Montag, 11. Juni 2012
Front Line Defenders Award 2012 goes to Razan Ghazzawi
Razan Ghazzawi hat den Front Line Defenders Award 2012 bekommen und ein Statement dazu verfasst:

"I find myself honored to be the person chosen for such appreciation, and to tell you the truth, I believe I don’t deserve such honor, I see the award as an award for Bassel Shehada, for Mazhar Tayyara, for Ghiath Matar, for Bassel Al-Sayed and for all the citizen journalists who died trying to tell the world what’s happening in Syria, when the traditional media have failed to do so. The traditional media that focuses on people’s misery not on their undefeated will to resist. "

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Vortrag in Hamburg: Zur Verflechtung von Heteronormativität und Rassismus
Am Mittwoch, 13.06.2012 halte ich im Rahmen der Vortragsreihe "Jenseits der Geschlechtergrenzen" der AG Queer Studies in Hamburg einen Vortrag unter dem Titel Zur Verflechtung von Heteronormativität und Rassismus – eine ethnographische Annäherung

19 - 21 Uhr, Raum 0079, Von-Melle-Park 5, Universität Hamburg

„Nein, meine Eltern hatten keine arrangierte Ehe, sie haben …“, „Ich hoffe, wieder mit meiner Hetero-Beziehung klar zu kommen, denn mit meinen Eltern will ich nicht brechen.“, „Es ist noch zu früh für Emanzipation in Indien“ – solche oder ähnliche Aussagen finde ich in meinem ethnographischen Material (Interviews, Publikationen, etc.) von Menschen, die in Deutschland aufgewachsen sind und mindestens einen Elternteil haben, der/die aus Südasien nach Deutschland migriert ist. Wie lassen sich solche Aussagen – jenseits von kulturalisierenden Ansätzen – analysieren? Welche Interpretationen ermöglicht
ein intersektionaler Blick, der insbesondere die Verflechtungen der Machtverhältnisse Rassismus und Heteronormativität berücksichtigt? Im Vortrag diskutiere ich mein ethnographisches Material aus dieser Perspektive."

Nachtrag 03.11.12: Die AG Queer Studies hat den Mitschnitt des Vortrags hochgeladen.

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Mittwoch, 6. Juni 2012
Gerichtsverfahren wegen Beleidigung
Eine Muslima zieht vor Gericht wegen Beleidigung. Das Verfahren endet mit einem Freispruch. Und die taz-Berichterstattung ist seltsam einseitig.

Die Muslima kommt im Artikel fast gar nicht zu Wort. Dafür der Angeklagte um so mehr, seine Perspektive wird sehr ausführlich und wertschätzend dargestellt. Der "erfahrene Familienhelfer" hat sich antirassistisch gegen die Muslima eingesetzt, weil die andere ausgegrenzt hat (wenn ich die taz richtig verstehe).

Der Artikel macht zudem klar, dass die Muslima das Gericht fälschlicherweise angerufen hat: "obwohl es keinen Zeugen gab" und "Am Ende des zweistündigen Prozesses waren sich Richterin, Staatsanwalt und Verteidiger einig: Solche Verfahren vergeuden die Ressourcen der Justiz." Und nicht nur das, dieser Vergeudung musste die Richterin zulassen, weil sie sonst hätte angegriffen werden können: "Die Klage hatte die Richterin nur zugelassen, um sich und die Justiz nicht dem Vorwurf des Rassismus auszusetzen, wie sie am Ende der Verhandlung eingestand."

Nun kann es durchaus sein, dass der Angeklagte zurecht freigesprochen wurde. Ich kann den Fall nicht einschätzen, schon gar nicht aufgrund dieses Artikels. Aber der Artikel produziert ein schlechtes Gefühl. Warum bekommt der Angeklagte soviel Raum und die Klägerin gar nicht? Warum wird die Klage in Frage gestellt und der Verteidigung soviel Raum zugebilligt? Warum wird die Klägerin des Rassismuses und implizit des falschen Vorwurfs des Rassismuses angeklagt? Sehr seltsam.

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Samstag, 2. Juni 2012
Islam gehört nicht zu Deutschland
meint unser neuer Bundespräsident. Laut taz hat er sich von Wulffs Aussage distanziert und gesagt:

"Er könne aber auch diejenigen verstehen, die fragten: „Wo hat denn der Islam dieses Europa geprägt, hat er die Aufklärung erlebt, gar eine Reformation?“, sagte Gauck."

Ich kann die und Gauck nicht so ganz verstehen.

Wer sich die Geschichte Europas (ich gehe jetzt mal davon aus, dass Europa die Bezeichnung für den Kontinent ist, aber da kann ich mich natürlich täuschen, siehe hier) anschaut, dann hat Europa natürlich viel mit dem Islam zu tun gehabt. Europa war ja nicht isoliert vom Rest der Welt, es gab Verbindungen, friedliche und kriegerische, gegenseitige Beeinflussungen - und es leben schon lange lange Muslime auf dem Kontinent Europa. Und antimuslimischen Rassismus gibt es auch schon lange - auch eine Form von Prägung.

Und das mit der Aufklärung und Reformation verstehe ich sowieso nicht. Das ist so egozentriert, wenn mensch nur die eigenen Entwicklungsschritte als Entwicklungsschritte akzeptieren kann (mal abgesehen davon, dass auch Aufklärung und Reformation mit der Ausgrenzung von bestimmten Menschengruppen einherging). Warum sollte das überall gleich erfolgen. Aber da bin ich wahrscheinlich einfach zu religionsfern, um dem evangelischen Pastor folgen zu können.

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Freitag, 1. Juni 2012
Topmodels
taz-Autorin Steffi Dobmeier schaut mit Ex-Model und Ex-Modelvermittlerin Rita Jaeger "Germany's Next Topmodel" und schreibt darüber in der taz. Jetzt stellt sich die Frage: Warum? Zu den Topmodels liessen sich sicher spannende Artikel (und viele nicht spannende) schreiben. Vielleicht sogar mit einem Bezug zu Rita Jaeger. Aber mit deren Aussagen gibt es im Artikel überhaupt keinen kritischen Umgang. Unkommentiert werden sexistische (und lookistische) Aussagen abgedruckt:

"Nee, die ist doch nicht hübsch. Die ist ja fast schon hässlich. Wobei, na ja, das wäre übertrieben. Mir ist sie einfach ein bisschen zu derb, aber das ist Geschmackssache. Sie hat auf jeden Fall eine ungünstige Kinnpartie. Das wird mal ein Doppelkinn, wenn sie nicht aufpasst. "

oder

"Diese Waden! Viel zu muskulös. Nein, das geht gar nicht. "

oder

"Models müssen weiblich sein und elegant. "

Für Analysen ist dieser Artikel echt spannend. Wie die eine Inszenierung die andere Inszenierung kommentiert. Was wie thematisiert wird und was nicht. Aber als Zeitungsartikel fehlt mir die kritische Distanz.

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Samstag, 26. Mai 2012
Europa gleich Gut
Die taz lässt Jan Feddersen und Stefan Niggemeier Pro und Con zur Berichterstattung über den ESC schreiben.

Feddersens Verharmlosung von Menschenrechtsverletzungen kommt nicht überaschend. Er folgt dabei seiner ganz eigenen Logik, die durch antimuslimischen Rassismus und Homonationalismus angetrieben wird. Er beginnt seinen Text mit:

"Zunächst zu den Fakten: Dieses Land Aserbaidschan am Kaspischen Meer ist im Vergleich zu seinen Nachbarn nicht nur auf den ersten Blick eine westlich anmutende Oase.

Über die Demokratiedefizite Russlands, über die theokratischen Despoten in Iran oder über das auch nicht gerade plurale Georgien muss man kein Wort verlieren. Eher noch über die Türkei – im Gegensatz zu dieser wird in Aserbaidschan eine strikte Trennung von Staat und Religion geachtet.

Baku sieht westlich aus, Kopftücher bei Frauen sind rar, Schwule und Lesben werden durch kein Gesetz verfolgt."


Zentrales Element ist hier die Gleichsetzung von Westen mit Europa mit Gut (gegen Kopftücher und für Schwule?). Und da sieht Feddersen auch das Potential des ESC für Aserbaidschan:

"Wer momentan in Baku übersieht, dass auch durch den ESC die Stadt quasi europäisch „infiziert“, ja „gequeert“ wird, verkennt das Politische am ESC."

Europa ist als etwas infektiöses und hat was mit Queer zu tun? Es fällt mir schwer, Feddersen zu verstehen.

Niggemeier gibt Feddersen Contra und argumentiert, dass Menschenrechtsverletzungen in Aserbaidschan thematisiert werden müssen. Aber auch er argumentiert mit seltsamen Europa-Verweisen und gleicht Feddersen da erschreckend:

"Der Grand Prix ist für das autoritär herrschende Regime eine Fassade, um sich der Öffentlichkeit als europäisch, modern und weltoffen zu präsentieren. Einiges in Baku ist verblüffend europäisch.

Doch viele europäische Werte und Ideale zählen hier nichts. "


Auch hier ist Europa gleichgesetzt mit Gut (modern, weltoffen, Werte, Ideale). Auch hier werden 'wir' (Europa) gegen 'die' (der Osten? die Menschrechtsverletzenden? - bei Feddersen sind das die 'Muslime') positioniert - und sind 'wir' natürlich überlegen.

Eine Seite weiter geht es in der Print-taz mit der Überhöhung eines imaginären Europas, das 'wir' sind, weiter. In einem Artikel über einen Skeptiker-Konferenz heisst es:

"Was in der Mitte Europas vielleicht als Kampf auf gesellschaftlichen Nebenschauplätzen abgetan werden kann, nimmt sich an seinen Rändern und in Entwicklungsländern dramatisch aus."

Auch hier Europa bzw. die Mitte Europas ('wir') als Zentrum der Vernunft, des Fortschritts, etc. und dagegen stehen die 'Anderen', die sich noch weiter entwickeln müssen. Diese Weltsicht scheint tatsächlich hoch infektiös zu sein und fundierte Argumentationen überflüssig zu machen.

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Mittel gegen 'Ausländerkriminalität'
Die taz berichtet aus Israel:

"Einzig Polizeigeneralinspektor Jochanan Danino schlug vor, Flüchtlingen Papiere zu geben und sie arbeiten zu lassen. Nur so seien sie nicht länger zum Stehlen gezwungen. Innenminister Eli Ischai (Schass-Partei) nannte den Vorschlag, „eine schreckliche Botschaft", die „eine Million weitere Flüchtlinge" nach Israel bringen werde. Die Tageszeitung Maariw bezeichnete Danino hingegen als „den einzigen weisen Mann innerhalb der xenophoben Regierungskreise"."

Nachtrag 17.06.12: Die Politik folgt aber nicht dem Polizeigeneralinspektor sondern schiebt ab, wie die taz berichtet.

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Mittwoch, 23. Mai 2012
Wo bleibt der Rechtsstaat?
"Organisationen, die im Verfassungsschutzbericht aufgelistet sind, sollen künftig automatisch die Gemeinnützigkeit verlieren." berichtet die taz.

Das heisst, ohne Urteil, alleine aufgrund eines Verdachts, der zudem nicht nachvollziehbar begründet wird (weil der Verfassungsschutz seine Quellen nicht offenlegen muss), gibt es automatisch finanzrechtliche Konsequenzen. (Und das zu einer Zeit, wo gerade sogar öffentlich über das Versagen des Verfassungsschutz im Fall der NSU diskutiert wird.) Wie lässt sich das mit dem Rechtsstaat vereinbaren? Mit der Trennung von Exekutive, Legislative und Judikative?

Bei der jetzt geplanten rechtlichen Änderung geht es um ein Wort wie die taz berichtet: "Bisher wurde „widerlegbar“ vermutet, dass eine im Verfassungsschutzbericht als extremistisch erwähnte Organisation nicht gemeinnützig sein kann. Jetzt soll das Wort „widerlegbar“ gestrichen werden. Die Finanzämter hätten dann keinen Ermessensspielraum mehr."

Das heisst aber, dass auch schon bisher eine rechtsstaatlich zweifelhafte Regelung gilt. Wieso kann dem nicht überprüfbaren Verfassungsberichten solche Bedeutung zugeschrieben werden? Wieso folgen aus dem Bericht fast automatisch finanzrechtliche Folgen?

Die Klausel gibt es laut taz seit 2008. Sie wurde wohl ohne großen Protest eingeführt, weil es (angeblich) um Neonazis ging. Jetzt berichtet zumindest die taz über Protest:

"Wolfgang Neskovic, Justiziar der Linken im Bundestag, ist empört. „Diese Regelung öffnet die Tür für politische Willkür“, meint der ehemalige Richter am Bundesgerichtshof, „über die Nennung im Verfassungsschutzbericht könnte dann gezielt missliebigen politischen Vereinigungen der finanzielle Boden entzogen werden.“ "

Und die taz führt noch aus:

"Außerdem können schon Lappalien zur Aufnahme in den Verfassungsschutzbericht führen, etwa wenn eine Organisation auf ihrer Webseite Links zu extremistischen Organisationen gesetzt hat. "

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Montag, 21. Mai 2012
Integrationsbeauftragte
1997 habe ich bei der Bundesausländerbeauftragten Cornelia Schmalz-Jacobsen ein Praktikum gemacht und habe mich sehr wohl gefühlt. Ich hatte das Gefühl, dass sich alle Mitarbeitenden wirklich für die Anliegen der Menschen, die nach Deutschland migriert waren, und ihre Kinder einsetzten. Der Begriff der Ausländerbeauftragten wurde kritisch hinterfragt und die Umbenennung zur Integrationsbeauftragten gefordert.

Das Amt ist inzwischen umbenannt. Marieluise Beck hat sich weiter für die migrierten Menschen und ihre Kinder eingesetzt. Aber mit der konservativen Regierung scheint sich dieses Amt ziemlich geändert zu haben. 2006 habe ich zu Böhmer gebloggt und deren Pressemitteilungen abbestellt. Jetzt schreibt die taz ähnliches:

"Anders als frühere Integrationsbeauftragte wie Lieselotte Funcke von der FDP (1981–1991) oder die Grüne Marieluise Beck (1998–2005), hat sich Maria Böhmer nie als Anwältin der Migranten verstanden, deren Sorgen und Nöte sie gegenüber der Bundesregierung zur Sprache bringt. Stattdessen versteht sie sich als Sprachrohr der Bundeskanzlerin, deren Wünsche sie den Migranten durchreicht."

Aber inzwischen ist der Begriff Integration ja auch nicht mehr der Versuch mehr auf Menschen zuzugehen sondern steht für staatliche Ausgrenzungspolitik. Da passt Böhmer bestens zu.

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