Donnerstag, 15. Dezember 2022
Männer
Security Guards schauen ein Video auf dem Handy


In meinem Forschungsprojekt zur Anwerbung von Krankenschwestern aus Kerala geht es auch um deren Ehemänner und damit um Männlichkeit. Und so bekam ich schon bei meinen ersten Gesprächen in Delhi so einige Kommentare zu Männern.

Eine meiner Gesprächspartnerinnen im India International Centre erklärte, dass Männer in Indien das Geld kontrollieren. Das wäre auch bei ihr der Fall, obwohl sie als Dozentin an der Universität arbeitet. Auch eine meiner Kolleginnen meinte, dass Männer das Geld kontrollieren, auch wenn sie weniger verdienen als ihre Ehefrauen. Zudem meinte sie, dass sie nichts im Haushalt machten, auch wenn ihre Ehefrauen berufstätig seien. Stattdessen würden sie den ganzen Tag nur aufs Handy schauen.

Wie weit diese Einschätzungen zur Kontrolle von Finanzen und Anteil an Hausarbeit von Männern mit der Lebenswirklichkeit von Männern* in Indien zusammenpassen, kann ich nicht beurteilen. Das wird natürlich viel diverser sein. Was ich aber durchaus bestätigen kann, ist dass die meisten Männer*, die im öffentlichen Raum rumsitzen (zumeist weil sie als Security nichts zu tun haben), dabei auf Handys starren und Videos schauen. Das erklärt vielleicht zum Teil auch, warum Handyverträge hier viel größere Datenvolumen haben als in Deutschland.

Aufs Handy starrende Frauen* sehe ich weniger. Sie sitzen aber auch viel weniger im öffentlichen Raum rum. Sie machen andere Arbeiten und sind in der Öffentlichkeit weniger präsent.

Die Definition der Frau über einen Mann habe ich auch bei dem Abschluss meines Handyvertrags erfahren. Dort sollte ich den Namen meines Ehemannes oder meines Vaters angeben. Als ich nachfragte warum, wurde mir erklärt, dass ich damit identifizierbar bin, wenn eine andere Kundin den gleichen Namen hat. Auf meine Frage, ob ich auch den Namen meiner Mutter hätte angeben können, wurde dies bejaht. Standard ist aber die Identifizierung über Männer.

Und auch in der Wissenschaft lässt sich viel perfomative Männlichkeit beobachten. Ich habe hier sehr viel mehr mit Männern* zu tun als in Berlin. Und erlebe daher viel mehr Dominanzgehabe und ganz selbstverständliches unreflektiertes Ausnutzen von männlichen Privilegien, sowohl von Wissenschaftlern aus Indien als auch aus Deutschland. Da deckt sich der Tisch von selbst ab, ohne ihr zutun. Das Weiterreichen von Schüsseln ist Aufgabe der Frauen*. Und dass sie sich gerade in den Ladies Coach der Metro setzen wollen, muss ihnen erst gesagt werden. Und nicht alle verstehen, dass sie da nichts zu suchen haben. Die Männer* sind in der Tendenz selbstverständlich da, nehmen Raum ein, bekommen Aufmerksamkeiten. Und können dann auch ganz verständig und freundlich sein, wenn sie aufgefordert werden, etwas anders zu machen. Während die Frauen* eher selbstverständlich Care-Aufgaben übernehmen, auf die anderen achten.

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