Sonntag, 10. Februar 2008
Kunstfreiheit, die 327.
Ein Tatort wird verschoben, da er in Ludwigshafen im "türkischen Millieu" spielt und im realen Ludwigshafen gerade neun türkisch-markierte Menschen bei einer Brandkatasthrope umgekommen sind. Eine durchaus übliche Handlung. Nach Nine Eleven wurden auch keine Filme gezeigt, die Angriffe auf US amerikanische Städte zeigen. Nach dem Tsunami wurde 'Die perfekte Welle' nicht mehr im Radio gespielt.

Aber während es bei letzteren Reaktionen keine erboste Debatte über die Freiheit der Kunst gab, geht jetzt ein Aufschrei durch die deutschen KommentatorInnen. Der Tenor ist in etwa: Die 'TürkInnen' achten unsere Freiheit der Kunst nicht und die political correctness geht eindeutig zu weit. Political correctness scheint sowieso inzwischen nur noch als Schimpfwort verstanden zu werden. Die Interessen von Minderheiten/ Machtlosen scheinen nicht mehr schützenswert zu sein.

In der taz beginnt Susanne Lang ihren Kommentar mit: "Was ist der Unterschied zwischen Menschen mit ostdeutschem, brandenburgischem Hintergrund und Menschen mit türkischem?" und führt dann aus, dass die mit ostdeutschem Hintergrund sich nicht wehren, wenn immer wieder Bilder von kriminellen und provinziellen (die Liste könnte noch ausgeweitet werden: proletarischen, undemokratischen, rechtsextremen, etc.) Ostdeutschen gezeigt werden, während die mit türkischen mittlerweile die demokratischen Mittel der Demonstration und Lobbyarbeit nutzen. Für Lang disqualifiziert das aus einem mir nicht nachvollziehbaren Grund die türkisch-markierten Menschen. Ich hingegen würde mir wünschen, dass auch die Menschen, die als Ossis diskriminiert werden, sich mit demokratischen Mitteln gegen diese Ausgrenzung wehren.

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Empörung in Deutschland
PolitikerInenn und Medien sind verärgert: Die türkischen Medien sprechen vorschnell von einem rassistischen Brandanschlag. Der türkische Ministerpräsident plakatiert und redet türkisch. Türkische ErmittlerInnen sollen die deutschen ergänzen. - So können die 'TürkInnen' doch nicht mit Deutschland umgehen. Die haben uns ja auch nicht sofort unseren Marco ausgeliefert, obwohl der ganz eindeutig unschuldig war und dem türkischen Rechtssystem nicht zu trauen ist. Bei uns hingegen ist es klar, dass wir unfehlbar sind. Daher spricht unsere Bundeskanzlerin auch mit türkisch-markierten SchülerInnen als ob die ein wenig zurückgeblieben wären und rät ihnen: "Selbstbewusstsein. Einfach an euch glauben - das wäre mein Rat." (aus der taz).

Kein Wunder, dass sich türkisch-markierte Menschen andere Identifikationsfiguren suchen. Lukas Wallraff kommentiert in der taz treffend:

"Sicher möchte sich auch Erdogan profilieren - als Vater aller Türken, inklusive jener, die in Deutschland leben. Doch könnte er diese Rolle so erfolgreich spielen, wenn die 2,7 Millionen Deutschtürken zwischen Flensburg und Garmisch wirklich akzeptiert und angenommen würden? ... Wer dafür sorgt, dass hier geborene Migrantenkinder bei Fehlverhalten abgeschoben werden, und wer fremdenfeindliche Wahlkämpfer wie Roland Koch ausdrücklich unterstützt, darf sich nicht wundern, dass sich viele Deutschtürken Erdogan zuwenden."

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Mittwoch, 6. Februar 2008
Ludwigshafen
"In Deutschland ermittelt die Polizei in alle Richtungen. Die Beamten gehen auch der Aussage zweier Kinder nach, wonach ein Unbekannter das Feuer in dem Ludwigshafener Mehrfamilienhaus gelegt haben könnte. Gestern hatte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck gesagt, dass es keine Hinweise auf einen fremdenfeindlichen Anschlag gebe." schreibt tagesschau.de.

Warum sagt Beck sofort nach dem Brand, dass es kein Fremdverschulden gibt, wenn die Ermittlungen noch gar nicht so weit sein können, um das zu beurteilen? Warum sagt er nicht einfach: "zu diesem frühen Zeitpunkt, wissen wir noch überhaupt nicht, wie es zu dem Brand kam" und "ich hoffe sehr, dass es keine Brandstiftung war"?

Nachtrag: Die taz berichtet.

Nachtrag 11.02.08: Heute in der taz:

"Es ist wahrscheinlich, dass der Brand, bei dem neun Menschen getötet wurden, Folge eines Unfalls war: Laut Medienberichten könnten marode Stromleitungen im Keller die Ursache gewesen sein. Die Sonderkommission der Polizei schließt hingegen keine mögliche Brandursache aus, sagte Polizeisprecher Volker Klein: "Wir legen uns nicht fest.""

Was heißt hier wahrscheinlich? Wahrscheinlichkeit größer Null? Oder nahezu sicher?

Umgangssprachlich bedeutet wahrscheinlich nahezu sicher. Und so ist zu vermuten, dass auch die taz das Wort in dieser Bedeutung benutzt. Aber warum ist diese Brandursache so wahrscheinlich, wenn es dafür nur Medienberichte gibt und die Polizei sich nicht festlegt?

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Dienstag, 5. Februar 2008
Vorbilder
Die Stadt Bernstadt hat ihre Mittelschule nach dem Erfinder von 'Hitlers Wunderwaffe' Klaus Riedel benannt.

Die taz berichtet: "Dafür sei der Landkreis zuständig. Und der identifiziere sich nun mal stark mit Klaus Riedel." und führt weiter aus:

"Weyer, der an der Technischen Universität Dortmund forscht, hat sich intensiv mit den Raketenbauern aus der Zeit des Nationalsozialismus beschäftigt. "Klaus Riedel hat zum innersten Führungszirkel in Peenemünde gehört", sagt er. In der dortigen Heeresversuchanstalt wurde die V2 entwickelt. "Er wusste, unter welchen Umständen die Raketen gebaut wurden, und ihm war völlig klar, dass es sich nicht um Weltraumraketen handelte." Eine Schule nach Riedel zu benennen hält Weyer demnach für "unverantwortlich". "Hätte er nach 1945 noch gelebt, hätte man ihn vor ein Kriegsgericht stellen müssen", sagt der Wissenschaftler."

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Vom Angeklagten zum Zeugen zum Angeklagten
Im Dezember 2003 wird Peter Kwasi Gyimah im Abschiebegewahrsam verletzt. Die taz berichtet, was als nächstes geschah:

"Der erste Schritt der Wahrheitssuche war eine Strafanzeige gegen Gyimah: Er habe sich gegen eine Polizeimaßnahme gewehrt. Die Anzeige wurde zurückgezogen. Gyimah selbst erstattete nicht Anzeige gegen die Beamten, da er davon ausging, man würde ihm nicht glauben."

Dann aber beschuldigte ein Mitarbeiter des Abschiebegewahrsams einen anderen, Gyimah geschlagen zu haben. Gyimah wurde als Zeuge geladen und erkannte unter den ZuhörInnen denjenigen, der ihn geschlagen haben soll. Gegen diesen läuft ein Verfahren, das nun ausgesetzt wird, denn Gyimahs Anwältin hat einen Befangenheitsantrag gegen den Richter gestellt. Nicht nur wurde Gyimah die Prozesskostenhilfe verweigert, auch seine Glaubwürdigkeit wurde angezweifelt und der Richter sprach ihn mit "Angeklager" an.

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Probleme abschieben
Diese Überschrift wiederholt sich immer wieder, aber mir fällt keine treffendere ein.

Die taz berichtet über einen jungen Berliner, der für mehrere Straftaten verurteilt wurde und nun in die Türkei abgeschoben werden soll. Mit der verbindet den jungen Mann außer seiner Staatsbürgerschaft wenig. In Berlin fühlt er sich zu hause, dort wurde er straffällig. Dort wurde er aber auch in einem Status des Anderen gehalten:

"Mit 13 kam Serdar in ein Jugendheim, das war der Bruch in seiner Biografie. Es folgten Diebstähle, ständiger Ärger mit den Lehrern, irgendwann der erste Joint. Mit sechzehn muss er eine Aufenthaltsgenehmigung beantragen, denn vorher war sein Status über die Eltern gedeckt. Seine Betreuer versäumen es, seine Papiere einzureichen. Deswegen bekommt er nur noch befristete Aufenthaltsgenehmigungen. Mal für ein Jahr, mal für wenige Wochen."

Auch eine Freundin von mir versäumte es, an ihrem 16. Geburtstag ihre Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen. Dadurch war sie ein paar Wochen oder Monate 'illegal' in Deutschland und so verlor sie zum Beispiel ihren Anspruch auf vereinfachte Einbürgerung. - Praktisch so ein Gesetz.

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Menschen mit AusländerInnenstatus in der DDR
Vor zwei Wochen hatten die Berliner Grünen zu einer Podiumsdiskussion zu 'Ausländern in der DDR' eingeladen. Für mich war das sehr interessant, da ich als 'West-Deutsche' doch sehr wenig über die DDR-Realität mit Polit-EmigrantInnen, VertragsarbeiterInnen, Studierenden, Armeeangehörigen, etc. wusste. Einiges war der BRD recht ähnlich, anderes doch sehr anders.

Die taz hat jetzt einen Bericht über die Veranstaltung veröffentlicht. Allerdings erinnere ich einige Aussagen doch anders als die Autorin Marina Mai. (Und ganz sicher war Thuy Nonnemann keine Vertragsarbeiterin in der DDR. Sie lebte in West-Berlin und hat sich nach der Wende um die vietnamesichen VertragsarbeiterInnen im Osten gekümmert.)

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Die Grenzen der Freizügigkeit
Die EU-Freizügigkeit gilt nicht nur für Staatsangehörige der neuen EU-Länder nicht. Auch Menschen aus den privilegierten Staaten dürfen sich nicht niederlassen, wo sie wollen, wenn sie auf Sozialleistungen angewiesen sind.

Die taz berichtet von einer in Berlin lebenden Künstlerin (französischer Staatsangehörigkeit):

" ... hatte das Amt der EU-Bürgerin mit Abschiebung gedroht. Sollte Artru das Land nicht freiwillig verlassen, werde man ihre "Ausreise in Ihrem Herkunftsstaat Frankreich veranlassen". Deutschland schiebt eine EU-Bürgerin nach Frankreich ab ... Die 43-jährige Künstlerin ist zu arm für Deutschland. Sie muss gehen, weil sie weniger als 600 Euro im Monat verdient."

Wenn sie sich besser mit der Rechtslage ausgekannt hätte und sich um alle Formalia gekümmert hätte, wäre ihr die Ausweisung wohl erspart worden, wie die taz berichtet:

"Hätte sie rechtzeitig eine Steuernummer beim Finanzamt beantragt, wäre sie auf der sicheren Seite gewesen. Stattdessen meldete sie vor längeren Frankreichaufenthalten ganz ordentlich ihren Wohnsitz ab - ohne zu ahnen, dass dies ihre Chancen noch verschlechterte. Denn nur nach fünf Jahren ununterbrochenen Aufenthalts bekommen EU-BürgerInnen automatisch ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht - und Anspruch auf Sozialleistungen. "Man muss sich gut informieren, um in den richtigen Status zu rutschen", sagt die Anwältin, die ihrer Mandantin nun hilft, sich von Frankreich aus auf einen zweiten Anlauf in Deutschland vorzubereiten. Als amtlich gemeldete Künstlerin kann sie nach erneuter Einreise einen zweiten Antrag auf Freizügigkeit stellen."

Aber wer kennt sich mit den Details des Rechtes so aus?

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Freitag, 1. Februar 2008
Fernsehen
Die GEZ kann es einfach nicht glauben, dass ich nicht fernsehe. Immer wieder fragt sie nach.

Die GebühreneintreiberInnen müssen schließlich bezahlt werden (die taz berichtet).

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Mittwoch, 30. Januar 2008
Erster Schritt
"Australien will sich erstmals offiziell bei den Ureinwohnern des Kontinents für erlittenes Unrecht entschuldigen. Die zuständige Ministerin Jenny Macklin kündigte einen entsprechenden Schritt für den Beginn der neuen Legislaturperiode am 13. Februar an." berichtet tagesschau.de.

Nachtrag 15.02.08: Die australische Regierung hat sich entschuldigt, die taz hat berichtet und auch einen Hintergrundartikel veröffentlicht.

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Mal wieder
Wollen Sie denn mal zurück?
Wie, Sie waren noch nie in der Heimat vom Papa?
Ist ja traurig .. Also, wenn Se mich fragen:
So 'ne Herkunft, das prägt eben doch ganz schön.
Ich z.B., ich bin aus Westfalen,
und ich finde,
da gehör' ich auch hin ...


aus: May Ayim "afro-deutsch I
in: Blues in Schwarz Weiss, Orlanda Frauenverlag

Ich habe keine Lust, immer wieder zu erklären, was an den harmlosen Fragen so rassistisch ist.

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Dienstag, 29. Januar 2008
Law and Order ohne Law
In Kärnten hetzt Haider weiter gegen 'AusländerInnen'. Gerade hat er es auf tschetschenische AsylbewerberInnen abgesehen. Mit allen (unlauteren) Mitteln versucht er sie (in andere Teile Österreichs) abzuschieben und bietet dabei die BürgerInnen um Mithilfe. Die Polizei verwehrt sich gegen die rechtsstaatswidrige Einmischung des Landeshauptmanns. ÄrztInnen beklagen pauschale Kollektivstrafen. Haider macht weiter und verbietet auch den Bau von Moscheen. (siehe Bericht der taz).

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Sonntag, 27. Januar 2008
Argumentative Glanzleistungen
Die taz gibt der "Islamkritikerin" Necla Kelek mal wieder drei Seiten, ihre Meinung zu verkünden (online ist nur ein kurzer Ausschnitt). Diesmal argumentiert sie aber so offensichtlich kraus und unfundiert, dass sogar die taz-Interviewer Jan Feddersen und Daniel Bax immer wieder kritisch nachfragen und sie auf Widersprüche ansprechen. (Ihre Antworten wären als Parodie wunderbar lustig, aber ich befürchte, sie sind ernst gemeint.)

Ihre Grundthese ist, wenn ich es recht verstehe, dass die Gewalt von einigen Jugendlichen eindeutig auf den Islam zurückzuführen ist, denn es kann keine Frage der sozialen Unterschichtung und Marginalisierung sein, da: "Aber die Migrantenfamilien sind für mich nicht arm." Sie führt dann aus, dass es Familien gibt, die viel Geld für Hochzeiten ausgeben oder "ihre Familien in der Türkei mit Geld und mit Gold" unterstützen.

Interessant auch ihre Definition von religiös. Die taz fragt: "Aber Gewalt hat nichts mit dem Glauben zu tun, wie der Münchner U-Bahn-Schläger Serkan beweist. Der war nicht religiös." und Kelek widerspricht: "Natürlich war er das. "Religiös" bedeutet in der islamischen Kultur eine Haltung des Dienens und Gehorchens. Was ein Älterer mir sagt, habe ich zu tun! Wenn ein Junge früh auf die Straße geschickt wird, weil er zu Hause nichts zu suchen hat, dann ist das Teil der islamischen Erziehung." Später behauptet sie dann noch: "Und für mich ist das keine Religion, die da in den Moscheen betrieben wird, sondern eine Ideologie." und "Die Moscheevereine sind keine Kirchen, sie bilden keine einheitliche Religion."

So widersprüchlich und unfundiert ihre Aussagen über die 'Muslime' und 'uns' (damit meint sie wohl die 'weißen' christlichen Deutschen und sich selbst) auch sind, ist die Grundaussage doch konsistent und klar: Die 'Muslime' sind böse und 'wir' sind gut. Und alle, die was anderes sagen, sind doof.

Nun gibt es viele Leute, die krause Theorien von sich geben und diese nicht wirklich argumentativ untermauern können. Das ist nun mal so. Die Frage ist, warum wird einigen von diesen soviel Öffentlichkeit zuteil? Warum bringt die taz in einer Woche einen ganzseitigen Artikel von Kelek, in dem sie Vorurteile über die AlevitInnen bestärkt (siehe hier), und dann noch dieses dreiseitige Interview?

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