Samstag, 1. September 2012
Antisemitische Gewalt
„Jeder Jude ist potenziell gefährdet, Opfer eines antisemitischen Angriffs zu werden, wenn er sein Judentum so lebt, dass es andere mitbekommen“ zitiert die taz berlin den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Berlin und beschreibt damit die alltägliche Gefahr des Antisemitismus in Deutschland.

Als vor ein paar Jahren Bekannte von uns den jüdischen Nachnamen der Ehefrau zum Familiennamen machten, da waren ihre Verwandten besorgt. Sie fürchteten, dass dieser Name zu Ausgrenzungen und Gewalt führen könne. Jüdisch-Sein (in all seinen unterschiedlichen Ausprägungen) ist in Deutschland immer noch mit Gefährdung verbunden.

Die alltäglichen Antisemitismuserfahrungen werden dabei kaum öffentlich wahrgenommen. Diese Woche aber wurde der Rabbiner Daniel Alter in Berlin krankenhausreif geschlagen. Glücklicherweise bekommt er viele Solidaritätsbekundungen (siehe taz) und Antisemitismus wird öffentlich diskutiert.

Dabei besteht aber die Gefahr im Kampf gegen Antisemitismus antimuslimischen Rassismus zu reproduzieren. Daniel Alter selbst warnt davor, wie die taz berichtet:

"„Das waren nicht 'die Araber', sondern ganz bestimmte Jugendliche“, betont der 53-jährige Rabbiner und warnt vor Pauschalisierungen."

Und auch Sergy Lagodinsky, Vorsitzender des Kulturausschusses der Jüdischen Gemeinde Berlin, warnt laut taz berlin

"vor dem Reflex, Antisemitismus als exklusives Problem der muslimischen Bevölkerung anzusehen. In Gegenden mit einem hohen Neonazianteil seien Juden mindestens genauso gefährdet. Er trage selbst keine Kippa und sei auch kein frommer Mensch, so Lagodinsky. Dennoch müsse auch er damit rechnen, angefeindet zu werden. „Wir erfahren ständig Hass.“ Der komme auch in der Mitte der Gesellschaft und in linken Kreisen vor."

Antisemitismus ist ein Problem in Deutschland, in sehr vielen Bevölkerungsgruppen (sicher auch unter Menschen, die muslimisch sind). Dem muss begegnet werden. Aber nicht mit rassistischen Reflexen. Und auch nicht indem Jüd_innen und Israel, Antisemitismus und Kritik an bestimmten politischen Entwicklungen in Israel gleichgesetzt werden (siehe Artikel von Judith Butler zur Kritik den Zentralrats der Juden an ihrer Person).

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Freitag, 31. August 2012
Neu-Neuköllner
Die taz berlin interviewt die Bezirksstadträtin Franziska Giffey über eine Gruppe von Neu-Neuköllner_innen - über Roma, die aus Osteuropa zuwandern. Das Interview hat mich positiv überrascht:

"Aber erstens muss ich doch die Fakten akzeptieren: Roma sind EU-Bürger, sie genießen bald die volle Freizügigkeit. Es ist überhaupt keine Option, sie zurückzuschicken. Stattdessen halte ich es für besser, nicht die Fehler zu wiederholen, die wir bei früheren Einwanderern gemacht haben, und ihnen gleich gute Eingliederungshilfen zu bieten. Statt in 20 Jahren teuer dafür zu bezahlen, dass wir das nicht getan haben. Zum zweiten hat Deutschland auch eine besondere historische Verantwortung dieser europäischen Bevölkerungsgruppe gegenüber. Das verpflichtet uns zu humanistischem Handeln. "

Beim Vergleich zwischen den den neuen Zuwander_innengruppen in Neukölln den Spanier_innen und Griech_innen auf der einen und den Roma auf der anderen Seite wird klar, dass alle (auch) wirtschaftliche Gründe haben, weshalb sie kommen, und dass sie Deutsch erst lernen müssen. Das sind also nicht die Unterschiede. Die liegen hingegen darin, dass die Menschen aus neueren EU-Ländern nur eingeschränkte Freizügigkeitsrechte haben, dass Roma auch schon in ihrem Herkunftsland ausgegrenzt wurden und dort weniger Rechte hatten und dass sie nicht privilegierte Singles sind, die mal was Neues ausprobieren können.

Marginalisierung, fehlende Arbeitsplätze und fehlende Unterstüzung können tragische Folgen haben wie in Saarbrücken, wo einer Roma-Familie der Strom abgestellt worden war, weil sie die Rechnungen nicht bezahlt hatten, und bei einem durch Kerzen verursachten Wohnungsbrand vier Kinder starben (siehe taz). Das hätte möglicherweise durch mehr Unterstützung vorher vermieden werden können.

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Vermisst
Auch die taz berichtet über die Plakataktion 'Vermisst' zur Ausgrenzung von Muslimen. Die taz-Autoren berichten von der Vorstellung der Plakate im Innenministerium:

"Mehrmals betonten die Ministerialbeamten, wie sehr sie sich freuten, bei der Aktion auch die islamischen Verbände im Boot zu haben. „Uns ist wichtig, dass wir das mit und nicht gegen die Muslime machen“, sagte Kaller. "

Da haben sie allerdings wohl versäumt nachzuschauen, ob die Verbände wirklich im Boot sind:

"In einer gemeinsamen Erklärung teilten der Verband der Islamischen Kulturzentren VIKZ, der Zentralrat der Muslime in Deutschland, der Verband Ditib und die Islamische Gemeinschaft der Bosniaken mit, sie hätten die Kampagne bereits im Anfangsstadium stark kritisiert.

Die Einwände seien aber nicht aufgegriffen worden, die endgültigen Plakate habe man bis zur Veröffentlichung nicht gesehen. Unter diesen Umständen ergebe die „Sicherheitspartnerschaft“ mit dem Innenministerium keinen Sinn mehr. "


Was meinen die vom Innenministerium wohl damit, dass die Verbände im Boot waren?

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Mittwoch, 29. August 2012
Innenminister nicht integrationsswillig
tagesschau.de berichtet:

"Aus Protest gegen eine Plakataktion des Innenministeriums gegen die islamistische Radikalisierung Jugendlicher haben vier islamische Verbände ihre Mitarbeit in der gemeinsamen "Initiative Sicherheitspartnerschaft" auf Eis gelegt. Zugleich forderten die Verbände das Ministerium in einer Erklärung auf, die sogenannte "Vermisst"-Plakataktion zu stoppen. Stattdessen solle sich das Innenministerium "auf geeignete Instrumentarien" besinnen, "die dem Wohl und Zusammenhalt der gesamten Gesellschaft dienen"."

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Nicht witzig die Überschrift
Immer mal wieder vergreift sich die taz bei den Überschriften. Heute ging es in der Print-taz um Pflanzen und Insekten, die erst seit kurzer Zeit massenhaft in Deutschland leben und die gefährlich sind (für Mensch oder Pflanzen). Der Titel des Artikels Kriminelle Ausländer im Stadtpark sollte bestimmt witzig sein. Ist er aber nicht. Denn die Bekämpfung von 'fremden' Pflanzen und Insekten ist diskursiv verdammt nah an der Bekämpfung von 'fremden' Menschen.

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Netzwerk für Integration


Das Banner "Netzwerk für Integration der Migranten und Migrantinnen in Treptow-Köpenick" ist bestimmt gut gemeint. Es ist aber auch das perfekte Beispiel dafür, warum die Integrationsdebatte so furchtbar ist:

Zum einen konstruiert das Banner den Gegensatz zwischen den "Migranten und Migrantinnen in Treptow-Köpenick" und den unbenannten 'Normalen'. Zudem konstruiert es die "Migranten und Migrantinnen" als passiv, da etwas für sie getan werden muss. Aktiv ist das Netzwerk, zu dem wohl vorallem die 'Normalen' gehören. Das drückt sich zum einen in dem 'für' des Titels aus (und nicht 'von und für') und zum anderen zeigt es sich in den Personen, die das Banner gehalten haben und die zumindest phänotypisch nicht in das konstruierte Bild von "Migrantinnen und Migranten" passen. Worein die "Migrantinnen und Migranten" integriert werden sollen, bleibt auch unklar. Und so gehe ich davon aus, dass es um den gerade dominanten Integrationsbegriff geht. Wenn es um Partizipationsmöglichkeiten ginge, dann könnte mensch das ja auf das Banner schreiben.

Phänotypisch gehöre ich zwar auch nicht eindeutig zu dem Bild von "Migrantinnen und Migranten". Aufgrund anderer Merkmale weiss ich aber, dass ich wohl dazu gehöre (statistisch gehöre ich in die Kategorie 'mit Migrationshintergrund'). Und deswegen wirkt das Banner auch so abstossend auf mich:

Danke nein, ich will von keinem Netzwerk integriert werden! Schon gar nicht, wenn ich nicht gefragt werde und nicht weiss, wohin ich integriert werden soll.

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Solidaritätskundgebung in Schöneweide


Gestern fand eine Solidaritätskundgebung gegen rechte Gewalt in Schöneweide statt. Anlass waren mehrere Anschläge auf Politiker im Bezirk.

Die Moderatorin der Veranstaltung (wenn ich es richtig verstanden habe von Uffmucken Schöneweide) hat dabei immer wieder betont, dass die Aufmerksamkeit nicht nur auf die Rechtsextremen gerichtet werden darf, sondern sich auf Rassismus richten muss. Und dass wir nicht nur Solidarität mit den prominenten Opfern sondern auch mit denenen, die keine Öffentlichkeit bekommen, zeigen müssen.

Nachtrag 29.08.12: Ein Bericht der taz berlin zur Veranstaltung.

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Sonntag, 26. August 2012
Dominanz ausüben
In Ungarn bestimmen (nicht nur) die Rechtsextremen die Roma als auszuschliessende Andere und gehen gewaltvoll gegen sie vor (siehe taz). In Pakistan gehen die, die die gesellschaftliche Macht innehaben gegen nicht-muslimische (oder als solche definierten) Minderheiten vor, auch mit Gewalt und nutzen dafür das Blasphemiegesetz (siehe taz). In Frankreich hat sich die staatliche Rhetorik gegen Roma etwas abgemildert, trotzdem werden nach wie vor Lager gewaltvoll geräumt (siehe taz).

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Samstag, 25. August 2012
Integration, Bayern und die taz
Da nimmt sich die taz einen Artikel Platz, die Symbolpolitik der bayrischen Integrationspolitik zu kritisieren und zum Beispiel einen migrantischen Integrationsbeauftragten anzumahnen. Soweit so gut. Besser wäre es allerdings würde auch die taz auf Symbolpolitik verzichten und sich ernsthaft mit 'Integration' auseinandersetzen, dann würde so manches nicht geschrieben werden.

So geht die taz davon aus, ein Migrant (ob Migrantinnen auch gemeint sein können, geht aus dem Artikel nicht hervor) "spräche seine Muttersprache fließend". Ok, dann meint sie wohl tatsächlich nur selbst migrierte Menschen, die an einem Ort an dem sie vorher gelebt haben, eine andere Sprache als Deutsch gelernt haben. Oder meint sie jemenschen, der aus der Türkei gekommen ist und Türkisch kann? Der Absatz vor dem Zitat deutet darauf hin. Kann mensch auch fordern. Aber so zu tun, als ob alle Migrant_innen die gleiche Sprache sprechen würden (ausser natürlich Deutsch) zeugt nicht gerade von Nachdenken.

Aber es geht gar nicht um migrierte Menschen, wie die weiteren Ausführungen zeigen: "Dass das aber nicht möglich ist, liegt an der Zusammensetzung des Bayerischen Landtags. Kein einziger der 187 Abgeordneten ist das Kind oder der Enkel von Gastarbeitern."

Den 'Gastarbeitern' wird Politik wohl gar nicht zugetraut, also muss auf deren Kinder und Enkel zurückgegriffen werden. Warum aber sollen die eine andere Sprache als die in Deutschland gelehrten fließend sprechen können? Oder dürften nur die, die das können, Integrationsbeauftragte werden? Damit sie mit den 'Gastarbeitern' aus der Türkei (das sind wohl die zu Integrierenden) in deren Sprache (die nicht Deutsch sein kann) reden können?

Und dann wird nochmal so eben mit Verweis auf die vorhandenen Arbeitsplätze behauptet: "Anders als in anderen Regionen Deutschlands sind die meisten Migranten in Bayern extrem gut integriert."

Als ob es bei der Integrationsdebatte um Integration in den Arbeitsmarkt ginge. Als ob es möglich wäre, den Status integriert zu bekommen.

Symbolpolitik auf allen Seiten.

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Freitag, 24. August 2012
Janko Lauenberger
Das taz berlin Montagsinterview mit dem Sinto Janko Lauenberger aus Ost-Berlin:

taz: "Fühlen Sie sich trotzdem als Ostdeutscher verletzt, wenn nun ein westdeutsches Medium wie die taz wissen will, wie schlimm es in der DDR war – auch in Bezug auf die Diskriminierung der Sinti?"

Lauenberger: "Natürlich, denn für uns war Rassismus in der DDR nicht schlimmer als für andere, nur anders. Als Kind fand ich es natürlich schlimm, dass ich immer auf meine Hautfarbe angesprochen wurde. Aber Kinder sind eben so. Außerdem: Die Leute waren andere Hautfarben in der DDR einfach nicht gewohnt. Da wurde schon oft ängstlich reagiert und nicht so neugierig, wie ich mir das gewünscht hätte. In vielen Dörfern oder Kleinstädten Im Osten wird man heute immer noch schlimm angemacht. Ich weiß auch nicht, was mit den Ossis los ist."

taz: "Und wie ist es bei den Wessis?"

Lauenberger: "Da passieren auch komische Sachen. Neulich haben wir zum Beispiel auf einem Golfertreffen gespielt. Da tanzte dann so ein betuchter Herr mit seiner Dame, die ihre Handtasche in meiner Nähe abgelegt hatte. Und dann guckte der immer so komisch. Plötzlich schnappt er sich die Handtasche, klemmt sie seiner Tanzpartnerin unter den Arm und dreht sie dann beim Tanzen ganz elegant von mir weg. Das knallt manchmal noch, das tut weh. Wahnsinn. Zum Glück kann ich jetzt darüber lachen."

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Mittwoch, 22. August 2012
Rostock-Lichtenhagen
Gerade haben sie im Deutschlandfunk den 'Extremismusforscher' Klaus Schroeder von der FU Berlin zu den Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen vor zwanzig Jahren befragt. Wie nicht anders zu erwarten, konstruiert er die Ausschreitungen als ein Problem der angeblich fehlenden Zivilgesellschaft in der DDR und geht so gut wie gar nicht auf Rassismus ein. Ihn interessiert das Gegensatzpaar böse DDR - gute BRD und die linksradikale Antifa ist ihm gar nicht geheuer.

Im Gegensatz dazu zieht Patrick Gensing auf dem tagesschau-Blog Kontinuitäten des Rassismus zwischen West und Ost, von damals bis heute. Der Artikel heisst: Das Problem heißt Rassismus.

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Zum Inder gemacht
Ein Cicero-Artikel über den Vorsitzenden des NSU-Untersuchungsausschuss Sebastian Edathy. (Ein sehr zahmer Artikel, der so tut als ob er rassismuskritisch sein will.)

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