Sonntag, 16. März 2008
Interkulturelle Kompetenz
Der Volkshochschulverband hat die Broschüre Interkulturelle Kompetenz - Interkulturalität für die Bildungsarbeit mit Jugendlichen" herausgebracht.

Diese Veröffentlichung ist ganz angenehm, weil sie Kulturen nicht als fix und vorgegeben annimmt und auf Uneindeutigkeiten eingeht. So kann sie Interesierte durchaus an einen differenzierteren Zugang zum Themenfeld 'interkulturelle Kompetenz' heranführen.

Mir fehlt allerdings eine Auseinandersetzung mit Machtasymmetrien und ein Verweis auf kritische Denkansätze zu Rassismus, Weißsein und Gender.

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Samstag, 15. März 2008
Religiöse Kleidung im Schuldienst
Die taz berichtet, dass eine Lehrerin in Baden-Württemberg , die seit 1994 mit Kopftuch unterrichtet, dies ablegen muss, da religiöse Bekundungen im Unterricht verboten sind. Derweil dürfen drei Nonnen in Ordenskleidung weiter an einer staatlichen Schule in Baden-Württemberg unterrichten, da ihre Weiterbeschäftigung bei der Übernahme der Klosterschule in staatliche Regie zugesagt wurde.

Übrigens: Die kopftuchtragende Lehrerin unterrichtet laut Auskunft des Richters seit über 30 Jahren beanstandungsfrei.

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Freitag, 14. März 2008
Werteordnung
Laut taz bekennen sich die muslimischen Verbände zur "deutschen Rechtsordnung und der Werteordnung des Grundgesetzes".

Da möchte frau meinen, das ist gut so. Aber nein, dieses Bekenntnis wird als problematisch angesehen. Denn die Verbände bekennen sich 'nur' zum Grundgesetz und nicht zu einer diffusen, undefinierten, jenseits der Rechtsordnung stehenden 'deutschen' Werteordnung. Was wird da eigentlich gefordert?

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Donnerstag, 13. März 2008
Schwarz und Frau
""Wenn Obama ein weißer Mann wäre, wäre er nicht in dieser Position", wurde Ferraro zitiert. "Wenn er eine Frau wäre, wäre er nicht in dieser Position. Er hat Glück, dass er ist, was er ist."" (aus der taz)

Eine klassisch 'weiße' Formulierung. Die wirklich Diskriminierten in den USA sind natürlich die 'Weißen'.

Wo wäre Obama eigentlich, wenn er eine 'schwarze' Frau wäre. Sicher nicht in dieser Position.

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Ausländer und Deutsche
In der taz berichtet Daniel Müller über den "Türsteherkrieg" in Leipzig und dabei gehen die deutsch-nationalen Begriffe und Zuschreibungen mit ihm durch:
  • "zwischen Türstehern auf der einen und einer diffusen Gruppe von Ausländern auf der anderen Seite"
  • "Leipzig ist damit eine der letzten deutschen Städte, in der das Geschäft mit der Sicherheit fest in deutscher Hand liegt."
  • "eine armenisch-libanesische Ausländergruppe"
  • "Hausverboten gegen ausländische Jugendliche"
  • "Massiv gewaltbereite Ausländer"
  • "zentralen Wirtschaftsstandort in Mitteldeutschland"
In Müllers Bericht wird eine klare Dichotomie aufgebaut zwischen den 'Ausländern' (über die es allerdings keinen Hinweis gibt, dass sie im Ausland wohnen) und den 'Deutschen', die auch Türsteher oder Leipziger Bürger genannt werden. (Genderunsensibel ist die Begriffswahl sowieso, aber das ist ja Standard.)

Die 'Ausländer' sind diffus, handeln mit Drogen, prügeln sich, kommen nur in Gruppen vor, sie zerstören, randalieren, sind Terroristen, sie sind bewaffnet, stürmen und stechen nieder, sind enorm brutal und greifen sogar Hunde an, töten Unschuldige, werden von der Polizei nicht verfolgt

Die 'Deutschen' haben Angst, trauen sich nicht mehr auf die Straße, wollen lieber anonym bleiben und stehen vor Arbeitsplatzverlust, aber auch in der Not beschützen sie sich gegenseitig.

Es würde mich sehr wundern, wenn in dem Konflikt so einfach zwischen Gut und Böse getrennt werden kann. Aber das scheint Müller nicht wichtig. Nachdem er eine These über die kriminellen 'Ausländer' formuliert hat, führt er zwar an: "Dies wird allerdings weder von der örtlichen Polizei noch von der Staatsanwaltschaft bestätigt." Aber das stört ihn nicht in der Fortführung dieses Gedankengangs.

PS: Einige der KommentatorInnen auf der taz online scheinen ähnliche Probleme mit dem Artikel wie ich zu haben.

Nachtrag 17.03.08: Andreas Speit bietet heute (implizit) in der taz eine Erklärung an, was denn unter 'deutsch' zu verstehen ist:

"In Leipzig ist das Milieu offensichtlich ganz in deutscher Hand. ... Ungern wird zudem über die Vernetzung zwischen rechtsextremer Szene und Türstehermilieu geredet. Hooligans, Neonazis und Türsteher sollen laut Insidern aus der Szene eng verwoben sein. Besonders die "Freien Kräfte Leipzig" seien dabei, berichtete die Leipziger Volkszeitung."

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Heute journal
Neulich Abend im Hotelzimmer habe ich mal ein bisschen durch die verschiedenen Fernsehkanäle gezappt. In einer Nachrichtensendung gab es einen Bericht über einen Friedensrichter in Berlin, der irgendwie was anders macht als das bei 'uns' so üblich ist, außerhalb des Rechtsstaat und so. Die Dichotomie 'wir' und 'die' wurde den ganzen Bericht über durchgehalten. 'Die' waren gekennzeichnet durch Kriminalität und Gewalt. 'Die' agieren auch vorwiegend in Sippen und sind durch 'uns' nicht zu verstehen. Deswegen kam dann auch noch ein Experte zu Wort, der zwar daher stammt wo auch 'die' herkommen, aber an 'denen' kein gutes Haar lässt und so 'uns' 'die' erklären kann. - Ein Nachrichtenbeitrag in bestem reißerischen platten und undifferenzierten Privatsenderniveau dachte ich. Es war aber das Heute journal.

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Montag, 10. März 2008
Moscheebesuch
Grundschulkinder beim Moscheebesuch

GrundschülerInnen besuchen eine Moschee. Toben herum. Sind zunehmend gelangweilt. Der Moscheevertreter spricht eher mit den Eltern. Versucht bei ihnen Vorurteile über den Islam auszuräumen. Verständlich ist das, aber nicht kindgerecht. Der Imam kann besser auf sie eingehen.

Auf jeden Fall ein Ereignis in dieser kleinen Stadt am Rhein, wo die einen noch nie in einer Moschee waren und die anderen vermutlich nicht gedacht hätten, dass die einen mal in eine Moschee kommen würden.

Für mich irritierend: Der Moscheevertreter nimmt immer wieder Bezug darauf, wie das in der Religion von uns BesucherInnen sei. Dabei bin ich gar keine ChristIn. Die meisten anderen wohl aber schon. Diese Gegend ist noch sehr katholisch und die Kinder fragen nach, ob es Sakramente im Islam gibt.

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Samstag, 8. März 2008
Männlich
Zum Frauentag diskutieren in der taz Jutta Allmendinger und Norbert Bolz. Die eine versucht es mit differenzierten und fundierten Aussagen, der anderen mit platten Slogans. So zum Beispiel:

" Allmendinger: ... Darf ich fragen: Was ist für Sie "genuin männliches Verhalten", das uns nun verloren geht?

Bolz: Zum Beispiel eine Orientierung an Stolz und Ehre."


Ich dachte immer, dass wäre genuin islamisches Verhalten und daher verachtenswert. Oder ist das nur verachtenswert, wenn islamische Männer sich daran orientieren? Und wenn 'deutsch-deutsche' Männer das fordern, dann ist es männlich?

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Frauenfußball
Über fußballspielende Frauen wird seit dem 'Wintermärchen' ja mehr berichtet. Aber so richtig scheinen die Journalisten nicht zu wissen, was sie damit anfangen sollen. In der taz wundert sich Jürgen Roos, dass zwei Nationalspielerinnen nach Schweden gewechselt sind. Obwohl er Deutschland für das Frauenfußball-Mekka hält (warum eigentlich?). Würde er sich das bei fußballspielenden Männern auch fragen?

Vielleicht hätte er auch einfach mal fußballspielende Frauen befragen können. Unsere (im Sinne von dem Team in dem ich spiele) Trainierin zum Beispiel meint in einer Rundmail an unser Team: "komisch - niemand spricht an, dass das Geldverdienen vielleicht der Hauptgrund sein könnte"

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Mal wieder
Aus der taz:

1. Die Tat

"Ungestört konnte der Mob den Imbiss von Saqib Mahmood aufbrechen. Über dem Laden, in seiner Wohnung, erlebte der Imbissbesitzer mit seiner deutsch-pakistanischen Familie den Angriff - auch seine vierjährige Tochter war dabei. "Deutschland den Deutschen" sollen die Angreifer gegrölt haben, als sie glühende Kohle vom Grill über den Boden verteilten. "Scheiß Türke, wir kommen hoch und machen dich fertig!", hätten sie gerufen, erinnerte sich Mahmood und sagte: "Wir hatten zum ersten Mal Angst um unser Leben." Der Mob griff auch einen türkischen Händler mit Eisenstagen an."

2. Die offizielle Einschätzung

"Von einer ausländerfeindlich motivierten Tat wollten die Straf- und Ermittlungsbehörden aber nicht ausgehen. ...

... Thomas Lenz, Staatsekretär des mecklenburg-vorpommerschen Innenministeriums ... Als Triebfeder der Krawalle macht aber auch Lenz nicht Rassismus, sondern "vielmehr Alkohol" aus.

Die Staatsanwältin warf den Tätern schweren Landfriedensbruch und versuchte gefährliche Körperverletzung vor. Wiechmann sagte, einige Angeklagte kämen zwar aus der rechtsextremen Szene, dennoch sei das Motiv nicht Ausländerfeindlichkeit, sondern zu viel Alkohol."


Überraschender- und glücklicherweise stimmt der Bürgermeister in diesen verharmlosenden Tenor nicht mit ein:

"Bützows Bürgermeister Lothar Stroppe war bei der Verhandlung und sagte, er hätte nicht vermutet, Zeuge einer "Suchtberatung" zu werden. Er kennt das Video, für ihn war der Angriff "eindeutig ausländerfeindlich"."

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Der Unsichtbare
überschreibt die taz ihren Online-Artikel über den Rapper Afro Hesse. Ein lesenswerter Artikel über das Leben eines Illegalisierten in Deutschland.

Nachtrag 09.01.10: Durch Unterstützungsaktionen hat Afro Hesse laut taz berlin jetzt eine Duldung.

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Freitag, 29. Februar 2008
Integration wichtiger als Schutz der Ehe
Das Berliner Verwaltungsgericht hat geurteilt, dass für die Familienzusammenführung ausreichende Sprachkenntnisse nachzuweisen sind (via MuB). Wenn ich das Urteil (pdf) richtig verstehe, dann ist das öffentliche Interesse an Integration höher zu bewerten als das individuelle Recht auf Schutz der Familie:

"Das Grundgesetz gewährt den Ehegatten die Freiheit, die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zu führen, indes nicht uneingeschränkt. Die Grundrechtsträger können Eingriffe in ihre Freiheitssphäre nicht abwehren, die zum Schutze öffentlicher Interessen unerlässlich sind und die das Maß der Freiheitsbeschränkung noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit durch die Regelung erwachsenden Vorteile halten."

Die RichterInnen übernehmen in ihre Argumentation (ohne Einzelfallprüfung) den allgemeinen rassistischen Tenor der Integrationsdebatte:

"Es liegt auf der Hand, dass rechtzeitig erworbene Kenntnisse der Sprache des neuen Gastlandes die wünschenswerte schnelle Integration des zuziehenden Ausländers erleichtern können. ... Wer für sich die Entscheidung trifft, künftig in einem anderen Lande zu leben, muss sich darüber im Klaren sein, dass auf ihn gewisse Anpassungs- und Integrationsleistungen zukommen."

Zudem argumentieren sie, dass aus übergeordneten Gründen die Ungleichbehandlung unterschiedlicher Gruppen von AusländerInnen (keine Sprachkentnisse nötig für US AmerikanerInnen, AustralierInnen, KanadierInnen, etc.) gerechtfertigt ist:

"Außenpolitische Rücksichtsnahmen sind geeignet, eine Bevorzugung von Ausländern zu rechtfertigen, auch wenn bei Betrachtungen lediglich der einzelnen Personen eine unterschiedliche Handhabung nicht einleuchtend wäre."

In dieser Betonung von vage formuliertem (rassistisch und heteronormativ geprägtem) öffentlichen Interesse, das wichtiger ist als die grundgesetzlich festgeschriebenen Rechte der Einzelnen, erinnert mich dieses Urteil sehr an den Einbürgerungsprozess, den ich analysiert habe. Auch damals waren die individuellen Interessen unerheblich gegenüber den öffentlichen. Diese Rechtsauffassung lässt mich an der Grundgesetztreue des Rechtsstaats zweifeln.

Das Urteil (pdf) ist durchaus lesenswert, um ein Gefühl für die Argumentationen in diesem Rechtsstaat zu bekommen.

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Sippenhaft
Die deutsche Botschaft in Serbien wurde bei den Ausschreitungen letzte Woche beschädigt. Als Konsequenz (berichtet die SZ) ist jetzt die Konsulatsabteilung für unbestimmte Zeit geschlossen. Das bedeutet, dass alle SerbInnen (unabhängig davon ob sie an den Ausschreitungen beteiligt waren, sie befürworten oder nicht) keine Visa für Deutschland mehr beantragen können. Denn im Gegensatz zu den USA ermöglicht Deutschland es nicht, dass Visas in anderen Botschaften in der Region beantragt werden können.

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Scheinheiligkeit
"Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht im Gefühl vieler Muslime, ausgegrenzt und abgelehnt zu werden, eines der zentralen Probleme der Integrationspolitik. "Muslime sind Teil der Gesellschaft und der gemeinsamen Zukunft", sagte er am Mittwoch in Berlin auf einer Fachkonferenz zum Islambild in Deutschland. Der Islam werde in der Bevölkerung immer stärker mit Fundamentalismus und Fanatismus gleichgesetzt." berichtet die taz.

In seiner Analyse hat Schäuble durchaus recht. Nur sollte er auch dazu sagen, wer ganz massiv daran beteiligt ist, die Islamophobie immer weiter zu schüren: er selbst und seine Partei.

Seine Parteikollegin Kristina Köhler hat bei der gleichen Veranstaltung das wohl auch gleich wieder bestätigt:

"Zugleich forderte sie aber auch, nicht jede kritische Anmerkung gleich als Islamophobie abzutun. So müsse man beim Streit um einen Moscheebau unterscheiden zwischen eindeutig rassistischen Kommentaren von jenen, die den Islam generell ablehnen, und Kritikern, die hinter dem Bau von Moscheen den Ausbau eines Machtanspruchs oder ein politisches Symbol befürchten."

Was meint sie, wo der Unterschied dieser Aussagen ist? Welche sind frei von Islamophobie?

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