Montag, 6. November 2006
Lektorat
Ich verstehe es, dass vor der Publikation das Lektorat steht. Wenn ich einen Text geschrieben habe, fehlt mir die Distanz ihn noch mal kritisch gegen zu lesen. Auch ist weder in Deutsch noch in Englisch mein Schreiben frei von Rechtschreib- und Grammatikfehlern. Es macht schon, Sinn das da nochmal jemand drüber geht. Aber häufig gehen die LektorInnen einfach zu weit, verändern Begriffe, die ich sehr sorgsam gewählt habe, verändern Bedeutungen, verändern Bilder, die beim Lesen entstehen. Eigentlich sollte ich jeden lektorierten Text zur Endabnahme noch einmal vorgelegt bekommen. Schließlich steht nachher mein Name unter dem Text.

Richtig problematisch wird es dann, wenn das Lektorat die Kernaussage meines Artikels verändert. Da bekommt ein Artikel, der Identitäten dekonstruieren will auf einmal eine essentialistische Überschrift. Das Binnen-I oder Anführungszeichen verschwinden. Bewusste Irritationen der LeserIn werden rausgenommen, meine Aussagen gemainstreamt.

Bei meiner neuesten Publikation sind die LektorInnen noch weiter gegangen. Sie haben den Ton des Artikels, es ging um 'InderInnen' in Deutschland, verändert. Vermutlich damit er besser in ihr Konzept passt. Ich hatte sehr vorsichtig formuliert, abgestritten, dass es eine 'indische' Gemeinschaft in Deutschland gibt, war auf Probleme eingegangen. Das meiste davon ist durch Kürzungen und Umformulierungen geglättet worden.

Und damit nicht genug. Ein ganzer Absatz ist hinzugefügt worden, denn ich absichtlich nicht aufgenommen hatte. Die LeserIn bekommt jetzt viel Information über die Aktivitäten des indischen Nationalisten Bose in Deutschland, völlig ohne kritische Distanz und ohne den Hinweis (den ich in meinem kurzen Ausführungen hatte), dass seine 'indische Legion' Teil der SS war. Eine solche Verherrlichung ist das Gegenteil dessen, was ich beabsichtigt hatte. Und nun steht mein Name darunter.

Die LektorInnen haben aus einem kritischen, ansatzweisen dekonstruktivistischen Artikel einen nationalistischen gemacht (so weit sie das mit meinem Material konnten). Die Bebilderung unterstützt dies noch weiter und auf die hatte ich fast keinen Einfluss.

Die Frage ist, wie kann ich mich als AutorIn, die publiziert werden will, dagegen wehren? Geht es überhaupt? Muss ich damit leben? Wie weit kann ich das?

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