Montag, 5. Juli 2010
Ausnahmezustand in der Nation
Samstagnachmittag, Sonne und ein leerer Spielplatz:

die deutsche Männerfußballnationalmannschaft spielt gegen Argentinien


Derweil sind die Bürgersteige voll, weil alle Fußball schauen müssen. Am Zeitungsständer martialische Parolen



Leider immer noch nicht vorbei.

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Samstag, 3. Juli 2010
Hintergründe für Butlers Ablehnung des Preises
Nachdem die taz bisher ausschliesslich den homonationalistischen Reaktionen auf Butlers Ablehnung des Zivilcourage-Preises Platz geben hat, lässt sie nun auch zehn Tage nach dem Ereignis andere Stimmen zu Wort kommen.

Am Donnerstag druckte sie ein Interview mit Judith Butler. Die taz-Fragen sind durch Abwehr gekennzeichnet. Der Veweis auf die Simon-Studie ist fraglich - es sei den Butler wurde die Studie vorher zur Verfügung gestellt. Der Die Übersetzung erscheint fragwürdig. Butler hat sicher nicht von farbigen Queers gesprochen - Queers of Colour lässt sich so nicht übersetzen, den das ist ein politischer Begriff, der sich im Deutschen auch klar von dem Begriff 'farbig' abgrenzt. Mich würde auch interessieren, ob Butler wirklich von "rechtsextrem" gesprochen hat.

Wie auch immer: das Interview stellt viele Dinge klar:

"es kann nicht richtig sein, etwas Falsches zu korrigieren, indem man erneut etwas Falsches macht."

"Homophobie ernst zu nehmen, heißt zu akzeptieren, dass sie auf unterschiedlichen Ebenen existiert und in verschiedenen Schichten der Gesellschaft. Wir sollten uns für die Homophobie innerhalb der CDU oder innerhalb der katholischen Kirche interessieren, aber auch unter Liberalen der Mittelklasse und neuen rechtspopulären Organisationen. Wenn wir dann vielleicht Homophobie innerhalb von Migrantencommunitys in Betracht ziehen, würden wir eine Art und Weise des Nachdenkens über Homophobie haben, die Rassismus nicht wiederholt. Aber untersuchen wir das Problem? Oder versuchen wir, diese Homophobie zu bekämpfen? Wenn wir das versuchen, müssen wir es in einem Zusammenhang einer Allianz machen, für die der Kampf gegen Rassismus genauso wichtig ist wie der Kampf gegen Homophobie. "

Sie wird dann auch mal wieder auf ihre angebliche Unterstützung von Hamas und Hisbollah angesprochen und antwortet:

"Mir ist klar, dass einige Leute mich in der Weise zitiert haben, dass ich Hamas und Hisbollah als links verstehen würde. Bei dem Statement in seiner Gänze betrachtet, als Antwort auf eine Frage, die aus dem Publikum kam, ging es allerdings darum, dass diese Bewegungen zwar als links beschreibbar sind, aber dass man, wie mit jeder Bewegung auf Seiten der Linken, entscheiden muss, ob es eine Bewegung ist, die man unterstützt oder nicht. Ich habe niemals eine dieser Bewegungen unterstützt, und da ich mich selber zur Gewaltlosigkeit verpflichtet fühle, wäre es für mich auch unmöglich, eine von ihnen zu unterstützen. Es ließe sich viel dazu sagen, wie sie sich gebildet haben und was ihre Ziele sind und in welcher Weise sie einen Kampf gegen Kolonialismus und Imperialismus darstellen. Aber dabei geht es für mich um analytische und beschreibende Arbeit - nicht um Anhänglichkeit oder Unterstützung. "

Danach macht das Interview dann einen Sprung, was darauf hindeutet, dass die taz da nicht weiterdenken wollte. Ein Verweis auf den Business Class-Flug und das Adlon unterbleiben, wahrscheinlich weil Bulter den Flug inzwischen selber gezahlt hat.

Heute dann in er taz ein Beitrag von Tülin Duman von GLADT, in dem sie auf die homonationalistischen Reaktionenen eingeht:

"Während die Bürgerrechtsbewegung der Lesben und Schwulen noch an eindimensionalen Identitätsmodellen hängt, sind immer mehr Menschen nicht nur "gewöhnlich" homosexuell. Hautfarbe, Herkunft, Geschlecht, Religion, Alter, eine Behinderung und viele andere Merkmale prägen unsere Identität gleichermaßen. "Gewöhnliche" Hartz-IV-EmpfängerInnen können sich die Partyszene der Hauptstadt nicht leisten. Für "gewöhnliche" homosexuelle AsylbewerberInnen gelten nicht die Bürgerrechte, sondern gilt die Residenzpflicht. Wer die Zusammenhänge von Herkunft, Geschlecht und sexueller Orientierung nicht erkennt, wird weder der Berliner noch der deutschen Realität gerecht."

Nachtrag 12.07.10: Auf AVIVA Berlin ein ausführliches Interview mit Butler.

Nachtrag 01.08.10: In einem Interview mit der Jungle World muss sich Butler mal wieder mit dem Antisemitismusvorwurf auseinandersetzen und gibt spannende Antworten.

Nachtrag 05.12.10: In einem ziemlich stumpfen Artikel in der Welt Online, in dem primär gegen Jasbir Puar gehetzt wird, gibt es auch einen Verweis auf Butlers Ablehnung.

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Scheinehen
Ein Hamburger SPD-Abgeordneter ist wegen Anstiftung einer Scheinehe verurteilt worden (siehe taz). Er scheint wie viele Politiker_innen (und andere Machtmenschen) so einige nicht ganz so legale Dinge zu drehen, aber darum geht es mir hier nicht. Spannender finde ich die Definition von Scheinehe, die die taz bringt:

"Definition: Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt eine Scheinehe dann vor, wenn zwei Menschen nicht heiraten, um eine eheliche Lebensgemeinschaft zu gründen, sondern um dem ausländischen Partner ein sonst nicht zu erlangendes Aufenthaltsrecht zu verschaffen."

Es geht also ausschliesslich drum, das ausgrenzende rassistische Aufenthaltsrecht zu stützen. Rassismuskritisches Handeln wird kriminalisiert. An Menschen ohne festen Aufenthaltstitel werden andere Anforderungen für die Eheschliessung gestellt als an die mit einem festen Titel. Letztere dürfen heiraten, egal aus welchem Grund. Was rechtfertigt eine solche Differenzierung?

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Donnerstag, 1. Juli 2010
Kippa und Polizei
Die taz betitelt einen Artikel Wenn Kippaträger Polizisten sind. Bei der Überschrift bin ich davon ausgegangen, dass es darum geht, dass Juden, die die Kippa tragen, dies auch als Polizisten dürfen. Aber weit gefehlt. Die Kategorien Jude und Polizei scheinen als nicht vereinbar gedacht zu werden:

"Er glaubt, dass "es abschreckend ist, wenn Täter wissen, nicht alle Menschen mit einer Kippa sind Juden, sondern auch Polizisten". "

Eine prise antimuslimischer Homonationalismus ist dann auch noch im Artikel zu finden.

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Montag, 28. Juni 2010
Intersexualität
Letzten Mittwoch hat der Deutsche Ethikrat eine Veranstaltung zu Intersexualität durchgeführt. Sie war erschreckend heteronormativ. Medizinische Expert_innen bekamen viel Raum für ihre Reproduktion von Normen. Die Vertreter_innen vom Verein Intersexuelle Menschen wurden als Betroffene abgetan, bekamen viel weniger Redezeit und wurden mit ihrer Krankengeschichte eingeführt. Grauselig. In der Diskussion gab es dann glücklicherweise aus dem Publikum Gegenreden.

Audioprotokolle gibt es auf der Seite des Ethikrates.

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Im Prenzelberg zur WM
Spielt das Land bei der WM?

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Montag, 21. Juni 2010
Ausgrenzung durch Visavorgaben
Die taz berichtet über die restritktive Visavergabe an türkische Staatsbürger_innen:

"Kein anderer EU-Staat gilt unter Türken bei der Visavergabe als so restriktiv wie Deutschland."

und über die Grenzen des Schengen-Visas:

"Da die deutsche Visastelle einen so schlechten Ruf hat, holen sich viele Türken und Türkinnen, die eigentlich nach Deutschland wollen, ein Visum bei den Franzosen, Griechen oder Italienern, weil es dort viel schneller und unproblematischer geht. Doch obwohl ein Schengen-Visum für alle Schengen-Staaten gültig ist, kann auch das danebengehen. Es ist in den letzten Monaten mehrfach vorgekommen, dass türkische Besucher im Flughafen München festgehalten und sogar zurückgeschickt wurden, weil sie ein französisches und kein deutsches Visum hatten. Begründung: Man müsse sein Visa für das Hauptreiseland beantragen. Wären die Reisenden über Paris nach München gekommen, hätte es keine Probleme gegeben."

Wundern muss das mensch allerdings nicht. Denn dazu sind Visa ja da. Der deutsche Staat behält sich damit die Ausgrenzung von ausgewählten Menschen vor. Das ist der grundlegende Skandal. (Und nicht, dass davon auch Künstler_innen und Unternehmer_innen betroffen sind.)

Übrigens: deutsche Staatsbürger_innen können ohne Visa in die Türkei einreisen.

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Sonntag, 20. Juni 2010
Butler lehnt CSD-Preis ab
"Die Veranstaltung sei ihr zu kommerziell ausgerichtet und richte sich nicht genügend gegen Probleme wie Rassismus und doppelte Diskriminierung - etwa von Migranten, die homosexuell oder transsexuell empfinden." zitiert Spiegel Online Judith Butler. Sie hat gestern einen Preis auf dem Berliner CSD abgelehnt.

Und ich dachte, beim CSD passiert nichts interessantes. Wäre ich doch mal hingegangen.

Nachtrag: Mehr dazu auf dem neuen Blog No homonationalism.Von dort auch der link zum Youtube-Video:



Nachtrag 27.06.10: Nach seinem selbstherrlichen Rassimus verharmlosdenden und Frauen ausschliessenden Artikel vor dem CSD hat Martin Reichert in der taz nochmal nachgelegt. Nicht nur gegen Judith Bulter hetzt er, sondern auch gegen GLADT. Und obwohl immer wieder behauptet wird, dass sie gar nicht wissen, woher der Rassismusvorwurf käme, gehen sie darauf ein:

"Es geht bei diesem Rassismus-Vorwurf um das immer Gleiche: Maneo und den LSVD."

Aber anstatt den Vorwurf ernst zu nehmen, wird nur dagegen polemisiert. Echt Schade. So kann ich mich nur weiter von LSVD und taz distanzieren.

Nachtrag 28.06.10: Die taz hat sich rund um den CSD wohl für eine durchgängig einseitige Berichterstattung entschlossen. Ist die taz sonst noch einigermassen lesbar für mich, weil offen rassistische Artikel sich mit klar rassismuskritischen Artikeln abwechseln, ist sie es gerade gar nicht. Warum hat Martin Reichert die alleinige Deutungshoheit? (Er gleicht es mehr als aus, dass Jan Feddersen gerade mit dem nationalen Taumel rund um die Männer-WM beschäftigt ist.) Reicherts Artikel über den transgenialen CSD fügt sich nahtlos an die vorigen beiden Artikel an. Polemisch, selbstherrlich, antimuslimischen Rassismus reproduzierend, alle die nicht weiße Schwule sind ausgrenzend. Zum Kotzen.

Meine Familie wohnt übrigens weder in Kreuzberg oder Neukölln. Aber selbst wenn sie da wohnen würde, hätte ich kein Problem damit in den Kiezen zu demonstrieren. Meine Verwandten 'mit Migrationshintergrund' sind allesamt viel offener und akzeptierender als Martin Reichert.

Und Opfer homophober Taten sind übrigens nicht alle weiß. Den Nicht-Weißen ist es sicher nicht egal, wenn zu der einen Diskriminierung noch eine andere dazu kommt.

Nachtrag 30.06.10: Nun durfte auch Jan Feddersen wieder einen seiner homonationalistischen Kommentare in der taz veröffentlichen. In einem hat er allerdings recht: der große CSD ist tatsächlich politisch. Denn er unterstützt Homonationalismus, das heisst er unterstützt dass weiße Schwule (und auch ein paar Lesben) als Teil der deutschen Nation anerkannt werden. Dafür gibt es die Reformprojekte wie Homo-Ehe, die Feddersen in seinem Text anführt. Diese Reformpolitik, die auf Eingliederung in die Nation ausgerichtet ist, geht aber notwendigerweise damit einher, dass andere ausgegrenzt werden. An solcher Politik können sich daher nur Menschen wie Feddersen oder Reichert freuen, die damit an mehr Privilegien kommen. Insbesondere Queers of Colour und alle, die in diesem Land für Muslime gehalten werden, können sich über die ausgrenzende Politik aber nicht freuen. Der transgeniale CSD setzt mit seiner politischen Argumentation hier an.

Nachtrag 03.08.10: Nachdem es in der Zwischenzeit auch mal Raum für kritische Töne in der taz gab. Durfte sich wieder einer der Vertreter des Homonationalismuses darstellen. Im taz-Interview wird Bastian Finke von Maneo keine wirklich kritische Frage gestellt und die Möglichkeit gegeben, seine Kritiker_innen zu diskreditieren.

Das Problem bei Maneo ist nicht primär, dass sie sich genauer ansehen wollen, wer genau die Täter homophober Angriffe sind. Das Problem ist, dass sie in ihren Darstellungen antimuslimischen Rassismus reproduzieren. Sie sind nicht in der Lage (oder nicht interessiert) sich gleichzeitig kritisch mit Homophobie und Rassismus auseinanderzusetzen.

Nachtrag 06.06.11: Ein knappes Jahr nach der Preisablehnung legt die taz in einer Veranstaltungsankündigung nochmal mit wenig fundiertem Butler-Bashing nach.

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Sonntag, 20. Juni 2010
Jetzt reicht's langsam
ist der Titel eines Artikel von Martin Reichert in der taz zur Gewalt gegen Schwule. Und ich finde auch, dass es langsam (oder auch schneller) reicht. Diese weiße schwule Selbstgeretigkeit. Die Ausblendung von Geschichte. Nicht weiße Mittelklasse-Schwule haben gegen die Polizei bei den Stonewall Riots gekämpft. Die Protagonist_innen waren viel eher in vielerlei Hinsicht marginalisierte Menschen. Die Stonewall Riots als Anlass zu nehmen, um mal wieder gegen "junge Männer mit Migrationshintergrund" und "mit Landhintergrund" ist so daneben. Wie auch das Zitat von Christopher Knoll geht gar nicht:

"Man kann Gewalt gegen uns ausüben und es interessiert niemanden. Das ist ein Skandal. Wenn es gleich viele Attacken gegen Juden oder Schwarze gäbe, dann wäre aber was los."

Was soll dieses Ausspielen von einem Ausgrenzungsverhältnis gegen andere? Was ist davon gewonnen? Ausser ein bedienen von rassistischen und antisemitischen Einstellungen?

Ach ja, Lesben kommen im eine Seite langen Artikel überhaupt erst in der viertletzten Zeile kurz vor. Aber das ist natürlich kein Wunder, wenn die Schwulen den Mittelpunkt des Interesses ausmachen.

Nachtrag 20.06.10: Weiter geht es hier.

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Deutschland will weiter Asylsuchende ausgrenzen
Die taz berichtet, dass Deutschland weiterhin an minimalen Leistungen für Asylsuchende festhalten will, obwohl auf EU-Ebene Verbesserungen diskutiert werden.

Die Sätze für Asylsuchende sind übrigens seit 1993 nicht erhöht wurden. Sie liegen laut taz bei nur 60% der Bezüge von Hartz-IV-Empfänger_innen. Und da sind 100% schon viel zu wenig.

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Spivak zu Begriffen
Die taz berichtet über einen Vortrag von GAyatri Spivak in Berlin:

"Auf die Frage einer Studentin, warum sie den Begriff "Dritte Welt" in ihren Büchern nicht durchgängig in Anführungszeichen setze, äußerte sich die seit 1959 in den USA lebende Spivak unerwartet kritisch über politische Korrektheit: "Manche Intellektuellen denken, sie könnten das Haus Gesellschaft neu einrichten, indem sie die Möbel verrücken. Sprache kann man ändern - die Annahmen dahinter bleiben allzu oft bestehen.""

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Diskriminierung Kranker
Die taz berichtet über die erfolgreiche Klage einer Frau, der nach einer Krebserkrankung mit vorgeschobenen Argumenten gekündigt wurde.

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