Mittwoch, 19. April 2006
Begriffe
Die taz denkt heute darüber nach wie der in Potsdam Überfallene zu bezeichnen ist:

Für die Verursacher des rassistischen Übergriffs in Potsdam vom Ostermontag war die Sache klar: Ihr Opfer ist ein "Nigger". Die berichtenden Journalisten taten sich da etwas schwerer: Wie lautet sie eigentlich, die korrekte Bezeichnung für einen Deutschen mit dunkler Hautfarbe, der ursprünglich aus Äthiopien stammt? "Deutsch-Afrikaner" (Reuters)? "Schwarzer mit deutscher Staatsbürgerschaft" (DPA)? "Afrikanischstämmiger Mann" (AP)? Oder ganz anders? Im Büro der Bundesbeauftragten für Migration war man relativ ratlos. Dr. Lutz Kuntsch von der Gesellschaft für deutsche Sprache wusste da zumindest, dass er gar nichts wissen kann: "Einen festen Begriff gibt es nachweislich nicht und wird es in absehbarer Zeit auch nicht geben."

Das mit den Begriffen ist tatsächlich nicht so einfach. Denn sie sind immer politisch. Sprache ist nicht unschuldig. Begriffe sind geschichtlich gewachsen, entsprechen den gesellschaftlichen Werten. Solange Schwarze nicht als 'Deutsche' gedacht werden, kann es auch keinen allgemein anerkannten Begriff geben, der sie als solche bezeichnet.

Den Medien zu empfehlen wäre aber, die Selbstbezeichnung der Betroffenen zu übernehmen. Zur Zeit dominiert bei ihnen - soweit ich das sehen kann - der selbstbewusst umgedeutete Begriff Schwarze (siehe z.B. die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland).

Zur Produktivität von Begriffen gibt es hier mehr.

Nachtrag 20.04.06: Die taz hat weiter gedacht.

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Wenn in Deutschland ein Mensch wegen seiner Hauptfarbe oder Herkunft benachteiligt oder gar überfallen wird, ist es hilfreich, ihn über diese zu bezeichnen. Unsere Sprache bietet dazu eine Fülle von Möglichkeiten. Ein Deutscher kann spontan aus den vielfältigen Bedeutungsschattierungen die dem Kontext angemessene herauslesen. Ein fester Begriff ist dazu nicht erforderlich. Den gibt es auch für ganz elementare Sachverhalte nicht.

Das Wort Neger hat in der Tat im Laufe der Jahre seine negativen Konnotationen weitgehend abgelegt und ist ein Beispiel für die Wandlung der Sprache durch verändertes Denken. Frühere Bestrebungen, dieses Wort neben anderen durch politisch korrekte Bevormundung zu ächten, konnten sich glücklicherweise nicht durchsetzen.

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"Wie lautet sie eigentlich, die korrekte Bezeichnung für einen Deutschen mit dunkler Hautfarbe, der ursprünglich aus Äthiopien stammt?"

Hat der denn keinen Namen? Und wenn die Staatsangehörigkeit relevant wird und er Deutscher iss, dann isser Deutscher, punkt. Und wenn relevant iss, dasser ursprünglich aus Äthiopien kommt, dann kommt er ursprünglich aus Äthiopien, punkt. Wo iss das nen Problem? Wer hier schon anfängt von Schwarz und Weiß zu reden, der übernimmt ja wohl doch die rassistische Perspektive. Ich hab noch nie nen Mensch aus Afrika getroffen, der sich "hallo, ich bin ein Schwarzer" vorgestellt hat und würd man mir wen so vorstellen, dann würde ich das auch als rassistische Bemerkung verstehen. Ob hier nun negativ oder positiv über die Hautfarbe diskriminiert wird, halte ich auch nicht für spannend, denn wenn Black beautiful iss, weil andere meinen, dass Weiß beautiful>er< iss, dann landet man mitten im Schwanzvergleich. Wenn aber alles beautiful iss, dann kann man sichs auch schenken.

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Das N-Wort
"Als ich diesen Text schrieb, musste ich zunächst überlegen, wie ich das Wort "Neger/in" benutzen kann, denn das Wort ist schmerzhaft. Wenn ich in diesem Artikel statt des Euphemismus 'N-Wort', den Begriff "Neger/in" benutze, dann um ihn zu dekonstruieren. Das ist eine für mich schwierige Entscheidung, verletzend sogar, denn das 'N-Wort' ist kein neutrales Wort, es ist ein Weißes Konzept - ein Begriff, der mich in eine koloniale Ordnung festschreibt. ... Das Wort "Neger/in" ist also in der Geschichte der Versklavung und Kolonisierung situiert, d.h. es ist ein Begriff, welcher mit Unterdrückung, Bruatlität, Verwundung und Schmerz einhergeht."

Mit diesem Absatz beginnt Grada Kilomba Ferreira ihren Artikel " 'Don't You Call me Neger!' - Das "N-Wort", Trauma und Rassismus" in TheBlackBook (2004).

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Zu Bambi71: Normalerweise müßte "Mordversuch an dem 37-jährigen Ermayas M." ausreichend, wenn hier nicht der rassistische Hintergrund von Bedeutung wäre. Ich halte die in der Presse vorgefundenen Wendungen wie "Mordversuch an einem deutschen Mann äthiöpischer Herkunft" für ausgezeichnet. Natürlich sieht man auch bescheidenere Texte. So spricht FAZ.NET abwiegelnd von einem "besonders krassen extremen Einzelfall", auch wenn dies nur wiedergegebene Worte der Staatsanwaltschaft sind. Noch übler ist "es hat auch gezeigt, daß solche Täter nicht mehr mit dem unausgesprochenen Einverständnis der Mehrheit der Bevölkerung rechnen können". Ich lege Wert auf die Feststellung, daß bei aller gelegentlich sichtbaren Halbherzigkeit der um ihr Image fürchtenden Politiker, Beamten und Städte in den letzten 60 Jahren die große Mehrheit der Deutschen eindeutig für Verfolgung und Bestrafung solche Täter eingetreten ist. Das war in der deutschen Geschichte und ist in manchen Gegenden der Welt leider anders.

Zu Urmilia: Ihr Zitat macht eigentlich schon deutlich, daß es so nichts wird. Was soll ich zu Albernheiten wie "N-Wort" und "Neger/in" sowie zahlreichen Worthülsen sagen? Daß es keinen Grund mehr gibt, das Wort Neger zu "dekonstruieren"? Schwulen und Negern ist es gelungen, einen gängigen Begriff für sich weitgehend ins Positive zu wenden. Sinti und Roma träumen davon. Sie haben die Sprache nicht geachtet. Statt einer Aufwertung des Wortes Zigeuner, entschieden sie sich für einen unbekannten Doppelnamen mit schwierigem Singular.

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