Donnerstag, 23. Januar 2014
Berlinale Bär
Letzes Jahr hat Nazif Mujic für seine Rolle in "Epizoda u zivotu beraca zeljeza" den Silbernen Bären für den besten Schauspieler bekommen. Ich habe den Film gesehen und war von ihm filmisch wenig überzeugt. Eine bedrückende Geschichte über das Leben von Roma in Bosnien. Aber die Idee, dass die Menschen, die das Leid selbst erfahren haben, ihre Geschichte in einem Spielfilm spielen, hat für mich nicht wirklich funktioniert. Das war kein richtiger Spielfilm und auch kein Dokumentarfilm (es fehlte eine erzählerische Idee). Die Schauspieler waren keine Schauspieler, aber auch nicht sie selbst. Warum Mujic dafür den silbernen Bären bekommen hat, ist mir nicht klar geworden. Ich hatte aber die Hoffnung, dass er ihm zumindest helfen würde.

Ein Bericht der taz macht jetzt aber klar, dass das nicht der Fall war, sondern im Gegenteil. Als Preis bekam Mujic nur den Bär aber kein Geld. Als Gage bekammen er und seine Frau insgesamt 1000 Euro. Nach dem Preisgewinn glauben aber alle, dass sie jetzt genug Geld hätten und so haben sie jetzt keine Einkommensmöglichkeit mehr und kommen weiterhin nicht an medizinische Versorgung (das war das Thema des Filmes). Zurzeit lebt die Familie in einem Flüchtlingsheim in Berlin-Gatow, ihr Asyantrag wurde aber abgelehnt, Anfang März müssen sie Deutschland verlassen. Mujic sagt der taz:

„Wir wollen den Teddybären zurückgeben, wenn wir dafür hierbleiben und arbeiten dürfen.“

Schön, dass der Film ausgezeichnet wurd und sich danach niemand mehr um die Familie kümmert.

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Montag, 20. Januar 2014
Optionszwang aufheben
Laut Koalitionsvertrag soll die Optionspflicht für in Deutschland aufgewachsene Kinder von ausländischen Staatsbürger_innen abgeschafft werden. Laut taz hat Hamburg bereits den Optionszwang aufgehoben. Die Grünen haben letzte Woche einen Gesetzentwurf eingebracht, der die anderen Bundesländer dazu bringen soll, dem Beispiel zu folgen.

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Sonntag, 19. Januar 2014
Rassismus in Delhi
Auf suedasien.info habe ich (aus aktuellem Anlass) über alltäglichen Rassismus gegen Menschen, die Afrika zugeschrieben werden, in Delhi geschrieben:



Rassisistische Äußerungen und Handlungen von Delhis AAP Justizminister Somnath Bharti (siehe dazu eine Analyse von Adity Nigam auf kafila.org) scheinen gerade zu einer öffentlichen Diskussion über rassistische Ausgrenzungen gegen Menschen, die als Afrikaner_innen betrachtet werden, in Indien zu führen. Die Hindustan Times hat verschiedene Artikel dazu veröffenlicht: einmal zum Vorfall mit dem Minister in Khirki Village, über Beschwerden die von Ugander_innen eingereicht wurden und über alttägliche rassistische Ausgrenzung auf Delhis Strassen.

Aktivist_innen haben für heute zu einem Sit-in against racial violence am Jantar Mantar eingeladen.


Nachtrag 21.01.14: Rassismus ist nicht nur ein Machtinstrument von weißen Menschen argumentiert ein Beitrag auf kafila.org.

Nachtrag 03.02.14: Sibi Arasu beschreibt Rassismus in Indien.

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Donnerstag, 16. Januar 2014
Schulinhalte manipulieren
Als die hindunationalistische BJP bis 2004 die Regierung in Indien stellte, schrieb sie die Schulbücher für Geschichte um (der Guardian) berichtete 2004 darüber, dass die Nachfolgeregierung das wieder rückgängig machen wollte). Ähnliches passiert wie die taz berichtet gerade in Japan:

"Zu sehr würden die Gräueltaten der japanischen Armee im Zweiten Weltkrieg in den Vordergrund und in internationalen Konflikten die japanische Sichtweise zu wenig ins Zentrum gerückt, zitierte die Tageszeitung Asahi Bildungsminister Hakubun Shimomura im November. Auf Basis solcher Bücher könne die japanische Jugend nicht lernen, ihr Land zu lieben."

Und in Baden-Württemberg versuchen rechte und fundamentlistische Kräfte zu verhindern, dass über im Schulunterricht auch nicht-heteronormative Lebensformen vorkommen (siehe z.B. die Süddeutsche).

Schule ist ein wichtiger Ort, um Geschichte und Werte zu fest zu schreiben - und deswegen ein Ort von Auseinandersetzungen.

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Neu - oder keine Ahnung?
Wenn mensch zum ersten mal auf eine Idee kommt, zum ersten mal auf eine bestimmte Theorie stösst, etwas selber schreibt, dann besteht die Gefahr, dass mensch meint, nicht nur für si_er ist das neu, sondern es ist überhaupt ganz neu, ganz furchtbar innovativ und mensch ist die_der Erste, die_der diese grandiose Idee hatte. (Ich gehöre bzw. hoffe gehörte zu diesen Menschen.) Dann werden die eigenen Erkenntnisse, das eigene Geschriebene als was völlig Neues in die Welt posaunt.

Wenn mensch sich dann aber weiter mit der Idee, den Theorien und Geschriebenen auseinandersetzt (recherchiert), dann wird mensch wahrscheinlich feststellen, so furchtbar neu ist das gar nicht. Das haben einige schon vorher gedacht und vielleicht auch schon viel komplexer. Es gibt eine Geschichte zu dem Denken und von diesem kann mensch lernen. (Aber nur wenn mensch nicht zu sehr mit der eigenen Grandiosität beschäftigt ist, tatsächlich recherchiert und bereit ist zuzugeben, dass da andere schon vorher drüber nachgedacht haben.)

Migration, zum Beispiel, ist ja kein besonders neues Phänomen. Die gab es schon immer und da wurde auch schon immer drüber nachgedacht. Darauf sollten Migrationsforschende und -schreibende aufbauen und die eigene Singularität kritisch in Frage stellen.

Denken und Veröffentlichen darf mensch natürlich auch, wenn es nicht gänzlich neu ist. Es gibt ja auch noch andere Menschen für die ihr_sein Denken neu ist. Oder es ist eine interessante Ergänzung zu dem, was schon da ist. (In dem Sinne ist wohl auch dieser Blog zu lesen, besonders neu sind die Gedanken hier nicht, aber sie zeigen meine Auseinandersetzung mit einem Thema und für manche Lesende mögen es auch neue Gedanken sein.)

Aktueller Anlass für diesen Blogbeitrag ist das Label "Neue Deutsche", bei dem mir nicht so klar wird, was genau neu ist. Aber das ist nur der aktuelle Anlass, begegnet sind mir geschichtslose Konzepte schon öfter (und wie gesagt, auch bei mir selbst).

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Donnerstag, 16. Januar 2014
Kopftuch
Das muslimische Kopftuch hat interessante Auswirkungen in Deutschland. Es scheint Menschen zu signalisieren, frag mich, was Du willst. Alle Fragen, die Du jemals zum Islam loswerden wolltest, stell sie. Auch wenn es keine Fragen sein sollten, sondern eigentlich Statements.

Die junge Mitarbeiterin des Veranstalters heute abend hat da Klasse darauf reagiert. Als der Typ auf sie zukam und sich alle Rechte des Fragens und Zuschreibens rausnahm, war ich völlig geschockt. Sie aber schien das gut zu kennen. Sie bezog sich ganz auf ihre offizielle Funktion, liess alles Persönliche abperlen und verwies auf das weitere Veranstaltungsprogramm, worin der Fragende sicher auch Veranstaltungen zum Islam finden würde. Damit hat sie ihn tatsächlich zum Verstummen gebracht. Beeindruckend!

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Freitag, 10. Januar 2014
Rassismsus gobal
Rasistische Ausgrenzung ist ein Phänomen, dass sich um die ganze Welt zieht. Aus den letzten drei Tagen taz nur ein paar wenige Beispiele:

Nicht nur die CSU sondern auch in Großbritannien wird Angst vor der Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien geschürt. Besonders aktiv ist dabei insbesondere die rechtspopulistische Ukip. Die Tories bedienen allerdings die gleichen Bilder, um rechte Wähler abzuholen (und sicher auch aus ideologischer Überzeugung), wie die taz berichtet:

"Bei den Tories geht deshalb die Angst um. Vor den Europawahlen im Mai sind sie zerstrittener denn je in der Frage, wie man mit der Ukip umgehen solle. Cameron, der die Ukip einmal als „Ansammlung von Trotteln, Verrückten und verkappten Rassisten“ bezeichnet hat, will die EU-Regelungen über Migration reformieren. Er will, dass das freie Niederlassungsrecht nur für Menschen aus Ländern gilt, deren Bruttoinlandsprodukt dem EU-Durchschnitt entspricht."

Die Reichsten der Festung Europa wollen auch innerhalb der EU Festungen aufbauen. Den Rändern der EU wird derweil die Aufgabe zugewiesen, Migration von außen abzuhalten. Je stärker die Festung Europa, um so mehr suchen sich Migrant_innen andere Ziele. Eines davon ist Israel, sowohl für Flüchtlinge wie Arbeitsmigrant_innen. Israel aber will die Flüchtlinge genauso wenig wie die EU und kaserniert sie in der Wüste. Dagegen protestieren Flüchtlinge wie u.a. die taz berichtet. Aber wie die EU scheint sich Israel wenig für Menschenrechte zu interessieren, es geht ihnen nur um Abschottung wie die taz schreibt:

"Igal Palmor, Sprecher des Außenamts in Jerusalem, nannte die Situation „komplex“. Israel sei der einzige entwickelte Staat mit einer Landgrenze nach Afrika und sei deshalb relativ leicht zu erreichen. Aufgrund politischer Instabilität in den Nachbarländern sei es zudem „praktisch unmöglich, eine regionalkooperierende Lösung mit den Herkunfts- und Transitländern“ zu erreichen. "

Ein anderes Zentrum für Migration ist Russland, wohin viele Arbeitsmigrant_innen aus dem Kaukasus und Zentralasien kommen. Wie die taz berichtet müssen sie dabei immer rassistische Gewalt befürchten und dienen dabei wirtschaftlichen Interessen:

"Der kirgisische Politologe Mars Sarijew macht eine fehlende Integrationspolitik in Russland für die Exzesse verantwortlich: Die russische Bauwirtschaft und der Handel fußten auf der Ausbeutung der entrechteten Gastarbeiter. Diese suchten in der organisierten Kriminalität Schutz vor Übergriffen - eine Verbindung, die die russische Bevölkerung empöre."

Die Komplexität von Rassismus zeigt sich rund um den französischen Komiker Dieudonne, der sich antisemitisch produziert (wie die taz) berichtet und dabei wohl gerade auch unter marginalisierten Jugendlichen Zustimmung findet. Ausgrenzung durch einen Rassismus (hier koloniale Rassismen) bedeutet nicht, dass mensch vor Reproduktionen eines anderen Rassismus (Antisemitismus) gefeit ist.

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Donnerstag, 9. Januar 2014
Wer betrügt, der fliegt
Ein einprägsamer Slogan.

Auch wenn er eigentlich nicht viel aussagt. Zu uneindeutig ist er. Was genau bedeutet betrügen? Steuern hinterziehen? Wahlversprechen brechen? Soziale Leistungen beziehen, obwohl mensch zu viel verdient? Wer bestimmt, was Betrug heisst? Und was bedeutet "fliegen"? Bedeutet das, dass nur die betrügende Person sich den Luxus von Flugreisen leisten kann? Ist es eine Belohnung?

Da der Slogan von der CSU kommt, ist natürlich klar, was er bedeutet. Konkret ist er rassistisch und spezifisch antiziganistisch. Als Betrug wird definiert, dass ein Mensch ihrer Meinung nach nicht nach Deutschland gehört und trotzdem hier ist. Deshalb sind auch all die Argumente egal, dass es gar keine Nachweise von erheblichen unberechtigten Bezug von Sozialleistungen gibt. Fliegen steht für rassistische Ausgrenzung (Abschiebung, Beschimpfung, etc.).

Der Betrug, dass die CSU da falsche Aussagen über Menschen aufstellt (Sozialbetrug, etc.), hingegen ist ein Betrug, für den die CSU belohnt werden will durch hohe Stimmenzahl. So wie sich auch für andere Formen des Betrugs einsetzt bzw. sie für angemessen hält (Steuerbetrug, Brechen von Wahlversprechen, Verharmlosung von Verkehrsdelikten, etc.).

Zu befürchten ist, dass dieser Betrug tatsächlich der CSU zum Fliegen verhilft.

Nachtrag: Das Migazin hat auf seiner Facebookseite ein schönes Bild zum Thema:

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