Mittwoch, 8. März 2006
Zu stark philosophisch
Vor einem guten Jahr hat der Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky bundesweit Schlagzeilen mit seiner These "Mulitkulti ist gescheitert" gemacht. In Berlin ist er für solche Aussprüche schon länger bekannt, am Montag wurde er von der taz berlin interviewt. Auf den ersten Blick scheint es meinst ganz überzeugend, was er so sagt. Man muss die Probleme anpacken, etc. Ein Praktiker eben, dem das Integrationskonzept des Berliner Senats "zu stark philosophisch" ist. Aber wenn frau genauer hinschaut, dann wünscht sie sich schon, dass er sich auch stärker theoretisch mit dem Thema auseinandersetzte. Ein Beispiel dafür aus dem Interview:

"Je mehr Werte ein junger Mensch von dieser Gesellschaft in sich aufnimmt - egal wo die Wiege der Großeltern stand -, desto weniger wir der anfällig für falsche Werte von Parallelgesellschaften, sei es der religilöse Fanatismus, die organisierte Kriminalität oder überkommene Riten und Bräuche."

Welche Werte meint er hier genau? Jene, die es erlauben, Menschen aufgrund von Herkunft auszugrenzen? Jene, die dazu führen, dass sozial benachteiligte Kinder genauso wie jene aus 'Migrantenfamilien' schlechtere Chancen in der Schule haben? Jene, die Vielfalt ablehnen? Jene, die andere 'Kulturen' per se für rückständig erklären?

All jene sind Gründe dafür, dass sich junge Menschen ausgegrenzt fühlen und deshalb andere Zugehörigkeitskontexte suchen. Das Problem sind weniger Werte sondern Machtstrukturen, rassistische und islamophobe Denkstrukturen, institutionelle Diskriminierungen. Der Fehler steckt nicht in der Einzelnen sondern im System. Daran muss gearbeitet werden.

Aber mit einer solchen Argumentation passt wohl folgende Erklärung auf mich:

"Ehrlich gesagt hat es mich erstaunt, dass eine Aussage wie "Multikulti ist gescheitert" zu solchen Erruptionen führen kann. Aber es gibt Leute, für die ist Multikulti der Inbegriff für eine fröhliche Rutschbahn ins Paradies. Für die Leute ist so ein Satz die reine Kampfansage, weil sie nicht wahrhaben wollen, dass es zu Problemen kommen muss, wenn in einer Stadt wie Berlin die unterschiedlichsten Kulturkreise aufeinander stoßen."

In Berlin stossen nicht 'Kulturkreise' aufeinander. Es gibt Konflikte. Die müssen bearbeitet werden. Aber es nutzt nichts sie zu kulturalisieren. Aber so ein Ansatz ist wohl zu philosophisch.

Nachtrag: Passend zum Thema heute auch bei yeahpope was zu Neukölln.

Noch ein Nachtrag am 10.04.06: Und wieder hat Buschkowsky es in die bundesweiten Medien geschaft. Diesmal regt er sich über Schäuble auf, der von Neuköllner Slums gesprochen hat. Wundern sollte das Buschkowsky nicht, denn welches andere Bild von seinem Bezirk verbreitet er denn?

Nachtrag 30.11.06: Und das kommt dabei raus, wenn Buschkowsky einen Referenten empfiehlt.

Nachtrag 11.12.07: Und wieder profiliert sich Buschkowsky durch Distanz zur Wissenschaft. Die taz zitiert ihn in einem Artikel über den Wachschutz vor Neuköllner Schulen:

"Für Heinz Buschkowsky sind das unsinnige akademische Überlegungen. "Mich interessieren keine Studien", poltert er. "Mich interessiert, was sich täglich hier abspielt.""

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oder vielleicht..
...nicht "rational" genug? "Multikulti, die fröhliche Rutschbahn ins Paradies", da kräuseln sich mir ja echt die Zehennägel...
Aber klar, am einfachsten ist es natürlich immer, die KritikerInnen der eigenen Politik als verträumt-irrationale Hippies hinzustellen. Mit denen braucht man ja gar nicht mehr zu diskutieren weil es eh' aussichtslos wäre. Das sind ja immer sooooolche Ideologen!

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