Freitag, 19. Mai 2006
Weiße schützen
"Allgemeinurteile sind nicht sinnvoll. So richtig es ist, darauf hinzuweisen, dass es in Ostdeutschland, auch in Brandenburg, deutlich mehr rechtsextremistische Leute und Gewalttaten gibt, so wenig sinnvoll ist es, No-go-Areas zu benennen.", sagt Wolfgang Thierse in einem taz-Interview. Er distanziert sich klar von Heyes Aussage und positioniert sich selber als engagierten Kämpfer gegen Rechtsextremisten. Von No-Go-Areas will er nicht reden, weil:

"Erstens: Wenn man zu so etwas auffordert, bestätigt man die Rechten und bescheinigt ihnen öffentlich, sie hätten ihr Ziel erreicht. Ich halte das für verheerend. Zweitens: Man demotiviert alle, die sich gegen Rechtsextreme wehren. Das halte ich für falsch."

Also: Weil er Rechtsextremen nicht das Gefühl geben will, dass sie erfolgreich 'Andere' konstruieren und terrorisieren, dürfen diese 'Andere' nicht davor gewarnt werden. Sie sollen lieber ohne Vorwarnung in Gefahr geraten. Ausserdem werden die aufrechten KämpferInnen gegen Rechtsextreme demotiviert, wenn sich Schwarze nicht in Gefahr begeben. Für wenn interessiert sich Thierse eigentlich? Nur für die Weißen? Ist es ihm völlig egal, ob sich eine Schwarze wegen fehlender Warnungen in Gefahr begibt?

Den Schwarzen attestiert er zwar:"Das ist eine verständliche Artikulation von Angst." Aber mehr scheint es dann auch nicht zu sein. Sie sollen weiter dafür sorgen, dass es keine 'national befreiten Zonen' gibt. Sie sollen ihre Gesundheit und Leben riskieren, damit die Rechten nicht erfolgreich sind und die Weißen nicht demotiviert. Und sowieso ist es nur ein Problem von ein paar Spinnern und nicht von einer rassistisch strukturierten Gesellschaft:

"Wir wollen gute Gastgeber sein. Wenn dann rechtsextremistische Idioten die Gastfreundschaft verderben, ist das sehr wohl ein Anlass, sich öffentlich aufzuregen."

Nachtrag 21.05.06: Es ist doch schon sehr interessant, wer sich so gegen und hinter Heye stellt. Mir scheint es so, dass Weiße No-Go-Areas ignorieren wollen, während Schwarze das schlicht nicht können. Folgerichtig warnt zum Beispiel auch der 'Lonely Planet' vor ihnen. Wer sich trotzdem in diese Gegenden traut, dem kann es so gehen wie dem Politiker Giyasettin Sayan. Ignorieren hilft da nicht weiter. Es muss was gemacht werden, damit sich auch Schwarze in Deutschland frei bewegen können.

Nachtrag 22.05.06:: Mehr zu den Gefahren in den No-Go-Areas in der taz: "Nun, vielleicht hätte der PDS-Politiker diesen Teil von Lichtenberg nicht mehr betreten sollen. Der Weitlingkiez ist bekannt dafür, dass man als nichtdeutsch Aussehender dort nicht hingeht. Zumindest nicht um diese Uhrzeit. Das Problem: Sayan wohnt in Lichtenberg. "Der Türkischstämmige ist vor Jahren bewusst in diesen Teil Ostberlins gezogen", sagt Parteifreundin und Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linkspartei.PDS). Er wollte ein Zeichen setzen."

Und mehr zu diesem Berliner Kiez: "Seit der Wende gilt der Kiez als Hochburg von Rechtsextremisten. Während sich die Polizei im angrenzenden Friedrichshain Anfang der 90er-Jahre überwiegend mit linken Hausbesetzern heftige Straßenschlachten lieferte, konnten Neonazis von der Öffentlichkeit fast unbemerkt leer stehende Häuser in der Weitlingstraße beziehen. Diese rechte Struktur gibt es auch heute noch. Angehörige der inzwischen verbotenen Berliner Kameradschaft "Tor" wohnen hier, es gibt eine Szenekneipe und einen Laden für rechte Hooligans. Von "No-go-Area" oder gar "Nationalbefreiter Zone", wie es die Neonazis selbst bezeichnen, wollte ein Polizeisprecher gestern nicht sprechen. Es handele sich bloß "um eine bevorzugte Gegend von Neonazis". Richtig sei, "dass sich die Rechten im Weitlingkiez wohl fühlen". Deswegen habe die Polizei "ein besonderes Augenmerk auf diese Gegend". Erst vor vier Wochen hatten Neonazis einen vietnamesischen Blumenhändler angegriffen und seinen Laden zerstört. "Heil Hitler, das macht man so in Lichtenberg", hatten sie gebrüllt."

Da ist der Staat wohl mal wieder auf dem rechten Auge blind, was unser Inneminister auch gleich wieder bestätigt: "Doch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble bleibt dabei: Jeder könne sich sicher fühlen, "egal, wo in Deutschland er sich aufhält", sagte Schäuble."

Ach ja, es gibt natürlich auch wieder stimmen, die von einem fingierten Überfall sprechen. Sayan soll politische Interessen an den Schlagzeilen gehabt haben. Was natürlich mies wäre, würde er sich selber solche Verletzungen zugefügt haben. Aber selbst dann ändert das nichts an dem Problem wie es David Berich in einem taz-Interview benennt: "Vorfälle wie diese gibt es in den neuen Bundesländern fast jeden Tag."

Auch Felix Lee meint in der taz berlin die Opferperspektive fehlt völlig.

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