Freitag, 23. November 2012
20 Jahre Mölln
Die taz berichtet über die Bedeutung des Brandanschlags in Mölln für Menschen, die befürchten mussten, dass auch sie Ziel von Angriffen werden könnten.

"Einer, dem die Anschläge von Mölln bis ins Mark gingen, war der Schriftsteller Feridun Zaimoglu. Er lebte schon damals in Kiel, im gleichen Bundesland wie die Kleinstadt Mölln. „Es war eine schwarze Zeit“, sagt er. „Viele Leute haben sich damals gefragt: ist es jetzt besser die Koffer zu packen? Das hat die Menschen geprägt, die haben das bis heute nicht vergessen.“ "

Auch in meinen Interviews mit InderKindern konnte ich Ende der 1990er Jahre feststellen, wie bedeutend Mölln, Sollingen, Rostock waren. Diese Anschläge haben vielen vor Augen geführt, dass sie nicht als selbstverständlich zugehörig anerkannt werden, haben ihnen gezeigt, dass sie - egal wie sie sich fühlen - als Andere angesehen werden.

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Donnerstag, 22. November 2012
Die Protestierenden und die Politiker_innen
Heute war das Treffen der Protestierenden am Brandenburger Tor und Bundestagspolitiker_innen (siehe z.B. rbb-online). Die Forderungen der Protestierenden waren laut dem Blog des Refugee Strikes folgende:

"1. Anerkennung aller Asylsuchenden als politisch Geflüchtete
2. Stopp aller Abschiebungen
3. Aufhebung der Residenzpflicht
4. Nicht Prüfung und Aufrechterhaltung der Lager sondern Wohnungen"


Das sind sehr konkrete Forderungen, auch wenn sie umfassend und radikal sind. Das Treffen war laut rbb-online aber "ergebnislos". Aus Sicht der sogenannten Integrationsbeauftragten, weil:

"Das Treffen sei für eine politische Demonstration genutzt worden, sagte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), im Anschluss an das Gespräch am Donnerstagabend. Damit sei die Chance, über konkrete Probleme zu reden, vertan worden."

Warum wird eigentlich Menschen in prekären Situationen vorgeworfen, dass sie politisch handeln? Warum sollten sie das nicht tun, wenn sie mit Politiker_innen zusammentreffen? War von den Protestierenden erwartet worden, dass sie sich mit Almosen abspeisen lassen?

"Es sei schwierig gewesen, sich auszutauschen, weil die Forderungen sehr allgemein und die Fronten verhärtet gewesen seien, so der Flüchtlingsexperte der Grünen, Josef Winkler. "

Die Forderungen war sehr konkret und umfassend, es geht um existentielle Rechte der Protestierenden, da ist es doch kein Wunder, dass sie darauf beharren. Was hatten die Politiker_innen den erwartet? Wurden den Protestierenden denn irgendwas angeboten?

Nachtrag 24.11.12: Die taz berichtet ausführlicher über das Treffen und zeigt, wie wenig es der CDU um eine Auseinandersetzung mit den politischen Forderungen der Protestierenden geht.

"Selbst am nächsten Morgen war Reinhard Grindel noch aufgeregt: Ein „Skandal“ sei das Treffen mit der Flüchtlingsdelegation am Vorabend gewesen, sagt der CDU-Obmann im Innenausschuss des Bundestags, eine „Zumutung“. Statt über „ihre persönliche Lage zu sprechen“, hätten die „nur politische Erklärungen“ abgegeben und „Rassismus-Vorwürfe erhoben“. Das Gespräch sei „nicht geeignet gewesen, zu irgendeiner Art von politischer Konsequenz zu kommen“, so Grindel. "

Die Protestierenden verstehen sehr klar, dass die Politiker_innen mit ihnen nicht auf Augenhöhe verhandeln wollen, dass sie sich der politischen Auseinandersetzung verweigern und die gesellschaftlichen Verhältnisse unzulässig individualisieren:

" „Man hat von uns erwartet, dass wir dankbar sind“, sagte die Iranerin Mansureh Komeigani. „Aber hier leben Menschen zehn Jahre im Lager, das belastet sie psychisch sehr. Warum sollen wir dafür dankbar sein?“

Sie kritisierte, dass die Abgeordneten nicht akzeptiert hätten, dass die Flüchtlinge eine politische Erklärung abgeben wollten. „Wir sollten nur über uns selber sprechen. Aber wir waren eine Delegation für alle Flüchtlinge. Deswegen mussten wir auch über die Gesetze sprechen, die für unsere Lebensverhältnisse verantwortlich sind.“ "


Zudem verwehren sie sich dagegen kriminalisiert zu werden und das Verhältnisse verharmlost werden sollen:

"„So werden wir als Kriminelle hingestellt, die kontrolliert werden müssen“, sagte Komeigani. „Die Abgeordneten wollten sogar, dass wir nicht das Wort ’Lager‘ benutzen. Aber es ist wie ein Gefängnis ohne Mauern.“ "

Wenn sich die Politiker_innen so gar nicht auf eine politische Auseinandersetzung einlassen wollten, warum haben sie dann das Gespräch angeboten? Haben sie wirklich gedacht, die Protestierenden, die höchst politisch agieren, würden sich mit dem Individualisieren ihrer Anliegen zufrieden stellen lassen und sich Paternalismus aussetzen.

Nachtrag 25.11.12: Die Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak berichtet über das Treffen auf ihrem Blog.

Nachtrag 26.11.12: Weitere selbstbewusste Asylbewerbende in Freudenstadt. Die taz berichtet.

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Pink money
In der taz interviewen Jan Feddersen und Martin Reichert die USamerikanische Historikerin Dagmar Herzog zu aktuellen Entwicklungen in den USA und dazu, ob Obamas Wahlsieg einen "Triumph für die sexuellen Bürgerrechte" bedeutet. Herzog beschreibt, wie es dazu kam, dass sich Obama für LGBT-Rechte einsetzt:

"Auf die Dauer hilft nur Power. Obama war sich ja auch lange unsicher, ob er bei dem Thema einsteigen soll. Aber dann wurde Druck auf ihn ausgeübt, und zwar von seinen finanziellen Unterstützern. „Pink Money“, zwei seiner wichtigsten Geldgeber für den Wahlkampf waren Schwule, und die haben dann gesagt: Jetzt mach mal, Obama, sonst bekommst du kein Geld. Das war der heilsame Druck. "

Heilsam hört sich das für mich gar nicht an, wenn politische Haltung durch Geld erkauft wird. Das heisst, dass nur die, die über genügend finanzielle Ressourcen verfügen, Unterstützung bekommen.

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Mittwoch, 21. November 2012
RAV kritisiert Buch des Neuköllner Bürgermeisters Buschkowsky


Der RAV schreibt in der Pressemitteilung zur Aktion:

"Das Problem heißt Rassismus! RAV kritisiert Buch des Neuköllner Bürgermeisters Buschkowsky

Das Problem heißt Rassismus!

Unter diesem Motto haben rund 30 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte am Samstag, dem 17. November 2012 im Buchladen Hugendubel am Hermannplatz eine Erklärung verlesen und das Buch des Neuköllner Bezirksbürgermeisters Heinz Buschkowsky (SPD) mit Aufklebern verschönert.
Buschkowsky trägt mit seinem Buch zu einem Klima bei, in dem Rassismus gedeiht und die gesellschaftliche Spaltung vorangetrieben wird. Zahlreiche Kundinnen und Kunden sowie das Personal hörten interessiert zu, applaudierten und diskutierten anschließend mit den Kolleginnen und Kollegen, unter ihnen auch zahlreiche RAV-Mitglieder."

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Mittwoch, 21. November 2012
Neu Erschienen: InderKinder


Urmila Goel, Jose Punnamparambil und Nisa Punnamparambil-Wolf (Hrsg.): InderKinder. Über das Aufwachsen und Leben in Deutschland.

Heidelberg: Draupadi Verlag, 220 Seiten, 2012, 19,80 €
ISBN 978-3-937603-73-5

„Inder, Kinder, Chip-Erfinder“ – seit der Diskussion um ‚Computer-Inder‘ und die Kampagne ‚Kinder statt Inder‘ im Jahr 2000 wird Migration aus Indien nach Deutschland auch öffentlich wahrgenommen.

In diesem Buch schreiben Kinder von Migranten und Migrantinnen aus Indien, die schon lange keine Kinder mehr sind und von denen viele schon selber Kinder haben, über das Aufwachsen und Leben als InderKind in Deutschland. Mit ihren autobiographischen Erzählungen und wissenschaftlichen Essays ermöglichen sie vielfältige Einblicke in wenig bekannte Migrationsgeschichten, in Prozesse des Anders-Gemacht-Werdens sowie dem mal mehr und mal weniger selbstbewussten Umgang mit Zuschreibungen.

Mit Beiträgen von Diptesh Banerjee, Sandra Chatterjee, Simon Chaudhuri, Betty Cherian-Oddo, Harpreet Cholia, Maymol Devasia-Demming, Urmila Goel, Renuka Jain, Rohit Jain, Nicole Karuvallil, Sherry Kizhukandayil, Merle Kröger, Paul Mecheril, Shobna Nijhawan, Rita Panesar, Nivedita Prasad, Nisa Punnamparambil-Wolf, Daniela Singhal und Pia Thattamannil.

Mehr Informationen auf urmila.de/inderkinder.

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Samstag, 17. November 2012
Symbole
Als ich gestern nach hause radelte, fiel mir auf dem Radweg ein Symbol auf. Ich wunderte mich, warum das verzierte hinduistische Zeichen da wohl war. Und wunderte mich so sehr, dass ich umdrehte und mir das Symbol nochmal genauer ansah. Es war gar nicht verziert. Dabei hatte ich im Vorbeifahren Punkte in den vier Ecken wahrgenommen. So wie bei vielen der Glückwunsch-Bilder, die mir in den letzten Tagen zu Diwali begegnet waren. Beim genaueren Hinschauen war das Symbol gar nicht hinduistisch, sondern vielmehr ein Hakenkreuz, wenn auch etwas krakelig.

Mit dem Fuß liess sich die Kreide nicht verwischen, also ging ich in das Cafe nebenan. Der Mann hinter der Theke war entsetzt, nahm einen Lappen und entfernte das Kreuz so gut es ging. Heute war es nur noch verschwommen zu erkennen. Etwas weiter entlang des Radwegs war dann aber noch ein gut sehbares (warum habe ich das gestern nicht gesehen?) und ein ziemlich verblichenes Hakenkreuz auf dem Weg.

Spannend. Warum habe ich wohl zuerst ein hinduistisches Zeichen gesehen? Zu viel oder zu wenig interkulturelle Kompetenz?

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Mittwoch, 14. November 2012
Präventiv
" Man dürfe die Dinge aber „nicht immer erst in Angriff nehmen, nachdem etwas passiert ist“." sagt laut taz "ein hoher Sicherheitsbeamter" und begründet so, warum sich das neue Gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum mit 'Links- und Ausländerextremismus' beschäftigen soll, obwohl da gilt: „Es besteht nicht Gefahr im Verzug“.

Schon klar. Lieber präventiv gegen Linke und 'Ausländer' als gegen Rechts.

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Dienstag, 13. November 2012
Loyalitätspflicht
Ich verstehe es, wenn Kirchen, Parteien, Stiftungen, etc. nur Menschen einstellen wollen, die etwas mit den Zielen der Institution anfangen können. Problematisch wird das aber, wenn es in einem bestimmten Arbeitsfeld kaum eine Alternative zu einer bestimmten Institution gibt und Menschen, die deren Ziele nicht teilen, deswegen nicht in dem Arbeitsfeld arbeiten können. Insbesondere dann, wenn das Nichtteilen der Ziele keinen direkten Einfluss auf die Arbeit hat. Und noch mehr so, wenn die Institution vorwiegend mit öffentlichen Mitteln arbeitet.

In Deutschland kommt es so durch die Eigeninteressen von christlichen Einrichtungen zu massiven Problemen im sozialen Bereich wie die taz zusammenfasst:

"Nach dem öffentlichen Dienst sind die katholische und die evangelische Kirche zusammen der zweitgrößte Arbeitgeber in der Bundesrepublik. Rund 1,3 Millionen Menschen arbeiten bei kirchlichen Trägern wie Caritas oder Diakonie. Kirchliche Einrichtungen bestimmen weite Teile des Ausbildungs- und Arbeitsmarkts im Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich."

Es kann nicht sein, dass Arbeits- und Ausbildungsplätze im sozialen Bereich so stark an das Bekenntnis zum Christentum gekoppelt sind.

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