Mittwoch, 8. Juli 2009
Gender schwierig
In einem taz-Kommentar zur Affäre um die Ex-Präsidentin der Hamburger Universität Monika Auweter-Kurz schreibt Micha Brumlik sehr richtig:

"Feministisch gesonnene BeobachterInnen werden zu Recht bemerken, dass es ungerecht und typisch ist, dass von vielen ähnlich machtbesessenen Universitätspräsidenten nun gerade eine Frau als erste abgesetzt wurde."

Feministisch gesonne Beobachter_innen wundern sich zudem über die (Nicht-)Verwendung des Binnen-Is in dem Kommentar:

"Gleichwohl trauen sich noch keine aktiven Politiker aus ihrem Mauseloch ... So die Nochbundeswissenschaftsministerin Schavan"

"bei der Einstufung von Professoren ...Auch die Präsidentin der Universität Potsdam"

"politisch unerfahrene, vor allem Laborluft atmende Forscher, also weltfremde ForscherInnen führen können"

"Progressive BildungspolitikerInnen"

"Damit die Universitäten künftig nicht mehr von PräsidentInnen, die von der Jagd nach Drittmitteln besessen sind, geleitet werden. Sondern wieder von Rektoren, Primis inter Pares, Ersten unter Gleichen, die im Konsens agieren."


Was will uns der Autor mit der gelegentlichen Nutzung des Binnen-Is sagen?

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Islamophobie jetzt offiziell?
Die Ermordung einer kopftuchtragenden Frau im Dresdner Landgericht lässt jetzt doch tatsächlich Menschen vermuten, dass es gewalttätige Islamophie in Deutschland gibt wie die taz berichtet:

""Dieser Anschlag wurde möglicherweise atmosphärisch durch eine Hassszene im Internet vorbereitet und durch problematische Tendenzen unter bestimmten Intellektuellen, die bis in die Mitte der Gesellschaft reichen", sagte Wissenschaftler Widmann. Dennoch würde das Thema Islamfeindlichkeit in der Öffentlichkeit bislang kaum diskutiert."

Ich denke, dass bereits die Beleidigungen, die zu dem Gerichtsverfahren geführt haben, ausreichend Islamophobie belegen.

Nachtrag 15.07.09: Laut taz behauptet der SPD-Kanzlerkandidat:

"Deutschland unternehme alles, um solche Verbrechen zu verhindern, schrieb Steinmeier an seinen ägyptischen Amtskollegen Ali Abul-Gheit."

Nachtrag 16.07.09: Und noch ein Zitat aus der taz von Karim El-Gawahary:

"Die heftige ägyptische Reaktion stößt in Deutschland auf ein größeres Interesse als das Verbrechen im Dresdner Landesgerichtes. Ein deutscher Radiosender rief gerade an. "Wie sehr sind nun deutsche Touristen in Ägypten gefährdet?", so die Frage des Moderators. Also sind doch die anderen wieder böse. Und damit wären wir wieder beim Anfang."

Nachtrag 18.07.09: Im taz-Interview analysiert Medienwissenschaftlerin Sabine Schiffer die Reaktionen der Politik auf den Mord.

Nachtrag 27.07.09: Die taz dokumentiert das Desinteresse von Dresdner_innen an dem islamophoben Mord sowie die Verschiebung der Verantwortung zu den 'Anderen':

""Ich hab den noch nicht einmal gesehen oder gehört", sagt die Nachbarin direkt nebenan. "Und das interessiert mich alles auch nicht. Es sterben so viele Menschen, warum wird da jetzt so ein Aufhebens gemacht?" Sie sieht die Sache so: "Das kommt davon, wenn das hier immer mehr zum Ausländergetto wird." Es ist eine Form der Schuldabwehr, die man von vielen hören kann: Nicht wir Deutschen sind schuld, sondern die Fremden, die ihre Konflikte hierhergetragen haben."

und

"Die Kioskverkäuferin hat ihre ganz eigene Sicht auf den Mord an Marwa El Sherbini. Der Täter sei ja ein Russe gewesen, und man wisse doch, dass die immer schnell ein Messer zur Hand hätten. Vielleicht seien ja auch Drogen im Spiel gewesen, auch das kenne man ja von denen. Abgesehen davon werde das alles doch viel zu sehr aufgebauscht. "Die ganzen Ehrenmorde der Moslems", sagt sie, "da kräht doch kein Hahn danach. Bevor die hier eingebürgert werden, sollten sie erst einmal unterschreiben, dass sie nach unseren Gesetzen leben und so was hier verboten ist." "

Ähnliche Zuschreibungen über 'Russlanddeutsche' hatte ich auch schon in meiner Familie hören müssen. Damit sind die 'Deutschen' natürlich fein raus.

Nachtrag 02.11.09: Letzte Woche hat der Prozess im Mordfall Marwa El Sherbini begonnen (siehe z.B. in der taz). Werner Schiffauer benennt im Interview der Frankfurter Rundschau (via antropologi.info) als Ursache den Rassismus aus der Mitte der Gesellschaft und nimmt hier auch auf Sarrazin Bezug.

Der Bruder der Toten ist laut taz darüber verbittert, dass so viel unter en Teppich gekehrt wird, insbesondere die Rolle des Polizisten der auf den Ehemann geschossen hat.

""Wir versuchen herauszufinden, was mit dem Polizisten geschehen ist, und wir wollen auch, dass das Gericht selbst zur Verantwortung gezogen wird. Aber uns wird immer nur erklärt, das Ganze sei noch anhängig - und das über drei Monate nach dem Vorfall", sagt El Sherbini verärgert. "Schließlich ist Marwa nicht in einem Supermarkt, sondern in einem Gericht ermordet worden, und niemand will sich dem stellen. Das Ganze soll einzig die Verantwortung des Mörders sein", wettert er."

Nachtrag 09.11.09: Die taz hat einen langen Artikel über den Täter veröffentlicht.

Nachtrag 17.11.09: Der Mörder ist zu lebenslänglicher Haft verurteilt und die Dominanzgesellschaft so wieder gereinigt. In einem taz-Kommentar jubiliert Sabine am Orde:

"Es sendet auch eine klare Botschaft aus: Tödliche Islamfeindlichkeit wird hierzulande nicht geduldet.

Das Dresdner Landgericht hat damit sein eigenes Ansehen wiederhergestellt, vor allem bei den Muslimen in Deutschland und in der arabischen Welt."

Es mag schon sein, dass Ansehen irgendwie wieder hergestellt wurde. Einige befürchten ja, dass es nur darum ging. Eine Botschaft dafür, dass tödliche Islamfeindlichkeit in Deutschland nicht geduldet wird, das sehe ich allerdings nicht. Der 'Russe' konnte gut geopfert werden, ansonsten hat sich nicht viel geändert.

Nachtrag 20.11.09: In Göttingen wurde wie die taz berichtet eine kopftuchtragende Muslima körperlich angegriffen. So einmalig sind die Übergriffe gegen Kopftuchträgerinnen wohl nicht. Aber nur wenige machen es öffentlich:

"Die 24-Jährige offenbarte sich nach dem Angriff ihrer Mutter. Diese ist Mitglied im Braunschweiger Ausschuss für Integrationsfragen und meldete den Vorfall der Polizei. "Anfangs stand meine Tochter unter Schock, aber jetzt geht es wieder gut", sagte die Mutter der taz. "Sie versucht es zu verdrängen." Erst seit Mittwoch spreche die junge Frau offen über den Angriff. "Es ist nicht das erste Mal, dass meine Tochter von Rechtsextremen angegriffen wurde", so die Mutter weiter."

Nachtrag 03.01.10: Die Ermittlungen gegen den Polizisten wurden eingestellt wie die taz berichtet.

Nachtrag 25.01.10: Hilal Sezgin schreibt über offen Frage in der taz.

Nachtrag 03.07.10: Die taz berichtet über die Situation ein Jahr nach dem Mord. Sabine am Orde schreibt einen kritischen Kommentar über die Reaktionen der Dominanzgesellschaft.

Nachtrag 05.08.10: Die taz berichtet, dass das Mahnmal für Marwa El-Sherbini immer wieder bestätigt wird.

Nachtrag 06.08.10: Die taz berichtet über Streit um das Mahnmal in Dresden.

Nachtrag 17.12.10: Die taz berichtet: "Das Land Sachsen prüft das Kopftuchverbot an einer Dresdner Schule."

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Dienstag, 7. Juli 2009
Immer wieder
Der Computerspezialist in meinem Institut will immer wieder Informationen zu Indien von mir. Eine Studentin bei der Sommerakademie fragt penetrant nach der Herkunft meines Namens. Eine andere versteht nicht, warum die Frage nicht unschuldig ist. Eine Mitteilnehmende bei einer Fortbildung ruft mir hinterher, woher denn mein Name komme. Im Zug wird eine Mitreisende gefragt, wo sie denn herkomme (im Gegensatz zu mir, beantwortet sie nach kurzem Zögern die Frage in gewünschter Weise und wird dann in ein Gespräch über den Iran und verschleierte Frauen verwickelt).

Und ich werde gefragt, ob mir die Frage wirklich so häufig begegnet.

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Kritik an Deutschland
Mal wieder muss ein_e UN-Sonderberichterstatter_in Deutschland kritisieren. Die taz berichtet:

"Der UN-Sonderberichterstatter zu Rassismus, Githu Muigai, hat Deutschland aufgefordert, mehr gegen Rassismus im Alltag zu tun. Politik und Bevölkerung müssten ein breiteres Verständnis von Rassismus entwickeln und ihn nicht mit Rechtsextremismus gleichsetzen, sagte Muigai zum Abschluss seines Deutschlandbesuchs. Auch institutioneller Rassismus müsse besser bekämpft werden. "Polizei, Behörden und Gerichte müssen noch einiges tun", sagte der UN-Sonderberichterstatter."

Nachtrag 19.06.10: Die Kritik geht laut taz weiter:

"Der Rassismusbegriff, den Bund, Länder und Kommunen in Deutschland ihrem Handeln zugrunde legen, ist zu eng auf rechtsextremistische oder neonazistische Gewalttaten begrenzt. Viele andere Formen und Opfer von Rassismus bleiben daher unberücksichtigt. Das sagt der "UNO-Sonderberichterstatter über Rassismus, rassische Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit verbundene Intoleranz", Githu Muigai, in einem Bericht zur Lage in Deutschland, der am Mittwoch im UNO-Menschenrechtsrat in Genf diskutiert wurde. "

Nachtrag 22.10.10: UN-Generalsekretär Ban Ki Moon kritisiert laut taz die EU wegen mangelnder Integration von Migrant_innen.

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Bericht einer gescheiterten Migration
Die taz dokumentiert die Geschichte eines Mannes aus Kamerun, der versuchte nach Europa zu migrieren und an der Festung scheiterte und Dominic Johnson kommentiert:

"Die Globalisierung hat aus der Welt ein Dorf gemacht, aber innerhalb dieses Dorfes darf sich nur eine Minderheit, die in Palästen lebt, frei bewegen. Der große Rest in den Hütten wird durch administrative Schikanen und eingespielte Abschottungsmechanismen an der kurzen Leine gehalten ... Die lange, düstere Geschichte von Sklaverei und Kolonialismus hat ein Miteinander zwischen Afrikanern und Europäern auf gleicher Augenhöhe bereits in der Vergangenheit zerstört."

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Donnerstag, 25. Juni 2009
Nichts hören nichts sehen nicht dagegen reagieren
Gerade wurde ich von jemanden, der als mein "Chef" bezeichnet werden könnte, gefragt, ob er mich übersehen habe oder ob ich nicht im Workshop heute morgen sei. Meine Kollegin fing dann an zu erklären, dass wir eine Abmachung hätten, dass nicht immer alle von uns dabei seien. Ich fügte hinzu, dass ich zudem nicht da sei, da der Gastreferent gestern gegenüber mir übergriffig wurde. Der "Chef" ignorierte diese Aussage komplett. Bzw. um genauer zu sein, reagierte er auf die Aussage, in dem er ihr keine Aufmerksamkeit schenkte und zu einem anderen Thema überging.

Nachtrag 26.06.09: Fast alle, denen ich von den Übergriffen erzähle, können ganz offensichtlich nicht damit umgehen, dass ich ihnen das erzähle. Mir wird klar, dass es sich nicht gehört, dass eine Frau von einem solchen Vorfall erzählt. Frau soll schweigen und die allgemeine Harmonie mit einer solchen Erzählung nicht stören. Und die anderen Frauen, denen in den letzten zwei Tagen ähnliches passiert ist, sind da auch viel zurückhaltender. Trauen sich nicht, es wirklich zu einem Thema zu machen.

Nachtrag 30.06.09: Das Gleichstellungsbüro meiner Universität (mit dem ich aus anderen Gründen Kontakt habe) hat mich dazu ermutigt, den Vorfall nicht einfach zu vergessen, sondern Kontakt mit dem Gleichstellungsbüro der Universität des Gastreferenten aufzunehmen. Dort habe ich heute angerufen. Mal sehen, wie das jetzt weitergeht. Schön, dass es doch Stellen gibt, die solche Übergriffe ernst nehmen.

Nachtrag 06.07.09: Der Kontakt ist aufgenommen, der Gastreferent ist schon früher negativ aufgefallen. Aber was jetzt tun? So wie die Machtverhältnisse sind, ist zu vermuten, dass er am längeren Hebel sitzt und ein offizieller Vorwurf zum Bumerang wird.

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Sonntag, 21. Juni 2009
Männer argumentieren, Frauen sind Zicken
In politischen Parteien gibt es unterschiedliche Lager. Zwischen diesen wir gestritten. So weit so normal. Wenn aber die Politiker_innen, die streiten, als Frauen kategorisiert werden, dann ist das nicht mehr einfach ein Streit. Dann sind Zicken am Werk, die sich zanken (siehe tagesschau.de).

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Donnerstag, 18. Juni 2009
Gut zu Fuß
Ein schönes Büro habe ich hier bekommen. Oben auf einem Berg. Direkt unterm Dach. Sagenhafter Ausblick über Tübingen. Wirklich schön - wenn frau gut zu Fuß ist. Den Berg rauf ist schon anstrengend. Ob es einen Bus gibt, weiss ich gar nicht. Und dann noch die ganzen Treppen. Einen Aufzug gibt es nicht.

treppe zu meinem büro

Gefragt hat mich vorher keine, ob das für mich ok ist. Und für mich ist es ja auch ok (bzw. ein Fitnessprogramm, das mir nicht schaden kann). Aber woher wussten die Organisator_innen das denn? Die Annahme ist wohl, dass Menschen, die nicht den Körpernormen entsprechen, weil sie z.B. nicht so gut zu Fuß sind, das von sich aus ansprechen. Machen sie vermutlich auch, weil sie wissen, dass die anderen nicht von sich aus so weit denken. Die Norm ist zu stark und unreflektiert.

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Mittwoch, 17. Juni 2009
Interkulturelle Missverständnisse
Seit gestern sind eine weitere Berliner Wissenschaftler_in und ich für einen Forschungsaufenthalt in Tübingen. Unsere studentische Hilfskraft erzählte etwas von Verbindungen. Und meine Kolleg_in übersetzte sich das mit AStA oder so was ähnlichem. Klarer Fall von interkultureller Verständnisschwierigkeit. Wie sollte die Berliner_in auch die seltsamen Gebräuche an schwäbischen Universitäten kennen?

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Montag, 15. Juni 2009
Alltägliche Ausgrenzungserfahrungen
Im taz-Interview erzählt ein Mensch mit deutschen Pass, der physiognomisch vom fiktiven Standard-Deutschen abweicht, über seine alltäglichen Rassismuserfahrungen.

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