Freitag, 25. Februar 2011
Europäisches Interesse
Demokratie - dafür tritt die EU angeblich ein. Die nordafrikanischen Volksaufstände aber zeigen, dass die EU de facto wenig Interesse an Demokratisierung hat. Mit den Diktatoren kann sie ihre Festung Europa viel besser abdichten. Dazu ein Zitat aus einem taz-Kommentar vom 14.02.:

"Kaum ist unser alter, zuverlässiger Partner Ben Ali weg, stechen die Boote in See. Ben Ali allerdings musste sich über all die Jahre nie Mahnungen anhören, er lasse es an Demokratie mangeln oder er nutze europäische Hilfe dafür, den Wohlstand des eignen Clans zu mehren. Schließlich garantierte er jenes Gut, das "uns Europäer" faktisch weit mehr interessierte als Demokratie und Prosperität in Tunesien: die Stabilität - bei der Islamistenabwehr im Innern, vor allem aber an den Außengrenzen."

Wenn aber der Diktator nicht mehr dafür sorgen kann, dass die Menschen nicht in die EU kommen, muss der Aufbau der Demokratie dafür herhalten. Aus der taz vom 15.02.11: "Innenminister de Maizière (CDU) sagte, Tunesien müsse dafür sorgen, dass die Menschen bleiben: "Die Menschen müssen erkennen: Sie gehören nach Tunesien, um dort ein anderes Tunesien aufzubauen.""

Die nach Europa Migrierenden werden als Arbeitsmigrant_innen abgewertet, die sich besser um ihr Land kümmern sollten. Dabei hat der Umsturz in Tunesien auch direkte wirtschaftliche Folgen für die Menschen, wie ein taz-Interview mit der Anwältin Paola La Rosa zeigt:

"Viele, mit denen ich reden konnte, haben bis vor Kurzem als Kellner oder Koch in den Hotels Südtunesiens, in Djerba und den anderen Touristenhochburgen gearbeitet. Doch infolge der Unruhen sind diese Hotels jetzt alle geschlossen, ist der Touristenstrom abgebrochen - und die früher in dieser Branche Beschäftigten stehen jetzt auf der Straße."

Aber es kann natürlich nicht sein, dass diese Menschen in die EU kommen und wir ihnen dadurch auch beim demokratischen Umbau helfen. Mit Diktatoren lässt sich besser verhandeln.

Innerhalb der EU entledigen sich die nördlichen Staaten mittels Dublin II der Verantwortung für Flüchtlinge. So berichtet die taz über einen Iraner, der nach Griechenland abgeschoben werden soll und kein selbstbestimmtes Leben führen darf.

Derweil verschärft Österreich laut taz weiter sein Ausländerrecht mit "Abschiebehaft für Kinder als "Angebot" für die Eltern" und "unter "Mitwirkungspflicht" laufenden Internierung von Asylwerbern im Erstaufnahmezentrum". Bei der legalen Einreise, werden Deutschkenntnisse verlangt: "wenn kein Goethe-Institut in Reichweite sei, könnte jeder über Internet studieren".

Nachtrag: Europäische (und einige andere Staaten) holen ihre Staatsangehörige aus Libyen raus (siehe z.B. stern.de). Die Libyer_innen aber sind in Europa nicht willkommen (siehe tagesschau.de). Menschenrechte hängen mal wieder von der Staatsangehörigkeit ab.

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Freitag, 25. Februar 2011
Rassismus in Kinderbüchern
Über die Reproduktionen von Rassismus (und Heteronormativität und ...) in Kinderbüchern wird schon lange diskutiert, sowohl in der Wissenschaft wie in antirassistischen Initiativen (z.B. auf dem Schwarzen Blog, von Eske Wollrad, vom Verband binationaler Partnerschaften, etc.). Nun hat Wolfgang Benz vom Zentrum für Antisemitismusforschung das Thema aufgegriffen und so ist auch die taz auf das Thema aufmerksam geworden.

Das Problem scheint die Autorin Marlene Halser aber nicht in seiner Tiefe und Tragweite zu verstehen. Sie schreibt ganz distanzierend und die Analyse verzerrend zur Reproduktion von Rassismus in den Pippi Langstrumpf-Büchern: "Nun soll dieses Mädchen eine Rassistin sein." Dabei geht es nicht darum, dass Pippi rassistisch ist, sondern dass die Pippi-Bücher rassistische Bilder und Sprache reproduzieren und Kinder dadurch Rassismus lernen bzw. vertiefen.

Zudem hält die Autorin die Diskussion nicht für relevant, da die Bücher schon alt seien: "Einen aktuellen Anlass für Benz' Kritik gibt es nicht." Als ob die Bücher heute nicht mehr gelesen würden und nicht mehr Kinder prägen würden.

Des weiteren geht sie naiv davon aus, dass Eltern den Rassismus erkennen, als Problem ansehen und mit ihren Kindern darüber sprechen würden: "Benz fordert also den oder die kritische VorleserIn, die in der Lektüre innehält und mit den Kindern über das Gehörte spricht, wenn Pippi über die lügenden Kongolesen urteilt. Aber hätten das die meisten Eltern, die heute noch Vorlesen, nicht ohnehin getan?"

Schliesslich hat sie einen naiven Vorschlag zur Rassismuskritik: "Denn statt nur auf veraltete Phänomene hinzuweisen, wäre es konstruktiver gewesen, nach Kinder- und Jugendbüchern zu fahnden, die Minderheiten thematisieren und damit schon früh zu Toleranz und Offenheit beitragen." Da gibt es einige Bücher auf dem Markt, die Toleranz beibringen wollen und damit die rassistischen Differenzierungen festigen. Der Umgang mit rassitischen Strukturen in der Gesellschaft muss schon etwas komplexer sein.

Dieser taz-Artikel zeigt deutlich, wie wichtig die Auseinandersetzung mit Rassismus in Kinderbüchern ist.

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Impressionen zum antimuslimischen Rassismus
Dass ich seit Anfang Februar fast nicht gebloggt habe, hat nicht damit zu tun, dass es nichts zu bloggen gegeben hätte (es fehlte einfach die Zeit). Aus dieser Woche ein bisschen was zum Thema antimuslimischer Rassismus:

Cigdem Akyol schreibt in der taz darüber, dass islamisches Recht in Deutschland tatsächlich angewandt wird. Auch wenn zwischendurch mal darauf hingewiesen wird, dass dies nicht für islamisches Recht gilt:

"Der Erlanger Islamwissenschaftler Mathias Rohe erklärt, das Nebeneinander der Rechtssysteme sei Ausdruck der Globalisierung. "Wir wenden islamisches Recht genauso an wie französisches", sagt er."

erweckt der Artikel doch den Eindruck, das wäre islamisches Sonderrecht. Es wird nicht ausgeführt, dass im Privatrecht in Deutschland, das Heimatrecht gilt. Darin wird den Personen mehr Bezug zu dem Land ihrer Staatsbürger_innenschaft unterstellt als zu Deutschland, und sie deshalb dem Recht unterworfen.

Akyol schreibt auch zu Großbritannien: "Die Mehrheit stammt aus Indien und Pakistan - aus Gegenden, in denen die Rechtsauslegung per Scharia schon eine sehr lange Tradition hat."

Das stimmt so nicht ganz. In Indien, wie in anderen ehemaligen britischen Kolonien, gilt das plurale personal law. Privatrechtlich gibt es mehrere Rechtssysteme je nachdem welcher Religion/ Gemeinschaft mensch angehört. In Indien gibt es daher unter anderem christliches, hinduistisches, islamisches und staatliches Familienrecht. Das islamische ist durch die Scharia geprägt, das christliche durch die Bibel, etc.

Auch Martin Reicherts Artikel über eine Diskussion zu Muslimen und Homosexualität ist vom Nichtverstehen(wollen) geprägt. Das Hinterfragen des Diskurses, den insbesondere Maria do Mar Castro Varela, fordert, scheint (oder will) er nicht zu verstehen. Reichert tut mal wieder so, als ob er der einzige ist, der sich für die unterdrückten muslimischen/migrantischen Homosexuellen/Schwulen einsetzt. Muslimisch und migrantisch geht bei ihm in eins über, homosexuell und schwul auch. Castro Varela ist für ihn aber nur lesbisch udn damit nicht kompetent: "Es ist schwierig, an einem Sonntagmittag über Analverkehr zu sprechen."

In der Printtaz schaft es die taz dann beim Untertitel des Bildes sowohl Castro Varelas wie Sezgins Name falsch zu schreiben. Beck und Emcke bekommt sie aber hin.

Ein Artikel von Mirjam Schmitt zu einem Planspeil Junge Islam Konferenz zeigt, wie junge Menschen erst durch die öffentlichen Debatten zu Muslimen werden:

"Mit ihrem Verein DeuKische Generation setzt sich die 22-jährige Studentin zwar schon lange für die Interessen türkischstämmiger Jugendlicher ein, Religion spielt in dem Verein aber keine Rolle. "Meine Eltern haben mich säkular erzogen. Erst als ich bei einer Podiumsdiskussion als Muslimin vorgestellt wurde, habe ich gemerkt, dass ich mich mit dem Thema Islam auseinandersetzen muss", sagt Aylin Selcuk."

Die taz berichtet zudem darüber, dass Menschen, die für Muslime gehalten werden, pauschal unter Terrorverdacht stehen:

"Wer aus einem muslimisch geprägten Land stammt, gilt in Deutschland als potenzielles Risiko. Bei Beantragung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels wurden 2010 über 24.000 Menschen zu möglichen Terrorkontakten befragt. Davon waren vor allem Muslime betroffen."

Natürlich distanzieren sich die Behördenvertreter_innen davon, antimuslimisch zu handeln: "Laut einem Sprecher des bayerischen Innenministeriums sei aber nicht ein muslimischer Hintergrund der Befragten entscheidend für die Überprüfungen, sondern ob im Herkunftsland Terrororganisationen aktiv sind."

Werden da auch Menschen aus Irland oder Spanien befragt? Oder geht es nur um muslimische Terrororganisationen?

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Dienstag, 22. Februar 2011
Berlinale: Stadt Land Fluß
Der Film Stadt Land Fluß wirft einen liebevollen Blick auf einen industriellen Agrarbetrieb im Brandenburgischen. Die schwule Liebesgeschichte wird nett entwickelt. Das Publikum war ziemlich begeistert. Und ich war begeistert als ich erfuhr, dass im Film nur zwei Schauspieler dabei waren, der Rest quasi dokumentarisch sei.

Die Diskussionsrunde war aber darüber hinaus fast so ernüchternd wie bei Tomboy. Eine Person fragte, ob schon Leute aufgrund von Homophobie aus dem Kino gerannt wären (sie könne sich das gut vorstellen bei einigen Leuten aus ihrem Umfeld). Daraufhin antwortete der Regisseur platt, dass ihm es leid täte, dass die Person solche Leute kenne. Es wäre niemand rausgerannt. Ich kann mir gut vorstellen, dass bei der Berlinale niemand rausrennt, da mensch ja weiss, in welchen Film sie_er geht. Die Frage hätte ich als Frage nach Homophobie aber ernst genommen. Die Antwort des Regisseurs fand ich sowohl Homophobie leugnend wie auch die fragende Person verletzend.

Es wurde auch gefragt, ob es auf dem Hof Akzeptanzprobleme für die schwule Geschichte gab. Der Regisseur meinte, dass es ok war und wenn ich es richtig verstanden habe, auch deshalb, weil die Schauspieler ja nur spielten schwul zu sein. Da passt Reicherts Kolumne in der taz dazu Wenn Heteros Homosexuelle spielen gut zu. Er schreibt auch:

"Doch einer von ihnen ermannt sich: "Ick muss sagen, ditt ick Schwule ja nisch leidn kann. Aber jetzt muss ick sagen: Ditt iss ja numal so, ditt ditt Emotionale sich dann eben ooch körperlich ausdrückt.""

Da wäre durchaus Potential gewesen, Homophobie mehr zu thematisieren und zu problematisieren.

Und am Rande: Dass die Hauptfigur mit dem Coming Out auch anfangen muss gegen seinen Willen Alkohol zu trinken, hat mich sehr geärgert. Es geht auch ohne.

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Plagiat
Grundlage jedes wissenschaftlichen Arbeitens ist, dass Quellen korrekt angegeben werden. Das muss im Studium geübt werden. Wenn Studierende es in ihrer ersten Hausarbeit noch nicht hinbekommen, ist das etwas worauf sie hingewiesen werden müssen, damit sie es lernen. Wer es bis zur Doktorand_in schafft, muss wissen, wie sie_er ordentlich zitiert. Und muss wissen, das Plagiat kein Kavaliersdelikt ist, sondern gegen die Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens verstösst.

Erschreckend ist, dass immer wieder plagierte Arbeiten, auch Doktorarbeiten, von Professor_innen nicht beanstandet werden. Da muss genau hingeschaut werden, welche Strukturen dazu führen, dass Menschen mit Hilfe von Plagiaten akademische Grade erreichen können.

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Montag, 21. Februar 2011
Berlinale: 7 Khoon Maaf
Im indischen Film 7 Khoon Maaf bringt eine Frau sechs Ehemänner unter die Erde und steht kurz vor der siebten Heirat. Das könnte eigentlich ein Film über starke Frauen sein oder feministisch oder so. Ist es aber gar nicht. Der Film besteht noch nicht mal den Bechdel-Test:

"1. Es spielen mindestens zwei Frauen mit,
2. die sich miteinander unterhalten,
3. über etwas Anderes als einen Mann"


Es gibt zwar mehr als die eine Frau, aber sie unterhalten sich nicht miteinander und es geht auch immer um die Männer. Die sechs Ehemänner bekommen mehr Profil als die Frau. Eigentliche Hauptfigur ist ein weiterer Mann, der die Geschichte (seiner Frau) erzählt.

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Sonntag, 20. Februar 2011
Berlinale: Dance Town
Der südkoreanische Spielfilm Dance Town begleitet eine Nordkoreanerin auf ihrer nicht ganz freiwilligen Flucht in den Süden und ihre ersten Schritte dort. Düsterer Film, aber gut. Gefallen hat mir unter anderem, dass der Norden nicht als das Böse schlechthin gezeichnet wurde. Die Protagonistin hatte dort auch ein Leben. Südkoreanische Propaganda stellt das in der Regel anders dar.

Zum Ende der Berlinale wurde leider keine Diskussion mit der_dem Regisseur_in angeboten.

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Samstag, 19. Februar 2011
Berlinale: Rotkohl und Blaukraut
Der Kurzfilm Rotkohl und Blaukraut von Anna Hepp zeigt das selbstverständliche Zusammenleben von Menschen im Ruhrpott, deren Eltern zum Teil aus der Türkei stammen.

Irritierend waren aber mal wieder ein paar Aussagen der Regisseurin. So erzählte sie, dass ihr die Idee zum Film gekommen ist, als sie ein Seminar zum Thema Glauben an der Kunst- und Medienhochschule Köln hatte. Glauben kommt in dem Film aber kaum vor, der scheint im Leben der zwei porträtierten Familien kaum eine Rolle zu spielen. Hat sie da 'Türk_innen' und Glaube gleichgesetzt? Irritierend auch ihre Begründung, warum sie die türkischen Gesprächspassagen nicht untertitelt hat. Sie meinte, dass wäre authentischer da die dominanz-deutschen Ehepartner_innen auch kein Türkisch verstünden.

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Samstag, 19. Februar 2011
Berlinale: Dernier etage gauche gauche
Eine Wohnung soll zwangsgeräumt werden, dann geht alles drunter und drüber. Der französische Film Dernier etage gauche gauche spielt irgendwo in den Banlieu, überspitzt die damit verbundenen Bilder ins Komische, macht dabei viel Spaß und ist irgendwie auch Ernst.

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Berlinale: Illegalisierte Migration
Die Nachrichten sind voll von den Menschen, die per Boot nach Lampedusa kommen, und von den Bemühungen der Europäischen Union diese von ihr ungewollte Migration zu unterbinden. Auf der Berlinale gibt es diverse Filme, die sich mit diesem Themenkomplex beschäftigen.

Der philippinische Film Halaw zeigt wie eine Gruppe von Filippina_os mit dem Schiff von Mindano nach Malayasia reisen wollen.

Der griechische Film Man at Sea thematisiert Bootsflüchtlinge im Mittelmeer.

Der deutsche Kurzfilm Eisblumen erzählt die Geschichte eines Illegalisierten in Deutschland.

Nachtrag 23.02.11: Mir hatte der Film Man at Sea ganz gut gefallen. Kurz zur Geschichte: ein griechischer Öltanker nimmt eine Gruppe Bootsflüchtlinge auf, schafft es nicht, sie in Europa an Land zu bringen, auch danach scheitern einige Versuche, zwischen der Besatzung und den Flüchtlingen kommt es zu Konflikten und auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen (mit Toten). Ich habe den Film als eine Auseinandersetzung mit den menschenverachtenden Rahmenbedingungen der Festung Europa und marktwirtschaftlicher Zwänge gelesen, die menschenfreundliches Handeln kompliziert machen.

Ein Freund hat den Film ganz anders gelesen: der Tanker als Sinnbild für Griechenland, das überschwemmt wird von Flüchtlingen, sich das nicht leisten kann und menschenverachtend handeln muss, um nicht selbst zugrunde zu gehen. Ich kann diese Lesart durchaus nachvollziehen, auch wenn ich ihn anders gesehen habe. Spannend wie unterschiedlich Filme wahrgenommen werden können.

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Berlinale: Vorverkauf
Vorverkauf bei der Berlinale 2011

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