetzentwurf, der noch dieses Jahr vorgelegt werden soll. Auf die ursprünglich vorgesehene Erleichterung der Einwanderung Hochqualifizierter will die Bundesregierung offenbar doch verzichten.

Ausländische Studierende sollen bei ihrer Einreise zunächst nur noch eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr und nicht mehr wie bisher für zwei Jahre erhalten. Damit müssten sie sich häufiger bei den Behörden melden. Außerdem sollen künftig auch Personen sicherheitsüberprüft werden, die für ausländische Studierende bürgen. ....

Uneinigkeit zwischen SPD und Union herrscht bei der Altersgrenze für den Nachzug von Ehepartnern. Während die Union dafür plädiert, den Nachzug nur dann zu erlauben, wenn der Ehepartner mindestens 21 Jahre alt ist, hält der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Dieter Wiefelspütz dies für verfassungswidrig. ....

Weiterhin unklar ist, wer von den rund 200.000 geduldeten Ausländern von einer Bleiberechtsregelung profitieren wird ..."

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Mitte der Gesellschaft
Die taz berichtet über eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zu Rechtsextremismus in Deutschland (pdf):

"Brähler und sein Kollege Oliver Decker bestätigten andere Studien, nach denen Rechtsextremismus keine gesellschaftliche Randerscheinung ist. Knapp 60 Prozent der Deutschen mit gefestigtem rechtsextremem Weltbild wählen Union, SPD oder Grüne. "Rechtsextremismus ist eigentlich der falsche Begriff", sagt Brähler, "er verschleiert, dass derartige Einstellungen längst in unserer Mitte zu Hause sind.""

Es geht nicht um den Rechtsextremismus von ein paar verwirrten Köpfen, es geht um die rassistische Strukturierung der Gesellschaft, die sich in den Institutionen und den Einstellungen reflektiert. Studien zu Rechtsextremismus (auch die zitierte) berücksichtigen dabei immer nur die Extreme. Rassismus ist noch viel mehr in der Mitte der Gesellschaft verankert.

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Dienstag, 7. November 2006
Englischkurs
Melbourne Cup im Englischunterricht

Melbourne Cup: The race that stops the nation und auch der Englischkurs ist im vollen Wettfieber dabei. Das ist australische Kultur! (wurde mir zumindest gesagt)

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Das Wesen des Krieges
Die taz berichtet über einen Vortrag zum Thema Krieg:

"In der Einleitung äußert sich der Ökonom und Generalleutnant a. D. Schnell allgemeiner zum Wesen des Krieges. Er stellt Thesen auf, These eins: Krieg hat Zukunft. "Wenn der Krieg von Anfang an zur Geschichte der Menschheit gehört, dann ist anzunehmen, dass der Krieg überwiegend positive Funktionen erfüllt. Wäre es nicht so, dann hätte die Evolution sicherlich längst dafür gesorgt, dass der Krieg als Phänomen verschwunden wäre." Weiter hinten heißt es: "Die Natur ist offensichtlich von A bis Z auf Wettbewerb angelegt, und Kriege sind ihrem Wesen nach spezifische gewaltsam ausgetragene Formen des Wettbewerbs zwischen sozialen Großgruppen. Worum wird konkurriert? Im Wesentlichen um Macht, Ressourcen und die Vorherrschaft der eigenen kulturellen Identität." Noch weiter hinten: "Der Krieg hat seinen Ursprung jedoch nicht nur in den Kosten-Nutzen-Kalkülen der Kontrahenten. Die eigentlichen treibenden Kräfte liegen tiefer. Es ist die Lust an der Macht und an der erfolgreichen Aggression.""

Der Vortrag wird nun - wie ich finde sehr zu recht - angegriffen, aber es gibt auch Leute, die den Aufruhr nicht verstehen:

"Der Historiker Jörg Calließ dagegen warnt vor vorschnellen Urteilen: Schnells Argumente seien durchweg nicht falsch, nur extrem einseitig dargestellt."

Was soll denn das heißen, nicht falsch? Falsch und richtig gibt es in der Wissenschaft sowieso nicht. Aber es gibt Paradigmen, die einfach menschenverachtend und machtstützend sind. Diese Argumentationen scheinen aus einem solchen zu kommen.

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Montag, 6. November 2006
Lektorat
Ich verstehe es, dass vor der Publikation das Lektorat steht. Wenn ich einen Text geschrieben habe, fehlt mir die Distanz ihn noch mal kritisch gegen zu lesen. Auch ist weder in Deutsch noch in Englisch mein Schreiben frei von Rechtschreib- und Grammatikfehlern. Es macht schon, Sinn das da nochmal jemand drüber geht. Aber häufig gehen die LektorInnen einfach zu weit, verändern Begriffe, die ich sehr sorgsam gewählt habe, verändern Bedeutungen, verändern Bilder, die beim Lesen entstehen. Eigentlich sollte ich jeden lektorierten Text zur Endabnahme noch einmal vorgelegt bekommen. Schließlich steht nachher mein Name unter dem Text.

Richtig problematisch wird es dann, wenn das Lektorat die Kernaussage meines Artikels verändert. Da bekommt ein Artikel, der Identitäten dekonstruieren will auf einmal eine essentialistische Überschrift. Das Binnen-I oder Anführungszeichen verschwinden. Bewusste Irritationen der LeserIn werden rausgenommen, meine Aussagen gemainstreamt.

Bei meiner neuesten Publikation sind die LektorInnen noch weiter gegangen. Sie haben den Ton des Artikels, es ging um 'InderInnen' in Deutschland, verändert. Vermutlich damit er besser in ihr Konzept passt. Ich hatte sehr vorsichtig formuliert, abgestritten, dass es eine 'indische' Gemeinschaft in Deutschland gibt, war auf Probleme eingegangen. Das meiste davon ist durch Kürzungen und Umformulierungen geglättet worden.

Und damit nicht genug. Ein ganzer Absatz ist hinzugefügt worden, denn ich absichtlich nicht aufgenommen hatte. Die LeserIn bekommt jetzt viel Information über die Aktivitäten des indischen Nationalisten Bose in Deutschland, völlig ohne kritische Distanz und ohne den Hinweis (den ich in meinem kurzen Ausführungen hatte), dass seine 'indische Legion' Teil der SS war. Eine solche Verherrlichung ist das Gegenteil dessen, was ich beabsichtigt hatte. Und nun steht mein Name darunter.

Die LektorInnen haben aus einem kritischen, ansatzweisen dekonstruktivistischen Artikel einen nationalistischen gemacht (so weit sie das mit meinem Material konnten). Die Bebilderung unterstützt dies noch weiter und auf die hatte ich fast keinen Einfluss.

Die Frage ist, wie kann ich mich als AutorIn, die publiziert werden will, dagegen wehren? Geht es überhaupt? Muss ich damit leben? Wie weit kann ich das?

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Spam
Heute in meinem australischen Mail-Postfach:

"I am Mr.Martin Kelvin, The Auditor General, All Standard Securities Limited. In the course of my auditing, I discovered a floating fund in an account which was opened in 1990 belonging to a dead foreigner Late Mr. Tim Goel, a national of your country. I decided to track his last name over the Internet to locate any member of his family hence I got in contact with you. "

Das ist schon eine interessante Kombination: Tim und Goel. Aus welchem Land der wohl sein soll? Und wie kommt der nette Mr. Klein gerade auf mich? Goels gibt es eine ganze Menge in der Welt. Ok, in Deutschland nicht so viele. Vielleicht ist das ja das Land, dass er meinte. Aber wie kommt es da zu einem Tim?

Mr. Klein hat sich ja Mühe gegeben. Aber so richtig überzeugend ist er nicht. Ich werde also wohl keine 15,5 Millionen $ erben.

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Sonntag, 5. November 2006
Schwarzfahrer
Eine Bekannte schrieb mir:

"Auf der Rückreise hat uns ein Schaffner einigen Stress gemacht mit der Behauptung, meine Fahrkarte sei ungültig - falsch am Computer ausgedruckt. Wir sollten gleich zahlen oder die Sache würde direkt an ein Inkassobüro gehen. Mein Mann hat sich geweigert zu zahlen. Ein netter Mitfahrer nebenan wurde ziemlich ruppig. Der nette Schaffner hätte uns doch alles gut erklärt und mein Mann solle nicht so halsstarrig sein. Einige Zeit später kam der Schaffner kleinlaut zurück. Er hätte sich geirrt und gab uns zwei Getränkegutscheine. Der liebe Mitfahrer war inzwischen ausgestiegen und wird seinen Leuten von dem schwarzfahrenden Schwarzen erzählen."

Mehr zu Rassismuserfahrungen des Ehepaars hier.

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Donnerstag, 2. November 2006
Rassistische Werbung
annabexis hat zu einem besonders eindeutigen Motiv gebloggt.

Nachtrag 03.11.06: Und zu rassistischer Werbung in anderer Form gibt es mehr bei katunia.

Nachtrag 06.11.06: Kyla kommentiert aus Pakistan.

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Das schönste Haus
Für einen Anrufer beim Lokalradio ist das Court House das schönste Haus in Armidale:

court house in Armidale
Wegen der Säulen. Und weil es alles hat, was ein Court House braucht. Und weil es ihn an England erinnert, wo er her ist.

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Deutschland-Kappe vom Außenminister
"Über Kasachstan, Russland, Weißrussland und Polen war Maruftschonow im Sommer in rund drei Monaten bis nach Berlin gestrampelt. Mit Gelegenheitsjobs auf Baustellen, als Schuhputzer und in der Landwirtschaft habe er sich unterwegs finanziert. Steinmeier zeigte sich beeindruckt von der Leistung. Er schenkte Maruftschonow einen unbenutzten WM-Fußball für seinen Enkel, eine Deutschland-Kappe und einen Fahrrad-Rucksack." berichtet tagesschau.de.

Deutschland-Kappen verteilen ist eine tolle Aufgabe für einen Außenminister. Visa gibt es ja viel seltener zu verteilen. Und schon gar nicht für Leute, die sich mit Gelegenheitsjob über Wasser halten und mit dem Rad unterwegs sind. Beeindruckend, dass Maruftschonow es trotzdem nach Deutschland geschafft hat.

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Mittwoch, 1. November 2006
Nichts Neues vom Fußball
Und: "Neuruppin ist nicht so schlimm, da haben uns kürzlich nur zwei, drei Zuschauer beleidigt. Das empfindet man schon als harmlos."

Mehr zu den alltäglichen Erlebnissen von 'Anderen Deutschen' Fußballspielern in der taz berlin.

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