Dienstag, 4. November 2008
Obama und Rasismus
In einem taz-Artikel über Obama argumentiert Bettina Gaus:

"Wenn die Hautfarbe eines Kandidaten der wesentliche Grund dafür ist, dass man seinen Sieg wünscht oder fürchtet, dann ist das Rassismus - auch wenn der Kandidat schwarz ist. So, wie die Unterstellung sexistisch war, dass sich jede Frau über die Wahl von Angela Merkel zur Bundeskanzlerin freuen sollte."

Der Argumentation kann ich so nicht ganz folgen. Wenn sich jemand gegen eine Kandidat_in ausspricht, nur weil sie/er Schwarz oder eine Frau ist, dann ist das ein Ausdruck von Rassismus/Sexismus derjenigen Person, die sich das wünscht. Soweit stimme ich mit Gaus überein.

Wenn aber eine Person sich wünscht, dass eine Kandidat_in, die Schwarz oder eine Frau ist, gewinnt, dann ist das nicht ein Zeichen von eigenem Rassismus/Sexismus. Dann ist das ein Zeichen, dass wir in einer Gesellschaft leben, die rassistisch/sexistisch ist, dass daher Menschen aus bestimmten Kategorien wenig Chancen haben, Machtpositionen zu erlangen, und dass es daher schon als Erfolg gewertet wird, wenn überhaupt mal eine Person dieser Kategorie es in die Machtposition schafft.

Politisch mag dieser Wunsch naiv sein. Denn Schwarz oder eine Frau zu sein, bedeutet noch lange nicht, dass gute Politik gemacht wird. Rassistisch/sexistisch aber ist der Wunsch nicht.

Nachtrag 06.11.08: Geography, Telecast bloggt zu Obama and the Death of Racism.

Nachtrag 07.11.08: antropolgi.info berichtet über offen rassistische Kommentare zu Obamas Wahl.

Nachtrag 17.08.09: Die taz berichtet über rassistische Reaktionen auf Obama.

2 Kommentare in: rassistisch   ... comment ... link


Antisemitismus und die CDU
Aus einem taz-Artikel über dei geplante Antisemitismus-Erklärung des Bundestags:

"Die vehemente Weigerung der Union, eine gemeinsame Erklärung gegen Antisemitismus mit den Linken zu unterschreiben, stieß beim Zentralrat der Juden in Deutschland auf Kritik. Generalsekretär Stephan Kramer nannte dieses Vorgehen in der Frankfurter Rundschau außerordentlich unglücklich. Zwar habe er Probleme mit einzelnen Linken, es gebe aber keinen Zweifel, dass von führender Stelle auf seriöse Weise gegen den Antisemitismus mitgearbeitet werde. Auch die CDU habe nicht immer eine gute Figur gemacht."

0 Kommentare in: privilegien sichern   ... comment ... link


Mittwoch, 29. Oktober 2008
Homophobie
In Kausldorf werden zwei Frauen angegriffen. Die Polizei schliesst eine homophobe Tat nicht aus. Die taz berichtet.

Ausserdem berichtet die taz von einem Treffen von "Vertreter[n] von Homosexuellen und Migranten .. mit Politikern" (ob es sich tatsächlich nur um Männer gehandelt hat und ob die Kategorien Homosexuelle, Migrant_innen und Politiker_innen trennscharfe sind, thematisiert die taz nicht weiter). Diesen Artikel beginnt die taz bezugnehmend auf den Vorfall in Kausldorf mit:

"Geplant war das Treffen schon länger, nach dem Angriff auf zwei Lesben in Hellersdorf (siehe oben) erfuhr es ungeahnte Aktualität"

Warum hat das Treffen dadurch ungeahnte Aktualität? Sind homophobe Migrant_innen extra ins 'weiße' Kausldorf gefahren, um dort 'weiße' Homosexuelle anzugreifen?

Die taz zitiert eine LKA-Vertreterin wie folgt:

"Die meisten Straftaten geschähen in den Innenstadtbezirken wie Schöneberg und Teile von Kreuzberg, wo sich Schwule offen zeigen, so Löhrs Kollegin, Marie Tischbier. Lesben würden eher Opfer verbaler Gewalt, während schwule Männer oft auch körperlich attackiert würden. In den östlichen Außenbezirken oder Neukölln trauten sich die meisten gar nicht, auf der Straße ihre Homosexualität zu zeigen.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: In Kreuzberg und Neukölln fühle ich mich recht sicher. Körperliche Gewalt befürchte ich eher nicht, verbale gibt es aber immer wieder. In Marzahn-Hellersdorf (dazu gehört auch Kaulsdorf) hingegen habe ich richtig Angst und passe sehr auf. Es gibt ganz klar No-Go-Areas und in denen ist dann natürlich die Anzahl der Angriffe geringer.

Homophobie ist ein Problem der heteronormativen Gesellschaftsordung und nicht spezifisch eines von 'Migrant_innen'.

0 Kommentare in: islamophobie   ... comment ... link


Montag, 27. Oktober 2008
Veweigerte Integration
Migrant_innenverbände klagen in ihrer Zwischenbilanz zum Nationalen Integrationsplan diverse Verschlechterungen an (die taz berichtet):

""Mit Sorge beobachten wir die zunehmende Gefahr, dass in einigen Bundesländern Kinder mit Migrationshintergrund beim Zugang zu weiterführenden Schulen verstärkt benachteiligt werden" ...
"Bei der beruflichen Ausbildung ist eher eine rückläufige Beteiligung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund festzustellen"...
Kritisch beurteilen die Migranten auch die Verschärfung des Zuwanderungsgesetzes...
Auch den neuen, bundesweit einheitlichen Einbürgerungstest lehnen die Migrantenverbände ab. "Wir betrachten diesen zweckfremden Test als weiteres Hindernis für die Einbürgerung", heißt es in dem Papier."


Nachtrag 28.10.08: Unsere Integrationsministerin findet die Kritik gar nicht gut, wie die taz berichtet. Alles andere hätte mich auch gewundert.

0 Kommentare in: othering   ... comment ... link


Sonntag, 26. Oktober 2008
Diverse Rassismen
Stellenausschreibung in Wien
  • in einem Verboten der taz wird mal wieder das N-Wort benutzt
  • in anderen Artikeln der taz wird vom Busch oder von Eingeborenen geschrieben
  • "Immigrantenkinder sollen in Italien fortan separat unterrichtet werden. Ein Antrag der fremdenfeindlichen Regierungspartei Lega Nord wurde im Abgeordnetenhaus gebilligt." aus der taz
  • Oranienburg wählt rechts und keiner war es (taz):
    "Mit Ausländern gebe es jedenfalls keine Probleme. "Ich kenn nur den Fidschi vom Baumarkt, sonst hab ich hier keinen gesehen.""
  • Rudolf Steiners rassistischen Überzeugungen werden klein geredet (taz):

    "So gibt es Passagen, in denen er einen Zusammenhang zwischen Intelligenz und Hautfarbe herstellt. ... Jens Heisterkamp ... plädierte dafür, Steiners Aussagen vor dem historischen Hintergrund einer spätkolonial und eurozentristisch geprägten Epoche zu sehen."
  • der britische Immigrationsminister argumentiert, dass Migrant_innen durch ihre Anwesenheit Rassismus schüren (taz, 20.10.08)
  • im US-Wahlkampf droht Obama der Rassismus aus der Mitte (taz):

    "Größere Sorgen bereiten den Parteistrategen jene Männer und Frauen, die sich nicht zum eigenen Rassismus bekennen wollen oder sich dessen nicht einmal bewußt sind."

0 Kommentare in: rassistisch   ... comment ... link


Rund um den Islam und Islamophobie
  • die Moschee in Heinersdorf ist eröffnet (siehe taz und frühere Beiträge hier)
  • eine Moschee in Duisburg wird eröffnet und Deniz Yücel veröffentlicht einen differenzierten Artikel in der taz
  • das Landesarbeitsgricht Hamm bestätigt, dass einer koptuchtragenden Lehrerin gekündigt werden darf (siehe taz)

0 Kommentare in: islamophobie   ... comment ... link


Diverses zum Thema Abschotten und Abschieben
Nach drei Wochen Pause beim Bloggen stappeln sich auf meinem Schreibtisch die Zeitungsartikel rund um die Festung Europa und das Abschieben, zu viel um da mal eben eine Geschichte draus zu machen. Aber ein paar Stichworte will ich doch geben:
  • der Europäische Gerichtshof entscheidet Hartz IV ist kein Grund zur Abschiebung (taz)
  • Afro Hesse ist dank Unterstützung wieder aus dem Abschiebegefängnis und betont "dass man die namenlosen Abschiebehäftlinge, die er in den letzten Wochen kennen lernte, nicht vergessen soll. Viele würden wegen mangelnder Sprachkenntnisse oft das bürokratische Prozedere, das mit ihnen geschieht, nicht verstehen." (aus der taz)
  • "Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) will mehr kriminelle Ausländer ausweisen. ... Die jetzigen Vorschriften seien äußerst kompliziert und für Ausländerbehörden nur schwer anzuwenden." taz am 14.10.08
  • Drei minderjährige Mädchen werden von ihrer Tante getrennt, das Jugendamt setzt sich als Vormund ein, nur weil die Familie nicht mehr in den menschenunwürdigen Zuständen einer Asylbewer_innenunterkunft leben wollen (mehr dazu in der taz).
  • eine Ausländerbehörde verweigert einem Geduldeten einen Aufenthaltstitel, obwohl er verpartnert ist (mehr in der taz)
  • die Koalition einigt sich auf Visa-Warndatei (taz, 08.10.08) und macht damit einen Besuch in Deutschland noch schwieriger
  • EU verabschiedet Abschottungspakt (in der taz)

0 Kommentare in: abschieben   ... comment ... link


Ausbürgerungen
sollen jetzt gesetzlich geregelt werden wie die taz berichtet hat:

"Eigentlich heißt es im Grundgesetz: "Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden.""

Nachtrag 23.07.11: Die taz berichtet, dass Ausbürgerungen nun als zwangsläufig angesehen werden:

"Nach der Verurteilung von S. zu einer langjährigen Haftstrafe habe die Ausländerbehörde keine andere Entscheidung als die Rücknahme seiner Einbürgerung treffen können."

Die Lehren aus der Geschichte (Ausbürgerungen durch das nationalsozialistische Deutschland) werden damit nicht mehr gezogen. Menschen, die mal ausländische Staatsbürger_innen waren, bekommen eine härtere Bestrafung als geborene Staatsbürger_innen.

0 Kommentare in: staatsbuergerschaft   ... comment ... link


Freitag, 3. Oktober 2008
Selbstverständlich Diskriminierungserfahrungen
Der neue Bundesgeschäftsführer der Türkischen Gemeinde Deutschland Florencio Chicote wird in der taz mit einigen der alltäglichen Diskriminierungserfahrungen Anderer Deutscher zitiert:

"Zum Beispiel im Bildungssystem. Obwohl meine Noten das nicht rechtfertigten, habe ich wie so viele Migrantenkinder nur eine Hauptschulempfehlung bekommen."

oder "Man hat uns schon spüren lassen, dass wir keine Deutschen sind."

0 Kommentare in: andere deutsche   ... comment ... link


Bestrafung für schlechte Noten
"Weil eine 16-Jährige schlechte Noten hat, soll sie keine Niederlassungserlaubnis bekommen." berichtet die taz.

0 Kommentare in: andere deutsche   ... comment ... link


Stetig verschlechtert
"Seit dem Ende der Achtziger habe sich die Situation der Asylsuchenden stetig verschlechtert, berichtet Ralf Santana Lourenco von der Hamburger Karawane."

zitiert die taz in einem Artikel über die Flüchtlingsorganisation Karawane.

0 Kommentare in: abschieben   ... comment ... link


Montag, 29. September 2008
Macht(missbrauch) der Wissenschaftlerin
Mir wurde heute mal wieder gezeigt, wie ich als Wissenschaftlerin immer wieder Gefahr laufe, meine Aufgabe der Repräsentation (insbesondere durch Texte) zu missbrauchen. Natürlich habe ich dabei nur hehre Ziele (zumindest rede ich mir das gerne ein): ich will auf gesellschaftliche Missstände hinweisen, kritische Diskussionen anstossen, etc. Dafür schreibe ich (und natürlich auch, weil das mein Beruf ist). Und da ich mit ethnographischen Mitteln arbeite, nutze ich dafür personalisierte (wenn auch anonymisierte) Geschichten. Nicht immer sind die Menschen, deren Geschichten ich dafür nutze, mit der Art meiner Repräsentation einverstanden. Mir fehlt dabei manchmal das Einfühlungsvermögen und vor allem muss ich mir noch viel häufiger bewußt machen, welche Macht ich mit dem wissenschaftlichen Repräsentieren ausübe.

0 Kommentare in: wissenschaft   ... comment ... link


Sonntag, 28. September 2008
Muslime und Statistik
Durch die Medien geisterte in den letzten beiden Tagen eine Studie über Muslime (z.B. in der taz). Besonders erwähnenswert ist den Medien vor allem folgende Erkenntnis:

""Bislang wurde die Religiösität der Muslime als sehr politisch wahrgenommen. Doch tatsächlich spielt Politik für sie eine untergeordnete Rolle", sagte die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth bei der Vorstellung der Studie am Freitag in Berlin."

Woran der Unterschied zwischen unseren Unterstellungen und den Ergebnissen der Studie wohl liegt? Möglicherweise an der Studie selbst. Mit quantitativen Erhebungen kann frau ja alles herausbekommen, was sie rausbekommen will. Könnte aber auch daran liegen, dass unsere Unterstellungen in der Regel wenig mit dem zu tun haben, was die 'Muslime' so tun.

Meine grundlegende Frage ist eine ganz andere: Wie wurden die Muslime, die studiert wurden, definiert? All jene Menschen, die sich als Muslime definieren? Dann frag ich mich erstens, wie diese Menschen gefunden wurden: Wurden alle Menschen in Deutschland gefragt, ob sie Muslime sind? Und zweitens überrascht es mich, dass nur 90% religiös sind, schliesslich war Religiösität ja die Definitionsgrundlage. Gab es eine andere Grundgesamtheit? Welche?

Am meisten wundere ich mich immer wieder, welche Bedeutung Statistiken beigemessen wird. Dabei sagen sie so unheimlich wenig aus, wenn nicht alle Annahmen bei der Datendefinition und -erhebung transparent gemacht werden.

0 Kommentare in: islamophobie   ... comment ... link