Montag, 24. April 2006
Erfolge der Verharmlosung
urmila, 19:15h
Mit "auch wenn die Umstände, unter denen Ermyas M. am 16. April in Potsdam schwer verletzt wurde, momentan etwas komplexer erscheinen als anfänglich angenommen" beginnt eine mail, mit der die Präsidentin der Viadrina zu einer Unterzeichnung der Online-Petition Wir sind Brandenburg aufruft.
Die seit Tagen betriebene Verharmlosung der rassistischen Tat von Leuten wie Schönbohm oder Schäuble sowie Medien wie der Märkischen Allgemeinen oder Bild zeigt also Wirkung. Man muss nur konsequent bestreiten, dass es Rechtsextreme waren (und dabei eine besonders enge Definition von rechtsextrem anwenden), eindeutige Hinweise auf Rassismus ignorieren und das Opfer in Zweifel stellen. Dann wird der rassistische Überfall 'komplex'.
Ermyas M. hatte also Alkolhol im Blut? Na dann. Betrunkene dürfen schon mal zu Tode geprügelt werden.
Er hatte sich mit seiner Frau gestritten? Da haben wir es mal wieder, die Schwarzen sind halt aggressiv.
Der hat ja auch im Bus gepöbelt. Und die armen Kurzhaarigen angegriffen. Dann mussten die sich ja verteidigen. Schliesslich ist Ermyas M. fast 2 m groß. Da kann man schon Angst bekommen.
Das war halt nur eine Schlägerei unter Betrunkenen wie Schönbohm uns erklärt. Kein Rassismus. 'Nigger' ist schliesslich auch kein Schimpfwort, nicht rassistisch, ganz im Gegensatz zum 'Schwein', mit dem Ermyas M. die Kurzhaarigen bezeichnet haben soll.
Gut, dass es auch noch Kommentatoren wie Felix Lee in der taz gibt:
"Hat die Öffentlichkeit wirklich zu schnell geurteilt? Ist den Verharmlosungen der beiden Innenminister womöglich Recht zu geben?
Mitnichten. Denn auch die neuen Mutmaßungen machen den Angriff von Potsdam nicht weniger verachtenswert. Seit wann darf sich ein Schwarzafrikaner nicht verbal wehren, wenn er als "Nigger" beschimpft wird? Seit wann rechtfertigt ein hoher Alkoholpegel einen Schädelbruch?
Dass nun aufgrund von vagen Mutmaßungen das Opfer zum Täter gemacht wird, zeigt: Selbst eine Woche nach dem Angriff scheint nicht angekommen zu sein, worum es wirklich geht. Potsdam war kein brutaler Einzelfall. Die Gefahr für farbige Menschen, Opfer eines rassistischen Angriffs zu werden, ist real. In ganz Deutschland. Die braune Seuche ist längst da."
Bei der Bewertung des Falles als rassistisch ist es völlig unerheblich, ob die ganzen Relativierungen des Opfers tatsächlich wahr sind (und daran gibt es durchaus Zweifel, z.B. ist noch gar nicht klar, dass Ermyas M. nur mit einem Schlag niedergestreckt wurde) oder die Täter bereits als Rechtsradikale bekannt sind. Wenn jemand aufgrund von 'Hautfarbe' fast zu Tode geprügelt wurde, dann ist das rassistisch. Egal wie betrunken er war oder ob die Täter vorher 'unbescholtene Bürger' waren.
Dabei ist Rassismus nicht ein Problem der Ostdeutschen sondern der ganzen deutschen Gesellschaft. Auch im Westen wird immer wieder rassistische Gewalt verübt, wie z.B. am Wochenende in Hannover. Heike Kleffner zeigt in der taz klar, dass die gesamte Gesellschaft, die Medien und die PolitikerInnen für rassistische Überfälle verantwortlich sind:
"Eine derart einseitige Wahrnehmung verschleiert, dass rechte Gewalt ein gesamtdeutsches Problem ist. Stets lieferten dabei die aktuellen politischen Diskurse die Begleitmusik zu Mord und Totschlag: Immer dann, wenn bei den Debatten um Asyl, Einwanderung oder Integration implizit auch die Frage nach dem Wert von Menschen gestellt wurde, stieg die Zahl brutaler und auch tödlicher Gewalttaten von rechts. Am deutlichsten wurde dies 1992/1993, als die tagelangen Angriffe und Brandanschläge auf Flüchtlingsheime und Wohnheime von Vertragsarbeitern zeitlich mit der Debatte um das Grundrecht auf Asyl zusammenfielen, und "Das Boot ist voll"-Parolen auch im Bundestag zu vernehmen waren.
... Wer in den vergangenen Wochen die "Integrationsdebatte" mit ihren vielen Forderungen nach "Einsperren, Abschieben, Aussperren" verfolgte, der konnte sich ein wenig an die frühen Neunzigerjahre erinnert fühlen. Da war es nur noch eine Frage der Zeit, "bis wieder die Mollis fliegen werden", wie es ein afrodeutscher Freund formulierte."
PolitikerInnen wie Schönbohm und Schäube, Medien wie die Märkische Allgemeine und Bild sind daran beteiligt, dass Menschen um ihr Leben fürchten müssen. Darauf weisen auch einige Medien, Engagierte und PolitikerInnen hin. Einen Politiker wie Schönbohm stört aber Kritik nicht, er lässt keine Gelegenheit aus, Rassismus zu verharmlosen. Das schlimme ist, dass er damit Erfolg hat. Heike Kleffner weist darauf hin:
"Doch anders als in den frühen Neunzigerjahren können sich die potenziellen Opfer nicht mehr der uneingeschränkten Solidarität aus linken, liberalen und bürgerlichen Kreisen sicher sein. Die enttäuschte Abkehr auch der rot-grünen Klientel vom "naiven Multikulturalismus" und der alles dominierende Sicherheitsdiskurs nach den Anschlägen des 11. September 2001 haben die potenziellen Opfer rechter Gewalt allzu oft allein gelassen. Dabei wissen alle, dass die Opfer bewusst als Vertreter einer stigmatisierten Gruppe ausgesucht und angegriffen werden und jeder individuelle Angriff eine klare Drohbotschaft an die gesamte Gruppe sendet."
Das ist ein wirkliches Problem. Für die 'Anderen' in unserer Gesellschaft gilt immer weniger, dass die Würde des Menschen unantastbar ist.
Nachtrag 23.08.06: Wie die taz berichtet, hat die Staatsanwalt jetzt Anklage gegen die zwei Verdächtigen erhoben:
"In der Anklageschrift ist von einem rechtsradikalen Hintergrund nicht die Rede."
Das mag auch sein, rassistisch war die Tat aber trotzdem, denn:
"Es kommt zu einem Wortwechsel, in dem Björn L. und Thomas M. den seit über 20 Jahren in Deutschland lebenden Mann als "Oller Nigger" und "Scheiß-Nigger" beschimpfen."
Aber Rassismus wird offenbar in Deutschland nicht verfolgt.
Die seit Tagen betriebene Verharmlosung der rassistischen Tat von Leuten wie Schönbohm oder Schäuble sowie Medien wie der Märkischen Allgemeinen oder Bild zeigt also Wirkung. Man muss nur konsequent bestreiten, dass es Rechtsextreme waren (und dabei eine besonders enge Definition von rechtsextrem anwenden), eindeutige Hinweise auf Rassismus ignorieren und das Opfer in Zweifel stellen. Dann wird der rassistische Überfall 'komplex'.
Ermyas M. hatte also Alkolhol im Blut? Na dann. Betrunkene dürfen schon mal zu Tode geprügelt werden.
Er hatte sich mit seiner Frau gestritten? Da haben wir es mal wieder, die Schwarzen sind halt aggressiv.
Der hat ja auch im Bus gepöbelt. Und die armen Kurzhaarigen angegriffen. Dann mussten die sich ja verteidigen. Schliesslich ist Ermyas M. fast 2 m groß. Da kann man schon Angst bekommen.
Das war halt nur eine Schlägerei unter Betrunkenen wie Schönbohm uns erklärt. Kein Rassismus. 'Nigger' ist schliesslich auch kein Schimpfwort, nicht rassistisch, ganz im Gegensatz zum 'Schwein', mit dem Ermyas M. die Kurzhaarigen bezeichnet haben soll.
Gut, dass es auch noch Kommentatoren wie Felix Lee in der taz gibt:
"Hat die Öffentlichkeit wirklich zu schnell geurteilt? Ist den Verharmlosungen der beiden Innenminister womöglich Recht zu geben?
Mitnichten. Denn auch die neuen Mutmaßungen machen den Angriff von Potsdam nicht weniger verachtenswert. Seit wann darf sich ein Schwarzafrikaner nicht verbal wehren, wenn er als "Nigger" beschimpft wird? Seit wann rechtfertigt ein hoher Alkoholpegel einen Schädelbruch?
Dass nun aufgrund von vagen Mutmaßungen das Opfer zum Täter gemacht wird, zeigt: Selbst eine Woche nach dem Angriff scheint nicht angekommen zu sein, worum es wirklich geht. Potsdam war kein brutaler Einzelfall. Die Gefahr für farbige Menschen, Opfer eines rassistischen Angriffs zu werden, ist real. In ganz Deutschland. Die braune Seuche ist längst da."
Bei der Bewertung des Falles als rassistisch ist es völlig unerheblich, ob die ganzen Relativierungen des Opfers tatsächlich wahr sind (und daran gibt es durchaus Zweifel, z.B. ist noch gar nicht klar, dass Ermyas M. nur mit einem Schlag niedergestreckt wurde) oder die Täter bereits als Rechtsradikale bekannt sind. Wenn jemand aufgrund von 'Hautfarbe' fast zu Tode geprügelt wurde, dann ist das rassistisch. Egal wie betrunken er war oder ob die Täter vorher 'unbescholtene Bürger' waren.
Dabei ist Rassismus nicht ein Problem der Ostdeutschen sondern der ganzen deutschen Gesellschaft. Auch im Westen wird immer wieder rassistische Gewalt verübt, wie z.B. am Wochenende in Hannover. Heike Kleffner zeigt in der taz klar, dass die gesamte Gesellschaft, die Medien und die PolitikerInnen für rassistische Überfälle verantwortlich sind:
"Eine derart einseitige Wahrnehmung verschleiert, dass rechte Gewalt ein gesamtdeutsches Problem ist. Stets lieferten dabei die aktuellen politischen Diskurse die Begleitmusik zu Mord und Totschlag: Immer dann, wenn bei den Debatten um Asyl, Einwanderung oder Integration implizit auch die Frage nach dem Wert von Menschen gestellt wurde, stieg die Zahl brutaler und auch tödlicher Gewalttaten von rechts. Am deutlichsten wurde dies 1992/1993, als die tagelangen Angriffe und Brandanschläge auf Flüchtlingsheime und Wohnheime von Vertragsarbeitern zeitlich mit der Debatte um das Grundrecht auf Asyl zusammenfielen, und "Das Boot ist voll"-Parolen auch im Bundestag zu vernehmen waren.
... Wer in den vergangenen Wochen die "Integrationsdebatte" mit ihren vielen Forderungen nach "Einsperren, Abschieben, Aussperren" verfolgte, der konnte sich ein wenig an die frühen Neunzigerjahre erinnert fühlen. Da war es nur noch eine Frage der Zeit, "bis wieder die Mollis fliegen werden", wie es ein afrodeutscher Freund formulierte."
PolitikerInnen wie Schönbohm und Schäube, Medien wie die Märkische Allgemeine und Bild sind daran beteiligt, dass Menschen um ihr Leben fürchten müssen. Darauf weisen auch einige Medien, Engagierte und PolitikerInnen hin. Einen Politiker wie Schönbohm stört aber Kritik nicht, er lässt keine Gelegenheit aus, Rassismus zu verharmlosen. Das schlimme ist, dass er damit Erfolg hat. Heike Kleffner weist darauf hin:
"Doch anders als in den frühen Neunzigerjahren können sich die potenziellen Opfer nicht mehr der uneingeschränkten Solidarität aus linken, liberalen und bürgerlichen Kreisen sicher sein. Die enttäuschte Abkehr auch der rot-grünen Klientel vom "naiven Multikulturalismus" und der alles dominierende Sicherheitsdiskurs nach den Anschlägen des 11. September 2001 haben die potenziellen Opfer rechter Gewalt allzu oft allein gelassen. Dabei wissen alle, dass die Opfer bewusst als Vertreter einer stigmatisierten Gruppe ausgesucht und angegriffen werden und jeder individuelle Angriff eine klare Drohbotschaft an die gesamte Gruppe sendet."
Das ist ein wirkliches Problem. Für die 'Anderen' in unserer Gesellschaft gilt immer weniger, dass die Würde des Menschen unantastbar ist.
Nachtrag 23.08.06: Wie die taz berichtet, hat die Staatsanwalt jetzt Anklage gegen die zwei Verdächtigen erhoben:
"In der Anklageschrift ist von einem rechtsradikalen Hintergrund nicht die Rede."
Das mag auch sein, rassistisch war die Tat aber trotzdem, denn:
"Es kommt zu einem Wortwechsel, in dem Björn L. und Thomas M. den seit über 20 Jahren in Deutschland lebenden Mann als "Oller Nigger" und "Scheiß-Nigger" beschimpfen."
Aber Rassismus wird offenbar in Deutschland nicht verfolgt.
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