Mittwoch, 17. Mai 2006
No-Go-Areas
Der Afrikarat hat als Folge von rassistischen Überfällen auf Schwarze einen No-Go-Guide für WM-TouristInnen veröffentlicht. Der ehemalige Regierungssprecher und jetzige Vorsitzende von Gesicht zeigen Uwe-Karsten Heye hat dem Deutschlandradio Kultur ein Interview zum Rassismus in Deutschland gegeben. Zum Ende des Interviews wurde er gefragt, welchen Rat er WM-BesucherInnen zum Beispiel aus Togo geben würde und er antwortete laut tagesschau.de mit Bezug auf den Führer des Afrikarates: "es gebe "kleine und mittlere Städte in Brandenburg und anderswo", wo er "keinem, der eine andere Hautfarbe" habe, "raten würde, hinzugehen". Die Besucher könnten an solchen Orten in große Gefahr geraten und würden diese "möglicherweise lebend nicht wieder verlassen".

Das hat aber nicht nur Schönbohm zu seinen üblichen Aussagen verleitet, nun ist auch Platzeck empört, dass Brandenburg verleumdet wird. Dabei ging es Heyes gar nicht speziell um Brandenburg wie er in einer Pressemitteilung und einem Interview mit tagesschau.de klar stellt. Ihm geht es darum, dass 'wir' nicht länger die Augen verschliessen, vor den realen Gefahren für Schwarze Menschen in Deutschland. Es ist gut, wenn auch ein Weißer das endlich mal benennt (der Führer des Afrikarates hat sonst ja kaum Beachtung bekommen). Sie werden von einem anderen deutschen Politiker auf tagesschau.de bestätigt:

Der SPD-Innenexperte Sebastian Edathy, dessen Vater Inder ist, sagte hingegen, er könne die Warnung durchaus nachvollziehen. Er verwies darauf, dass in Brandenburg vier rechtsextreme Gewaltdelikte auf 100.000 Einwohner kämen. In Rheinland-Pfalz seien es lediglich 0,5. Er selbst würde sich mit seiner etwas dunkleren Hautfarbe auch nicht "nachts in die S-Bahn nach Berlin-Treptow setzen".

Dabei ist es natürlich problematisch, wenn die Gefahr nur auf einige Teile der neuen Bundesländer beschränkt wird. Brandenburgs Landtagspräsident Gunter Fritsch hat recht, wenn er laut tagesschau.de sagt:

"Das Problem von Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit wird verharmlost, wenn man es auf bestimmte Regionen beschränkt. Vielmehr handelt es sich um ein gesamtgesellschaftliches Thema, das gesamtgesellschaftlich bekämpft werden muss."

Rassismus ist in Deutschland strukturell verankert, rassistische Ideen prägen auch die Mitte der Gesellschaft. Das darf nicht vernachlässigt werden, sonst lässt sich auch das Problem der rechten Schläger nicht beheben. Bis dahin aber wird es No-Go-Areas für Schwarze geben. Und es ist gut, wenn das öffentlich gemacht wird.

Nachtrag: 24.05.06: Die taz berlin berichtet heute:

"Ursprünglich wollte der Afrika-Rat eine Liste mit "No-go-Areas" veröffentlichen. Von diesem Plan rückte der Verband aber ab. Begründung: Die Orte änderten sich zu schnell, als dass man sie in einem Atlas fixieren könne. Stattdessen werde man für dunkelhäutige Deutschlandbesucher in Kürze einen "Katalog mit Vorsichtsmaßnahmen" herausgeben, sagte Kamara."

Nachtrag 26.05.06: No-Go-Areas gibt es auch für weitere marginalisierte Gruppen: "Kloke wollte gerade die Juden in die aktuelle Debatte über die "No-go-Areas" einbezogen wissen. Viele scheuten sich, als Juden erkennbar herumzulaufen, weil sie Angstgefühle hätten. "Sie beginnen jeden Freitagabend nach dem Gottesdienst" mit der Frage: "Soll ich die Kippa aufbehalten oder nicht?"" (aus der taz)

Nachtrag 03.06.06: Bei einem Treffen der Racism Helpline berichtete Vorsitzende des Afrikarates Kamara über die Gespräche mit PolitkerInnen, Verwaltungen und auch der Polizei , die dieser in den letzten Wochen geführt hat. Als Folge spricht er jetzt nicht mehr von 'No-Go-Areas' sondern lieber von 'Gefahrenzonen'. Fügt aber hinzu, dass jeder von ihnen nach wie vor die 'No-Go-Areas' im Kopf hat.

Eine Karte mit No-Go-Areas braucht der Afrikarat übrigens nicht mehr zu veröffentlichen. Das hat der Verfassungsschutz schon getan, führt Kamara aus.

Nachtrag 08.06.06: Der Afrikarat distanziert sich jetzt von der Benennung von No-Go-Areas. Die "konstruktive" Zusammenarbeit mit öffentlichen Stellen scheint zur Beschönigung zu führen.

Nachtrag 18.06.06: Gefährlich ist es für Schwarze auch außerhalb der No-Go-Areas: Afrikanerin in Berlin überfallen.

Nachtrag 23.07.06: Es geht weiter wie gehabt.

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Nicht mehr gebraucht
Ayaan Hirsi Ali steht kurz vor dem Entzug der niederländischen Staatsbürgerschaft. Die "die Necla Kelek der Niederlanden", wie Ulrike Herrmann sie in ihrem taz-Kommentar: Frau der weißen Männer nennt (was inhaltlich richtig ist, aber da Hirsi Ali zuerst bekannt war eher andersrum passt) scheitert an der rigiden 'AusländerInnenpolitik' ihrer eigenen Partei. Wer bei seiner Einbürgerung 'gelogen' hat, dem kann die Staatsbürgerschaft entzogen werden (was in Deutschland auch immer mehr zum Grundsatz wird, obwohl eigentlich die deutsche Staatsbürgerschaft nicht entzogen werden darf). Hermann analysiert sehr treffend, warum Hirsi Ali jetzt die Unterstützung entzogen wird:

"Seit Jahren ist bekannt, dass Hirsi Ali bei ihrer Einbürgerung gelogen hat. Nur die Details blieben unklar. Dass die Empörung jetzt losbricht, sagt daher viel über die Stimmung in den Niederlanden: Ayaan Hirsi Ali wird als Kronzeugin gegen den Islam nicht mehr gebraucht. ...
Trotz ihrer Einbürgerung blieb Hirsi Ali für die meisten Niederländer eine Fremde, die nur akzeptiert wurde, weil sie nützlich war. Das ist nun vorbei, deswegen soll sie gehen."

Das zeigt, dass es sich für eine Schwarze nicht lohnt die islamophoben und rassistischen Diskurse der Weißen zu reproduzieren und zu stützen. Sie bleibt dabei Schwarz und die Diskurse können jederzeit gegen sie verwandt werden. Eine Hirsi Ali kann nie zu einer Weißen werden. Das sollte auch den 'Hirsi Alis Deutschlands' zu denken geben.

Selbst Jan Feddersen muss zugegeben:

"Dass Ayaan Hirsi Ali nun über jene Gesetze stolpert, denen sie als Abgeordnete der rechtsliberalen Partei VVD so krass den Wortlaut redete ..."

Aber weiterdenken von dieser Erkenntnis aus kann oder will er nicht. Er bleibt dabei sie als "Unbequeme", die Kritik an dem "grünalternativ-roten Mainstream" äußert, zu stilisieren. Er scheint Herrmanns Kommentar in seiner Zeitung nicht gelesen oder verstanden zu haben.

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