Montag, 5. Dezember 2022
Umgang mit dem Hindu-Nationalismus
Fahne der BJP am Straßenrand


Seit dem ich in den 1990er bei Hermann Kulke in Kiel Vorlesungen zu indischer Geschichte gehört habe, beschäftige ich mit dem Hindu-Nationalismus (zum Wikipedia-Artikel und hier das Buch von Christophe Jaffrelot mit dem ich mehr darüber gelernt habe). Abgesehen davon, dass mich rechte, gewalttätige Politiken sowieso abstossen, hat mich der Hindu-Nationalismus besonders betroffen, da ich 1992 in Indien war, als die Babri-Moschee in Ayodhya von Hindu-Nationalist_innen abgerissen wurde und es im ganzen Land zu Pogromen gegen Muslim_innen kam (hier die Wikipedia-Version).

Nun ist seit 2014 Narendra Modi, der 2002 [Korrektur: Hier stand ein falsches Jahr.] bei den Pogromen gegen Muslim_innen in Gujarat eine wichtige Rolle spielte, für die BJP Premierminister Indiens. Die Macht nutzt die BJP, um Schulcurricula zu hinduisieren, die Presse zu zensieren, die Universitäten zu hinduisieren, etc. Freund_innen, die in den letzten Jahren nach Indien gereist sind, haben mir erzählt, wie sie von der allgemeinen Begeisterung für die BJP schockiert waren.

Das war einer von diversen Gründen, warum ich mir nicht so sicher war, ob ich denn überhaupt ein halbes Jahr in Indien leben will. Inzwischen bin ich sehr froh, hier zu sein. Aber nicht weil die BJP besser ist, als gedacht. In Gesprächen mit Kolleg_innen wird deutlich, wie schlimm es hier ist, wie der Hindu-Nationalismus alles durchdringt und wie sie Angst davor haben, dass bei den Wahlen 2024 die BJP wieder siegreich hervorgeht. Das, meinen sie, wäre das Ende des säkularen Staates Indien, dem es zur Zeit schon schlecht geht. Ich spüre da eine große Angst vor dem Ende dieser großen Demokratie und der Gewalt gegen Mindherheiten und Andersdenkende, die davon ausgeht.

Derweil grinst mich Modi ständig von irgendwelchen Plakaten an. Es ist Wahnsinn, wie präsent er im Alltag ist. Ein ziemlicher Personenkult scheint da zu erfolgen. Und bei einem akademischen Vortrag musste ich ein Grußwort, das zumindest gefühlt länger war als der Vortrag selbst, einer BJP-Ministerin anhören. Sie erzählte, wie toll sich Modiji (und sie) für Nachhaltigkeit einsetzt und wie überhaupt Indien da führend ist. Während die Luft draussen nicht zum Atmen geeignet war.

Der deutsche Botschafter, der danach sprach, übte kein Wort der Kritik, sondern sprach von den Gemeinsamkeiten zwischen Indien und Deutschland. Und die deutsche Bundesaussenministerin sprach heute von einer Wertepartnerschaft mit Indien. Ich hoffe doch sehr, dass nicht. Die Werte der indischen Regierung sollte unsere auf keinen Fall teilen. Und ich verstehe schon, dass Diplomatie bedeutet, dass eine Gesprächsebene aufrecht erhalten werden muss. Aber das darf nicht heissen, dass keine Kritik an der menschenverachtenden Politik dieser Regierung formuliert wird.

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