Samstag, 19. Mai 2007
Bunad
Zentrales Symbol des norwegischen Nationalfeiertags ist neben den Fahnen die Bunad, die Nationaltracht(en).

Am Nationalfeiertag

Die Bunad steht an diesem Nationalfeiertag für die einzelnen Regionen Norwegens. Den jeder Ort hat seine eigene und das Tragen der Bunad ist ein Ausdruck der Zugehörigkeit zu diesem Ort. Die Bunad wird in den Familien weitergegeben. Von der Großmutter an die Eneklin, usw. Sie werden zum Teil auch in den Familien bestickt und gearbeitet. Sie sind so auch ein Stück Familiengeschichte. Laut meinen KollegInnen haben mehr als die Hälfte der Frauen, eine Bunad zu hause. Und tragen sie zu wichtigen Festen wie Hochzeiten und Taufen, und natürlich am 17. Mai. In Deutschland kenne ich so etwas noch am ehesten aus Bayern.

So richtig alt sind die meisten Bunads allerdings laut meinen KollegInnen nicht. Überwiegend sind sie wohl im 19. Jahrhundert als Teil der nationalistischen Befreiungsbewegung entstanden (das passt auch zu meinem Eindruck des Stils). Nur wenige können ihre Geschichte weiter zurück verfolgen. Und so gibt es wohl auch zwischen den BunadträgerInnen eine Hierarchie. Die, die die 'echten' haben, schauen auf die mit den 'konstruierten' herab. Und teuer sind die Bunads wohl auch. Für die Kinder werden daher billigere Versionen zusammengestellt.

Mir war nicht ganz klar, wie den festgelegt wird, welche Bunad getragen wird. Dazu bekam ich verschiedene Antworten meiner KollegInnen: Sie wird in der Familie weitergegeben (von Großmutter oder Mutter weiter). Anhand seines Nachnamens wisse frau, wo sie herkomme und könne so die richtige Bunad bestimmen (das wäre dann allerdings die männliche Linie). Frau suche sich die Bunad aus, die frau am liebsten trägt und bastele sich die Legitimation dazu. So können auch jene, die nicht eine geerbte Bunad haben, sich eine erwerben. Also auch MigrantInnen (oder die städtische Bourgeoisie, die die Bunad wohl fürher nicht getragen hat). Wenn sie in Bergen wohnen, dann können sie halt die Bergener nehmen.

Wobei ein Kollege meinte, dass eigentlich in der Logik der Bunad die MigrantInnen ihre nationalen Trachten tragen müssten beim Nationalfeiertag (und sich nicht eine norwegische aneignen). Ich vermute mal, dass in Bezug auf die 'Pakistanis' das hiesse, dass die ruhig Salwar Kamiz und Saris tragen könnten. (Was ich allerdings nicht für etwas Bunad-äquivalentes halten würde, denn Salwar Kamiz und Saris sind Alttagskleidungen und keine Trachten. Ich weiss gar nicht, ob meine Verwandten in Indien sowas wie Trachten haben. Mir ist das bisher nicht begegnet.)

Aufgefallen war mir, dass die Bunad zwar vorallem von Frauen aber auch von überraschend vielen (jungen) Männern getragen wird (wieder wie in Bayern). Die KollegInnen meinten, das sei eine Entwicklung der letzten zehn Jahre. Die Bunad bliebe vorallem eine weibliche Tradition.

Und zum Nationalfeiertag ziehe sich frau zumindest feierlich an. Eine Kollegin meinte, sie trage zwar ihre Bunad nicht, aber eine Jeans würde sie nicht anziehen, weil dann hätte sie das Gefühl, dass sie protestiere. Und das will sie offensichtlich nicht. Eine andere meinte, das wäre kein sozialer Druck, frau mache es eben gerne.

Eine interessante Inszenierung und wiederholte Konstruktion von nationaler/regionaler Identität, die offensichtlich Teil der unreflektierten Norm ist.

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Das eine schützt vor dem anderen nicht
"Ralph Giordano sagt, dass er mit heftigen Reaktionen gerechnet habe. "Aber dass ich jetzt in die rechte Ecke gestellt werde, ist allein aufgrund meiner Biografie absolut lächerlich", findet der wegen seiner jüdischen Mutter von den Nazis verfolgte Schriftsteller." zitiert die taz in einem Bericht über Giordanos islamophobe Äußerungen zum Bau einer Moschee in Köln.

Schön wäre es, wenn die eigene Ausgrenzungserfahrungen dazu führen würde, dass frau selber nicht ausgrenzt. Aber die Realität ist es leider nicht. 'Weiße' sich als schwul identifizierende Männer reproduzieren Islamophobie und Rassismus. Muslimisch-markierte Menschen reproduzieren und stablisieren Heterosexismus. 'Weiße' FeministInnen reproduzieren Rassismen. Und diese Liste lässt sich beliebig fortführen. Auch bei mir selber entdecke ich immer wieder rassistische, heterosexistische, eurozentrische Mittelklassegedanken.

Wir alle sind in diesen Gedankengebäuden sozialisiert. Wir bemerken jene leichter, die uns ausgrenzen, als jene, durch die wir privilegiert werden. Wir alle haben Anteil an der Reproduktion von Rassismus, Heterosexismus, Klassendifferenzen, etc. Dessen müssen wir uns immer wieder bewußt werden. Mit einer "rechten Ecke" hat das wenig zu tun.

Nachtrag 19.06.07: Es geht weiter.

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