Sonntag, 15. Januar 2012
Buchkunst oder Bücherverbrennung?
Vor ein paar Tagen flatterte in mein Postfach eine Mail zu Deutschland schafft es ab. Sarrazins Buch soll für eine Kunstaktion gesammelt und später recylt werden.

Erst bin ich etwas skeptisch. Geht es hier um 'Bücherverbrennung'? Dann habe ich den Eindruck, nein, es geht darum, mit dem Buch was zu machen, sich künstlerisch mit dem Buch auseinandersetzen. Das finde ich eine interessante Idee und poste die Idee auf Facebook (für den Blog ist es mir doch zu heikel). Andere facebooken auch dazu, manche liken bei mir und dann werde ich ganz konkret face-to-face angesprochen, warum ich dabei mitmache.

Mein Gegenüber findet die Aktion aus vielerlei Gründen problematisch und nicht nur wegen der Nähe zur Bücherverbrennung. Die Aktion passt auch wieder in das Schema, dass die 'Guten' sich vom Rassismus distanzieren könen und ihn auf das Individuum Sarrazin projezieren können. Das Buch wird symbolisch entsorgt und damit auch unsere Auseinandersetzung mit Rassismus. Ein Satz aus dem Aufruf legt diese Intepretation durchaus nahe:

"Er ruft dazu auf, möglichst viele Exemplare des Buches zu sammeln und sich seiner so zu entledigen."

Einen kleinen Teil des Buches kann so zwar entsorgt werden, das Problem des Rassismuses in der Mitte der Gesellschaft wird damit aber nicht notwendigerweise auch nur angekratzt.

Auf anderer Ebene stellt sich mir auch die Fragen (und wurde mir auch auf Facebook gestellt), an wen die Aktion sich denn überhaupt wendet? Es muss sich ja an Besitzer_innen des Buches wenden. Warum aber sollten dieses sich aber von dem Buch trennen? Und wenn sie sich von dem Buch (und seinem Inhalt) trennen wollen, dann sollten sie dies besser selbstreflexiver tun als durch einfache Entsorgung.

Eine schwierige Aktion. Eine gelunge Kunstaktion zu dem Buch als einem Symbol für den strukturellen Rassismus in unserer Gesellschaft fände ich nach wie vor nicht schlecht. Aber es darf weder zu einer 'Bücherverbrennung' noch zu einer symbolischen Entsorgung der Auseinandersetzung mit Rassismus kommen.

Ich habe mir ja nie ein Exemplar gekauft, weil ich nicht daran teilhaben wollte, dass Sarrazin mit seinem Rassismus auch noch (unglaublich viel) Geld verdient. Ich würde mir aber durchaus ein Exemplar in das Regal stellen, um darin nachschlagen zu können. Wenn also eine_r ihr Exemplar entsorgen will, kann sie es auch mir zur Verfügung stellen (ein paar meiner Kolleg_innen wären auch interessiert).

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Dienstag, 10. Januar 2012
Polizeigewalt bei Oury Jalloh Gedenkdemo
Unter anderem das Grundrechtekomitee hat schon am Sonntag über überzogene Polizeigewalt bei der Demonstration zum siebten Todestag von Oury Jalloh berichtet. Mouctar Bah, einer der Organisatoren, wurde nach einem Polizeieingriff nach der Demonstration bewusstlos ins Krankenhaus gebracht. Heute berichtet auch die taz darüber (mit einer etwas anderen Darstellungen der Vorkomnisse) und berichtet auch nochmal über die Ungereimtheiten in dem Prozess um Oury Jallohs Tod.

Nachtrag 14.01.12: Die taz berichtet über Kritik am Dessauer Polizeieinsatz und die Forderung nach einer unabhängigen Überprüfung.

Nachtrag 17.01.12: Laut taz erinnert der Innenminister Sachsen-Anhalts sein Polizist_innen per Brief daran, dass sie dem Gesetz unterliegen.

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Montag, 9. Januar 2012
Black Face im Theater
Die taz berlin hat jetzt auch das Black Facing im Schlosspark Theater aufgegriffen:

"Für Aufruhr sorgte die Begründung der Theatermacher, warum es kaum schwarze Schauspieler an deutschen Ensemble gebe: "Allein deswegen, weil das Stückrepertoire ihnen zu wenige Rollen in einer Spielzeit bieten könnte, die ein Festengagement rechtfertigen." "

Das zeigt klar die rassistische Grundhaltung der Theatermacher_innen. Weiße können einen Schwarzen spielen. Schwarze aber können keine Rollen spielen, die nicht explizit für Schwarze geschrieben sind. Warum eigentlich nicht.

Die taz berlin zitiert Sheila Mysorekar:

""Wenn das Theater erkläre, es gäbe nicht genug Rollen für schwarze Schauspieler, um sie permanent zu engagieren, halte es die Theaterleitung offenbar für unmöglich, Rollen wie Hamlet oder Maria Stuart mit Afrodeutschen zu besetzen. "Aber wer weiß - vielleicht möchten sie die schwarzen Schauspieler mit weißer Farbe anmalen, und dann geht es.""

Nachtrag 15.02.12: Eren Ünsal geht in der taz auf die diskriminierende Einstellungspraxis ein:

"Auf die müssen wir natürlich reagieren, das ist unsere Aufgabe. Auf der anderen Seite gibt es die Aussage eines Theater-Mitarbeiters, dass kaum einem Ensemble schwarze SchauspielerInnen angehörten, weil es zu wenig Rollen für sie gebe. Es geht darum zu klären, was genau damit gemeint ist und wie es mit der Einstellungspraxis aussieht."

taz: "Inwiefern?"

Ünsal: "Wenn das die gängige Einstellungspraxis ist, liegt es nahe, Diskriminierung zu vermuten. Das würde bedeuten, dass schwarze Schauspielerinnen und Schauspieler chancenlos sind. Mit diesen Themen haben wir uns an das Theater gewandt und die Bitte geäußert, mit uns ins Gespräch zu kommen."

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Samstag, 7. Januar 2012
Blackfacing-Kritik in den Medien
Am Ende ihrer Rezeinsion des Films Huhn mit Pflaumen schreibt Christina Nord in der taz:

"Blackfacing im europäischen Goldkantenkino - das hat's nun wirklich nicht gebraucht."

Und DRadio Wissen greift die Diskussion um Blackface im Schlossparktheater auf.

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Sonntag, 18. Dezember 2011
Rassismus in Potsdam und Brandenburg
Die taz berlin berichtet Rassismus in Brandenburg war lange auch ein Standortproblem für Potsdamer Forschungseinrichtungen. Heute werden Migranten vor allem fernab von Berlin diskriminiert.. In dem Artikel wird ein Vertreter des Instituts von Klimafolgenforschung in Potsdam zitiert, der die Internationalität der Belegschaft betont, über die Willkommenskultur für diese in Potsdam schwärmt und sagt, dass er seit zehn Jahren von keinem Fall von Rassismus gegen Mitarbeitende mehr gehört hat.

Ich musste beim Lesen an den rassistischen Angriff auf Ermyas M. vor fünf Jahren in Potsdam denken. Der Politikwissenschaftler Hans-Gerd Jaschke verweist laut taz darauf, dass zwar Expert_innen gelockt werden, aber Flüchtlinge und Geringqualifizierte mit Rassismus und Bürokratie zu kämpfen hätten. Nadia Hitzel-Abdelhamid von der Opferperspektive bestätigt dies und bezweifelt, dass die Wissenschaftler_innen keine Rassismuserfahrungen machten: "Das Thema ist noch immer schambesetzt. Gerade Menschen mit guter sozialer Stellung fällt es oft schwer, über Diskriminierung zu sprechen." (Siehe auch die Suche nach Potsdam hier im Blog.)

Ach ja, die Integrationsbeauftragte von Brandenburg wird noch zitiert mit: "Sicher gibt es Vorfälle wie Angriffe auf Imbisse ausländischer Besitzer." Da muss die Integrationsbeauftragte wohl noch ein bisschen an integrierendem Sprachgebrauch arbeiten.

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"latente Ausländerfeindlichkeit" oder offener Rassismus?
Die taz berichtet über eine Kleingartenkolonie in Schleswig-Holstein, die folgende Abstimmung durchgeführt hat:

"Mit drei Kästchen zum Ankreuzen: Sollte es in der Kolonie künftig 27 Prozent Migranten geben wie im benachbarten Hamburg? 19,6 Prozent, dem Bundesdurchschnitt entsprechend? Oder lieber nur 12,6 Prozent wie in Schleswig-Holstein? 59 von 70 Anwesenden sprachen sich für eine Quotenregelung aus, 41 davon für die strengste."

Ein Sprecher der Stadt gibt sich erschrocken von der "latenten Ausländerfeindlichkeit. Ein Vereinsvertreter berichtet darüber, wie sehr sie versuchen Migrant_innen zu integrieren:

"Eine Bocciabahn wollten sie bauen, einen großen Backofen kaufen, in dem sie auch Spanferkel braten können. Doch für die Finanzierung kam keine Mehrheit zustande. "Die Migranten hier isolieren sich", sagt Rohde. "Warum muss ich jemanden lieb haben, der mich nicht lieb hat?" Unter Zwang funktioniere keine Integration, sagt er und merkt nicht, wie ambivalent sein Satz gerade war."

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Mittwoch, 14. Dezember 2011
Umgang mit Rassismus
Nach dem Bekanntwerden der NSU-Anschläge wird reflexhaft wieder ein NPD-Verbot diskutiert. Für ein NPD-Verbot gibt es durchaus gute Gründe (und auch gute Gründe dagegen). Das reflexhafte Fordern eines NPD-Verbots quer durch alle Parteien, lässt allerdings vorallem das Gefühl aufkommen, dass damit die Auseinandersetzung mit Rassismus verhindert werden soll.

Im taz-Interview sagt Andreas Zick zur Diskussion um ein NPD-Verbot:

"Parteiverbote richten faktisch nichts aus, wenn nicht zugleich klar ist, dass in dieser Gesellschaft Menschenfeindlichkeit nicht mehr toleriert wird. Ich höre aber wenig davon, dass man sich auf die Seite der Opfer stellt. Dass ein Politiker sagt: "Wir verbieten die NPD, weil wir eine vielfältige, multikulturelle Gesellschaft wollen." Die Norweger haben nach den Attentaten von Anders Breivik gesagt: Wir lassen uns den Multikulturalismus nicht nehmen. Ich habe in Deutschland noch nicht gehört, dass wir die NPD verbieten wollen, weil wir für eine offene Gesellschaft sind."

Und auch der SPD-Politiker Ahmet Iyidirli wird in der taz mit Bedenken gegenüber der NPD-Verbots-Diskussion zitiert:

"Der SPD-Politiker Ahmet Iyidirli erklärt, der Diskurs werde viel zu sehr auf ein NPD-Verbot und die rechtsradikale Szene reduziert. Dabei sei Rassismus ein Problem in der Mitte der Gesellschaft. Iyidirli sagt: "Ein NPD-Verbot wird das Problem nicht lösen." Die Beteiligung von staatlichen Organen an der Mordserie müsse aufgedeckt und die Rolle des Staates müsse diskutiert werden."

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Samstag, 10. Dezember 2011
Willkommen - oder lieber doch nicht?
Die Bundesregierung will eine Blue Card für Fachkräfte aus dem Ausland einführen. Die taz berichtet:

"Für rund 60 Mangelberufe in den Sparten Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik soll künftig eine Gehaltsschwelle von 33.000 Euro im Jahr gelten. Ab 44.000 Euro dürfen Akademiker ohne Vorrangprüfung angeworben werden. Sie erhalten dann nach drei Arbeitsjahren eine unbefristete Niederlassungserlaubnis. Bei Jahreseinkommen von 48.000 Euro und darüber ist für die Einwanderer von Anfang an ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht vorgesehen."

Diejeninge, die wir meinen, wirtschaftlich zu brauchen, sollen einwandern dürfen und dabei sogar einen festen Status bekommen, auf dessen Grundlage mensch planen kann.

Vor ein paar Jahren war dauerhaft Geduldeten auch eine Option gegeben worden, damit sie einen festen, wenn auch nicht dauerhaften Aufenthaltsstatus bekommen können. Sie sollten beweisen, dass sie sich selbst finanzieren können. Wie die taz aber berichtet:

"Doch weil die Betroffenen durch Gesetze jahrelang vom Arbeitsmarkt ferngehalten wurden, keinen Anspruch auf berufliche Qualifizierungen oder vom Arbeitsamt finanzierte Sprachkurse hatten, schafften viele von ihnen den Sprung in die Existenzsicherung nicht. So droht ihnen jetzt, zum Stichtag 31. Dezember 2011, der Rückfall in einen unsicheren Rechtszustand."

Es gibt aber wohl Initiativen unter den Innenminister_innen für eine neue Bleiberechtsinitiative für 'gute' Geduldete.

"Auch die schwarz-gelbe Regierung Schleswig-Holsteins hat beschlossen, eine Bundesratsinitiative für eine "Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration" anzustoßen.

Der Vorstoß geht auf den parteilosen Justiz- und Integrationsminister Schleswig-Holsteins, Emil Schmalfuß, zurück. "Wir wollen keinen Zuzug in die Sozialsysteme. Aber die Menschen sind hier und integrieren sich, das sollten wir anerkennen. Im Zeichen des demografischen Wandels sind sie auch wertvolle Mitglieder unserer Gesellschaft", erklärt Norbert Scharbach, Staatssekretär von Minister Schmalfuß, das Vorhaben. "


Auch 'Ausländer_innen' können also wertvoll sein, wenn sie unseren demografischen Wandel abfedern und gut integriert sind. Letzeres ist nur nicht so einfach, wenn mensch strukturell davon abgehalten wird (siehe oben) und rassistischen Ausschlüssen ausgesetzt ist. Die taz berlin berichtet von einer Studie der Soziologin Christine Barwick vom Wissenschaftszentrum Berlin:

"Hartz-IV-Empfänger und Migranten werden bei der Vergabe von landeseigenen Wohnungen massiv diskriminiert. "

Migrant_innenverbände fordern ein stärkeres Engagement gegen Rassismus und bekommen, wie die taz berichtet, auch ein Treffen mit der Integrationsbeauftragten:

"Auch Mehmet Tanriverdi von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände in Deutschland (BAGIV) zeigte sich dankbar, dass die Bundesregierung so schnell und entschlossen gehandelt und der Bundespräsident mit den Angehörigen der Opfer gesprochen habe.

Es sei "symptomatisch, dass solche Selbstverständlichkeiten so betont werden müssen", befand dagegen Jee-Un Kim vom deutsch-asiatischen Verband "Korientation" nach dem Treffen mit der Staatsministerin. Die Anwältin aus Berlin wünscht sich einen Paradigmenwechsel in der Integrationsdebatte, denn die größeren Integrationsdefizite verortet sie eher bei der Mehrheitsgesellschaft: "Rassismus ist kein Randphänomen", findet Kim, "er ist ein Problem der gesamten Gesellschaft." "

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Freitag, 2. Dezember 2011
Debatte über Rassismus gefordert
Kenan Kolat fordert im taz-Interview:

"Es muss endlich eine breite Debatte über Rassismus stattfinden und darüber, wie man ihn bekämpft, in der Gesellschaft und in den Institutionen. Rassistische und diskriminierende Äußerungen müssen geächtet werden. Der Strafbestand der Volksverhetzung sollte deshalb weitergefasst werden. Die Vereinten Nationen und die OECD werfen der Bundesrepublik ja schon seit Jahren vor, einen verengten Rassismusbegriff zu haben. Die beste Antwort wäre allerdings eine Politik, die auf stärkere Gleichberechtigung und Partizipation von Migranten zielt. "

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Freitag, 25. November 2011
Hilfe nur für Integrierte
Bundespräsident Wulff wird spätestens seit seiner Rede zum 3. Oktober als Integrierer gefeiert. Jetzt hat er sich mit den Angehörigen der Opfer der der NSU getroffen, unterstützt ein zentrales Gedenken und ist wie auch schon am 3. Oktober weiter ausgrenzend. Die taz zitiert ihn:

""Ich habe Menschen mit ausländischen Wurzeln, bestens in Deutschland integriert, erlebt, die ihre schrecklichen Erfahrungen bisher nahezu allein und häufig isoliert aufarbeiten mussten", erklärte der Bundespräsident. Ihnen müsse nun geholfen werden."

Was soll das heißen? Wenn sie nicht 'integriert' wären, sollte ihnen nicht geholfen werden? Was ist integriert daran, wenn mensch von der Gesellschaft verdächtigt und alleine gelassen wird? Integration muss dann ja wohl sehr einseitig sein?

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