Mittwoch, 3. Mai 2006
Integrationsvereinbarung
Die Familie Aydin soll nach wie vor abgeschoben werden. Einige UnterstützerInnen wollen das nun laut taz verhindern, indem die Familie eine überprüfbare 'Integrationsvereinbarung' unterschreibt. Es wäre ja schön, wenn das ihren Aufenthalt in Deutschland ermöglicht. Die Frage ist aber, warum braucht die Familie das überhaupt. Sie wird doch immer als besonders gut 'integriert' gelobt.

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Internationales
Rassismus, Ohtering und Diskriminierung von 'ethnischen' Minderheiten scheinen der momentane Standard in Ländern, die von 'Weißen' regiert werden. So will Sarkozy in Frankreich das Ausländergesetz verschärfen. Wirtschaftliche Überlegungen sollen vor Menschenrechten stehen.

In den USA sind die GesetzgeberInnen gespalten: "Während der Senat einen Plan erarbeitet hat, der den schätzungsweise 12 Millionen Illegalen die Einbürgerung erlaubt, will das Abgeordnetenhaus jeden Versuch blockieren, Illegale zu entkriminalisieren. Die Abgeordneten wollen sogar die Deportation aller Illegalen und deren strafrechtliche Verfolgung ohne spätere Einbürgerungsoption, obwohl das kaum zu bewältigen wäre."

Gegen die geplanten Verschärfungen haben am 1. Mai MigrantInnen zu Protestveranstaltungen aufgerufen und diese auch umgesetzt. Claus Leggewie kommentiert die entstehende Latino Power.

Währendessen sind in Großbritannien die Rechtsradikalen auf dem Vormarsch und in Spanien bilden rechtsradikale Parteien ein Wahlbündnis.

In Dänemark, der Schweiz und den Niederlanden bemüht man sich um 'Integrationsprojekte'. Dabei bleiben aber die MigrantInnen immer die 'Fremden', die 'integriert' werden müssen. Das Othering geht weiter.

Nachtrag 05.05.06: Mehr zu Rassismus in Russland und den USA.

Nachtrag 06.05.06: Auch in Polen gibt es einen weiteren Rechtsruck.

Nachtrag 09.05.06: Glücklicherweise machen nicht alle PolInnen mit. - In Österreich wird wieder mit Heil gegrüßt.

Nachtrag 15.05.06: In Frankreich gibt es Gegenwehr gegen die Verschärfung des Einwandererrechts.

Nachtrag 23.08.06: Auch wenn ich diesen Beitrag in den letzten drei Monaten nicht ergänzt habe, es ging lückenlos weiter mit dem internationalen Rassismus. Heute mal was zu Russland.

Nachtrag 13.09.06: Auch in der Slowakei kommt Rassismus aus der Mitte der Gesellschaft und der Politik.

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Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
Laut taz bekommt Deutschland nun endlich auch ein - von der Europäischen Union schon lange vorgeschriebenes - Antidiskriminierungsgesetz:

"Überraschenderweise ist es den Sozialdemokraten dabei noch gelungen, einen deutlich über die EU-Vorgaben hinausgehenden Geltungsbereich des Gesetzes durchzusetzen. Im Zivilrecht wird auch vor der Benachteiligung wegen sexueller Identität und Religion geschützt."

Die Standhaftigkeit der SPD scheint wirklich überraschend zu sein, gestern noch hatte Christian Rath in einem taz-Kommentar befürchtet:

"Aber der Kompromiss, der sich nun zwischen SPD und CDU abzeichnet, ist wirklich schlimm. Für manche Gruppen, nämlich Alte und Behinderte, stellt die CDU ihre ökonomischen Befürchtungen zurück, während sie bei anderen - Schwule und Lesben, Muslime und Juden - hart bleibt. So wird aus dem angeblichen Gleichbehandlungsgesetz sogar ein ausgesprochenes Diskriminierungsgesetz."

Schön, dass sich diese Befürchtungen nicht bewahrheitet haben und sich auch noch erfreuliches berichten lässt.

Nachtrag 21.06.06: Zur Gegenwehr mehr hier.

Nachtrag 02.08.06: Das Gesetz ist immer noch nicht in Kraft getreten.

Nachtrag 18.08.06: Nun ist es in Kraft getregen.

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Große Koalition erschwert Einbürgerungen
Für die SPD stehe im Vordergrund, für Einbürgerung zu werben und Migranten attraktive Angebote zu machen, sagte Wiefelspütz. "Für uns ist es ein positives Zeichen, wenn jemand Deutscher werden möchte."

schreibt die taz gestern. Ein guter Ansatz, schliesslich ist es im Interesse des deutschen Staates wenn der größte Teil seiner Wohnbevölkerung an dem politischen Geschehen aktiv teilnehmen kann. Seltsam nur, wenn die SPD diesem Grundsatz so grundsätzlich widerspricht und gemeinsam mit der CDU eine Verschärfung der Einbürgerungsregelungen beschliesst. Laut der taz von heute sind zwar einheitliche Gewissens- und Wissenstest verhindert worden, doch:

"Es soll künftig aber einheitliche Sprachprüfungen sowie verpflichtende Einbürgerungskurse in allen Bundesländern geben. ....Danach werden die Hürden für die Einbürgerungen erhöht ..."

Die Einbürgerungskurse sollen mit Test abgeschlossen werden und ausserdem: "Verschärft werden soll auch die Vorstrafengrenze für Einbürgerungswillige. Künftig darf nach dem derzeitigen Diskussionsstand nur noch Deutscher werden, wer nicht zu mehr als 90 Tagessätzen Geldstrafe verurteilt worden ist. Bislang liegt die Grenze bei 180 Tagessätzen. Die bereits übliche Regelanfrage beim Verfassungsschutz soll bundesweiter Standard werden." Zu dem Herabsetzen der Vorstrafengrenze stand gestern noch in der taz:

So lehnt die SPD den Unions-Vorschlag ab, neue rechtliche Hürden zu errichten. Nach dem Willen der Union soll eine Einbürgerung unmöglich sein, wenn der Bewerber zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt wurde - bisher liegt die Grenze bei 180 Tagessätzen. "Dabei sollte es bleiben", sagte Wiefelspütz und erinnerte daran, dass der Promi-Rechtsanwalt Rolf Bossi gerade zu 90 Tagessätzen verurteilt wurde - wegen Fahrens ohne Führerschein. "So etwas kann doch kein Einbürgerungshindernis sein."

Gestern sollte es noch kein Hinderniss sein, heute dann schon.

Sabine am Orde kommentiert dann auch in der taz:

"Denn Tests, wie sie die Union bundesweit einführen wollte, sind kontraproduktiv. Ganz praktisch erschweren sie den Weg zum deutschen Pass. Und auch die damit einhergehende Debatte ermutigt Einwanderer nicht gerade, sich einbürgern zu lassen. Ganz im Gegenteil, sie signalisiert: Auch nach all den Jahren gehörst du nicht zu uns, wir wollen dich nicht, wir misstrauen dir. Das Gegenteil aber ist notwendig. Denn Einbürgerungen - deren Zahl übrigens abnimmt - sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Integration."

Das Signal auch nach vielen Jahren (bzw. seit Geburt) nicht dazu zu gehören, ist alltägliche Erfahrungen der meisten 'Anderen Deutschen'. Gerade deshalb wäre es wichtig, ihnen zumindest die rechtliche Teilhabe zu ermöglichen und so vom Staat signalisiert zu bekommen, ihr gehört dazu.

Bei Interviews mit 'InderInnen' der zweiten Generation für meine Masters-Arbeit über Staatsbürgerschaft und Identität war ein klares Ergebnis, dass viele sich nicht einbürgern lassen wollen, weil sie vorher sehen auch mit deutschen Pass weiter diskriminiert zu werden. Ihre alltäglichen Rassismuserfahrungen lassen sie an der Staatsbürgerschaft ihrer Eltern hängen. 'Indien' wird zu einem imgaginierten Zufluchtsort. Die Einbürgerung aber kann zu einem größeren Gefühl der Zugehörigkeit zu 'Deutschland' führen, wäre also ein Schritt auf dem Weg zu 'Integration'. Ein Einbürgerungsverfahren, dass der AntragstellerIn immer wieder zeigt, dass sie nicht gewollt ist, hilft dabei allerdings wenig. Meine Fallstudie über ein siebzehnjährigen Einbürgerungsprozess zeigt dies deutlich.

Eine Freundin von mir wurde in Deutschland geboren, hat hier die Schule besucht und Abitur gemacht, hat in Indien studiert, arbeitet heute in einer Bildungseinrichtung, hat einen 'deutschen' Mann und zwei 'deutsche' Kinder. Ich denke mal sie ist gut 'integriert'. Bisher hat sie die indische Staatsbürgerschaft behalten, weil sie sich trotzdem in Deutschland nicht willkommen fühlt. Die neuen Regelungen werden sie nicht mehr von einer Einbürgerung überzeugen. Für den Staat ein eindeutiger Verlust.

Aber wie schreibt Sabine vom Orde: "Doch um Integration geht es den Christdemokraten und -sozialen auch gar nicht. Die Einbürgerungsdebatte zielt nicht auf die Einwanderer, sondern auf die Wähler der Union. Und die sind für Abschottungspolitik gegenüber Migranten leider noch immer weit ansprechbarer als für eine sinnvolle Integrationspolitik."

Nachtrag 04.05.06: tagesschau.de hat die bisherigen Hürden zur Einbürgerung zusammengetragen.

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