Montag, 5. Oktober 2009
Sarrazins rassistische Äußerungen
In den letzten Tagen gabes unzählige Berichte über die Äußerungen von Thilo Sarrazin in den Lettre International so z.B. ein taz-Porträt und taz-Artikel. Die Ausschnitte, die ich gelesen haben, lassen eindeutig die Schlußfolgerung zu, dass es sich um rassistische Äußerungen handelt. Denn Sarrazin unterscheidet Menschen nicht nur auf Basis von unterstellter geographischer Herkunft, er unterstellt Menschen mit einer bestimmten von ihm zugewiesenen geographischen Herkunft auch eine kollektive Mentalität, die als minderwertig dargestellt wird, und aufgrund derer er ihre Zugehörigkeit zu Deutschland in Frage stellt. Da beruhigt es mich auch nicht im geringsten, wenn er 'Vietnames_innen' gute schulische Erfolge zuweist und "osteuropäischen Juden" einen höheren IQ als der "deutschen Bevölkerung" zuweist. Auch diese Differenzierungen illustrieren nur seine rassistische Differenzierung von Menschen und die Setzung der 'Deutschen' als Norm. Eine Anklage wegen Volksverhetzung finde ich da nur stimmig, wenngleich ich nicht glaube, dass sie in diesem Land erfolgreich sein wird.

Im Deutschlandfunk durfte sich heute mittag Hans-Olaf Henkel dazu äußern und Sarrazins rassistische Äußerungen wiederholen und bestätigen (wenngleich der Moderator immer wieder die Aussagen hinterfragt hat). Henkel sah nun nicht die von Sarrazin rassistisch Ausgegrenzten als die Leidtragenden sondern den armen Sarrazin, der nur die Wahrheit spricht, dem die Meinungsfreiheit entzogen wird und der nun verfolgt wird. Zwischendrin musste er dann auch darauf hinweisen, dass autozündende Chaot_innen nicht vor Gericht gestellt würden während der arme Sarrazin nun angeklagt würde.

Diese Unterstützung Sarrazins aus dem Establishments zeigt, wie tief verankert und legitimiert rassistische Denkweisen in Deutschland sind.

Nachtrag 08.10.09: Wie nicht anders zu erwarten verteidigt Buschkowsky Sarrazins Äußerungen.

Die taz hat derweil nochmal eine von Henkels Verkehrungen zitiert:

"einen barbarischen "Vernichtungsfeldzug" (Hans-Olaf Henkel) gegen Sarrazin angezettelt haben. "

Nachtrag 13.10.09: Daniel Bax kommentiert in der taz Sarrazins rassistische Äußerungen sowie die Unterstützung, die er dafür bekommen hat:

"Erschreckend ist nicht, dass ein Thilo Sarrazin so plumpes Gedankengut vertritt. Beängstigend ist, dass eine Mehrheit der Deutschen damit offenbar kein Problem hat und ihm sogar zustimmt."

Nachtrag 19.10.09: Es ist wirklich erschreckend, wie anschlussfähig Sarrazins rassistischen Tiraden sind. Aus der taz:

"Thilo Sarrazins sprachlichen Entgleisungen muss man energisch widersprechen", sagte Thierse. Und dann müsse man "ernsthaft über die tatsächlich existierenden Integrationsprobleme reden, auf die er mit falscher Wortwahl und in entsetzlich überzogener Weise hingewiesen hat".

Das sind nicht sprachliche Engleisungen. Sprache kann nicht unabhängig von Denken gedacht werden. Mit seiner Sprache drückt Sarrazin seine rassistischen Gedanken aus.

Nachtrag 02.11.09: In der taz vergleicht Alke Wierth Sarrazins Ausfälle mit Buschkowskys neuesten zu Migrant_innen, die Betreuungsgeld nicht in Kinder stecken werden. Für sie sind die beiden Fälle unterschiedlich gelagert, da Sarrazin aus einer herablassenden Oberklasseperspektive spricht, während Buschkowsky als Mann aus dem Kiez. Beide nutzen aber ganz eindeutig rassistische Argumentationsmuster.

Nachtrag 01.12.09: Nachdem die Ermittlungen gegen Sarrazin eingestellt wurden, wurden nun auch jene gegen Buschkowsky eingestellt wie die taz berichtet:

"Die Staatsanwaltschaft stellte nun fest, dass mit den Aussagen Buschkowskys "keine feindselige Stimmung gegen die Unterschicht" gemacht werde. Schmähkritik, Angriffe oder eine Verletzung der Menschenwürde seien nicht zu erkennen, heißt es. Vielmehr handele es sich um "Übertreibungen und Pointierungen", die für eine gewisse Medienwirksamkeit sorgen sollten. Die sogenannte Unterschicht sei weder diffamiert noch herabgesetzt worden."

Nachtrag 20.12.09: Wie die taz berichtet, sieht eine SPD-Kommision keinen Grund, warum Sarrazin ausgeschlossen werden sollte.

Nachtrag 08.01.10: Die taz berichtet von einem Gutachten des Moses-Mendelsohn-Zentrums, in dem die Äußerungen von Sarrazin analysiert werden:

"Sarrazins Aussagen "sind in zentralen Passagen eindeutig als rassistisch zu betrachten", schreibt Gideon Botsch vom Moses-Mendelssohn-Zentrum der Universität Potsdam in der 21-seitigen Analyse, die der taz vorliegt."

Nachtrag 17.03.10: Laut taz hält die SPD-Landesschiedskommission Sarrazin nicht für rassistisch und wirft ihn daher nicht aus der Partei:

"Sarrazin sei auch deshalb nicht rassistisch, weil er nicht alle Migrantengruppen gleichermaßen abgewertet habe. Sarrazin hatte gesagt, Vietnamesen und Osteuropäer seien integrationswillig und hätten in der zweiten Generation überdurchschnittliche Erfolge. Juden hätten einen um 30 Punkte höheren Intelligenzquotienten."

Dabei sind diese angeblich positiven Aussagen genauso rassistisch wie die anerkannt abwertenden.

Nachtrag 28.04.10: Daniel Bax kommentiert in der taz die Aufregung um Aygül Özkan:

2Und was hat die SPD? Einen Sarrazin, der gegen Migranten aus der Unterschicht pöbelt - und dessen schlichte Thesen die Tochter eines Änderungsschneiders aus Hamburg-Altona allein schon mit ihrer Aufstiegsgeschichte Lügen straft."

Nachtrag 10.06.10: Weitere rassistische Äußerungen von Sarrazin auf Spiegel online. Erschreckend ist vorallem:

"Einige der Zuhörer reagierten laut dpa mit einem Schmunzeln, erkennbare Unmutsäußerungen gab es nicht."

Nachtrag 30.06.10: Die jetzt geforderten Intelligenztests für Zuwanderer_innen (siehe z.B. taz) fügen sich nahtlos in die sarrazinsche-buschkowskysche Argumentation ein. Auch wenn sie gerade noch von allen abgelehnt werden.

Nachtrag 09.07.10: Sarrazin teilt immer weiter aus. Die taz berichtet:

"Thilo Sarrazin, ehemaliger Finanzsenator Berlins und heute Mitglied des Bundesbankvorstands, rechtfertigt seine umstrittenen Äußerungen über MigrantInnen. In der Politik sei der "Einsatz einer angemessenen Streitmacht ganz wichtig", deshalb habe er immer "die verbale Artillerie aufgestellt"."

Nachtrag 21.04.11: Und wieder hat Sarrazin ein Parteiausschlussverfahren überstanden wie tagesschau.de berichtet. Die SPD will wohl keine rassistischen Wähler_innenstimmen vergraulen.

Nachtrag 05.05.11: Die taz berichtet Sarrazin demütigt die SPD, wobei ich das Gefühl habe, das bekommt die SPD schon alleine hin.

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Aufregung
"Für den Linkspartei-Bildungspolitiker Steffen Zillich ist das Urteil nur eine "verfassungsrechtliche Selbstverständlichkeit": Religionsfreiheit als Grundrecht gelte auch in der Schule." berichtet die taz berlin und beendet ihren Artikel mit: "Der Deutsche Philologenverband forderte die Schulbehörden auf, aus dem Urteil keine generellen Vorschriften abzuleiten. Bei gutem Willen würden sich in jeder Schule praktikable Regelungen finden lassen."

Diese beiden Stimmen würden dafür sprechen, dass keine große Aufregung vonnöten ist. Ein Grundrecht muss gewahrt werden und das lässt sich pragmatisch lösen. Aber:

"Die Schulleiterin findet das Urteil dennoch falsch. Sie hält es für eine unzulässige finanzielle Unterstützung einer Religion, dem Schüler den Raum zur Verfügung zu stellen, sagte Brigitte Burchardt am Mittwoch der taz. Sie wünscht sich "eine friedfertige Umgebung, in der die Schüler sich richtig frei fühlen können". Diese Atmosphäre werde jedoch durch "demonstratives Beten" gestört."

Und damit steht sie nicht alleine. Die taz überschreibt ihren Artikel mit Die Angst vor Allah.

Nun weiss ich genauso wenig wie all die anderen Kommenator_innen, was genau an der Schule vor sich gegangen ist und wie "demonstrativ" der Schüler betet. Wenn er in einem unbenutzten Raum betet, kann das allerdings nicht sehr sichtbar sein (und auch keine Kosten verursachen). Wenn sein Beten auf dem Schulflur den Schulfrieden gestört hat (wobei mir unklar ist, wieso das so sein sollte), hätte doch sicher auch ohne Gerichtsurteil eine pragmatische Lösung gefunden werden können. Warum musste es zu einem Gerichtsurteil kommen?

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