Dienstag, 1. November 2011
Klarer Standpunkt
Die taz hat Nuran Yigit und Serdar Yazar vom (Antidiskriminierugnsnetzwerk des) TBB interviewt. Die beiden machen klare und differenzierte rassismuskritische Aussagen. Ein sehr lesenswertes Interview.

Sehr gut hat mir gefallen, dass sie sich nicht auf eine Hierarchisierung von von Rassismus Marginalisierten einlassen. Auf die taz-Frage "Sind Türkeistämmige stärker als andere betroffen?" antwortet Yigit:

"Auf diese Diskussion wollen wir gar nicht eingehen. Natürlich hat jede rassistisch diskriminierte Gruppe ihre eigene Geschichte, Sinti und Roma oder auch schwarze Menschen sind noch mal von ganz anderen Problemen betroffen. Aber wir wollen keine Opferkonkurrenzdiskussion, sondern den Solidaritätsaspekt betonen. Jede Diskriminierung ist schlimm. "

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Donnerstag, 20. Oktober 2011
Herkunft als Risiko?
Die Online-taz überschreibt den Titel mit "Das Risiko Herkunft", in der Printversion hiess er "Herkunft als Risikofaktor". Inhaltlich geht es darum, dass Menschen, die von den Statistiker_innen als 'Migrant_innen' oder deren Kinder definiert werden, stärker von Armut betroffen sind als andere. Die Titel suggerieren, dass die Herkunft aus einem anderen Land als Deutschland (was immer das genau bedeuten soll) zu Armut führt.

Statistisch lässt sich (vermutlich - die Statistiken habe ich nicht selber analysiert) aber nur sagen, dass Armut und 'Migrationshintergrund' (MmM) korrellieren, also zusammen auftreten und nicht, dass das eine die Ursache des anderen ist. Für eine Ursachenforschung müsste mensch andere Faktoren mitberücksichtigen. So schreibt die taz auch:

"Als wichtigste Stellschraube für ein Leben in Armut oder Wohlstand sehen die ExpertInnen den Schulabschluss."

Dann wird ausgeführt, dass viele MmMs keinen Schulabschluss bekommen und angesprochen, dass Lehrer_innen zuwenig über interkulturelle Kompetenzen verfügen. Nicht thematisiert wird allerdings, dass das deutsche Schulsystem zu einer rassistischen Auslese führt, dass MmMs in ihm schlechter gestellt werden und so weniger Chancen auf einen (guten) Schulabschluss haben (mehr dazu zum Beispiel in Mecheril et al: Migrationspädagogik). Rassismus ist also für die Schlechterstellung der MmMs verantwortlich und nicht deren 'Herkunft'. Deutlich wird das auch in einer anderne Studie, die die taz zitiert:

"Doch Jugendliche mit Migrationshintergrund haben auch dann noch schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, wenn sie dieselben schulischen Leistungen erreichen wie ihre deutschen AltersgenossInnen. Einer Studie der Universität Konstanz aus dem Jahre 2010 zufolge erhielten BewerberInnen mit türkischen Namen weniger positive Rückmeldungen als vergleichbar qualifizierte Deutsche."

Eine bessere Überschrift für den taz-Artikel wäre also: "Rassismus als Risikofaktor" oder "Das Risiko Rassismus".

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Dienstag, 18. Oktober 2011
Keine Trennung zwischen Staat und Kirche
Die taz berlin berichtet, dass die CDU in den Berliner Koalitionsverhandlungen durchgesetzt hat, dass die Standard-Vereidigung für Richter_innen einen Gottesbezug haben soll:

"m Berliner Richtergesetz wird die Vereidigungsformel künftig ergänzt durch eine religiöse Beteuerung - "so wahr mir Gott helfe". Darauf kann jeder und jede zwar genauso verzichten wie es bislang möglich war, sie bei einer Vereidigung hinzuzufügen, ohne dass sie im Gesetz stand. Einigen CDU-Verhandlern war es aber offenbar wichtig, die Formel im Gesetz niderzuschreiben, wie es auch auf Bundesebene üblich sei."

So können Fortschritte in der Trennung von Staat und Kirche auch wieder rückgängig gemacht werden (mit der SPD).

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Sonntag, 16. Oktober 2011
Ausweisung von Inländer_innen
"Nach dem deutschen Ausländergesetz ist ein Ausländer [...] zwingend auszuweisen, wenn er zu einer Haftstrafe von mehr als drei Jahren verurteilt wurde."

schreibt die taz in einem Artikel zur Ausweisung eines Inländers ohne deutsche Staatsbürger_innenschaft. Der verurteilte tunesische Staatsbürger klagte gegen seine Ausweisung:

"Alle seine sozialen Bezüge seien in Deutschland, zu Tunesien habe er keinerlei Verbindung. Er berief sich dabei auf Urteile des Bundesverfassungsgerichts und des Straßburger Gerichtshofs für Menschenrechte."

Jetzt hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte der Ausweisung laut taz nach Einzelfallprüfung zugestimmt:

"Dabei stellten die Richter fest, dass T. sich nicht besonders um seine Integration in Deutschland bemüht hatte. Außerhalb seiner Familie habe er kaum soziale Bezüge. Er habe nicht versucht, seine Aufenthaltserlaubnis, die 2002 abgelaufen war, zu verlängern. Auch einen Antrag auf Einbürgerung habe er nicht gestellt."

Hier schlägt der diffuse Integrationsbegriff voll zu. Bei einem nicht-deutschen Staatsbürger ist es nicht massgebend, dass seine Familie, zu der eine Beziehung hat, in Deutschland ist (und er in Tunesien keine eigenen Bezugspunkte hat), er muss sich irgendwie anders (in Deutschland) integrieren (ansonsten gehört er nach Tunesien). Es wird suggeriert, dass ein Antrag auf Einbürgerung ein Zeichen für eine solche Integration wäre, dabei wäre für den straffällig Gewordenen ein solcher Antrag wohl völlig aussichtslos gewesen.

Der Skandal der Ausweisung liegt allerdings nicht im Einzelfall sondern in der doppelten Bestrafung von nicht-deutschen Verurteilten: Haft plus Ausweisung (siehe auch taz-Kommentar).

Lesetipp: Tobias Schwarz analysiert den deutschen Ausweisungsdiskurs in seinem Buch Bedrohung, Gastrecht, Integrationspflicht.

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Freitag, 14. Oktober 2011
Buchbesprechung: Rassismus in der Leistungsgesellschaft
Anmerkung: Ich habe dieses Buch vom Verlag kostenlos als Rezensionsexemplar bekommen.

Der von Sebastian Friedrich herausgegebene Sammelband Rassismus in der Leistungsgesellschaft (2011, Verlag edition assemblage, Münster) bietet laut Untertitel Analysen und kritische Perspektiven zu den rassistischen Normalisierungsprozessen der >>Sarrazindebatte<< . Ein Jahr nach der Sarrazindebatte versammelt dieses Buch sowohl Artikel, die sich explizit mit Sarrazins Buch beschäftigen sowie jene, die sich mit der Debatte rund um die Veröffentlichungen von Sarrazins Buch beschäftigen.

Insbesondere letzteres ist wichtig, um den Fokus weg von der Person Sarrazin und seinen Aussagen zu nehmen und stattdessen zu analysieren, wieso eine solche Veröffentlichung so erfolgreich sein konnte, welche gesellschaftliche Debatten (und Ausgrenzungsmechanismen) dem Erfolg zugrunde liegen und durch ihn gefördert werden.

Ein besonderes Anliegen des Sammelbandes ist es, nicht nur den Rassismus der Sarrazindebatte zu analysieren sondern auch den damit verbundenen Klassismus. Verschiedene Artikel analysieren, die sarrazinsche Ausgrenzung von jenen, die als ökonomisch nicht leistungsfähig konstruiert werden, und die weitgehende Nichtthematisierung dieses Themenkomplexes in der öffentlichen Sarrazindebatte.

Das Buch hat mich in verschiedener Hinsicht bereichert. Zum einen bieten etliche Artikel eine Sammlung von interessanten Sarrazin- und anderen Medienzitaten. Zum anderen bietet der Sammelband einige kritische Analysen der Sarrazindebatten. Viele der Argumentationen waren für mich nicht neu, einige haben mir aber auch noch neue Denkanregungen gegeben. Ich kann das Buch also durchaus empfehlen, für all jene, die sich noch mal eingehender mit der Sarrazindebatte auseinandersetzen wollen.

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Namensbilder


"Unter Urmila habe ich mir jemanden ganz anderes vorgestellt. Eine schwarze Frau. Soooo breit. Mit zwei Kindern im Arm."

Immer wieder interessant welche Bilder bei meinem Namen auftauchen. Da habe ich vor fast zehn Jahren schon mal drüber geschrieben.

Die Bekannte einer Freundin besteht darauf, dass ihre Bilder ganz selbstverständlich aus meinem Namen kommen. Das sagt ihre Tochter auch.

Ob ihre Bilder wohl auch daher kommen, dass unsere gemeinsame Bekannte eine schwarze Frau ist, die nicht als schlank beschrieben würde?

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Sonntag, 9. Oktober 2011
Neuer Blog: Migrasia
Der neue Blog Migrasia berichtet über Migration rund um 'Asien' oder wie es auf dem Blog selbst heisst:

"Babylonic news from the shifting borders of Asia"

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Donnerstag, 6. Oktober 2011
Geldwäsche und Steuerhinterziehung
Die taz berichtet von einer Studie des 'Netzwerks für Steuergerechtigkeit':

"Deutschland ist ein maßgeblicher Spieler im globalen Netz der Geldwäsche und Steuerhinterziehung."

Und damit steht Deutschland in der EU nicht alleine da:

"Fast die Hälfte der Top-20-Steueroasen liegt in der Europäischen Union. "

Die taz berichtet, dass durch die europäischen Finanzregelungen 'Entwicklungs- und Schwellenländern' jährlich geschätzte 250 Milliarden US-Dollar Steuereinnahmen entgehen.

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Männer in Erziehungsberufe?
Schon länger wird gefordert, dass mehr Männer in den Kitas arbeiten sollen. Jetzt bringt die taz einen Artikel von Thomas Gesterkamp der mehr Männer als Lehrer in Grundschulen fordert:

"Jungen brauchen männliche Vorbilder und Identifikationsfiguren auch außerhalb der Familie. Mädchen brauchen Männer ebenso, als das andersgeschlechtliche Gegenüber. "

Das ist so zweigeschlechtlich festschreibend. Als ob alle, die als Jungen/Männer (Mädchen/ Frauen) definiert werden, gleich wären und das gleiche Gegenüber brauchen. Als Hosen tragendes, Fußball spielendes, Mathe liebendes Mädchen hätte ich wohl einen Rock tragenden, Seil springenden und Mathe hassenden Lehrer gebraucht? Mein bester Freund wiederum hätte eine Fußball spielende, Rock tragende und handwerklich talentierte Lehrerin gebraucht.

Welche Männer werden denn in den Kitas und Grundschulen gebraucht? Machos? Und warum werden eigentlich keine Butch-Lesben gebraucht?

Ich kann durchaus verstehen, dass Kinder mit unterschiedlichen Typen Erwachsenen zusammenkommen sollten, um so verschiedene Lebensformen kennenzulernen. Aber warum sollte dieses völlig ungenaue Konzept Mann dabei helfen. Es muss viel genauer geschaut werden: welche Männlichkeiten und Weiblichkeiten dominieren die Kitas und Grundschulen, welche fehlen für die Entwicklung der Kinder (und bei welchen ist es ganz gut, dass sie fehlen), wie kann dieses Fehlende hereingeholt werden, ohne dabei wieder Geschlechterrollen festzuschreiben?

Um mehr Diversität in Kitas und Grundschulen zu bekommen, wäre es sicherlich gut, wenn die Gehälter und Arbeitsbedingungen besser wären. Aber nicht, weil Männer mehr verdienen sollen, sondern weil diese Arbeit ordentlich bezahlt werden sollte und alle sich die Arbeit leisten können sollten (siehe dazu auch einen älteren Blogpost). Und wenn die Gehälter besser sind, muss auf jeden Fall darauf geachtet werden, dass Frauen nicht aus dem Beruf gedrängt werden (denn das ist bisher die Marktlogik).

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