Montag, 10. November 2014
Gedenken an den Mauerfall
Der Mauerfall war für unsere Familie sehr wichtig. Wir hatten schon mit Mauer einen guten Kontakt, durch den Mauerfall aber konnte er noch viel enger werden. Ich bin also sehr dankbar, dass die Mauer gefallen ist. Auch wenn ich am 9.11.89 mit ganz anderen Dingen beschäftigt war (die Reichspogromnacht vergessend hatten wir eine AIESEC-Party organisiert).

Mit den Feierlichkeiten zum Mauerfall kann ich aber wenig anfangen. Die Mauer aus Licht war zwar im Dunkeln ganz nett anzusehen:

Lichter auf Bethaniendamm


Aber die ganze Inszenierung des Gedenkens, die nationale Geschichtsschreibung, dass so so tun als ob der Mauerfall für alle gleich bedeutend und eindrucksfall gewesen sei, nervt mich. Nicht alle waren am 9.11.89 dabei, nicht alle waren glücklich, nicht für alle hat sich die Situation verbessert. Eine differenzierte Geschichtsschreibung und Erinnern würde dem Ganzen gerechter werden.

Und das Steigen der Ballone heute abend, war sehr langweilig. Zumindest in der Nähe der Oberbaumbrücke. Um mich rum habe ich niemanden wahrgenommen, di_er besonders berührt war.

Spannend hingegen war die Veranstaltung mit Zeitzeugen bei uns im (ost-berliner) Kiez.

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Donnerstag, 27. März 2014
Gedenkort abgerissen
Die taz berlin hat berichtet, dass am Montag der Kiehlsteg in Neukölln abgerissen wurde (zur Vorgeschichte siehe auch taz vom 14.03.14). Abgerissen werden sollte er laut taz von letzter Woche:

"Laut Petra Rohland, Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, sagte Gaebler, er wolle "keine Ressourcen für eine Sanierung oder Alternativkonzepte" einsetzen, weil der Steg "verkehrlich nicht erforderlich" sei. "

Verkehrlich erforderlich heisst hier wohl: erforderlich für den motorisierten Verkehr. Denn der hat seit dem Mauerfall wieder die Lohmühlenbrücke. Der Kiehlsteg war ausschliesslich eine Fußgänger_innenbrücke, die auch von Radfahrenden genutzt war.

Erhaltenswert wäre der Kiehlsteg aber gerade wegen seiner verkehrlichen Nicht-Notwendigkeit gewesen. Denn diese konnte immer wieder zum Nachdenken anregen, warum es denn die Brücke gab. Sie wurde errichtet, weil die Lohmühlenbrücke nicht passierbar war (dort verlief die Mauer), es aber Neuköllner Häuser auf der anderen Seite des Kanals gab, die von West-Berlin erreicht werden mussten. Die kleine Brücke hat diesen Zugang gewehrt. Es scheint so als ob dieses Denkmal der Teilung mit relativ wenig Geld hätte saniert werden können. Aber wahrscheinlich war es ein zu unscheinbares, zu wenig touristisch vermarktbares Denkmal, um erhaltenswert zu sein.

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Sonntag, 23. Februar 2014
Berlinale: Archiv
Gestartet war ich in die Berlinale mit dem Dokumentarfilm Das große Museum. Mehr als ein Jahr hat das Filmteam hinter die Kulissen des Kunsthistorischen Museums geschaut, unzähligen Mitarbeitenden bei ihrer Arbeit zugeschaut (von Reinigungskräften über Wärter_innen bis zu Restaurator_innen und Manger_innen), die Markenbildung und die Neueröffnung eines Museumsteils verfolgt. Spannend, was da alles so im Hintergrund passiert.

Den Film Szenario fand ich weniger spannend. Kann ihn auch nicht einordnen. Ist es eine Dokumentrfilm? Oder eher Kunst? Verstanden habe ich ihn jedenfalls nicht. Ausgangspunkt war ein Koffer mit Utensilien, einem Tagebuch einer Affäre, angereichert mit Statistiken.

Der Dokumentarfilm Souvenir schliesslich ist aus schier unendlich wirkenden Videoaufnahmen von Alfred D. entstanden. Der Filmemacher hat sie zusammen gestellt und in eine fiktive Rahmenhandlung eingebettet. Spannend. Für mich allerdings auch höchst irritierend, da Alfred D. ein ehemaliger Kollege von mir ist und mir so immer wieder die nötige Distanz gefehlt hat, um mich ganz auf den Film einzulassen.

Und das war es dieses Jahr zur Berlinale.

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Donnerstag, 16. Januar 2014
Schulinhalte manipulieren
Als die hindunationalistische BJP bis 2004 die Regierung in Indien stellte, schrieb sie die Schulbücher für Geschichte um (der Guardian) berichtete 2004 darüber, dass die Nachfolgeregierung das wieder rückgängig machen wollte). Ähnliches passiert wie die taz berichtet gerade in Japan:

"Zu sehr würden die Gräueltaten der japanischen Armee im Zweiten Weltkrieg in den Vordergrund und in internationalen Konflikten die japanische Sichtweise zu wenig ins Zentrum gerückt, zitierte die Tageszeitung Asahi Bildungsminister Hakubun Shimomura im November. Auf Basis solcher Bücher könne die japanische Jugend nicht lernen, ihr Land zu lieben."

Und in Baden-Württemberg versuchen rechte und fundamentlistische Kräfte zu verhindern, dass über im Schulunterricht auch nicht-heteronormative Lebensformen vorkommen (siehe z.B. die Süddeutsche).

Schule ist ein wichtiger Ort, um Geschichte und Werte zu fest zu schreiben - und deswegen ein Ort von Auseinandersetzungen.

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Neu - oder keine Ahnung?
Wenn mensch zum ersten mal auf eine Idee kommt, zum ersten mal auf eine bestimmte Theorie stösst, etwas selber schreibt, dann besteht die Gefahr, dass mensch meint, nicht nur für si_er ist das neu, sondern es ist überhaupt ganz neu, ganz furchtbar innovativ und mensch ist die_der Erste, die_der diese grandiose Idee hatte. (Ich gehöre bzw. hoffe gehörte zu diesen Menschen.) Dann werden die eigenen Erkenntnisse, das eigene Geschriebene als was völlig Neues in die Welt posaunt.

Wenn mensch sich dann aber weiter mit der Idee, den Theorien und Geschriebenen auseinandersetzt (recherchiert), dann wird mensch wahrscheinlich feststellen, so furchtbar neu ist das gar nicht. Das haben einige schon vorher gedacht und vielleicht auch schon viel komplexer. Es gibt eine Geschichte zu dem Denken und von diesem kann mensch lernen. (Aber nur wenn mensch nicht zu sehr mit der eigenen Grandiosität beschäftigt ist, tatsächlich recherchiert und bereit ist zuzugeben, dass da andere schon vorher drüber nachgedacht haben.)

Migration, zum Beispiel, ist ja kein besonders neues Phänomen. Die gab es schon immer und da wurde auch schon immer drüber nachgedacht. Darauf sollten Migrationsforschende und -schreibende aufbauen und die eigene Singularität kritisch in Frage stellen.

Denken und Veröffentlichen darf mensch natürlich auch, wenn es nicht gänzlich neu ist. Es gibt ja auch noch andere Menschen für die ihr_sein Denken neu ist. Oder es ist eine interessante Ergänzung zu dem, was schon da ist. (In dem Sinne ist wohl auch dieser Blog zu lesen, besonders neu sind die Gedanken hier nicht, aber sie zeigen meine Auseinandersetzung mit einem Thema und für manche Lesende mögen es auch neue Gedanken sein.)

Aktueller Anlass für diesen Blogbeitrag ist das Label "Neue Deutsche", bei dem mir nicht so klar wird, was genau neu ist. Aber das ist nur der aktuelle Anlass, begegnet sind mir geschichtslose Konzepte schon öfter (und wie gesagt, auch bei mir selbst).

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Dienstag, 30. Juli 2013
Prora


Kürzlich war ich auf Rügen und bin auch zur Bauruine Prora gefahren. Diesen Nazi-Mega-Bau wollte ich gerne direkt sehen. Und es war so einiges interessant. Das Gigantische ist schwer zu sehen, da mensch kaum einen langen Blick auf das Gebäude bekommt (zumindest da wo ich war). Direkt hinter dem Gebäude fangen die Dünen an, sehr idyllisch.

Erschreckend war der Umgang mit der Geschichte: In der Bimmelbahn, die mich nach Prora brachte, lief ein Band mit Informationen über die Gegend. Nazi-Begriffe wurden unhinterfragt benutzt. Kein kritischer Blick auf die politische Bedeutung des Baues. Kein Haltepunkt am Dokumentationszentrum. Aber bei den anderen Musen:

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Sonntag, 9. Juni 2013
In einem Berliner Souvenierladen

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Freitag, 8. März 2013
Ur- und Frühgeschichte
Im taz-Interview spricht die Professorin für Ur- und Frühgeschichte Uta Halle über die politische Instrumentalisierung ihres Faches. Im Artikel geht es vorallem daraum, wie die Nazis sich ihre ruhmreichen Germanen erschaffen haben.

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Samstag, 9. Februar 2013
Berlinale: Zwei Dokumentarfilme Indien / Palästina
Zum Berlinale-Auftakt habe ich zwei Dokumentarfilme gesehen, die sehr gegensäztlich waren.

Zuerst war ich in Kya hua iss shar ko? einem politischen Dokumentarfilm von 1986. Der Film von Deepa Dhanraj beschäftigt sich mit Ausschreitungen zwischen Hindus und Muslim_innen 1984 in Hyderabad.

Der Film zeigt eindrucksvoll wie sowohl arme Hindus wie arme Muslim_innen unter den Ausschreitungen leiden. Sie werden getötet, verletzt, ihnen wird ihre ökonomische Lebensgrundlage vernichtet und sie leiden am meisten unter der Ausgangssperre, da sie dadurch keine Einkommen mehr erzielen können. Die Erzählungen der Hindus und Muslim_innen gleichen sich dabei sehr. Es gleichen sich auch die Aussagen der porträtierten Politiker (nur Männer), sowohl des muslimischen wie des hindu-nationalistischen. Sie heizen die Massen an, geben den Anderen die Schuld und verfolgen ihre politische Karriere.

Nicole Wolf vom Living Archive-Projekt hat vor der Filmvorführung erzählt, dass dieser Film ein wichtiger politischer Dokumentarfilm sei, der viele Leute beeindruckt hat und von dem sie viel gehört hat. Lange aber gab es keine Kopie, die sie sehen konnte, bis sie im Arsenal-Archiv eine alte Berlinale-Kopie mit deutschen Untertiteln gefunden hat. Für die Vorführung bei der Berlinale dieses Jahr, wurde der Film auf der Grundlage eines gefundenen Negativs und der detuschen Version digitalisiert - und dabei blieben einige Fehler.

Leider konnte ich nicht zur Diskussion bleiben, da ich zum nächsten Film musste. State 194 war dann auf vielen Ebenen ein Gegenstück zu Kya hua iss shar ko?: ein glänzender Digitalfilm, ganz ohne Fehler (ausser ein leicht asynchronen Tonspur, für die sich die Berlinale nach dem Film entschuldigte) und mit großen glatten Bildern. Der Film des israelischen Dokumentarfilmers Dan Setton begleitet den palästinensischen Premierminister Salam Fayyed bei seinem Vorhaben einen funktionierenden Staat in der Westbank aufzubauen und als 194. Staat der UN anerkannt zu werden. Der Film ist klar für ein Massenpublikum gemacht und ist filmisch völlig uninteressant. Zudem zählt er bewusst nur eine Geschichte und lässt keinen Raum für Komplexitäten und Widersprüche. Politisch mag das ein sinnvoller Ansatz sein, um eine andere Realität von Palästina zu zeichnen, als jene die in westlichen Medien dominiert. Filmisch fand ich den (Werbe)Film aber sehr langeweilig.

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Sonntag, 2. September 2012
Ein kleines Quiz
Wessen eingeschränktes Geschichtsbild wird hier dargestellt?

"Heimat und Identität brauchen Geschichte; daher liegt der Ausgangspunkt der Integrationsbemühungen unter anderem in der Definition der historisch gewachsenen Basis unserer gesellschaftlichen Fundamente und demokratischen Werte. Folgende Epochen und historischen Ereignisse einer über 2000-jährigen europäischen Geschichte dienen einer deutsch-europäischen Identität heute als Bezugspunkte:
  • Griechische und Römische Antike
  • Christentum
  • Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation
  • Reformation Aufklärung und das geistige, kulturelle Erbe Deutschlands und Europas
  • Französische Revolution von 1789 und Paulskirchenverfassung von 1849
  • Die Weltkriege von 1914-1945 und das Bekenntnis zur Verantwortung für die Verbrechen des Nationalsozialismus
  • Europäischer Einheitsprozess
  • Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas
Als historische Fundamente unserer Gesellschaft können diese Eckdaten identitätsstiftend für alle Menschen in Deutschland sein."


Auflösung: Hauptstadtpreis

Wer dieses Geschichtsbild teilt, kann sich um den Status 'gut integriert' bewerben und versuchen Seyran Ates von der eigenen Integration zu überzeugen. Alle, die ein etwas komplexeres Geschichtsbild haben, bezeugen, dass sie nicht integrationsfähig sind.

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