Donnerstag, 5. Juli 2012
Für Niederländer
Letzte Woche war ich auf der Konferenz Digital Crossroads in Utrecht. Eine wirklich gute Konferenz. Sehr international mit Teilnehmenden von allen fünf Kontinenten. Mit sechs überwiegend beeidruckenden Keynote-Referentinnen. Nur die Technik und das Mobiliar haben nicht so ganz mitgespielt. Das Mobiliar sagte eine aus dem Team der Organisator_innen sei für Niederländer gemacht - auf ihre Größe ausgelegt.



Um genauer zu sein: für weiße männliche Niederländer_innen. Das scheint die Masseinheit für Stehpulte und ähnliches zu sein. Viele der nicht-weißen, nicht-männlichen Referent_innen hatten Schwierigkeiten über das Pult zu schauen bzw. gesehen zu werden.

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Auf der Post
wolllte ich Briefmarken kaufen. Als ich aber dann das Briefmarkenheftchen in der Hand hatte, musste ich es zurück geben:

Briefmarkenset Nationalismus


Schwarz-rot-gold kann ich meine Briefe nicht bekleben.

Passend dazu ein Schild einer Hamburger Kneipe:

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Veranstaltung in Heidelberg: Privilegien im Rassismus
Vor lauter Veranstaltungen und Reisen komme ich gar nicht zum inhaltlichen Bloggen. Also eine weitere Veranstaltungsankündigung:

Dienstag, 10.07.2012 19:00 Uhr
Universität Heidelberg, Neue Uni, Hörsaal 04 (EG), Uniplatz

Überlegungen zur Analyse von und zum Umgang mit Privilegien im Rassismus - Vortrag von Urmila Goel

Rassismus durchzieht unsere Gesellschaft. Wir sind alle von ihm betroffen, werden durch Rassismus marginalisiert oder privilegiert. Jenen, die vom Rassismus privilegiert werden, fällt es häufig schwer, die eigenen Verstrickungen in Rassismus zu verstehen und anzuerkennen. Im Vortrag wird ein Ansatz, Rassismus und die privilegierte Position im Rassismus zu analysieren, vorgestellt und diskutiert, wie aus der privilegierten Position rassismuskritisch gehandelt werden kann.

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Mittwoch, 4. Juli 2012
Intersektionalität und Bildungsarbeit
Gemeinsam mit Alice Stein habe ich auf dem Portal Intersektionalität den Artikel Mehr als nur ein Machtverhältnis – machtkritische Bildung und Zugänge zu Intersektionalität (als pdf) veröffentlicht:

"Aufbauend auf unserer theoretischen Auseinandersetzung mit Intersektionalität bzw. der Interdependenz von Machtverhältnissen wollen wir in diesem Artikel anhand unserer praktischen Erfahrungen als Trainerinnen diskutieren, welche Herausforderungen machtkritische Bildungsarbeit zu bzw. im Kontext von mehreren verflochtenen Machtverhältnissen für Trainer_innen mit sich bringt."

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Mittwoch, 27. Juni 2012
Vortrag in Würzburg: Migration der Krankenschwestern
Vortrag: Die Migration von Krankenschwestern aus Kerala in die BRD – eine ethnographische Annäherung

Mo, 02.07.12, 16 Uhr c.t.
Raum: Uni Würzburg, ÜR 14 (Philosophiegebäude, Am Hubland).

In den 1960ern Jahren wurden ausgebildete Krankenschwestern und Schwesternschülerinnen aus dem südindischen Kerala insbesondere für katholische Krankenhäuser und Altenpflegeheime in der BRD angeworben.

In den 1970ern hatten viele dieser Krankenschwestern eine arrangierte Heirat in Kerala und brachten ihre überwiegend akademisch ausgebildeten Ehemänner in die BRD. Dort durften sie die ersten vier Jahre nicht arbeiten und bekamen danach zumeist nur Arbeitsstellen, die weit unter ihrer Qualifikation lagen. Während ihre Frauen arbeiteten, kümmerten sich die nachgezogenen Ehemänner um den Haushalt und die Erziehung der Kinder. Sie engagierten sich auch in Kirchengemeinden, gründeten Sport- und Kulturvereine. Heute stehen die meisten der Krankenschwestern und ihrer Männer kurz vor der Rente oder sind bereits in Rente. Die meisten ihrer Kinder stehen bereits im Berufsleben und viele haben eigene Familien gegründet.

Im Vortrag wird die Migrationsgeschichte der Krankenschwestern und ihrer Familie in die BRD über die letzten 50 Jahre dargestellt.

Veranstaltet vom Lehrstuhl für Indologie im Rahmen von Globale Systeme und interkulturelle Kompetenz (da trägt allerdings Ursula Goel vor ;-) ).

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Sonntag, 24. Juni 2012
Doppelte Staatsbürger_innenschaft
Die taz berichtet über eine Studie zur Optionspflicht von Kindern nicht-deutscher Staatsbürger_innen in Deutschland. Dabei kommt unter anderem heraus, dass die meisten sich für die deutsche Staatsbürger_innenschaft entscheiden und dass viele die rechtlichen Regelungen unzureichend kennen. Zentral für mich ist aber das Ergebnis, dass natio-ethno-kulturell Mehrfachzugehörige gerne mehrere Staatsbürger_innenschaften hätten.

Was ich in der taz lese, deckt sich weitgehend mit den Ergebnissen eines Forschungsprojekts von mir vor fünfzehn Jahren. Staatsbürger_innenschaft wird (gerade in Deutschland) symbolisch stark aufgeladen und daher ist es sehr schwer, eine Staatsbürger_innenschaft abzulegen. Die präferierte Option für Mehrfachzugehörige ist eine Mehrfachstaatsbürger_innenschaft (auch wenn es mit nur einer auch geht).

Die Bundesregierung will aber keine Mehrfachstaatsbürger_innenschaft (ausser für EU-Ausländer_innen und Spätaussiedler_innen).

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Freitag, 22. Juni 2012
Aufsatzthema
Aus der sächsischen Freie Presse:

"In der neunten Klasse wurde Ngoc Anh Dao vor eine unlösbare Aufgabe gestellt. "Ich sollte einen Aufsatz darüber schreiben, warum ich stolz bin, eine Deutsche zu sein", sagt die 22-jährige Dresdnerin."

Was ist das denn für ein Aufsatzthema? Warum sollte irgendjemand stolz darauf sein Deutsche_r zu sein? Und dafür (oder den fehlenden Stolz) auch noch benotet werden?

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Sport und Kopftuch
Cigdem Akyol schreibt in der taz über die Sportlerin Nihal Aksoy, die Kopftuch trägt. Eine starke Frau, deren Tuch sie beim Sport nicht stört (andere sich aber daran stören). Akyol thematisiert dann, dass kopftuchtragende Frauen vom Sport ausgegrenzt werden:

"Im vergangenen Juni durfte die iranische Fußballfrauenmannschaft beim Olympia-Qualifikationsspiel in Jordanien nicht antreten. Die Sportlerinnen wurden wegen ihrer Kopftücher von der Fifa ausgeschlossen. Begründung: Das Tragen eines Kopftuches erhöhe das Verletzungsrisiko, zudem solle der Sport religiös neutral bleiben."

Inzwischen dürfen Fußballspielerinnen (auf Druck der UNO wie Akyol berichtet) Kopftuch tragen. Scheint also doch nicht wirklich ein Problem zu sein (der Ausschluss von Frauen aus dem Sport aufgrund ihrer Religion hingegen schon - das ist Diskriminierung). Akyol hat hier die Möglichkeit antimuslimischen Rassismus und seine Verflechtungen mit Heteronormativität zu thematisieren. Stattdessen wechselt sie abrupt die Perspektive und reproduziert antimuslimische Rassismen:

"In Deutschland würden Mädchen aus religiösen Gründen an der Ausübung von Sport gehindert, kritisiert Christa Stolle, Geschäftsführerin der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes. So dürften muslimische Eltern nach Gerichtsurteilen ihre Töchter von gemeinsam mit Jungen stattfindendem Schulsport fernhalten, wenn er zu einem Konflikt mit Koranvorschriften führe. Auch lange Kleidung und Kopftuch beim Sport tragen zu müssen sei hinderlich. „Die Trägerin wird in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt und somit bei der Ausübung von sportlichen Tätigkeiten einer erhöhten Verletzungsgefahr ausgesetzt.“ "

Wieso kommt in einer Geschichte über eine kopftuchtragende Sportlerin auf einmal das Bild, der Muslima, die gar keinen Sport treiben dürfe? Warum wird wieder behauptet, dass das Kopftuch die Verletzungsgefahr erhöhe, wenn es doch Kopftücher für Sportlerinnen gibt? Warum wieder diese platten Bilder, wenn die Realität doch viel komplexer ist?

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Der Migrationshintergrund und die Statistik
Die taz berlin berichtetet über die aktuellen Abiturient_innen:

"Gesunken ist die Zahl der AbiturientInnen aus Einwandererfamilien. 15,5 Prozent waren das 2011, jetzt sind es nur noch 14,1 Prozent. "

Die Senatsbildungsverwaltung sagt, dies sei ein statistisches Problem:

"Dies liege schlicht daran, dass immer weniger SchülerInnen ihren Migrationshintergrund als relevant ansähen, vermutet die Senatsbildungsverwaltung: Zunehmend würden MigrantInnen der zweiten und dritten Generation Deutsch als Herkunftssprache angeben. Mit diesem Merkmal oder ausländischer Staatsangehörigkeit wird in der entsprechenden Statistik der Migrationshintergrund erfasst."

Die Statistiken sind also generell wenig aussagekräftig, da das eine gemessen wird (angegebende Herkunftssprache) und dann behauptet wird was anderes gemesssen zu haben (Migrationshintergrund). Aber so sind Statistiken wohl allgemein, wenig verlässlich.

Die Senatsbildungsbildungsverwaltung scheint einen engen Zusammenhang zu unterstellen. So stellt sie doch die gewagte These auf, dass "weniger SchülerInnen ihren Migrationshintergrund als relevant ansähen" nur weil sie Deutsch als Herkunftssprache angeben. Noch nie was von natio-ethno-kultureller Mehrfachzugehörigkeit gehört?

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Donnerstag, 21. Juni 2012
Institutioneller Rassismus
Rassismus durchdringt diese Gesellschaft und strukturiert sie, inklusive ihrer Institutionen. Dabei wirkt Rassismus durch die (Re)Produktion von 'Normalität' und Befolgung von Gesetzen, auch ohne dass Individuen absichtsvoll rassistisch handeln wollen.

Institutioneller Rassismus ist zum Beispiel in den Abschiebepolitiken Deutschlands und der EU festgeschrieben. Es werden Kategorien von Menschen zu Anderern erklärt, ihnen werden Rechte und Ressourcen entzogen, ihnen werden kollektiv minderwertige Mentalitäten unterstellt und dies ist gesellschaftlich völlig legitim.

Gerade verhandelt das Bundesverfassungsgericht über das Asylbewerberleistungsgesetz (siehe z.B. taz). Es legt als Gesetz (also staatlich legitimiert) fest, dass eine bestimmte Gruppe von Menschen, weniger als das Existenzminimum für Menschen zum Leben braucht, und spricht ihnen das Recht auf Aufenthalt in Deutschland ab. Ein durch und durch rassistisches Gesetz. Auch das Bundesverfassungsgericht hat Zweifel, ob das Gesetz so verfassungskonform ist.

Während die Menschen, die unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen, zu wenig Geld zum Leben bekommen, bereichern sich laut taz-Bericht (mit Verweis auf MDR Thüringen) Landkreise an Geldern, die für Flüchtlinge vorgesehen sind:

"Ein Beispiel ist der Wartburgkreis. Obschon dort das einzige Asylbewerberheim in Gerstungen nicht mal die Mindestbedingungen für den Betrieb erfüllt, sparte der Kreis zwischen 2004 und 2007 etwa 800.000 Euro an Kosten für Gebäude, Betreuung und Personal. Zuvor hatte das Landesverwaltungsamt bereits „grobe Verstöße“ beim baulichen Zustand und beim Brandschutz festgestellt. "

Bei dem Willen auf dem Rücken von Flüchtlingen zu sparen, ist es kein Wunder, dass die CDU in Berlin laut taz-Bericht keinen Grund sieht, Flüchtlingen einen Internetanschluss zu finanzieren (die Piraten-Partei fordert das und Flüchtlinge organsieren sich diesen selber).

Für Abschreckung und Abschiebung aber geben staatliche Institutionen gerne Geld aus. Gerade wurden Gebäude auf dem neuen Flughafen Berlins für das Flughafenschnellverfahren gebaut (das einzige was bisher funktioniert auf dem Flughafen?). Und es gibt wie die taz berichtet, Pläne für einen neuen Berlin-Brandenburgischen Abschiebegewahrsam (weil die alten bei weitem nicht ausgelastet sind). Die grüne Politikerin Canan Bayram fragt:

„Da sollte man fragen, ob man überhaupt einen Knast betreiben muss oder ob es nicht auch anders geht.“

In Leipzig wenden sich derweil (vermutlich weiße, deutsche) Bürger_innen gegen die dezentrale und menschenwürdigere Unterbringung von Flüchtlingen wie die taz gestern berichtet (nachdem rassismuskritische Gruppen schon länger dagegen mobilisieren).

All das ist (nicht nur institutioneller) Rassismus, aber in Deutschland offensichtlich kein Skandal. Ein Skandal wird es erst, wenn (institutioneller) Rassismus in Deutschland öffentlich und prominent benannt wird. "Rassismus-Vorwurf sorgt für Eklat im Landtag" titelt die Hannoversche Allgemeine:

"Am Rednerpult steht SPD-Fraktionschef Stefan Schostok. Er macht gerade eine Generalabrechnung mit der Politik der CDU-FDP-Landesregierung, geißelt die Flüchtlingspolitik und sagt, Wissenschaftler sprächen in diesem Fall gar von „institutionellem Rassismus“. CDU-Geschäftsführer Jens Nacke, der ganz vorne sitzt, fährt aus der Haut. „Unverschämtheit“, ruft er und lässt sich in seinen Zwischenrufen gar nicht bremsen. "

Es ist skandalös, dass in Deutschland nicht Rassismus skandalös ist, sondern das Thematisieren von Rassismus.

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Sonntag, 17. Juni 2012
Genderkritisches Kindererziehen
Im taz-Interview sprichte die Piratin Manuela Schauerhammer über die Schwierigkeiten Kinder nicht heteronormativitätsreproduzierend zu erziehen:

"Es ist wahnsinnig anstrengend. Ein besonders absurdes Beispiel, das mir kürzlich bei einer Recherche untergekommen ist, sind Windeln. Es gibt Windelslips - das sind quasi Windeln für Kinder, die nicht mehr ganz klein sind - inzwischen für Mädchen und Jungs. Ich dachte erst, vielleicht gäbe es dafür physiologische Gründe, dass die Windeln besser angepasst sind oder so. Aber die Herstellerfirma hat mir ausdrücklich versichert, dass ausschließlich das Design unterschiedlich ist. "

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