Sonntag, 20. Januar 2013
Demonstration des Indischen Frauenvereins


Der Indische Frauenverein hatte letzten Freitag zu einer Demonstration zur Unterstützung der Proteste in Indien gegen Gewalt gegen Frauen aufgerufen. Soweit ich es verfolgen konnte, lief die Werbung einmal über Kontakte zu anderen indischen Vereinen und über die Facebook-Gruppe Berliner InderKinder (darüber habe ich davon mitbekommen). Um 10.00 Uhr früh versammelte sich dann aber nur eine kleine Gruppe von etwa 35 engagierten Demonstrierenden am Leipziger Platz. Dies waren überwiegend ältere indische Migrantinnen und Migranten und wenige jüngere. Sie zogen gemeinsam zur indischen Botschaft und skandierten dabei Slogans gegen Vergewaltigung und zum Schutz von Frauen.



An der Botschaft überreichten sie dann der Botschafterin eine Petition.

Mir waren die Forderungen der Petition und der Slogans zu wenig radikal bzw. zu sehr in der heteronormativen Ordnung verhaftet. Aber ich habe auch nicht ausprobiert, ob nicht radikalere Forderungen und Slogans wie "Down with patriarchy" Unterstützung gefunden hätten.

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Berufsberatung
Ein taz-Porträt von drei Frauen, die bei Schlecker gearbeitet hatten und jetzt neue Jobs brauchen, wirft ein Licht auf die Qualität von Berufsberatung:

"Yvonne Bruder kommt aus dem Vogtland, nach der Wende wollte die Abiturientin Lehrerin werden. Doch sagte man ihr bei der Berufsberatung eine Lehrerschwemme voraus. „Ich habe mich abbringen lassen“, erinnert sie sich. Yvonne Bruder orientierte sich um, wurde Trainee bei Schlecker."

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Weniger Geld für 'Ausländer'
In einem taz berlin-Interview erzählt der Konrektor Raúl Herrera, dass Lehrer_innen, die "woanders studiert haben oder keine Deutschen sind" weniger verdienen als ihre Kolleg_innen, die nicht in diese Kategorie fallen. Als er sich über die geringere Bezahlung beschwert hat, bekomm er vom Oberschulrat die Antwort:

"Er hat sehr darauf abgehoben, dass ich in Chile studiert habe – kein Wort davon, dass ich hier promoviert habe und hier in Berlin ein voll anerkannter Lehrer bin."

Tolle Logik.

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Donnerstag, 17. Januar 2013
EU-Flüchtlingspolitik
Die taz berichtet:

"Eine geplante Aufnahmerichtlinie der EU erleichtert es, Asylbewerber zu inhaftieren. Auch Deutschland will sie in Brüssel jetzt durchwinken."

Wer in das UN-Resettlement-Programm bekommt hat dagegen geradezu menschliche Lebensbedingungen. Die taz dokumentiert die Stationen eines "Flüchtlings erster Klasse" aus dem UN-Lager Choucha an der tunesisch-libyschen Grenze über das Übergangslager Friedland in das Flüchtlingsheim Marienfelde. Deutschland hat nur 195 von 4000 Menschen aus Coucha aufgenommen.

"Im November ist Gatoni nach Nürnberg gereist, wo der UNHCR eine Konferenz über Resettlement abhielt. „Ich habe gesagt, dass sie auch die anderen Flüchtlinge aus Choucha rausholen müssen.“ Genutzt hat es nichts: Der UNHCR wird das Lager bald schließen. "

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Viele Stimmen
Alke Wierth hat für die taz berlin Vertreter_innen eines neuen Dachverbands von Roma-Selbstorganisationen 'Rromano-Bündnis' zu diesem Dachverband interviewt (online finde ich das Interview nicht).

Milan Pavlovic vom Rroma-Informations-Centrum sagt darin:

"Es nervt, dass die Mehrheitsgesellschaft immer erwartet, dass wir mit einer Stimem sprechen müssen, uns nicht streiten dürfen. Auch Geschwister streiten. Das ist naütrlich. Im deutschen Parlament streiten die Leute sich täglich [...] Streiten ist produktiv für die Zusammenarbeit."

Gut gesagt. Auch Ausgegrenzte haben Meinungsvielfalt!

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Dienstag, 15. Januar 2013
Worte und Machtverhältnisse
In der erbitterten Debatte darüber, ob rassistische Begriffe in Kinderbüchern geändert werden dürfen, kommt immer wieder das (Pro-)Argument, dass die Begriffe beim Schreiben nicht rassistisch gewesen seien, sie es jetzt aber seien und daher eine Modernisierung notwendig sei. Diese Argumentationsschiene habe ich bisher nicht verstanden, weil die Worte in meinem Verständnis schon immer rassistisch waren. Ein Pro-Artikel des Schriftstellers Jakob Hein in der taz hilft mir dabei, diese Logik nachzuvollziehen. Hein schreibt:

"So ist „Neger“ 2013 zweifellos ein rassistisches Wort in der deutschen Sprache. Über das Wort ist viel zu sagen, insbesondere dass es vor einigen Jahrzehnten kein rassistisches Wort war. Die Kultur in Deutschland war damals rassistischer, sie war auch sexistischer und weniger demokratisch. Das kann dem Wort nicht angelastet werden. „Neger“ war damals so wenig rassistisch, wie „Fräulein“ nicht sexistisch war. Die Zeiten haben sich millimeterweise geändert, die fünf Buchstaben N-e-g-e-r konnten das nicht. Sie stehen zusammen als ein Wort, das aus der Zeit gefallen ist. "

Hein stellt fest, dass das N-Wort heute rassistisch ist und das Fräulein sexistisch (so verstehe ich ihn zumindest). Ausserdem stellt er fest, dass (die) Deutschland(e?) vor einigen Jahrzehnten rassistischer und sexistischer war(en) als heute (dem würde ich zustimmen). Er behauptet aber die beiden Worte waren damals nicht rassistisch und sexistisch. Wie kommt er zu der Schlussfolgerung?

Ich vermute, dass weil Kritik an den Begriffen (und den durch sie reproduzierten Machtverhältnisse) von der zeitgenössischen Öffentlichkeit nicht wahrgenommen wurde, (fast) alle die Begriffe als selbstverständlich und normal wahrgenommen haben und daher kritiklos genutzt haben, die Begriffe deshalb noch heute von Hein und anderen als in der Zeit nicht rassisitisch oder sexistisch verstanden werden. Oder anders formuliert: Was normal war und von (fast) allen benutzt wurde, kann nicht rassistisch/ sexistisch/ etc. gewesen sein. Aus der machtkritischen Theorie kommend, argumentiere ich genau anders herum, die Normalität der Verwendung zeigt, dass die Begriffe die gesellschaftlich legitimierten Machtverhältnisse (re)produzieren. Die Begriffe sind nicht unschuldig, sondern bilden diese Machtverhältnisse ab und produzieren sie.

In der Argumentation die Begriffe seien nicht -istisch gewesen, steckt wahrscheinlich auch der Wunsch die Menschen, die damals die Begriffe benutzt haben, vor dem Vorwurf sie seien -Isten gewesen, zu bewahren. In diesem Wunsch scheint mir wieder das Missverständnis zu stecken, dass Menschen, die -istische Begriffe nutzen, deswegen böse willentlich handelnde -Isten seien. So würde ich aber nicht argumentieren. Preußler und Lindgren können durchaus überzeugte Anti-Rassist_innen gewesen sein (ich weiss über die beiden zu wenig, um das zu beurteilen) und trotzdem Rassismus reproduzierende Begriffe benutzt haben. Eben weil dies normal war und es eine besondere Offenheit brauchte, den rassistischen Gehalt zu erkennen und damit kritisch umzugehen.

Wir alle nutzen immer wieder -istische Begriffe. Häufig ohne das zu wollen, weil wir den -istischen Gehalt zu wenig wahrnehmen. Bei manchen -Ismen sind wir potentiell vorsichtiger als bei anderen. Ich nehme aber an, dass es kaum Personen gibt, die wirklich alle -Ismen immer auf dem Schirm haben und gar keine -istischen Begriffe oder Formulierungen benutzen.

Wenn ich dafür plädiere, dass -istische Begriffe aus Kinderbüchern verschwinden sollen, geht es mir nicht darum die Autor_innen dieser Bücher als -Isten zu kategoriseren. Mir geht es darum, dass Kinder möglichst wenige -Ismen lernen. Dazu nochmal ein Hein-Zitat:

"Die Kindheit ist eine prägende Zeit. Hier wird das Grundgerüst der Werte, Normen und auch der Worte angelegt. "

Und noch eine kurze Bemerkung zu Heins Artikel: Mir gefällt, dass er davon spricht, dass hier eine Abwägung von zwei Prinzipien (Rassismuskritik und Zensurkritik) vorzunehmen ist. Denn das nimmt beides ernst und zeigt, dass es keine einfachen Lösungen gibt und Entscheidungen notwendig sind.

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Body-Mass-Index
In der heutigen Print-taz (online finde ich den Artikel nicht) wird über den Lehrer Arne Ulbricht berichtet, der gegen seinen Beamtenstatus gekämpft hat und jetzt wieder Angestellter wird (mit weniger Gehalt). Diesen Schritt versteht Ulbricht auch als einen Akt der Solidarität mit Menschen, die nicht verbeamtet werden können (aus diversen Gründen).

Einer der Gründe, die gegen Verbeamtung sprechen, ist ein zu hoher Body-Mass-Index in der Gesundheitsprüfung. Ulbricht sagt dazu laut taz:

"Ich habe Kollegen, die nur deswegen nicht verbeamtet werden können, weil sie zu dick sind. Obwohl sie tolle Lehrer sind. ... Da hört für mich jedes Verständnis auf."

Ich habe auch eine Kollegin, die vor ihrer Gesundheitsprüfung sehr auf ihr Gewicht achtet, damit ihr die Verbeamtung nicht verwehrt wird.

Verstösst so eine Überprüfung nicht gegen dass AGG? Warum darf der Staat auf Grund (von angenommener) gesundheitlicher Beeinträchtigung ausgrenzen?

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Donnerstag, 10. Januar 2013
Journalist des Jahres 2012
Laut taz hat Reporter ohne Grenzen Mazen Darwish zum Journalisten des Jahres 2012 ernannt. Mazen Darwish wurde mit Kolleg_innen (darunter auch Razan Ghazzawi und Hussein Ghreer) im Februar letzten Jahres in Syrien festgenommen. Während Razan aus dem Gefängnis entlassen wurde, sind sowohl Mazen Darwish wie Hussein immer noch inhaftiert.

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Samstag, 5. Januar 2013
Und es tut sich was
Die taz berichtet, dass rassismuskritische Intervention(en) dazu geführt haben, dass die neue Auflage von 'Die kleine Hexe' ohne rassistische Begriffe erscheinen soll.

Diese Änderung produziert natürlich viel Kritik. Vorallem scheint argumentiert zu werden, dass mensch literarische Klassiker nicht ändern sollte. Und grundsätzlich würde ich dem zustimmen. Rassismen in literarischen Klassikern sind ein Ausdruck ihrer Zeit und sollten als solche stehen bleiben. Aber nicht in Kinderbüchern. Kinder lernen unter anderem durch Bücher die Welt kennen und entwickeln Selbstentwürfe. Sie können das Gehörte noch nicht kritisch reflektieren, daher sollten sie mit möglichst wenigen Rassimus-, (Hetero)Sexismus-, etc.-Reproduktionen konfrontiert werden. Es ist nicht egal, mit welchen (Sprach)Bildern Kinder konfrontiert werden.

Eine andere Kritik behauptet, dass die rassistischen Begriffe zur Zeit des Schreibens neutral gewesen sein. Da scheint mir neutral mit normal verwechselt zu werden. Die Verwendung der rassistischen Begrife belegt sicher die Normalität dieser Rassismusreproduktionen zur Zeit des Schreibens, aber sicher nicht deren Neutralität. Europäischer Rassismus ist insbesondere durch die Aufklärung und im Laufe des Kolonialismus legitimiert und normalisiert worden - und hat sich auch in der Sprache niedergeschlagen. Das N-Wort war schon immer mit Abwertung und Ausgrenzung verbunden.

Warum in der Print-taz, das N-Wort im Titel des Artikels vorkommen muss und im Artikel so häufig ausgeschrieben werden muss, verstehe ich nicht. Ich finde es ok, es zu zitieren, damit auch Leser_innen, die nicht in den Debatten drin sind, verstehen worum es geht. Aber es muss nicht so häufig wiederholt werden.

Ausserdem ärgert es mich, dass in der Print-taz die Kritik an Rassismus in Kinderbüchern auf Wolfgang Benz zurückgeführt wird, obwohl es schon vor seiner Intervention eine intensive Auseinandersetzung dazu gab (vergleiche meinen älteren Blogeintrag).

Nachtrag kurz darauf: Die Kommentare zum taz-Artikel sind furchtbar. Warum regen sich die Leute so über die Änderung auf? Fühlen sie sich persönlich angegriffen? Fühlen sie sich in ihren Privilegien angegriffen? Es ist spannend, welche Themen zu welchen Gefühlsausbrüchen führen und welche nicht.

Nachtrag 12.01.13: Heute in der Print-taz eine ganze Seite Leser_innenbriefe zur 'Kleinen Hexe' (pro und contra), ein Artikel von Anna Klöpper "Zensur in Kinderüchern" (das ist der Titel des Online-Artikels und der ist contra) und ein Kommentar von Daniel Bax (pro).

Wahnsinn was für ein Aufreger (auch oder gerade unter taz-Leser_innen und -Redakteur_innen), das Streichen des N-Worts ist. Da zeigt sich, wie wichtig und schwierig die Debatte ist. In den Contra-Stimmen fehlt mir das Bewusstsein, dass Kinder durch Kinderbücher die Welt, die Sprache und sich kennenlernen. Es wird so getan, als ob Kinder schon kritisch-historisch reflektieren könenn. Klöpper behautptet gar, dass diskriminierende Sprache in Kinderbüchern zu einer Sensibilisierung für Diskriminierungen führen kann. Dem kann ich so gar nicht folgen. Was erstmal als normal gelernt wird, muss mit viel Aufwand wieder verlernt werden. Warum dann erst lernen.

Aber auch Bax Argumentation finde ich nicht sehr überzeugend. Bei ihm geht es um Modernisierung von Sprache und darum, dass Kinder die veraltete Sprache nicht mehr verstehen würden. Meine Kritik gilt aber nicht veralteter Sprache sondern diskriminierender Sprache. Die diskriminierenden Worte waren auch früher nicht unproblematisch.

Bax letzten Absatz kann ich mich aber anschliessen:

"Angesichts dessen erstaunt die Wut, die die bloße Ankündigung eines Verlags, ein paar Details in einem Kinderbuch zu verändern, ausgelöst hat. In der Verbissenheit, mit der mache an Begriffen wie "Neger" festhalten wollen, scheint eine seltsame Sehnsucht nach der vermeintlich "guten alten Zeit" durch, als man solche Worte noch ungehemmt verwenden durfte. Man sollte bei solch unkritischer Nostalgie aber nicht vergessen, dass unverheiratete Frauen damals auch noch "Fräulein" genannt wurden, Abtreibungen verboten und Altnazis noch überall in Amt und Würden waren."

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Freitag, 4. Januar 2013
Kino: Weil ich schöner bin
Ein Spielfilm über ein 13jähriges Mädchen in Berlin, das die gleichen Themen, Probleme und Wünsche hat wie andere Jugendliche in der Stadt. Und dazu ein weiteres: sie lebt mit ihrer Mutter und Freund_innen ohne Aufenthaltspapiere in Deutschland. Von der Polizei geht Gefahr aus, auf dem Gymnasium kann sie nicht angemeldet werden, ihre Mutter wird verhaftet - und von all dem kann sie ihrer besten Freundin nichts erzählen. Sehr sehenswert: "Weil ich schöner bin"

Mehr Informationen zum Film auf weilichschoenerbin.de.

Zu sehen (laut Webseite):

Ab 27. Dezember 2012 in den folgenden Kinos:

Filmtheater am Friedrichshain (Berlin)
Kant Kino (Berlin)
Moviemento (Berlin)
Casablanca (Dresden)
Casablanca (Nürnberg)

Ab 03. Januar 2013 in den folgenden Kinos:

3001 Kino (Hamburg) Am Sonntag den 06.01. in Anwesenheit von Frieder Schlaich

Ab 10. Januar 2013 in den folgenden Kinos:

Filmpalette (Köln) Am Sonntag den 13.01. in Anwesenheit von Frieder Schlaich
b-ware! ladenkino (Berlin)

Ab 17. Januar 2013 in den folgenden Kinos:

Babylon (Berlin)

Ab 24. Januar 2013 in den folgenden Kinos:

Scharfrichter-Kino (Passau)

Ab 07. Februar 2013 in den folgenden Kinos:

Filmkunsttheater (Marburg)

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Prekäre Selbständige
Immer wieder wird von Erwerbslosen gefordert, initiativ zu sein, sich zu engagieren, etwas dazu beizutragen, dass sie wieder Geld verdienen wollen.

Gleichzeitig soll alles ganz billig sein (oder zumindest ganz vieles - es gibt auch Bereiche, da kann es gar nicht teuer genug sein). Egal ob Haarschnitt oder Bildungsveranstaltung, die Preise werden gedrückt. So gibt es eine Vielzahl von Berufen, wo mit eigener Arbeit nur ein geringes Einkommen erwirtschaftet werden kann (und andere davon profitieren).

Wenn sich mensch aber in einem solchen Berufsfeld selbständig macht, das Risiko auf sich nimmt und ackert, um wenig zu verdienen, dann gibt es von denen, die ein sicheres Einkommen haben (bzw. in Feldern arbeiten, wo es eine große Zahlungsbereitschaft gibt), noch Hämme dazu. Dann wird die Selbständigkeit in Frage gestellt.

Konkret geht es gerade um die selbständigen Aufstocker von Hartz IV (siehe taz-Bericht). Diesen wird vorgeworfen, dass das Aufstocken wohl zum Geschäftsmodell gehöre und dass dies nicht gehe. Aber was ist denn die Alternative? Nicht arbeiten, weil die Gesellschaft nicht bereit ist, ordentliche Preise zu bezahlen? Das wird gesellschaftlich sicher nicht billiger, denn dann wären viele ganz auf Hartz IV angewiesen und die Gesellschaft um einige Dienstleistungen ärmer.

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Gegen Gewalt gegen Frauen
Seit der Massenvergewaltigung einer jungen Frau in Delhi Mitte Dezember gibt es beständige Proteste in Indien gegen Gewalt gegen Frauen (für Berichte aus einer machtkritischen Perspektive siehe den Blog kafila). Gewalt gegen Frauen ist ein alltägliches Problem in Indien (siehe meinen Blogeintrag vom letzten Frühjahr). Gesetze dagegen gibt es, aber diese werden nicht durchgesetzt. Es ist also viel zu tun und es gibt viele Aktivist_innen, die sich schon lange dafür einsetzen.

Im konkreten Fall waren die Proteste so beständig und öffentlich, dass nicht nur die indische Politik darauf reagieren musste sondern auch die westlichen Medien aufgegriffen haben. Dabei dominiert allerdings die Sicht, dass Gewalt gegen Frauen ein Zeichen von traditionellen/ rückständigen/ nicht so fortschrittlichen Gesellschaften wie wir sei. Das ist höchst problematisch, denn auch in Deutschland ist Gewalt gegen Frauen ein Thema, das nicht ausreichend Öffentlichkeit bekommt. Auch hier muss eine Frau, die eine Vergewaltigung oder sexuellen Übergriff anzeigt, damit rechnen, nicht ernst genommen zu werden, erniedrigt zu werden. Die Bestrafung von Tätern ist alles andere als wahrscheinlcih.

Margarete Stokowski zeigt in einem taz-Kommentar diese Verbindung zwischen Indien und Deutschland auf:

"Die Reaktionen in Indien sollten uns ein Beispiel sein."

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Samstag, 22. Dezember 2012
Ausbeutung und Aufenthaltsstatus
Die aktuelle sonntaz berichtet über die Ausbeutung von polnischen Arbeitnehmer_innen auf einem Berliner Weihnachtsmarkt. Justyna Traszkowska und Martyna Szubert gehen dagegen nun vor. Dabei hilft ihnen ihre EU-Staatsbürger_innenschaft. Andere haben dieses Privileg nicht. In einem Hintergrundartikel zitiert die taz Nivedita Prasad:

""Unser Tipp ist: Arbeitgeber sollten gar nicht erst erfahren, dass man keine Papiere hat." Sonst würden die Zahlungen sofort eingestellt. Prasad: "Die Arbeitgeber wissen, dass ein Mensch ohne Papiere nie zum Gericht gehen wird." Weil sonst der Arbeitgeber den Behörden Bescheid sagt, die dann beim Gerichtstermin auftauchen - um die Opfer der Ausbeutung abzuschieben."

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Ismen reproduzieren oder nicht
Die rechtskonservative Ministerin Schröder scheint der Zeit ein Interview zu Erziehungsfragen gegeben zu haben (siehe taz). Darin hat sie wohl gesagt, dass sie Sexismen und Rassismen, die in Kinderbüchern vorkommen, ihrer Tochter nicht unbedingt so vorliest, sondern beim Lesen Änderungen vornimmt. Die taz berichtet nun, dass es in der Union dagegen Widerstand gibt:

" „Dieser verkopfte Quatsch macht mich sprachlos“, stöhnte Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) in der Bild-Zeitung. Sie finde „es traurig, wenn unseren Kindern aus lauter Unsicherheit vor Political Correctness die starken Bilder genommen werden, die für ihre Fantasie so wichtig sind“. "

und dass der ISD Schröders Aussagen begrüßt:

"„Sehr begrüßenswert“ nannte Tahir Della, Vorstand der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD), die Äußerungen der Ministerin, „zumal sie aus einem politischen Lager kommen, aus dem man das nicht erwartet. Es ist wichtig, Sprache und Begriffe in historischen Texten kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls zu ersetzen.“ "

Im taz-Kommentar verweist Daniel Bax darauf:

"Auch linke und liberale Kulturschaffende tun sich hierzulande sehr schwer damit, die eigenen Traditionen kritisch zu hinterfragen, wie die anhaltenden Debatten um schwarze Figuren und „Blackfacing“ an deutschen Theatern gezeigt haben. "

Allerdings erwähnt er nicht, dass es vor wenigen Tagen einen Kommentar in der Print-taz gab, der Schröders Aussagen lächerlich gemacht hat und sich für das Beibehalten von Ismen in Kinderbüchern ausgesprochen hat. Da ich diesen Kommentar nicht online gefunden habe, habe ich noch nicht dazu geschrieben und erinnere mich jetzt auch nicht an den Namen der Autorin. Bax Kritik sollte sich aber auch explizit an die taz wenden.

Ansonsten stimme ich Bax zu:

"Wirklich überzeugend wäre ihr [Schröders] Sinneswandel aber erst, wenn sie sich von den ultrakonservativen Diskursen verabschieden würde, mit denen sie bisher aufgefallen ist. Dann wäre auch ihr Einsatz gegen Rassismus glaubwürdiger."

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Ein Rassismusproblem
Wer das taz-Interview mit dem Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei Bernhard Witthaut liest, kann klar erkennen, dass die Polizei ein strukturelles Problem mit Rassismus hat. Da wird dann auch klar warum Wissenschaftler_innen an Polizeiakademien , die sehen, dass es strukturelle Probleme gibt, diese nicht als Rassismus bezeichnen (können).

Witthaut weist im taz-Interview vehement von sich, dass es institutionellen Rassismus bei der Polizei gibt. Er sagt, dass vorsichtig mit dem Begriff Rassismus umzugehen sei, definiert aber nicht, was er darunter versteht. So kann ich nicht auf sein Verständnis eingehen und nur mit meinem arbeiten. Und da finde ich so einiges problematisches in dem Interview.

Vertrauen von 'Migrant_innen' will Witthaut durch interkulturelle Kompetenz erreichen. Das verschiebt das Problem nicht nur von rassistischer Ausgrenzung zu angeblichen kulturellen Missverständnissen sondern schreibt den 'Migrant_innen' auch eine andere Kultur zu.

Auf die Frage

"Im Rahmen der NSU-Affäre wurde bekannt, dass zwei Polizisten in Baden-Württemberg mal beim Ku-Klux-Klan waren. Muss die demokratische Einstellung von Bewerbern stärker kontrolliert werden?"

antwortet Witthaut mit:

"Bei der Polizei gibt es keine Gesinnungstests."

Das lässt mich doch sehr schlucken. In der Frage ging es um die demokratische Einstellung, nicht darum eine bestimmte politische Meinung zu haben. Eine demokratische 'Gesinnung' sollte doch Grundvorraussetzung für Polizist_innen in einem demokratischen Rechtsstaat sein, oder?

Dann führt Witthaut aus, warum er racial profiling für unproblematisch hält. Das käme aus dem Erfahrungswissen der Polizist_innen, die dies anwenden müssten (siehe dazu kritisch die Professorin der Polizeiakademie). Und kommt dann mit seinem ganz persönlichen Erfahrungswissen, das rassistische Bilder reproduziert, ganze Menschengruppen kriminalisiert und das in keinster Weise reflektiert:

"In der Region, aus der ich komme, gibt es zum Beispiel ein Asylbewerberheim, von dem die Polizei weiß, dass da mit Rauschgift gehandelt wird. Da leben viele Menschen aus afrikanischen Ländern, von ihnen bestimmen viele die Drogenszene. Wenn ein Polizist dann so jemanden am Bahnhof in Osnabrück sieht, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Stoff dabei hat, ziemlich hoch. Ob der Betroffene das als diskriminierend empfindet oder lediglich sauer ist, dass die Polizei seine Drogengeschäfte vereitelt hat, mag dahingestellt sein."

Und kommt dann noch mit dem scheinheilligen Totschlagargument:

"Wenn ich nichts zu verbergen habe, dann kann ich mich ja auch kontrollieren lassen, oder? "

Natürlich nicht. Wenn ich nichts zu verbergen haben, aber ständig so behandelt werde, als ob ich kriminell wäre, dann ist das überaus diskriminierend und ausgrenzend. Ausgrenzungen sieht aber Witthaut, wenn eine neutrale Stelle polizeiliches Fehlverhalten kontrollieren würde:

"Aber ich finde es falsch, die Polizei unter einen Pauschalverdacht zu stellen. Und das wird mit so einer Beschwerdestelle suggeriert."

Dabei, wenn die Polizei nichts zu verbergen hätte, dann wäre doch so eine Kontrolle ... oder gilt hier irgendwie eine andere Argumentation?

Im weiteren verschiebt Witthaut das Thema von institutionellen Rassismus in der Polizei zu Rechtsextremismus, der natürlich außerhalb der Polizei ist, und verweist auf die gewerkschaftliche Bildungsarbeit gegen Rechts. Ende der 1990er habe ich auch mal so ein Seminar angeleitet, das völlig in die Hose ging. Wir Teamer_innen habe ein Seminar über die eigenen Verstrickungen in Rassismus vorbereitet und die Gewerkschaft hat angekündigt, dass die Grenzschützer_innen was über Rechtsextremismus erfahren. Das konnte nur schief gehen.

Aber zurück zum Interview, dass Witthaut mit einem rassistischen Bild abschliesst. Auif die Frage, warum es so wenige Polizist_innen mit dem sogenannten Migrationshintergrund gibt, antwortet er doch tatsächlich:

"Unsere Anforderungen sind hoch, auch die gesundheitlichen. Aber wir sind dagegen, das Niveau der Einstellungstests abzusenken, denn wir wollen keine Polizisten zweiter Klasse schaffen. "

Auf die Frage bezogen, kann das nur heissen, dass Witthaut meint, dass die mit dem Migrationshintergrund weniger qualifiziert (auch gesundheitlich) sind als die ohne. Wie kommt er auf die Idee?

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