Mo, 02.07.12, 16 Uhr c.t.
Raum: Uni Würzburg, ÜR 14 (Philosophiegebäude, Am Hubland).
In den 1960ern Jahren wurden ausgebildete Krankenschwestern und Schwesternschülerinnen aus dem südindischen Kerala insbesondere für katholische Krankenhäuser und Altenpflegeheime in der BRD angeworben.
In den 1970ern hatten viele dieser Krankenschwestern eine arrangierte Heirat in Kerala und brachten ihre überwiegend akademisch ausgebildeten Ehemänner in die BRD. Dort durften sie die ersten vier Jahre nicht arbeiten und bekamen danach zumeist nur Arbeitsstellen, die weit unter ihrer Qualifikation lagen. Während ihre Frauen arbeiteten, kümmerten sich die nachgezogenen Ehemänner um den Haushalt und die Erziehung der Kinder. Sie engagierten sich auch in Kirchengemeinden, gründeten Sport- und Kulturvereine. Heute stehen die meisten der Krankenschwestern und ihrer Männer kurz vor der Rente oder sind bereits in Rente. Die meisten ihrer Kinder stehen bereits im Berufsleben und viele haben eigene Familien gegründet.
Im Vortrag wird die Migrationsgeschichte der Krankenschwestern und ihrer Familie in die BRD über die letzten 50 Jahre dargestellt.
Veranstaltet vom Lehrstuhl für Indologie im Rahmen von Globale Systeme und interkulturelle Kompetenz (da trägt allerdings Ursula Goel vor ;-) ).
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Was ich in der taz lese, deckt sich weitgehend mit den Ergebnissen eines Forschungsprojekts von mir vor fünfzehn Jahren. Staatsbürger_innenschaft wird (gerade in Deutschland) symbolisch stark aufgeladen und daher ist es sehr schwer, eine Staatsbürger_innenschaft abzulegen. Die präferierte Option für Mehrfachzugehörige ist eine Mehrfachstaatsbürger_innenschaft (auch wenn es mit nur einer auch geht).
Die Bundesregierung will aber keine Mehrfachstaatsbürger_innenschaft (ausser für EU-Ausländer_innen und Spätaussiedler_innen).
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"In der neunten Klasse wurde Ngoc Anh Dao vor eine unlösbare Aufgabe gestellt. "Ich sollte einen Aufsatz darüber schreiben, warum ich stolz bin, eine Deutsche zu sein", sagt die 22-jährige Dresdnerin."
Was ist das denn für ein Aufsatzthema? Warum sollte irgendjemand stolz darauf sein Deutsche_r zu sein? Und dafür (oder den fehlenden Stolz) auch noch benotet werden?
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"Im vergangenen Juni durfte die iranische Fußballfrauenmannschaft beim Olympia-Qualifikationsspiel in Jordanien nicht antreten. Die Sportlerinnen wurden wegen ihrer Kopftücher von der Fifa ausgeschlossen. Begründung: Das Tragen eines Kopftuches erhöhe das Verletzungsrisiko, zudem solle der Sport religiös neutral bleiben."
Inzwischen dürfen Fußballspielerinnen (auf Druck der UNO wie Akyol berichtet) Kopftuch tragen. Scheint also doch nicht wirklich ein Problem zu sein (der Ausschluss von Frauen aus dem Sport aufgrund ihrer Religion hingegen schon - das ist Diskriminierung). Akyol hat hier die Möglichkeit antimuslimischen Rassismus und seine Verflechtungen mit Heteronormativität zu thematisieren. Stattdessen wechselt sie abrupt die Perspektive und reproduziert antimuslimische Rassismen:
"In Deutschland würden Mädchen aus religiösen Gründen an der Ausübung von Sport gehindert, kritisiert Christa Stolle, Geschäftsführerin der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes. So dürften muslimische Eltern nach Gerichtsurteilen ihre Töchter von gemeinsam mit Jungen stattfindendem Schulsport fernhalten, wenn er zu einem Konflikt mit Koranvorschriften führe. Auch lange Kleidung und Kopftuch beim Sport tragen zu müssen sei hinderlich. „Die Trägerin wird in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt und somit bei der Ausübung von sportlichen Tätigkeiten einer erhöhten Verletzungsgefahr ausgesetzt.“ "
Wieso kommt in einer Geschichte über eine kopftuchtragende Sportlerin auf einmal das Bild, der Muslima, die gar keinen Sport treiben dürfe? Warum wird wieder behauptet, dass das Kopftuch die Verletzungsgefahr erhöhe, wenn es doch Kopftücher für Sportlerinnen gibt? Warum wieder diese platten Bilder, wenn die Realität doch viel komplexer ist?
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"Gesunken ist die Zahl der AbiturientInnen aus Einwandererfamilien. 15,5 Prozent waren das 2011, jetzt sind es nur noch 14,1 Prozent. "
Die Senatsbildungsverwaltung sagt, dies sei ein statistisches Problem:
"Dies liege schlicht daran, dass immer weniger SchülerInnen ihren Migrationshintergrund als relevant ansähen, vermutet die Senatsbildungsverwaltung: Zunehmend würden MigrantInnen der zweiten und dritten Generation Deutsch als Herkunftssprache angeben. Mit diesem Merkmal oder ausländischer Staatsangehörigkeit wird in der entsprechenden Statistik der Migrationshintergrund erfasst."
Die Statistiken sind also generell wenig aussagekräftig, da das eine gemessen wird (angegebende Herkunftssprache) und dann behauptet wird was anderes gemesssen zu haben (Migrationshintergrund). Aber so sind Statistiken wohl allgemein, wenig verlässlich.
Die Senatsbildungsbildungsverwaltung scheint einen engen Zusammenhang zu unterstellen. So stellt sie doch die gewagte These auf, dass "weniger SchülerInnen ihren Migrationshintergrund als relevant ansähen" nur weil sie Deutsch als Herkunftssprache angeben. Noch nie was von natio-ethno-kultureller Mehrfachzugehörigkeit gehört?
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Institutioneller Rassismus ist zum Beispiel in den Abschiebepolitiken Deutschlands und der EU festgeschrieben. Es werden Kategorien von Menschen zu Anderern erklärt, ihnen werden Rechte und Ressourcen entzogen, ihnen werden kollektiv minderwertige Mentalitäten unterstellt und dies ist gesellschaftlich völlig legitim.
Gerade verhandelt das Bundesverfassungsgericht über das Asylbewerberleistungsgesetz (siehe z.B. taz). Es legt als Gesetz (also staatlich legitimiert) fest, dass eine bestimmte Gruppe von Menschen, weniger als das Existenzminimum für Menschen zum Leben braucht, und spricht ihnen das Recht auf Aufenthalt in Deutschland ab. Ein durch und durch rassistisches Gesetz. Auch das Bundesverfassungsgericht hat Zweifel, ob das Gesetz so verfassungskonform ist.
Während die Menschen, die unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen, zu wenig Geld zum Leben bekommen, bereichern sich laut taz-Bericht (mit Verweis auf MDR Thüringen) Landkreise an Geldern, die für Flüchtlinge vorgesehen sind:
"Ein Beispiel ist der Wartburgkreis. Obschon dort das einzige Asylbewerberheim in Gerstungen nicht mal die Mindestbedingungen für den Betrieb erfüllt, sparte der Kreis zwischen 2004 und 2007 etwa 800.000 Euro an Kosten für Gebäude, Betreuung und Personal. Zuvor hatte das Landesverwaltungsamt bereits „grobe Verstöße“ beim baulichen Zustand und beim Brandschutz festgestellt. "
Bei dem Willen auf dem Rücken von Flüchtlingen zu sparen, ist es kein Wunder, dass die CDU in Berlin laut taz-Bericht keinen Grund sieht, Flüchtlingen einen Internetanschluss zu finanzieren (die Piraten-Partei fordert das und Flüchtlinge organsieren sich diesen selber).
Für Abschreckung und Abschiebung aber geben staatliche Institutionen gerne Geld aus. Gerade wurden Gebäude auf dem neuen Flughafen Berlins für das Flughafenschnellverfahren gebaut (das einzige was bisher funktioniert auf dem Flughafen?). Und es gibt wie die taz berichtet, Pläne für einen neuen Berlin-Brandenburgischen Abschiebegewahrsam (weil die alten bei weitem nicht ausgelastet sind). Die grüne Politikerin Canan Bayram fragt:
„Da sollte man fragen, ob man überhaupt einen Knast betreiben muss oder ob es nicht auch anders geht.“
In Leipzig wenden sich derweil (vermutlich weiße, deutsche) Bürger_innen gegen die dezentrale und menschenwürdigere Unterbringung von Flüchtlingen wie die taz gestern berichtet (nachdem rassismuskritische Gruppen schon länger dagegen mobilisieren).
All das ist (nicht nur institutioneller) Rassismus, aber in Deutschland offensichtlich kein Skandal. Ein Skandal wird es erst, wenn (institutioneller) Rassismus in Deutschland öffentlich und prominent benannt wird. "Rassismus-Vorwurf sorgt für Eklat im Landtag" titelt die Hannoversche Allgemeine:
"Am Rednerpult steht SPD-Fraktionschef Stefan Schostok. Er macht gerade eine Generalabrechnung mit der Politik der CDU-FDP-Landesregierung, geißelt die Flüchtlingspolitik und sagt, Wissenschaftler sprächen in diesem Fall gar von „institutionellem Rassismus“. CDU-Geschäftsführer Jens Nacke, der ganz vorne sitzt, fährt aus der Haut. „Unverschämtheit“, ruft er und lässt sich in seinen Zwischenrufen gar nicht bremsen. "
Es ist skandalös, dass in Deutschland nicht Rassismus skandalös ist, sondern das Thematisieren von Rassismus.
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"Es ist wahnsinnig anstrengend. Ein besonders absurdes Beispiel, das mir kürzlich bei einer Recherche untergekommen ist, sind Windeln. Es gibt Windelslips - das sind quasi Windeln für Kinder, die nicht mehr ganz klein sind - inzwischen für Mädchen und Jungs. Ich dachte erst, vielleicht gäbe es dafür physiologische Gründe, dass die Windeln besser angepasst sind oder so. Aber die Herstellerfirma hat mir ausdrücklich versichert, dass ausschließlich das Design unterschiedlich ist. "
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"Einige Stereotype beinhalten mehr als nur einen Funken Wahrheit. Sie sind aber das Ergebnis von sozialen und historischen Prozessen, nicht Merkmale von Roma als solchen. „Wenn alles auf die ,Ethnizität‘ zurückgeführt wird, wird auch die gesamte Gruppe als schuldig stigmatisiert“, so Magdolenova. "
Eine Möglichkeit ist es, über Antiziganismus zu schreiben. So zum Beispiel bei dem taz-Artikel "Umsiedlung in verseuchte Fabrik". Da geht es natürlich um Roma, da sie unter Antiziganismus leiden, und es geht um ihren Widerstand. Es geht aber weniger um eine Ethnizität als um das Machtverhältnis Antiziganismus, das eine bestimmte Gruppe konstruiert, die rassistisch ausgegrenzt wird.
Unter der Perspektive lässt sich auch, die fehlende Krankenversorgung für Kinder von Migrant_innen in Berlin analysieren. Die taz berlin schreibt unter der Überschrift "Kein Stich für Roma". Die Bezirke beklagen, dass sie nicht genug Geld für die Krankenversorgung haben. Das Land Berlin versichert, dass Gelder fliessen werden. Derweil bekommen Kinder, insbesondere aus Roma-Familien, nicht die notwendigen Impfungen. Da liesse sich fragen, auf welchem Rücken weshalb ein Kampf um Mittel ausgetragen wird. Warum ein so großer Betrag in den Bezirksbudgets fehlt? Welche Anforderungen wieso für eine Krankenversicherung gelten? Wer da systematisch rausfällt? Wieso Kinder einfach abgewiesen werden?
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"Ghanas Investitionsfördergesetz von 1994 schreibt vor, dass jeglicher Einzelhandelsverkauf auf Märkten und Straßen „ausschließlich Ghanaern vorbehalten“ ist. Um Geschäfte in Ghana zu betreiben, brauchen Ausländer ghanaische Partner, außer wenn sie hohe Kapitalhürden überwinden.
Selbst wenn sie einheimische Partner haben, müssen sie mindestens 10.000 US-Dollar eigenes Kapital investieren, Händler sogar mindestens 300.000. Für Großinvestoren ist das kein Problem: Allein im ersten Vierteljahr 2012 strömten 980 Millionen US-Dollar Auslandsinvestitionen nach Ghana, mit China als wichtigstem Investor und Straßenbau, Zuckerverarbeitung und gehobenem Wohnungsbau als wichtigsten Projekten. Aber Kleinhändler können die Mindestbedingungen nicht erfüllen."
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"Giovanna Krüger, die gemeinsam mit Murat Dogan das Berliner Frauenteam trainiert, betont, dass gerade diese internationalen Begegnungen ihren Spielerinnen guttun. „Für unsere Spielerinnen – viele Töchter von türkischen Eltern – ist es etwas Neues hier als Deutsche aufzutreten, weil sie sich zu Hause als Türken definieren und auch als Türken definiert werden.“"
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Die Straßen werden wieder in schwarz-rot-gold dekoriert. Überall stehen Bildschirme rum. Zur Einordnung ein taz-Interview zu Fan-Patriotismus mit der Sozialpsychologin Dagmar Schediwy. Da sind so einige Aussagen drinnen, die mich in meiner Abneigung dieses angeblich so unproblematischen Patriotismus bestätigen:
Die WM 2006 hat tatsächlich Nationalismus befördert:
"haben während der WM 2006 ein nationales Coming-out erlebt."
"Der 2006 aufflammende Fußballpatriotismus trug Züge einer Revolte gegen ein Geschichtsverständnis, das sich auf den Holocaust fokussiert."
Da drinnen steckt, dass problematisch an deutschem Nationalismus nur der Holocaust sei (denn wir jetzt auch mal ad acta legen können). Dass Nationalismus an sich ausgrenzend und Gewalt gegen Andere legitimierend ist, wird völlig ausgeblendet.
Auch werden durch diesen tollen Patriotismus MmMs nicht als Deutsche angesehen:
"Nationalspieler mit Migrationshintergrund wurden deshalb akzeptiert, weil sie das Image Deutschlands als weltoffenes Landes verbreiten, um die „schlechte Vergangenheit des Landes“ aufzubessern und weil „sie uns weiterbringen“. "
Es geht um Nützlichkeit und Instrumentalisierung:
"Es lässt sich eher eine Einteilung in gute und schlechte MigrantInnen erkennen. "
"Das heißt aber nicht, dass Menschen mit Migrationshintergrund im Alltag eine größere Akzeptanz erfahren. "
Ach ja, und heterosexistisch bleibt der Fußball auch:
"Fußball und Weiblichkeit scheinen im Bewusstsein vieler Menschen, Männer wie Frauen, noch immer einen Gegensatz zu bilden. Das haben die Medienkampagnen im Vorfeld der Frauenfußball-WM, die dem heterosexuellen Schönheitsideal gemäß die Attraktivität der Spielerinnen betonten, eher unterstrichen als widerlegt."
Nachtrag: Uli Hannemann schreibt auf der taz-Wahrheit-Seite über den 'Fussball-Patriotismus' und die taz berlin über antinationales Public Viewing (wobei mich da wundert, warum in der Vorrunde nur Spiele mit der deutschen Mannschaft übertragen werden).
Nachtrag 22.06.12: Gerade die Top-Nachricht auf tagesschau.de: "Philosoph Precht erklärt die Fußball-Euphorie". Der scheint auch tatsächlich allwissend und endet mit:
"Dass wir Spieler wie Özil und Podolski haben, trägt schon zur Toleranz gegenüber Ausländern in der Gesellschaft bei."
Klar, er muss die Ergebnisse der anderen Studie nicht teilen. Aber wenn er von 'Ausländern' spricht, dann fühle ich ganz deutlich wie die Toleranz gegenüber mir total steigt ....
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