Sonntag, 16. Dezember 2007
In dubio pro reo
Es gibt auch noch Fälle, wo die Regel "im Zweifel für den Angeklagten" gilt. Besonders dann wenn der Angeklagte, unser aller Junge ist. Wenn er in der Türkei im Gefängnis sass (und das für uns natürlich eine Zumutung ist, denn wie die Türkei ist, wissen wir ja). Wenn die Klägerin eine Ausländerin ist (und der nicht geglaubt werden kann, wie Frauen bei sexualisierter Gewalt eh nicht geglaubt werden kann). Und wenn deutsche Weihnachten gefeiert werden. Dann wird das schon mal zur Nachricht des Tages. Und dann kann man den möglicherweise unschuldigen und auch möglicherweisen schuldigen Jugendlichen schon mal feiern wie einen Helden.

In dubio contra reo gilt für andere.

Nachtrag 17.12.07: Jürgen Gottschlich schreibt in der taz dazu:

"Einmal unterstellt, Marco hätte nicht in der Türkei, sondern in England in U-Haft gesessen, das Gericht hätte geschlampt, das Verfahren sich in die Länge gezogen. Wäre der Marco-Rummel in diesem Fall vorstellbar? Natürlich nicht. Nur der Umstand, dass der Schüler in der Türkei im Knast saß, kann die Metamorphose eines der versuchten Vergewaltigung angeklagten Jugendlichen zum quasi politischen Gefangenen in Feindesland erklären. Ein Opfer der feindlichen islamischen Justiz, die unseren christlichen Jungen festhält."

PS: Gottschlich zufolge gab es in Uelzen einen "Autokorso mit Deutschlandfahnen".

Nachtrag 27.12.07: "Der griechische Täter Spiridon ist genauso alt wie Marco - "unser" 17-jähriger "Schüler", der "ganz normale deutsche Junge", der, so die deutsche Volksmeinung, zu Unrecht der sexuellen Belästigung beschuldigt wird, das "halbe Kind", das im türkischen Kerker saß und nach Hause zurückkehren durfte." schreibt Dilek Zaptcioglu in der taz in einem Kommentar über die Schläger aus München.

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Samstag, 15. Dezember 2007
Mission als Pflicht
"Zwar bekennt sich der Text klar zur Religionsfreiheit .... Dennoch wird am Ziel festgehalten, dass am Ende alle Menschen weltweit Mitglieder dieser Kirche sind: "Die Sendung der Kirche ist universal und nicht auf bestimmte Regionen der Erde begrenzt.""

berichtet die taz über die katholische Kirche.

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Ausstellungen
Sehenswert:

The making of... und Bilder verkehren

Zwei Ausstellungen zu den Themen Kolonialismus, Repräsentation, Umgang mit Archiven und Formen der Aufarbeitung
15. Dezember 2007 bis 17. Februar 2008
im Kunstraum Kreuzberg/ Bethanien, Berlin

mehr beim Kunstraum Kreuzberg/ Bethanien, den Halfmoon files und bilder verkehren.

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Freitag, 14. Dezember 2007
Ausländer(feindlichkeit) und Deutsche
Die taz berichtet über ein Stadtführungsprojekt im Wedding. Jugendliche mM führen durch ihren Stadtteil und sollen dadurch gestärkt werden.

"Überhaupt erfährt die Pädagogin vom Verein "Kultur bewegt" bei jeder Tour etwas anderes. Das liegt auch daran, dass sie Saphija und ihre Freundinnen aufforderte, eine Haltung zu dem einzunehmen, was sie erzählen. Seither kritisieren die jungen Stadtführerinnen die Zerstörungen. "Bei den ersten Touren haben sich die Mädchen noch selbst als Ausländerinnen bezeichnet. Deutsche sind sie heute zum ersten Mal", sagt Kienzl."

So weit so gut. Aber warum müssen sie als 'Deutsche' gleich die 'AusländerInnenfeindlichkeit' mit übernehmen:

" "Früher wurde in Deutschland nicht so viel geklaut und kaputtgemacht. Früher gab es nicht so viele Ausländer." Zu denen wollen sie nicht gehören. "Wir sind zwar ein bisschen farbig, aber wir sind Deutsche.""

Ist das Ziel des Projekts?

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Donnerstag, 13. Dezember 2007
Erinnern
Großbritannien erinnert sich mit einer Ausstellung seiner brutalen Vergangenheit als SklavenhalterInnen. Die taz berichtet:

"Bereits die Tatsache, dass die Kuratoren "London. Sugar & Slavery" mitten in eine ansonsten im Museum umfassend und stolz präsentierte Handels- und Aufstiegsgeschichte Londons eingefügt haben, folgt diesem Impetus. Erst der Sklavenhandel habe den damaligen und bis heute anhaltenden Wohlstand des Landes ermöglicht "

Derweil verbreitet Deutschlandradio Kultur Rassentheorien (via riemer-o-rama.

Nachtrag 20.12.07: Zum Deutschlandradio-Interview nun auch ein Artikel in der taz.

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Von minderwertiger Qualität
ist es häufig, wenn 'Weiße' sich mit 'exotischen' Attributen schmücken. Hans Kurz schreibt in der taz über Unsinnigkeiten mit chinesischen Schriftzeichen.

Auch ein Blick in das Indermezzo zeigt, dass Tatoos in 'exotischen' Schriftzeichen sehr beliebt und die Tatoo-LiebhaberInnen meist von keinem Sachverstand getrübt sind.

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Tödliche Festung Europa
Die taz berichtet mal wieder über die Toten, die die Festung Europa zu verantworten hat: hier und hier.

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Samstag, 8. Dezember 2007
Afrika und Europa
Dominic Johnson beschreibt in der taz Wie Europa Afrika verlor. Ein interessanter Perspektivenwechsel hin zu was afrikanische Eliten von Europa halten.

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Kircheneintritt erforderlich
Die Diakonie in Hamburg hat MitarbeiterInnen für ein von der EU gefördertes Integrationsprojekt gesucht. Voraussetzung für eine Anstellung war aber die Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche. Dagegen hat eine nicht-christliche Bewerberin geklagt und nun gewonnen (die taz berichtet). Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz scheint trotz all seiner Mängel doch zu wirken. Die Diakonie (und auch die Caritas) bleiben aber bei der Auffassung: "Andersgläubige bei Bewerbungen ablehnen zu können".

Vielleicht sollten sie dann keine Fördergelder für Integrationsprojekte mehr bekommen.

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Samstag, 8. Dezember 2007
Herr Urmila
Heute an der Wohnungstür: "Guten Tag, spreche ich mit Herrn Urmila oder Herrn Umilla?"

Antwort: "Mit gar keinem Herrn."

Was genau hat die Dame von den Zeugen Jehovas dazu verleitet, mich für einen Herrn zu halten?
War sie so sehr damit beschäftigt meinen Namen richtig auszusprechen (eine der Optionen war tatsächlich korrekt - und das passiert mir echt selten in Deutschland), dass sie nicht auch noch auf mein Geschlecht achten konnte?
Oder hatte ich die falsche Kleidung an?

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Donnerstag, 6. Dezember 2007
Multikulti-Rassismus
Vieles von dem, was Seyran Ates sagt und schreibt, finde ich sehr problematisch. Aber etlichen Auszügen aus dem aktuellen taz-Interview kann ich zustimmen (wenn auch nicht immer den Begründungen):

"Diese verantwortungslose Multikulti-Heile-Welt-Propaganda beinhaltet auch eine Form von Rassismus. Denn diese Leute wollen, dass meine Leute, die aus der Türkei kommen, nicht hier ankommen. ... Multikultis grenzen uns auch aus. ...

Aber für den Multikulti hat der Migrant immer einen geringeren Intelligenzquotienten als ein Deutscher. Sie schauen sich unsere Entwicklung an wie in einem Zoo. Nach dem Motto: Mal gucken, wie der anatolische Bauer sich entwickelt. ...

Aber ich muss auch in der Schublade bleiben, ich darf mich nicht entwickeln, ich muss die Ausländerin bleiben, ich bin immer die Exotin. ...

Und in der vermeintlichen Gutmenschelei erkenne ich eine gewisse Bösartigkeit. So werde ich ständig gefragt, ob ich nach Hause in die Türkei fahre. Damit wird mir immer wieder abgesprochen, nach Deutschland zu gehören. ..."

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Klassenschranken
"Angesichts dieses Befunds verwundert es nicht, dass Eltern aus nichtakademischen Milieus ihren Kindern laut Iglu-Studie den erfolgreichen Übergang ins Gymnasium nur bei überdurchschnittlich guten Leistungen zutrauen. Das hat sicher auch etwas mit geringer Bildungsmotivation zu tun. Viele dieser Eltern verfügen aber über ein gutes Gespür für die unsichtbaren Klassenschranken, die ihre Kinder in einem akademisch geprägten Setting überwinden müssen. Das Stigma des Außenseiters kann nur kompensieren, wer mit besonders guten Leistungen aufwartet. Man kennt diesen Mechanismus aus der Genderdebatte, der Rassismusforschung ebenso wie aus den Diskussionen um die Aufstiegschancen von Kindern aus Einwandererfamilien."

schreibt Ulrich Raiser in einem lesenswerten Artikel in der taz.

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Fußtritt für den Rechtsstaat
"Ein "gewaltiger Fußtritt für den Rechtsstaat" werde vorbereitet, urteilte der prominente Verfassungsrechtler Heinz Mayer, bevor das österreichische Parlament zusammentrat, um neben zahlreichen anderen Beschlüssen und Verfassungsbereinigungen über die Schaffung eines neuen Asylgerichtshofes abzustimmen."

berichtet die taz.

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Die Fälle häufen sich
zitiert die taz den Richter Klaus Denk, der einen der Gewalttäter von Mügeln zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt hat. Er fragt auch:

"Was denn, bitte schön, gewesen wäre, wenn nur Deutsche in die Auseinandersetzung auf dem Fest verwickelt gewesen wären? Gar nichts. Ob vielleicht das die Aggressionen ausgelöst habe, dass es auch mal Inder gewagt hätten, ausgelassen zu feiern in Deutschland? Was passiert wäre ohne die Polizisten vor der Pizzeria? Wie es wohl ankäme, wenn er die Strafe zur Bewährung aussetzte? "Wenn man solche Fälle unbestraft durchgehen lässt, dann wirkt so was wie ne Aufforderung zum Tanz.""

Ich bin sehr froh über diese Abweichung von meiner Vorhersage zu den rassistischen Geschehnissen in Mügeln.

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