Donnerstag, 17. April 2008
Konsequente Liberalisierung
Heute hat in Berlin die Konferenz Wissen wandert - Migration und Know-how - Potenziale für Berlin begonnen. Grundsätzlich habe ich mit der zugrunde liegenden Verwertungslogik Probleme. Auch jene, die kein besonderes Potenzial für für Berlin haben, sollten hier leben dürfen. Da ich aber zu MigrantInnen aus Indien forsche, wollte ich mir anhören, was die Vertreterin der indischen Botschaft zu sagen hat. Und in dem vom Thema vorgegebenen wirtschaftsliberalen Rahmen hat mich das positiv überrascht.

Neeta Bhushan hat vollkommen selbstbewusst die fehlende Liberalisierung von Migration (neben dem freien Handel und der Liberalisierung der Kapitalmärkte, die von den westlichen Ländern ausschließlich als Teil der Liberalisierung angesehen werden) angemahnt. Sie hat ausgeführt, wie die freie internationale Migration für globale Wirtschaftsunternehmen (wie sie in Indien angesiedelt sind) selbstverständlich notwendig ist, wie Investitionen in Deutschland durch restriktive Migrationsregulierungen behindert werden, etc. Dabei ging sie nie in die Rolle der Bittstellerin, sondern führte aus, was Deutschland dadurch verliert, dass es so restriktiv ist.

Allerdings hatte ich eine solche Diskussion auch schon 2003 bei einer Konferenz in Kathmandu verfolgen können. Die westlichen Länder scheinen keinerlei Interesse an einem vollständig liberalen internationalen Wirtschaftssystem zu haben. Migration wollen sie weiterhin restriktiv kontrollieren.

Nachtrag 26.04.08: Deutschland hat weiterhin kein Interesse an konsequenter Liberalisierung. Für die neuen osteuropäischen EU-Staaten sollen die Freizügigkeit für ArbeitnehmerInnen weiterhin nicht gelten berichtet die
taz.

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Abschiebehaft
Die taz berichtet über einen deutschen Staatsbürger, der in den USA in einem Abschiebegefängnis gelandet ist und dort unter menschenunwürdigen Verhältnissen lebt.

Nur so zur Ergänzung: Die anderen 69 bis 79 Menschen, die mit ihm in einer Zelle einsitzen, leben auch in menschenunwürdigen Verhältnissen. Auch für deren Menschenwürde sollte sich frau einsetzen.

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Asiatische DNA
Marina Mai schreibt in der taz über die Suche nach der Mutter eines ausgesetzten toten Kindes. Beim Lesen des Artikels haben sich bei mir eine Reihe von Fragen ergeben, die ich hier mal darstelle:

“Das am vorletzten Sonntag im Köpenicker Forst gefundene tote Baby hatte laut DNA-Analyse asiatische Eltern.“

An dieser Stelle hätte ich gerne eine Erklärung, wie per DNA-Test festgestellt werden kann, dass die Eltern asiatisch sind. Es gibt da sicher Methoden, aber über genau diese würde ich gerne mehr erfahren. Aus meinen rassismuskritischen Studien habe ich gelernt, dass es keine genetisch klar von einander unterscheidbaren menschlichen ‚Rassen’ gibt. Deshalb interessiert mich sehr, wie hier ein Zusammenhang von DNA und Herkunft konstruiert wird.

Zudem würde ich gerne wissen, wie die Polizei hier asiatisch und Asien definiert. Geht es um eine Herkunft irgendwo zwischen dem Ural und Japan, von Sibirien bis nach Sri Lanka? Könnte ich die Mutter sein mit meinen ‚indischen’ Genen?

“Die Polizei sucht jetzt eine Asiatin, die schwanger war und ohne Kind angetroffen wird. Dabei steht sie vor einem großen Problem: Es fehlen die Ansprechpartner in der asiatischen Community.“

Wenn ein nach DNA-Analyse als europäisch identifiziertes Kind aufgefunden wird, welche europäische Community wird dann befragt? Wieso kann die Polizei davon ausgehen, dass die Mutter in irgendeiner geographisch/national-definierten Community bekannt ist? Kann die Mutter nicht zwar asiatische DNA weitergeben und doch seit Generationen in Deutschland leben?
Was für AnprechpartnerInnen werden gesucht?

“Der Rucksack wurde in kleinen Stückzahlen hergestellt und nach Kenntnis des Herstellers nicht exportiert. Das spräche für eine thailändische Herkunft der Eltern.“

Könnte nicht auch irgendeine TouristIn den Rucksack von einer Thailand-Reise mitgebracht haben?

“Die größte asiatische Gruppe in Köpenick sind aber Vietnamesen, sodass die Mordkommission auch eine vietnamesische Mutter für möglich hält. Oder eine chinesische.“

Wenn aber doch die Indizien auf Thailand deuten, warum dann Vietnamesinnen und Chinesinnen verdächtigen? Ist es bekannt, dass VietnamesInnen und ChinesInnen, die in Deutschland leben, besonders häufig vorher in Thailand waren? Oder ist das Indiz Rucksack dann doch weniger relevant als die asiatische DNA, die sich offensichtlich zumindest auf Südost- und Ostasien bezieht.

“Doch weder die knapp 6.000 Thailänder in der Stadt noch die etwa ebenso zahlreichen Chinesen haben professionelle Vereine, die für die Mehrheitsgesellschaft ansprechbar sind.“

Was genau soll das heißen? Was sind professionelle Vereine? Wann sind sie ansprechbar für die Mehrheitsgesellschaft? Welche Probleme bestehen für Mitglieder der Dominanzgesellschaft, die Thai oder Chinesisch können, mit den Vereinen zu sprechen.
Sind DNA-deutsche Kindstöterinnen in Vereinen organisiert, die von der Mehrheitsgesellschaft ansprechbar sind?

“Gegenüber Ämtern haben sie große Vorbehalte. Und gerade familiäre Themen werden im eigenen Kreis geklärt und nicht in die Mehrheitsgesellschaft getragen."

Woran mag die Zurückhaltung gegenüber der Mehrheitsgesellschaft und insbesondere der Institution Polizei liegen? Könnte das mit schlechten Erfahrungen und mit unsicheren Aufenthaltstati zusammenhängen? Könnte es sein, dass die Polizei für Menschen ohne sicheren Aufenthaltsstatus eher als Gefahr denn als FreundIn und HelferIn wahrgenommen wird? Sollte ich meine familiären Themen in die Öffentlichkeit tragen?
Sind DNA-deutsche Kindstöterinnen und deren Umfeld offen gegenüber Ämtern? Tragen sie ihre familiären Themen in die Öffentlichkeit?

“Familiäre Konflikte in asiatischen Familien sind meist eine strenge hierarchische Unterordnung der jungen unter die ältere Generation.“

Gilt das für ganz Asien? Und auch für alle, die jemals aus irgendeiner Gegend in Asien nach Deutschland migriert sind und deren Kinder und Kindeskinder?

“Ähnlich wie bei islamischen Zuwanderern“

Wieso kommen auf einmal Muslime ins Spiel? Und warum im Gegensatz zu den AsiatInnen? Gibt es in Asien keine Muslime? Liegt nicht auch die Türkei (und die meinen wir ja zumeist mit den islamischen ZuwanderInnen) zu großen Teilen in Asien?

“sollte eine Frau als Jungfrau in die Ehe gehen, Töchter haben wenig Freiräume.“

Das gilt jetzt auch wieder für ganz Asien? Woher habe ich nur meine Freiräume bekommen?

“Während das für türkische und andere islamische Communitys bekannt ist,“

Das ist also eine bekannte Tatsache? Alle Muslime sind so. Eine recht pauschale Unterstellung.

“weiß kaum jemand, dass es diese Probleme bei den Asiaten auch gibt.“

Nur die Autorin weiß das? Da ein Großteil der muslimischen Länder in Asien liegen, haben sich das vielleicht andere, die alles über die Muslime wissen, auch schon gedacht.

Und welche Probleme sind gemeint? Viele ChristInnen halten das als Jungfrau-in-die-Ehe-gehen nicht für ein Problem, sondern für absolut notwendig und alles andere für ein Problem. Konservative Menschen in Deutschland fordern immer wieder, das Alter und die Eltern zu ehren. Viele verfolgen in Deutschland ganz gezielt die Politik die Freiräume von Frauen zu beschränken, sie auf Familie und Haushalt zu beschränken. Ist das dann auch alles ein Problem? Oder nur wenn Muslime und AsiatInnen betroffen sind?

“Vielleicht konnte die Mutter des toten Babys kein Deutsch und hatte nie von einer Babyklappe gehört?“

Das kann schon sein, dass sei kein Deutsch konnte. Es kann auch sein, dass sie nichts von einer Babyklappe wusste. So wie viele andere Frauen in Deutschland. Wie kommt es zu genau dieser Vermutung? Warum werden gerade Sprachschwierigkeiten als Grund für den Tod des Kindes ins Spiel gebracht?

Ein anderes mögliches Szenario wäre: Der Mutter des Kindes wird ein legaler Aufenthalt in Deutschland verweigert, sie hat keinen Zugang zum Gesundheitssystem, sie konnte keine Abtreibung vornehmen. Oder sie hat keine Papiere, keine dauerhafte Unterkunft und kein regelmäßiges Einkommen und kann sich daher nicht vorstellen, ein Kind in Deutschland groß zu ziehen.

Und es gibt noch viele andere möglichen Szenarien. Also warum dieses?

“Diese Märkte sind Zentren des asiatischen Lebens.“

Siehe oben: Was für ein Asien?

“Die Marktbetreiber aber sind nicht für eine Kooperation mit Behörden bekannt.“

Bei wem bekannt? Und siehe oben: Vielleicht gibt es gute Gründe dafür.

“Die gut integrierten 10.000 Griechen in Berlin und Brandenburg“

Wo kommt jetzt die gute Integration her? Wie definiert die sich? Und warum ist das hier wichtig?

“für 17.000 Vietnamesen, von denen viele trotz 20 Jahren Aufenthalt in Deutschland kaum Deutsch sprechen. Die 7.000 Chinesen und 6.000 Thailänder, die oft ebenso schlecht integriert sind, gehen leer aus.“

Definiert die Autorin hier Integration über den Grad der Deutschkenntnisse? Wie kann sie pauschal sagen, dass VietnamesInnen, ChinesInnen und Thais schlecht integriert sind?

Der Artikel hat den Titel: “Tätersuche in sprachlosen Communitys“

Wie kommt die taz darauf, dass die AsiatInnen sprachlos sind? Ich gehe davon aus, dass sie alle zumindest eine Sprache können. Oder will die taz hier auf Gayatri Spivaks „Can the subaltern speak?“ Bezug nehmen. Dazu passt dann der Artikel nicht wirklich.

PS: Ich vermute mal, dass viel von dem was ich hier kritisiere auf Pressemitteilungen der Polizei etc. zurückgeht. Aber selbst dann würde ich von der taz erwarten, dass sie mit diesen Informationen kritisch umgeht und nicht die ganzen Rassismen einfach reproduziert.

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