Donnerstag, 21. Juni 2012
Institutioneller Rassismus
Rassismus durchdringt diese Gesellschaft und strukturiert sie, inklusive ihrer Institutionen. Dabei wirkt Rassismus durch die (Re)Produktion von 'Normalität' und Befolgung von Gesetzen, auch ohne dass Individuen absichtsvoll rassistisch handeln wollen.

Institutioneller Rassismus ist zum Beispiel in den Abschiebepolitiken Deutschlands und der EU festgeschrieben. Es werden Kategorien von Menschen zu Anderern erklärt, ihnen werden Rechte und Ressourcen entzogen, ihnen werden kollektiv minderwertige Mentalitäten unterstellt und dies ist gesellschaftlich völlig legitim.

Gerade verhandelt das Bundesverfassungsgericht über das Asylbewerberleistungsgesetz (siehe z.B. taz). Es legt als Gesetz (also staatlich legitimiert) fest, dass eine bestimmte Gruppe von Menschen, weniger als das Existenzminimum für Menschen zum Leben braucht, und spricht ihnen das Recht auf Aufenthalt in Deutschland ab. Ein durch und durch rassistisches Gesetz. Auch das Bundesverfassungsgericht hat Zweifel, ob das Gesetz so verfassungskonform ist.

Während die Menschen, die unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen, zu wenig Geld zum Leben bekommen, bereichern sich laut taz-Bericht (mit Verweis auf MDR Thüringen) Landkreise an Geldern, die für Flüchtlinge vorgesehen sind:

"Ein Beispiel ist der Wartburgkreis. Obschon dort das einzige Asylbewerberheim in Gerstungen nicht mal die Mindestbedingungen für den Betrieb erfüllt, sparte der Kreis zwischen 2004 und 2007 etwa 800.000 Euro an Kosten für Gebäude, Betreuung und Personal. Zuvor hatte das Landesverwaltungsamt bereits „grobe Verstöße“ beim baulichen Zustand und beim Brandschutz festgestellt. "

Bei dem Willen auf dem Rücken von Flüchtlingen zu sparen, ist es kein Wunder, dass die CDU in Berlin laut taz-Bericht keinen Grund sieht, Flüchtlingen einen Internetanschluss zu finanzieren (die Piraten-Partei fordert das und Flüchtlinge organsieren sich diesen selber).

Für Abschreckung und Abschiebung aber geben staatliche Institutionen gerne Geld aus. Gerade wurden Gebäude auf dem neuen Flughafen Berlins für das Flughafenschnellverfahren gebaut (das einzige was bisher funktioniert auf dem Flughafen?). Und es gibt wie die taz berichtet, Pläne für einen neuen Berlin-Brandenburgischen Abschiebegewahrsam (weil die alten bei weitem nicht ausgelastet sind). Die grüne Politikerin Canan Bayram fragt:

„Da sollte man fragen, ob man überhaupt einen Knast betreiben muss oder ob es nicht auch anders geht.“

In Leipzig wenden sich derweil (vermutlich weiße, deutsche) Bürger_innen gegen die dezentrale und menschenwürdigere Unterbringung von Flüchtlingen wie die taz gestern berichtet (nachdem rassismuskritische Gruppen schon länger dagegen mobilisieren).

All das ist (nicht nur institutioneller) Rassismus, aber in Deutschland offensichtlich kein Skandal. Ein Skandal wird es erst, wenn (institutioneller) Rassismus in Deutschland öffentlich und prominent benannt wird. "Rassismus-Vorwurf sorgt für Eklat im Landtag" titelt die Hannoversche Allgemeine:

"Am Rednerpult steht SPD-Fraktionschef Stefan Schostok. Er macht gerade eine Generalabrechnung mit der Politik der CDU-FDP-Landesregierung, geißelt die Flüchtlingspolitik und sagt, Wissenschaftler sprächen in diesem Fall gar von „institutionellem Rassismus“. CDU-Geschäftsführer Jens Nacke, der ganz vorne sitzt, fährt aus der Haut. „Unverschämtheit“, ruft er und lässt sich in seinen Zwischenrufen gar nicht bremsen. "

Es ist skandalös, dass in Deutschland nicht Rassismus skandalös ist, sondern das Thematisieren von Rassismus.

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