Samstag, 19. Mai 2012
Razan bloggt wieder
Vor ein paar Tagen ist sie aus dem Gefängnis gekommen und heute hat sie wieder gebloggt.

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Donnerstag, 17. Mai 2012
Rechte verstehen
In der taz schaut Rodothea Seralidou hinter den Wahlerfolg der Rechten in Griechenland. So weit so gut, aber mich irritiert der Artikel, weil er ... ich weiss nicht genau wie es formulieren kann .... weil er zu viel Verständnis für die Rechten hat? zu sehr Rassismen verniedlicht und reproduziert?

Als Protagonisten nimmt sie einen Geschäftsmann in der Athener Innenstadt, der die Rechten gewählt hat und auch nur in ihnen Hilfe sieht. Der Artikel scheint seine Perspektive und die der Vertreter_innen der rechten Partei zu nehmen. Er reproduziert den rassistischen Blick, kategorisiert Menschen als schwarz, farbig oder arabisch aussehend, aber nicht als weiß (die sind "griechisch" und z.B. "staatlich", machen einen "netten Eindruck" oder haben "schulterlanges Haar").

Es mag nur sprachlich ungeschickt formuliert sein, aber die folgende Aussage ist trotzdem seltsam:

"Außer den illegalen Einwanderern, die sich dort winzige Wohnungen mit Dutzenden ihrer Landsleute teilen, möchte keiner freiwillig in den heruntergekommenen Innenstadtbezirk ziehen."

Die Illegalisierten ziehen sicher nicht "freiwillig" in zu kleine Wohnungen in einem heruntergekommenen Viertel, die sie sich dann auch noch mit vielen anderen teilen müssen. Sie haben vermutlich keine andere Wahl.

Und folgende Formulierungen verharmlosen, die Entscheidung rechts zu wählen:

"Es sind diese Zustände und ein Gefühl der Ohnmacht, die die Menschen dazu verleiten, ihre Hoffnung in die rechtsextreme Partei Chrysi Avgi zu legen."

und

"Muhammadi glaubt nicht, dass über Nacht etwa eine halbe Million Griechen zu Neonazis und Faschisten geworden seien. „Die meisten haben die Rechtsextremen aus Protest gewählt. Sie wollten die zwei großen Parteien damit abstrafen für die Situation, in der sich das Land heute befindet. Und für die Unsicherheit, die sie empfinden.“ "

Die Wähler_innen werden so entlastet. Sie sind nicht Schuld, sondern die Verhältnisse. Dabei könnten sie aus Protest auch ganz andere Parteien wählen (was ja auch viele gemacht haben). Das Gefühl der Unsicherheit wird als ausreichender Grund angesehen, es wird nicht weiter analysiert, warum gerade eine rechte rassistische Partei, so gut bei den Leuten ankommt. Es wird nicht weiter analysiert, wie Rassismus auch in Griechenland wohl schon lange in der Gesellschaft verankert ist.

Seralidou spricht auch nicht von Rassismus sondern von "diese Intoleranz gegenüber den Einwanderern ", nachdem sie die rassistische Einstellung des 'staatlichen' 'nett aussehenden' Rechten wiedergegeben hat:

"... will nicht zusehen, wie diese Menschen mein Land ruinieren. Sie sind illegal hier und kommen aus Ländern, in denen ein Menschenleben nichts zählt. Sie sind fähig, jemanden für nur 50 Euro umzubringen. Für mich sind sie wie Tiere. Ich kann sie nicht tolerieren!“

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Mittwoch, 16. Mai 2012
Neue Veröffentlichung: Migration im Europa der Regionen
Mein Artikel Migration im Europa der Regionen – Überlegungen zu ungleichen Machtverhältnissen und ihren Konsequenzen ist nun in der Online-Publikation Kritische Migrationsforschung? – Da kann ja jeder kommen. vom Netzwerk MiRA veröffentlicht worden.

Zusammenfassung:

Urmila Goel stellt in ihrem Artikel theoretische Überlegungen zu ungleichen und interdependenten Machtverhältnissen an, welche sie auf die Europaregionen und ihren Umgang mit Migration anwendet und daran anschließend alternative Denkansätze rund um Migration erarbeitet. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen ist die Feststellung, dass durch die Überschreitung von Grenzen in die und innerhalb der nationalstaatlich organisierten EU Konflikte auftreten. Migration erscheint als ein Problem für die EUNationalstaaten, welches es zu regulieren bzw. zu verhindern gilt. Mit Blick auf die aktuellen Debatten über Migration stellt sie allerdings heraus, dass nicht Migration an sich, sondern die Migration von bestimmten Personen als Problem angesehen wird. In der Analyse des nach ökonomischen Kosten-Nutzen folgenden ‚Bereicherungsdiskurses’ und des ‚Integrationsdiskurses’ verweist Urmila Goel auf die diesen zugrunde liegenden Konstruktion der abweichenden Anderen, über welche sich die zur Norm erklärten Dominanzgesellschaft erst hervorbringt. Die Differenzierung zwischen uns und den Anderen erfolgt dabei entlang strukturell verankerter rassistischer, (hetero)sexistischer und klassistischer Vorstellungen sowie jene über normgerechte Körperlichkeit. In den Migrationsdebatten wird diese Differenzierung in vermeintlich eindeutig Zugehörige und Nicht-Zugehörige permanent (re)produziert und somit die ungleichen Machtverhältnisse, auf welchen die gesamte (post)koloniale Weltordnung basiert,stabilisiert. Diese so hergestellte Norm und das Andere ist allerdings nicht eindeutig und stabil, welches auf die Interdependenz verschiedener Machtverhältnisse hindeutet. Diese veranschaulicht Urmila Goel an Beispielen der Verwobenheit von Gender und natio-ethno-kultureller Zugehörigkeit, wie sie z. B. in der Kopftuchdebatte auftreten. Sie beendet ihren Artikel, indem sie anhand von drei Beispielen von Grenzüberschreitungen die damit verbundenen Machtungleichheiten, Interdependenzen und Ambivalenzen aufzeigt.

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aber worum geht es denen?
Zum 20jährigen Bestehen schenkt die taz dem LSVD ein wohlwollendes Interview von Martin Reichert mit Jörg Steinert. Zum Ende des Interviews fragt Reichert:

"Kann der LSVD für sich in Anspruch nehmen, eine ganze Community zu repräsentieren?"

und Steinert antwortet:

"Wir setzen uns für die Interessen von Lesben und Schwulen ein, für Gleichstellung. Es gibt bestimmt Menschen, die sich nicht von uns vertreten fühlen – aber worum geht es denen?"

Ja, wo soll frau denn da anfangen, dem Herrn Steinert zu erklären, warum ich mich so gar nicht vom LSVD vertreten fühle? Weil die Homo-Ehe oder die Zulassung homosexueller Soldat_innen in der Bundeswehr für mich nicht besonders anstrebenswerte Ziele sind? (Die Homo-Ehe ist dem Interview zu Folge eine der größten Leistungen des LSVD.) Weil ich keine Lust auf rassistische Äußerungen habe, wie z.B. im Interview, wenn Steinert sagt:

"Es geht um konstruktive Ansprache, wir wollen Menschen mitnehmen, die Homosexualität ablehnen. Deshalb arbeiten wir auch gezielt an Schulen mit einem hohem Anteil türkischsprachiger und arabischer Schüler. Viele dieser Jugendlichen hatten bislang keine Möglichkeit, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Weil ich auch klassistische Aussagen problematisch finde, so Steinerts Behauptung:

"Homophobie gibt es überall, sie ist nur ungleich verteilt. Im Theater gibt es sie weniger als im Fußballstadion, sage ich mal …"

Und weil ich ganz offensichtlich zum Feindbild von Steinert und Reichert gehöre. Nicht nur, weil ich den Rassismus des LSVD kritisiere, sondern auch weil ich zu "gewisser Menschen, die sich auf die Queer Theory und Judith Butler beziehen" gehöre und mit so einfacher Identitätspolitik nichts anfangen kann.

Ich will nicht einfach als Lesbe mehr vom Kuchen abbekommen. Ich will, dass der Kuchen anders gebacken und gerechter verteilt wird.

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Samstag, 12. Mai 2012
Not lespisch

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Mittwoch, 9. Mai 2012
Hartes Vorgehen
In unserer Gesellschaft gibt es viele verschiedene Gruppierungen, die gerne eine andere Gesellschaft hätten. So hätte die CDU gerne eine konservativere mit weniger 'Ausländer_innen', die Grünen eine ökologisch nachhaltigere, etc. Verfassungskonform ist das alles nicht unbedingt, aber solange nicht zu offensichtlich oder offensiv gegen die Verfassung agiert wird (bzw. gegen die Mächtigen im Land), wird das als Teil des politischen Meinungsbildungsprozesses verstanden. Bei denen, die offensichtlicher nicht allen die gleichen Menschenrechte zugestehen wollen, wie z.B. Pro NRW, gehen die guten Demokrat_innen durchaus auf Distanz, halten aber die Fahne der freien Meinungsäußerung weiter hoch. Die Demokratie muss die Agitation von z.B. Pro NRW verkraften können.

Bei den Salafisten ist die Toleranz aber geringer. Wenn diese auf die Provokationen von Pro NRW gewalttätig reagieren, dann wird hartes Vorgehen angekündigt (siehe tageschau.de) und zwar ein hartes Vorgehen, dass sich rassistischer Ausschlussmechanismen bedient:

"Friedrichs Parteikollege Hans-Peter Uhl forderte die Ausweisung militanter Islamisten. Der "Bild"-Zeitung sagte er, die freiheitlich demokratische Grundordnung müsse von jedem Menschen in Deutschland akzeptiert werden. Wer diese Werte ablehne, "soll unser Land schnellstmöglich verlassen", so Uhl. "Wer aber kein deutscher Staatsbürger ist und hier nur sein krudes Gedankengut verbreiten will oder unseren Sozialstaat ausnutzen will, der muss ausgewiesen werden", sagte der CSU-Politiker weiter."

Menschen,die nicht die deutsche Staatsbürger_innenschaft haben und die "freiheitlich demokratische Grundordnung" ablehnen, scheinen gefährlicher als solche mit deutscher Staatsbürger_innenschaft (von Pro NRW, die NSU, etc.). Warum? Warum kann mensch mit den einen innerhalb Deutschlands fertig werden und muss die anderen ausweisen? Und was hat in dem Zitat die Ausnutzung des Sozialstaats zu suchen? Nutzt Uhl hier nur die aktuellen Gewalttaten, um eine rassistische (und verfassungswidrige) Politik zu fordern?

Auch Innenminister Friedrich fordert rassistische Ausschlüsse:

"In Einzelfällen müsse man auch eine Ausweisung prüfen, so der CSU-Politiker weiter. Dies sei bei kriminellen, verurteilten Gewälttätern unter ganz bestimmten Voraussetzungen möglich. "Sie können aber niemandem eine Staatsbürgerschaft entziehen, wenn er keine andere hat"."

Ich vermute bei diesem Zitat, dass es ihm nicht darum geht, deutsch-deutschen Gewalttätern und Verfassungsfeinden die Staatsbürger_innenschaft zu entziehen. Um die geht es ja im ganzen Beitrag nicht, die gezielten Pro NRW-Provokationen fallen in der Berichterstattung völlig unter den Tisch. Friedrich muss über Menschen reden, die die deutsche Staatsbürger_innenschaft haben, die er aber nicht für Deutsche hält und denen er gerne die Staatsbürger_innenschaft entziehen würde (was nach dem Nationalsozialismus in Deutschland eigentlich nicht mehr passieren sollte), was er aufgrund der aktuellen Rechtslage aber leider nicht machen kann.

Eine (in meiner Lesart verfassungskonforme) Gleichbehandlung aller Menschen würde bedeuten, dass Menschen unabhängig ihrer Staatsbürger_innenschaft gleich behandelt werden. Ausweisung und Entzug von Staatsbürger_innenschaft kann nicht das Mittel für Strafverfolgung sein. Straftaten Einzelner dürfen nicht für rassistische Hetze gegen ganze Bevölkerungsgruppen ausgenutzt werden. Und die Sehschärfe auf dem rechten Auge sollte erhöht werden.

Nachtrag: In der taz heute eine weniger alarmistischer Bericht: Polizei macht Peace mit Salafisten.

Nachtrag 11.05.12: Die taz berichtet von weiteren verfassungswidrigen Forderungen von deutschen Politiker_innen:

"sein niedersächsischer Kollege Uwe Schünemann (CDU) forderte, "notfalls" die Grundrechte von Salafisten wie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit einzuschränken."

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Mittwoch, 9. Mai 2012
Wozu immer wieder Opferhierarchien?
Unsere Gesellschaft ist von unterschiedlichen Machtverhältnissen durchzogen und produziert eine ganze Reihe von Ausgrenzungen. Manche dieser Ausgrenzungsverhältnisse bekommen mehr Aufmerksamkeit, andere weniger. Alle sind gewaltvoll und schaffen Ungleichheiten.

Es fällt mir immer wieder auf, dass Menschen, die auf ein bestimmtes Machtverhältnis (oder die Intersektion von bestimmten Machtverhältnissen) hinweisen wollen, dies tun, in dem sie dieses Machtverhältnis (oder diese Intersektion) als besonders ausgeblendet darstellen und behaupten, dass bei anderen Machtverhältnissen viel mehr getan wird. Aktuell ist mir das gerade bei der taz-Berichterstattung letzten Samstag zum 'Aufstand der Dicken' aufgefallen. So zitiert die taz einen Sozialforscher:

"Dicke sind die letzte gesellschaftliche Gruppe, die man ungestraft diskriminieren kann"

Im taz-Kommentar wird behauptet, dass Homophobie und Rassismus in Deutschland sanktioniert würde. Dabei widerlegt sich der Kommentator selbst, wenn er schreibt:

"Und überhaupt findet es kaum jemand diskriminierend, Dicke anzugreifen. Das Vokabular dafür lautet „hänseln“. Wer spräche von Hänseln, würde ein Dunkelhäutiger als N[*] verunglimpft? "

Verunglimpfen ist genauso wie Hänseln ein Euphemismus für die Reproduktion eines gesellschaftlichen Machtverhältnisses. Rassismus und Homophobie sind nach wie vor alltäglich und machtvoll, auch wenn es Menschen gibt, die öffentlichkeitswirksam dagegen ankämpfen. 'Dicke' sind nicht die letzte Gruppe, die ungestraft diskriminiert werden kann, sondern eine von vielen Gruppen, die in unserer Gesellschaft mit alltäglichen Ausgrenzungen kämpfen müssen und kaum erleben, dass Diskriminierungen sanktioniert werden.

Ich verstehe nicht, warum um Aufmerksamkeit auf ein Ausgrenzungsverhältnis zu lenken, immer wieder behauptet wird, andere Ausgrenzungsverhältnisse bekämen (zu) viel Aufmerksamkeit und wären bereits gelöst . Wozu diese Vergleiche und Opferhierarchien?

Im Beispiel heute in der taz wird ein schwarzer Aktivist zitiert:

"Für die Schwarzen, "die Minderheit unter den Minderheiten""

Was soll das heissen die Minderheit unter den Minderheiten? 'Eine Minderheit im Integrationsbeirat' würde ich als Aussage verstehen, weil da tatsächlich eine zahlenmässige Mehrheit von bestimmten Migrationsgruppen gegeben ist. Die Formulierung die Minderheit unter den Minderheiten lässt aber noch andere Bilder aufkommen, sie suggeriert, dass eine Gruppe (in diesem Fall die Schwarzen) besonders marginalisiert ist, mehr als alle anderen.

Diese Vergleiche müssen aber immer hinken, denn natürlich gibt es nicht nur eine Minderheit unter den Minderheiten, sondern viele. Die Aufmerksamkeit liegt auf einigen und auf ganz vielen nicht. Das lässt sich nicht in eine klare Hierarchie bringen.

Entwertet Eure Analysen nicht durch Verleugnen von anderen Machtverhältnissen! Ihr müsst nicht am schlimmsten diskriminiert sein, um Unterstützung in Eurem Kampf bekommen zu können.

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Donnerstag, 3. Mai 2012
Irritierend


Gestern hat die Deutsche Welle bekannt gegeben:

"Best Social Activism Campaign

Gewinner in dieser Kategorie ist die Facebook-Page "Free Syrian Blogger& Activist Razan Ghazzawi". Die Kampagne war eine Reaktion auf die Verhaftung der syrischen Bloggerin Razan Ghazzawi am 04.12.2011, mit dem Ziel, ihre sofortige Entlassung zu erreichen."


Im weiteren Text gibt es keinen Verweis darauf, dass Razan inzwischen wieder inhaftiert ist und es - so weit ich das bisher mitbekomme habe - keine Nachrichten über sie und die anderen Inhaftierten vom Syria Media Center gibt.

Was genau zeichnet die Deutsche Welle aus? Und warum bekommt sie nicht mit, dass die Kampagne gerade wieder aktuell ist?

Nachtrag 13.05.12: Die Facebook-Seite "Free Syrian Blogger& Activist Razan Ghazzawi" ist aber auf jeden Fall preiswürdig. Nachdem Razan das erstemal aus der Haft entlassen wurde, wurde sie weiter genutzt, um über andere Gefangene zu berichten. Und das wurde fortgeführt, als Razan wieder in Haft war. Es ging also nie nur um Razan und ihre Bekanntheit wurde ausgenutzt, um Öffentlichkeit für andere herzustellen.

Die FB-Seite hat gestern gemeldet, dass alle die SCM-Inhaftierten, die vor Gericht standen, gestern aus dem Gefängnis entlassen wurden, und Razan hat auch schon getwittert. Hussein Ghrer und einige andere sind aber weiter in Haft.

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