Samstag, 15. April 2006
Mehr zum 'Ehrenmord'
urmila, 02:18h
"Berlins Innensenator Ehrhart Körting verwies auf das Grundprinzip eines Rechtsstaats, wonach nur derjenige verurteilt werden kann, dessen Schuld zweifelsfrei nachgewiesen ist. Er legte der Familie der Ermordeten allerdings die Ausreise nahe."
steht auf tagesschau.de
Was hat Körting denn für eine Vorstellung des Rechtsstaats? Wenn doch keine Schuld zweifelsfrei nachgewiesen ist, warum fordert er - als Staatsvertreter - eine Ausreise?
Und das auch noch mit der Begründung: "Der Prozess habe gezeigt, dass die Familie nur scheinintegriert und mit ihren Wertvorstellungen noch nicht in der Bundesrepublik angekommen sei".
Ein klares Zeichen dafür, wie islamophob und rechtsstaatswidrig diese ganze Integrationsdebatte ist.
Nachtrag: Auch Peter Nowak findet auf telepolis in seinem Artikel "Im Zweifel für die Angeklagten":
"Das hindert diverse Politiker nicht, den Mord an der jungen Frau zur eigenen Profilierung zu nutzen und dabei auch rechtsstaatliche Grundsätze zumindest zu ignorieren."
Nachtrag 20.04.06: Unter dem Titel Die Entsorgung der Familie Sürücü kommentiert Heide Oestreich in der taz die Angriffe auf den Rechtsstaat.
Nachtrag 24.04.06: Jony Eisenbergs macht heute juristische Betrachtungen zum Thema Ehrenmorde.
steht auf tagesschau.de
Was hat Körting denn für eine Vorstellung des Rechtsstaats? Wenn doch keine Schuld zweifelsfrei nachgewiesen ist, warum fordert er - als Staatsvertreter - eine Ausreise?
Und das auch noch mit der Begründung: "Der Prozess habe gezeigt, dass die Familie nur scheinintegriert und mit ihren Wertvorstellungen noch nicht in der Bundesrepublik angekommen sei".
Ein klares Zeichen dafür, wie islamophob und rechtsstaatswidrig diese ganze Integrationsdebatte ist.
Nachtrag: Auch Peter Nowak findet auf telepolis in seinem Artikel "Im Zweifel für die Angeklagten":
"Das hindert diverse Politiker nicht, den Mord an der jungen Frau zur eigenen Profilierung zu nutzen und dabei auch rechtsstaatliche Grundsätze zumindest zu ignorieren."
Nachtrag 20.04.06: Unter dem Titel Die Entsorgung der Familie Sürücü kommentiert Heide Oestreich in der taz die Angriffe auf den Rechtsstaat.
Nachtrag 24.04.06: Jony Eisenbergs macht heute juristische Betrachtungen zum Thema Ehrenmorde.
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maz,
Samstag, 15. April 2006, 03:50
Keine Toleranz
Tatsache ist, dass eine junge türkische Frau, die ihren Weg gehen wollte, ihr Glück in ihre eigene Hand nehmen wollte, ermordet wurde. Ihr eigener Bruder hat sie getötet, weil Hatun Sürücü sich offensichtlich sexuell und sozial von jener bestialischen Unkultur emanzipiert hatte, in die sie hineingeboren wurde. Gerade diese Vernichtung eines Wesens, das genug Mut besaß, sich gegen die abscheulichen feudalen Strukturen ihres Stammes aufzulehnen, für eine, wie auch immer geartete, Anklage gegen "Islamaphoben" zu benutzen ist nicht redlich (ich drücke mich hier noch sehr moderat aus).
Es wurden in dieser unsäglichen Integrationsgeschichte von den Deutschen alle Fehler begangen, die man begehen kann - keine Frage. Dies berechtigt aber nicht, die Unmenschlichkeit dieser Vernichtung zu verharmlosen, in dem man sie in der Form kommentiert, wie Du es tust.
Solange wir die Idiotien unserer Kulturen verschweigen, nur um so wenig Angriffsfläche für die Ausländerhasser zu geben, solange werden wir den Kampf um die Gleichberechtigung nicht gewinnen.
Nein, ganz im Gegenteil, wir müssen offensiv gegen solche kranken Auswüchse in unseren Gesellschaften angehen, sie benennen, um uns moralisch von den Mentalitäten der Unterdrücker zu unterscheiden.
Wie lächerlich wäre doch eine Forderung nach einer egalitären Gesellschaft, wenn wir die schrecklichste Unterdrückung der Unsrigen mit bagatellisierenden Tendenzen begegneten.
Nein, es war hier ein Scheiß-Ehrenmord. Hatun Sürücü verwirkte ihr Leben von jenem Zeitpunkt an, als sie beschloss, ihr eigenes Glück in ihre eigene Hand zu nehmen. Was ist das für eine beschissene Kultur, die zulässt, dass junge hübsche Mädchen in voller Blüte ihres Lebens von ihren Brüdern abgeknallt werden, nur weil sie dreist genug sind, sich für ihre Freiheit zu entscheiden?
Nein, diese Morde, die euphemistisch (!) mit der Vorsilbe Ehre versehen werden, müssen mit aller Härte bekämpft werden. Dieser Minderheit, die das Stammesdenken nicht ablegen kann oder will, muss diese übelste Form des Sexismus ausgetrieben werden. Der archaischen Kultur inhärente Betrachtungsweise der Frauen als Ware muss bekämpft, öffentlich geohrfeigt werden.
Ich sah ein Bild des freigesprochenen älteren Bruders des verurteilten Schwesternmörders im Spon. Der Zeigefinger und der Mittelfinger seiner Hand formten ein "V". Er lächelte, weil er wohl gewonnen zu haben glaubte. Ich musste auf den Bildschirm spucken.
Es wurden in dieser unsäglichen Integrationsgeschichte von den Deutschen alle Fehler begangen, die man begehen kann - keine Frage. Dies berechtigt aber nicht, die Unmenschlichkeit dieser Vernichtung zu verharmlosen, in dem man sie in der Form kommentiert, wie Du es tust.
Solange wir die Idiotien unserer Kulturen verschweigen, nur um so wenig Angriffsfläche für die Ausländerhasser zu geben, solange werden wir den Kampf um die Gleichberechtigung nicht gewinnen.
Nein, ganz im Gegenteil, wir müssen offensiv gegen solche kranken Auswüchse in unseren Gesellschaften angehen, sie benennen, um uns moralisch von den Mentalitäten der Unterdrücker zu unterscheiden.
Wie lächerlich wäre doch eine Forderung nach einer egalitären Gesellschaft, wenn wir die schrecklichste Unterdrückung der Unsrigen mit bagatellisierenden Tendenzen begegneten.
Nein, es war hier ein Scheiß-Ehrenmord. Hatun Sürücü verwirkte ihr Leben von jenem Zeitpunkt an, als sie beschloss, ihr eigenes Glück in ihre eigene Hand zu nehmen. Was ist das für eine beschissene Kultur, die zulässt, dass junge hübsche Mädchen in voller Blüte ihres Lebens von ihren Brüdern abgeknallt werden, nur weil sie dreist genug sind, sich für ihre Freiheit zu entscheiden?
Nein, diese Morde, die euphemistisch (!) mit der Vorsilbe Ehre versehen werden, müssen mit aller Härte bekämpft werden. Dieser Minderheit, die das Stammesdenken nicht ablegen kann oder will, muss diese übelste Form des Sexismus ausgetrieben werden. Der archaischen Kultur inhärente Betrachtungsweise der Frauen als Ware muss bekämpft, öffentlich geohrfeigt werden.
Ich sah ein Bild des freigesprochenen älteren Bruders des verurteilten Schwesternmörders im Spon. Der Zeigefinger und der Mittelfinger seiner Hand formten ein "V". Er lächelte, weil er wohl gewonnen zu haben glaubte. Ich musste auf den Bildschirm spucken.
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graf mon,
Samstag, 15. April 2006, 14:17
Häh?
Also mal ganz abgesehen davon, dass ich nicht ganz nachvollziehen kann, wie eine Debatte (zumal diese) rechtsstaatswidrig sein soll, stört ein wenig dein Islambild. Deiner Meinung nach gehört es also zu den Kennzeichen des Islams, dass angeblich unehrenhafte Mädchen getötet werden? Oder wie ist deine Behauptung zu verstehen? Ist es nicht vielmehr so, dass es hier gegen menschenverachtende Gebräuche einer vormodernen, patriarchisch strukturierten Gesellschaft geht, was mit dem Islam als Religion erst einmal nicht so sehr viel zu tun hat?
Und ja, ich denke darüber muss man sehr wohl diskutieren.
Und ja, ich denke darüber muss man sehr wohl diskutieren.
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katunia,
Samstag, 15. April 2006, 17:03
ich lese diesen eintrag so:
und berichtigt mich, wenn ich eine lese-und verständnisschwäche haben sollte.
diese eintrag ist eine auseinandersetzung mit zwei aussagen von körting. 1. meint urmila, dass es eine seltsame vorstellung von rechtsstaat ist, wenn nicht-verurteilet "ausländer" dau aufgefordert werden deutschland zu verlassen. 2. meint sie, dass die intergrationsdebatte fragwürdig ist, wenn sich menschen eigentlich nicht integrieren können/dürfen/sollen, da sie immer als nicht oder schein-integriert angesehen werden.
die autorin sagt nicht ihre meinung über sogenannte ehrenmorde und lehnt auch keine diskusion darüber ab. genau genommen sagt sie gar nichts zu dem fall... sie sagt etwas über diskurse - und zwar jene des herrn körting.
ich staue immer wieder wie menschen in blogs oberflächlich lesen und dann oftmals beleidgend ihren senf ablassen...
diese eintrag ist eine auseinandersetzung mit zwei aussagen von körting. 1. meint urmila, dass es eine seltsame vorstellung von rechtsstaat ist, wenn nicht-verurteilet "ausländer" dau aufgefordert werden deutschland zu verlassen. 2. meint sie, dass die intergrationsdebatte fragwürdig ist, wenn sich menschen eigentlich nicht integrieren können/dürfen/sollen, da sie immer als nicht oder schein-integriert angesehen werden.
die autorin sagt nicht ihre meinung über sogenannte ehrenmorde und lehnt auch keine diskusion darüber ab. genau genommen sagt sie gar nichts zu dem fall... sie sagt etwas über diskurse - und zwar jene des herrn körting.
ich staue immer wieder wie menschen in blogs oberflächlich lesen und dann oftmals beleidgend ihren senf ablassen...
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wuerg,
Samstag, 15. April 2006, 17:10
Einmal davon abgesehen, daß die Islomophobie-Keule mir auf die Nerven geht, bin ich auch der Meinung, daß ehrenmordende Sippen nicht ausgewiesen werden sollten in ein Land, da sie ihr nach meinen Vorstellungen wenig islamophiles Tun ungestraft fortführen können.
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urmila,
Samstag, 15. April 2006, 17:50
Es geht mir hier
um die Diskurse rund um den Prozess. Und als einer Anhängerin des demokratischen Rechtsstaates geht es mir um eben jenen.
Dass ich 'Ehrenmorde' verurteile ist keine Frage. Warum Männer ihre 'Ehre' an Frauen festmachen und daraus dann das Recht ableiten zu strafen, ist mir schleierhaft. Diese patriarchalen, sexistischen und heteronormativen Werte gehört es zu bekämpfen. Egal mit welcher Religion oder 'Kultur' sie gerechtfertigt werden.
Aber darum geht es mir hier nicht. Ich habe mir nicht alle Akten zum Mord an Harun Sürücü durchgelesen. Ich weiss nur, dass das Gericht nicht genug Beweise hatte, um die beiden älteren Brüder zu verurteilen. Andere Familienmitglieder standen nicht vor Gericht. Nach dem Prinzip unserer Rechtsstaates haben sie daher als unschuldig zu gelten.
Mich stört es, dass die Medien und viele PolitikerInnen unabhängig von den Details des Einzelfalls sofort mit dem Etikett 'Ehrenmord' kommen und dass sie daraufhin 'Sippenhaft' fordern.
Was mich auch stört ist, dass jetzt lauter Männer, die sonst kein Problem damit haben, dass permanent Rechte von Frauen eingeschränkt und verletzt werden, so aufschreien. Dass Weiße Männer Schwarze Frauen vor Schwarzen Männern retten wollen, ist ein typisches Element von Rassismus und kolonialem patriarchalen Verhalten (siehe Eggers et al 2005, Mythen, Masken und Subjekte).
Dass ich 'Ehrenmorde' verurteile ist keine Frage. Warum Männer ihre 'Ehre' an Frauen festmachen und daraus dann das Recht ableiten zu strafen, ist mir schleierhaft. Diese patriarchalen, sexistischen und heteronormativen Werte gehört es zu bekämpfen. Egal mit welcher Religion oder 'Kultur' sie gerechtfertigt werden.
Aber darum geht es mir hier nicht. Ich habe mir nicht alle Akten zum Mord an Harun Sürücü durchgelesen. Ich weiss nur, dass das Gericht nicht genug Beweise hatte, um die beiden älteren Brüder zu verurteilen. Andere Familienmitglieder standen nicht vor Gericht. Nach dem Prinzip unserer Rechtsstaates haben sie daher als unschuldig zu gelten.
Mich stört es, dass die Medien und viele PolitikerInnen unabhängig von den Details des Einzelfalls sofort mit dem Etikett 'Ehrenmord' kommen und dass sie daraufhin 'Sippenhaft' fordern.
Was mich auch stört ist, dass jetzt lauter Männer, die sonst kein Problem damit haben, dass permanent Rechte von Frauen eingeschränkt und verletzt werden, so aufschreien. Dass Weiße Männer Schwarze Frauen vor Schwarzen Männern retten wollen, ist ein typisches Element von Rassismus und kolonialem patriarchalen Verhalten (siehe Eggers et al 2005, Mythen, Masken und Subjekte).
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maz,
Samstag, 15. April 2006, 18:29
Kleinen Morden unter Familienmitgliedern vergibt der liebe Gott schnell
Nana, Du machst es Dir viel zu einfach. Die Wirklichkeit ist so, dass es Morde im Namen der "Ehre" (was immer das auch sein mag) verübt werden und zwar durchwegs von Männern (in der Regel von Familienmitgliedern) an Frauen (die sich in irgendeiner Form sexuell auffällig gezeigt haben - es ist tragisch, dass sogar Frauen, die von Männern vergewaltigt wurden, in diesen archaisch-feudal geprägten Gesellschaften wiederum von ihren Ehemännern, Vätern, Brüdern im Namen dieser beschissenen Ehre getötet werden müssen, damit die Familie der geschändeten Frau nicht in "Schande" lebt) in Ländern dieser Erde, die wir kulturell als rückständig bezeichnen müssen, solange sie Strukturen fördern, die dazu dienen, solch abscheuliche (sexistische) Verbrechen aufrecht zu erhalten.
Ich bin Türke. Ich habe selbst eine jüngere Schwester. Ich stamme aus Südostanatolien und kenne die Sitten und Bräuche sehr genau.
Hatun Sürücü wurde, wie viele ihrer Leidensgenossinen in der gleichen Lage, ermordet, weil sie sich dafür entschieden hat, über ihr Schicksal selbst zu bestimmen. Dieses verfluchte Gesetz der sogenannten Ehre wird sogar von dem türkischen Staat, der sich sonst nicht unbedingt durch besondere Förderung der Menschenrechte auszeichnet, nicht toleriert (über die Beweggründe kann man sich streiten, doch das ist nicht der Punkt). Mich stört in diesem Urteil, dass man in diesem Lande seine Schwester wohl ziemlich leicht ermorden darf, solange man dies für ein Ideal, so krude dies auch sein mag, tut.
Deine schwarze-Frauen-als-soziale-Trophäe-der-weißen Männer-Kritik greift nicht, da die Abscheulichkeit dieses Mordes einfach in keinem Verhältnis zu der Strafe steht, die der Mörder erhielt. Abgesehen davon, kenne ich nur türkische Frauen, die durch das Urteil sich gedemütigt, deklassiert fühlen, weil sie sich überlegen, ob deutsche Richter nicht gerechteres Urteil gefällt hätten, wenn das Opfer eine "echte" Europäerin gewesen wäre.
Ich bin Türke. Ich habe selbst eine jüngere Schwester. Ich stamme aus Südostanatolien und kenne die Sitten und Bräuche sehr genau.
Hatun Sürücü wurde, wie viele ihrer Leidensgenossinen in der gleichen Lage, ermordet, weil sie sich dafür entschieden hat, über ihr Schicksal selbst zu bestimmen. Dieses verfluchte Gesetz der sogenannten Ehre wird sogar von dem türkischen Staat, der sich sonst nicht unbedingt durch besondere Förderung der Menschenrechte auszeichnet, nicht toleriert (über die Beweggründe kann man sich streiten, doch das ist nicht der Punkt). Mich stört in diesem Urteil, dass man in diesem Lande seine Schwester wohl ziemlich leicht ermorden darf, solange man dies für ein Ideal, so krude dies auch sein mag, tut.
Deine schwarze-Frauen-als-soziale-Trophäe-der-weißen Männer-Kritik greift nicht, da die Abscheulichkeit dieses Mordes einfach in keinem Verhältnis zu der Strafe steht, die der Mörder erhielt. Abgesehen davon, kenne ich nur türkische Frauen, die durch das Urteil sich gedemütigt, deklassiert fühlen, weil sie sich überlegen, ob deutsche Richter nicht gerechteres Urteil gefällt hätten, wenn das Opfer eine "echte" Europäerin gewesen wäre.
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