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Donnerstag, 14. Januar 2016
Ketten-Abschottung
urmila, 12:23h
tagesschau.de meldet, dass die Türkei syrische Flüchtlinge nach Syrien abschiebt. Das wird nun kritisiert:
"Die EU-Kommission teilte Monitor gegenüber mit, irreguläre Abschiebungen ohne individuelle Prüfung würden einen "Bruch internationalen Rechts" bedeuten und die Europäische Menschenrechtskonvention verletzen."
Natürlich ist das ein Bruch internationalen Rechts. Aber was denkt sich die EU? Selbst will sie die Flüchtlinge nicht aufnehmen, rüstet rechtswidrig ihre Grenzen auf, verpflichtet die Türkei, Flüchtlinge zu behalten - warum sollte die Türkei anders handeln als die EU?
Die Konsequenz müsste sein, die Grenzen für Flüchtlinge zu öffnen.
"Die EU-Kommission teilte Monitor gegenüber mit, irreguläre Abschiebungen ohne individuelle Prüfung würden einen "Bruch internationalen Rechts" bedeuten und die Europäische Menschenrechtskonvention verletzen."
Natürlich ist das ein Bruch internationalen Rechts. Aber was denkt sich die EU? Selbst will sie die Flüchtlinge nicht aufnehmen, rüstet rechtswidrig ihre Grenzen auf, verpflichtet die Türkei, Flüchtlinge zu behalten - warum sollte die Türkei anders handeln als die EU?
Die Konsequenz müsste sein, die Grenzen für Flüchtlinge zu öffnen.
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Rechte Gewalt
urmila, 01:00h
tagesschau.de berichtet:
"Trauriger Rekord: Nie gab es so viele gewalttätige Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte wie 2015. Vorläufige Zahlen des Bundeskriminalamts zeigen einen massiven Anstieg. Die Opposition geht von noch mehr Fällen aus."
Die rechte Gewalt scheint gerade in Deutschland wieder zuzunehmen. Auch 2016 gab es schon einige Gewaltausbrüche:
Die sexualisierte Gewalt am Kölner Hauptbahnhof als Vorwand nehmen, haben in Köln vermutlich biodeutsche Gewalttäter Menschen, die sie als 'Ausländer' klassifizierten, gejagt und zum Teil krankenhausreif geschlagen.
In Leipzig haben rechte Gewalttäter in einem linken Stadtteil gewüstet.
Daniel Bax fragt in der taz, warum es für die rechte Gewalt so wenig öffentliche Empörung gibt:
"Man könnte deshalb auch fragen: Welche Rolle spielt die mitteleuropäische Herkunft der Täter? Oder: Gehört Gewalt gegen Andersdenkende und Andersaussehende so sehr zu „unserer Kultur“, dass sie von vielen nicht als Skandal empfunden wird? Denn der große Aufschrei blieb bislang aus."
"Trauriger Rekord: Nie gab es so viele gewalttätige Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte wie 2015. Vorläufige Zahlen des Bundeskriminalamts zeigen einen massiven Anstieg. Die Opposition geht von noch mehr Fällen aus."
Die rechte Gewalt scheint gerade in Deutschland wieder zuzunehmen. Auch 2016 gab es schon einige Gewaltausbrüche:
Die sexualisierte Gewalt am Kölner Hauptbahnhof als Vorwand nehmen, haben in Köln vermutlich biodeutsche Gewalttäter Menschen, die sie als 'Ausländer' klassifizierten, gejagt und zum Teil krankenhausreif geschlagen.
In Leipzig haben rechte Gewalttäter in einem linken Stadtteil gewüstet.
Daniel Bax fragt in der taz, warum es für die rechte Gewalt so wenig öffentliche Empörung gibt:
"Man könnte deshalb auch fragen: Welche Rolle spielt die mitteleuropäische Herkunft der Täter? Oder: Gehört Gewalt gegen Andersdenkende und Andersaussehende so sehr zu „unserer Kultur“, dass sie von vielen nicht als Skandal empfunden wird? Denn der große Aufschrei blieb bislang aus."
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Mittwoch, 13. Januar 2016
Sichere Herkunftssstaaten
urmila, 00:36h
Die taz berichtet, dass die Union diskutiert, ob Algerien und Marokko als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden sollen.
Ich habe über Algerien und Marokko wenig Ahnung. Aber beim Young Media Summit Reloaded im Dezember in Tunis habe ich zwei marokkanische Menschenrechtsaktivist_innen kennen gelernt. Beide werden in diesem Netzpolitik-Artikel erwähnt, weil gegen sie in Marokko ermittelt wird. Der eine von beiden war daher nach Tunis ins Exil gegangen. Auch wenn mir die Kenntnisse fehlen, all das genau einzuschätzen, bezweifele ich nach dem, was die beiden uns erzählt haben, dass Marokko ein sicherer Herkunftsstaat ist. Politischer Aktivismus scheint gefährlich zu sein.
Nachtrag 15.01.16: Im taz-Interview spricht Isabelle Werenfels von der SWP unter anderem über Marokko:
"All das erweckt den Anschein von Offenheit und einer Reformdynamik. Gleichzeitig stehen Journalisten und Wissenschaftler vor Gericht oder dürfen nicht reisen, weil sie einen investigativen Journalismus vorantreiben wollen oder mehr Meinungsfreiheit einfordern."
Das würde meinen Eindruck bestärken.
Nachtrag 20.01.16: Mehr zu Menschenrechtsverletzungen in Marokko und Algerien in der taz.
Nachtrag 24.01.16: Informationen über verfolgte Menschenrechtsaktivist_innen in Marokko, einer war beim YMS Reloaded dabei.
Nachtrag 10.02.16: Mehr über die sicher nicht sicheren Herkunftländern in der taz und von Charlotte Noblet (auch in der taz).
Ich habe über Algerien und Marokko wenig Ahnung. Aber beim Young Media Summit Reloaded im Dezember in Tunis habe ich zwei marokkanische Menschenrechtsaktivist_innen kennen gelernt. Beide werden in diesem Netzpolitik-Artikel erwähnt, weil gegen sie in Marokko ermittelt wird. Der eine von beiden war daher nach Tunis ins Exil gegangen. Auch wenn mir die Kenntnisse fehlen, all das genau einzuschätzen, bezweifele ich nach dem, was die beiden uns erzählt haben, dass Marokko ein sicherer Herkunftsstaat ist. Politischer Aktivismus scheint gefährlich zu sein.
Nachtrag 15.01.16: Im taz-Interview spricht Isabelle Werenfels von der SWP unter anderem über Marokko:
"All das erweckt den Anschein von Offenheit und einer Reformdynamik. Gleichzeitig stehen Journalisten und Wissenschaftler vor Gericht oder dürfen nicht reisen, weil sie einen investigativen Journalismus vorantreiben wollen oder mehr Meinungsfreiheit einfordern."
Das würde meinen Eindruck bestärken.
Nachtrag 20.01.16: Mehr zu Menschenrechtsverletzungen in Marokko und Algerien in der taz.
Nachtrag 24.01.16: Informationen über verfolgte Menschenrechtsaktivist_innen in Marokko, einer war beim YMS Reloaded dabei.
Nachtrag 10.02.16: Mehr über die sicher nicht sicheren Herkunftländern in der taz und von Charlotte Noblet (auch in der taz).
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Montag, 11. Januar 2016
#ausnahmlos
urmila, 15:43h
Eine Gruppe von Feminist_innen hat einen öffentlichen Aufruf Gegen sexualisierte Gewalt und Rassismus. Immer. Überall. #ausnahmslos gestartet.
Aus dem Statement:
In der Silvesternacht auf 2016 waren in Köln und anderen deutschen Städten viele Frauen sexualisierter Gewalt an öffentlichen Plätzen ausgesetzt. Diese Taten müssen zügig und umfassend aufgeklärt werden. Die Schutzlücken im Straftatbestand der sexuellen Nötigung/Vergewaltigung müssen endlich geschlossen werden.
Wir fordern, dass den Betroffenen jetzt alle Unterstützung und Hilfe zukommt, die sie benötigen. Wir stehen solidarisch mit all denjenigen, die sexualisierte Gewalt und Belästigung erfahren und erfahren haben.
Mehr hier. Da kann der Aufruf auch mitgezeichnet werden.
Aus dem Statement:
In der Silvesternacht auf 2016 waren in Köln und anderen deutschen Städten viele Frauen sexualisierter Gewalt an öffentlichen Plätzen ausgesetzt. Diese Taten müssen zügig und umfassend aufgeklärt werden. Die Schutzlücken im Straftatbestand der sexuellen Nötigung/Vergewaltigung müssen endlich geschlossen werden.
Wir fordern, dass den Betroffenen jetzt alle Unterstützung und Hilfe zukommt, die sie benötigen. Wir stehen solidarisch mit all denjenigen, die sexualisierte Gewalt und Belästigung erfahren und erfahren haben.
Mehr hier. Da kann der Aufruf auch mitgezeichnet werden.
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Sonntag, 10. Januar 2016
Workshop for Lehrende und Interessierte: Intersektional lehren
urmila, 18:11h
Am Montag, den 08.02.15 von 9.30 bis 17.00 Uhr gebe ich an der Freien Universität Berlin einen Workshop zum Thema "Intersektional lehren":
"Im Workshop wird erarbeitet, welche Bedeutungen und Konsequenzen die Verflechtung von Ungleichheitsverhältnissen für die (eigene) Lehre hat und wie mit ihnen umgegangen werden kann. Ziel ist es, ein (eigenes) Verständnis von intersektionalem Lehren zu entwickeln."
Alles weitere hier.
"Im Workshop wird erarbeitet, welche Bedeutungen und Konsequenzen die Verflechtung von Ungleichheitsverhältnissen für die (eigene) Lehre hat und wie mit ihnen umgegangen werden kann. Ziel ist es, ein (eigenes) Verständnis von intersektionalem Lehren zu entwickeln."
Alles weitere hier.
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Samstag, 9. Januar 2016
Schärfere Gesetze
urmila, 12:44h
Die taz berichtet, dass jetzt wohl doch schärfere Gesetze kommen. Das Kanzleramt hat noch vor Weihnachten seine Blockade gegen eine Verschärfung des Vergewaltigungsrecht aufgegeben. Die taz schreibt:
"Nach längerem Zögern hat Justizminister Maas im Juli 2015 einen Gesetzentwurf vorgelegt, der zumindest in die richtige Richtung geht. Anders als ein Gesetzentwurf der Grünen will Maas zwar nicht das Prinzip „Nein heißt Nein“ umsetzen, aber zumindest einige Schutzlücken schließen."
Das hört sich so an, als ob Deutschland in Bezug auf sexualisierte Gewalt immer noch ein sehr patriarchales Recht hat und selbst die bisher blockierte Verschärfgung nicht wirklich zu einem rechtlichen Schutz vor ungewollten sexuellen Handlungen führt. Für ein Recht auf "Nein heisst Nein" gibt es in Deutschland wohl noch keine ausreichende Lobby. Die taz erklärt die Blockade der Verschärfung wie folgt:
"Beobachter gingen davon aus, dass man dort die Verschärfung des Sexualstrafrechts als unpopulär einschätzte, weil vor allem sexuelle Übergriffe in Beziehungen betroffen wären."
Wenn das so stimmt, dann will die Union ihren Wählern (und wohl weniger den _innnen) nicht zumuten, dass sie sexualisierte Gewalt nicht mehr straffrei anwenden dürfen. Die Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt ist in Deutschland ganz offensichtlich noch nicht sehr weit vorgeschritten.
Darauf verweist auch die sehr genaue und differenzierte Stellungnahme zu den Übergriffen in der Silvesternacht des bff: Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe. Diese Fachleute, die sich schon lange und intensiv mit sexualisierter Gewalt beschäftigen, lassen sich nicht auf den Abweg bringen, sexualisierte Gewalt vor allem als Problem von Männern mit Migrationshintergrund zu sehen. Stattdessen solidarisieren sie sich mit den Opfern der Gewaltübergriffe, weisen auf die Alltäglichkeit von sexualisierter Gewalt hin und prangern strukturelle Schutzlücken an:
"Allerdings ist die sexuelle Selbstbestimmung in Deutschland nicht voraussetzungslos geschützt. Der bff und viele andere Organisationen fordern seit Jahren, dass die Schutzlücken im Straftatbestand der sexuellen Nötigung/Vergewaltigung endlich geschlossen werden. Leider ist es immer noch so, dass maßgeblich für die Strafbarkeit eines Übergriffs nicht etwa der erklärte Wille einer Person ist, sondern faktisch die Frage, ob sie sich ausreichend zur Wehr gesetzt hat und der Täter somit Gewalt anwenden musste.
Auch bezogen auf die Taten in Köln ergibt sich – für den Tathergang gemäß den bisherigen Darstellungen in den Medien – eine Schwierigkeit für die Strafbarkeit. Dem bff sind schon lange zahlreiche Fälle bekannt, in denen Frauen an öffentlichen Orten belästigt, begrabscht und an Geschlechtsteilen angefasst wurden. In der Regel enden diese Taten für die Täter straflos, weil aufgrund der Überrumpelung der Betroffenen keine Nötigungsmittel angewendet werden müssen, um die sexuelle Handlung zu begehen. Solche Überraschungsangriffe sind – so die Erfahrung der Fachberatungsstellen und von Rechtsanwältinnen – nicht durch den Straftatbestand der sexuellen Nötigung erfasst und damit systematisch straffrei."
Laut taz würde die Verschärfung des Vergewaltigungsstrafrechts hier Verbesserungen bringen:
"Ausdrücklich erwähnen will Maas im Strafgesetzbuch auch den Fall, dass das Opfer „aufgrund der überraschenden Begehung der Tat zum Widerstand unfähig ist“. Gemeint sind zum Beispiel überraschende Griffe an die Brust oder zwischen die Beine. Bisher wurde dies teilweise als Beleidigung bestraft. Dies ist umstritten, weil es nicht um Ehre, sondern um die sexuelle Selbstbestimmung geht.
Diese Änderung könnte auch für Übergriffe wie in Köln relevant sein. Eine rückwirkende Anwendung der Verschärfung ist allerdings rechtsstaatlich ausgeschlossen."
Wenn das Bundeskanzleramt die Verschärfung also nicht blockiert hätte, gäbe es jetzt vielleicht schon schärfere Gesetze, um die Kölner Übergriffe zu bestrafen. Eine solche öffentliche Diskussion scheint mir bisher aber zu fehlen. Statt über einen besseren rechtlichen Schutz gegen sexualierte Gewalt wirde über Ausweisungen und Abschiebungen diskutiert. Das zeigt, dass es den Diskutierenden nicht um die Opfer geht, sondern darum Menschen aus Deutschland zu verweisen. Der bff schreibt:
"Eine Unterscheidung der öffentlichen oder politischen Reaktionen auf sexualisierte Gewalt je nach Herkunft der Täter wird jedoch dem Thema nicht gerecht."
Während der bff begrüßt, dass es jetzt eine größere öffentliche Aufmerksamkeit für sexualisierte Gewalt gibt, bedauert aber:
"Leider ist das Ausmaß der Empörung eine absolute Ausnahme und bedauerlicherweise wahrscheinlich zunächst auf den mutmaßlich nicht-deutschen Hintergrund der Täter zurückzuführen."
Wir brauchen nicht nur einen besseren rechtlichen Schutz vor sexualisierer Gewalt. Wir brauchen vor allem auch eine stärkere öffentliche Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt, ihrer Alltgäglichkeit, ihren Tätern und den Konsequenzen für (potentielle) Opfer. Wir müssen uns endlich auf den Weg zu einer gleichberechtigereren Gesellschaft machen, in der Frauen und andere von der heterosexuallen Cis-Männlichkeit abweichende Identitäten nicht mehr die Möglichkeit von sexualisierter Gewalt als Normalität ansehen, mit der sie umgehen müssen.
Nachtrag 11.01.16: Die taz berichtet, dass die CDU jetzt doch für eine "Nein heißt Nein"-Regelung ist.
Nachtrag 14.01.16: Mehr zur rechtlichen Situation in der taz.
Nachtrag 21.01.16: Und noch ein Gespräch von Christina Clemm und Sabine Hark in der Zeit.
Nachtrag 03.03.16: Heide Oestreich kritisiert in der taz die unzureichende Reform des Sexualrechts.
"Nach längerem Zögern hat Justizminister Maas im Juli 2015 einen Gesetzentwurf vorgelegt, der zumindest in die richtige Richtung geht. Anders als ein Gesetzentwurf der Grünen will Maas zwar nicht das Prinzip „Nein heißt Nein“ umsetzen, aber zumindest einige Schutzlücken schließen."
Das hört sich so an, als ob Deutschland in Bezug auf sexualisierte Gewalt immer noch ein sehr patriarchales Recht hat und selbst die bisher blockierte Verschärfgung nicht wirklich zu einem rechtlichen Schutz vor ungewollten sexuellen Handlungen führt. Für ein Recht auf "Nein heisst Nein" gibt es in Deutschland wohl noch keine ausreichende Lobby. Die taz erklärt die Blockade der Verschärfung wie folgt:
"Beobachter gingen davon aus, dass man dort die Verschärfung des Sexualstrafrechts als unpopulär einschätzte, weil vor allem sexuelle Übergriffe in Beziehungen betroffen wären."
Wenn das so stimmt, dann will die Union ihren Wählern (und wohl weniger den _innnen) nicht zumuten, dass sie sexualisierte Gewalt nicht mehr straffrei anwenden dürfen. Die Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt ist in Deutschland ganz offensichtlich noch nicht sehr weit vorgeschritten.
Darauf verweist auch die sehr genaue und differenzierte Stellungnahme zu den Übergriffen in der Silvesternacht des bff: Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe. Diese Fachleute, die sich schon lange und intensiv mit sexualisierter Gewalt beschäftigen, lassen sich nicht auf den Abweg bringen, sexualisierte Gewalt vor allem als Problem von Männern mit Migrationshintergrund zu sehen. Stattdessen solidarisieren sie sich mit den Opfern der Gewaltübergriffe, weisen auf die Alltäglichkeit von sexualisierter Gewalt hin und prangern strukturelle Schutzlücken an:
"Allerdings ist die sexuelle Selbstbestimmung in Deutschland nicht voraussetzungslos geschützt. Der bff und viele andere Organisationen fordern seit Jahren, dass die Schutzlücken im Straftatbestand der sexuellen Nötigung/Vergewaltigung endlich geschlossen werden. Leider ist es immer noch so, dass maßgeblich für die Strafbarkeit eines Übergriffs nicht etwa der erklärte Wille einer Person ist, sondern faktisch die Frage, ob sie sich ausreichend zur Wehr gesetzt hat und der Täter somit Gewalt anwenden musste.
Auch bezogen auf die Taten in Köln ergibt sich – für den Tathergang gemäß den bisherigen Darstellungen in den Medien – eine Schwierigkeit für die Strafbarkeit. Dem bff sind schon lange zahlreiche Fälle bekannt, in denen Frauen an öffentlichen Orten belästigt, begrabscht und an Geschlechtsteilen angefasst wurden. In der Regel enden diese Taten für die Täter straflos, weil aufgrund der Überrumpelung der Betroffenen keine Nötigungsmittel angewendet werden müssen, um die sexuelle Handlung zu begehen. Solche Überraschungsangriffe sind – so die Erfahrung der Fachberatungsstellen und von Rechtsanwältinnen – nicht durch den Straftatbestand der sexuellen Nötigung erfasst und damit systematisch straffrei."
Laut taz würde die Verschärfung des Vergewaltigungsstrafrechts hier Verbesserungen bringen:
"Ausdrücklich erwähnen will Maas im Strafgesetzbuch auch den Fall, dass das Opfer „aufgrund der überraschenden Begehung der Tat zum Widerstand unfähig ist“. Gemeint sind zum Beispiel überraschende Griffe an die Brust oder zwischen die Beine. Bisher wurde dies teilweise als Beleidigung bestraft. Dies ist umstritten, weil es nicht um Ehre, sondern um die sexuelle Selbstbestimmung geht.
Diese Änderung könnte auch für Übergriffe wie in Köln relevant sein. Eine rückwirkende Anwendung der Verschärfung ist allerdings rechtsstaatlich ausgeschlossen."
Wenn das Bundeskanzleramt die Verschärfung also nicht blockiert hätte, gäbe es jetzt vielleicht schon schärfere Gesetze, um die Kölner Übergriffe zu bestrafen. Eine solche öffentliche Diskussion scheint mir bisher aber zu fehlen. Statt über einen besseren rechtlichen Schutz gegen sexualierte Gewalt wirde über Ausweisungen und Abschiebungen diskutiert. Das zeigt, dass es den Diskutierenden nicht um die Opfer geht, sondern darum Menschen aus Deutschland zu verweisen. Der bff schreibt:
"Eine Unterscheidung der öffentlichen oder politischen Reaktionen auf sexualisierte Gewalt je nach Herkunft der Täter wird jedoch dem Thema nicht gerecht."
Während der bff begrüßt, dass es jetzt eine größere öffentliche Aufmerksamkeit für sexualisierte Gewalt gibt, bedauert aber:
"Leider ist das Ausmaß der Empörung eine absolute Ausnahme und bedauerlicherweise wahrscheinlich zunächst auf den mutmaßlich nicht-deutschen Hintergrund der Täter zurückzuführen."
Wir brauchen nicht nur einen besseren rechtlichen Schutz vor sexualisierer Gewalt. Wir brauchen vor allem auch eine stärkere öffentliche Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt, ihrer Alltgäglichkeit, ihren Tätern und den Konsequenzen für (potentielle) Opfer. Wir müssen uns endlich auf den Weg zu einer gleichberechtigereren Gesellschaft machen, in der Frauen und andere von der heterosexuallen Cis-Männlichkeit abweichende Identitäten nicht mehr die Möglichkeit von sexualisierter Gewalt als Normalität ansehen, mit der sie umgehen müssen.
Nachtrag 11.01.16: Die taz berichtet, dass die CDU jetzt doch für eine "Nein heißt Nein"-Regelung ist.
Nachtrag 14.01.16: Mehr zur rechtlichen Situation in der taz.
Nachtrag 21.01.16: Und noch ein Gespräch von Christina Clemm und Sabine Hark in der Zeit.
Nachtrag 03.03.16: Heide Oestreich kritisiert in der taz die unzureichende Reform des Sexualrechts.
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Donnerstag, 7. Januar 2016
Gegen sexualisierte Gewalt (ohne Rassismus)
urmila, 15:19h
Die meisten Frauen kennen das. Fremde Hände am eigenen Körper, ohne Zustimmung, übergriffig, eklig. In den meisten Fällen passiert nichts weiter. Der/die Täter sind nicht zu identifizieren, der Übergriff wird nicht als schlimm genug angesehen, etc. Diejenigen, die die Übergriffe thematisieren, erfahren, dass sie nicht auf Unterstützung zählen können (so auch meine Erfahrung sowie hier). Sie sollen sich nicht so haben, nicht so übertreiben, war doch nichts. Sexualisierte Gewalt ist auch in unserer Gesellschaft alltäglich und normal.
Dass es nun viel öffentliche Aufmerksamkeit für sexualisierte Gewalt gibt, ist erst mal zu begrüßen. Endlich wird sie thematisiert. Aber leider dann doch nicht wirklich. Interessant wird das Ganze für die Öffentlichkeit nur, weil die Täter „nordafrikanisch“ aussahen (was immer das bedeuten mag). Gewalterfahrungen von Frauen werden instrumentalisiert für rassistische Argumentationen. Ein immer wiederkehrendes Vorgehen in den letzten Jahrhunderten. Mal müssen angeblich die „braunen Frauen vor den braunen Männern“ gerettet werden, was nur durch Kolonialisierung/ Abschiebung/ etc. geht. Mal muss die „weiße Frau vor dem schwarzen Mann“ gerettet werden. (Woher wissen die Vertreter_innen dieses Topos eigentlich, dass in Köln/ Hamburg/ etc. nur weiße Frauen Opfer sexualisierter Gewalt wurden?)
Besonders hervor tun sich dabei jene, denen Frauenrechte sonst völlig egal sind. Aktuell, zum Beispiel, die dezidiert antifeministische Politik machen und/oder den #aufschrei für völlig übertrieben hielten. Auf einmal treten sie (angeblich) für Frauen ein, in einer höchst patriarchalen Geste. Sie schreien laut auf, während jene, die schon seit Jahrzehnten gegen sexualisierte Gewalt arbeiten viel weniger Öffentlichkeit bekommen. Letztere haben auch nicht so schön einfache Lösungen wie die nun Empörten.
Das ist ähnlich wie in Indien nach der ersten Massenvergewaltigung, die viel Öffentlichkeit bekommen hat. Auf einmal gab es einen großen Aufschrei. Viel Unterstützung. Grundsätzlich zu begrüßen. Aber auch da sind es nicht die feministischen Stimmen, die sich schon lange engagieren und differenzierte Lösungsstrategien haben, die am meisten Aufmerksamkeit bekommen, sondern die mit den einfachen Lösungsvorstellungen: Todesstrafe. Überzeugten Feminist_innen stellen sich dabei die Nackenhaare auf. Eine Menschenrechtsverletzung kann nicht durch eine andere gesühnt werden. Aber wer patriarchal denkt, dem/der fällt wahrscheinlich nichts anderes als die Forderung nach Gewalt ein.
In Deutschland wird jetzt wieder die Abschiebung von „ausländischen Kriminellen“ diskutiert (siehe tagesschau.de). Bevor überhaupt klar ist, wer die Täter waren, welchen Aufenthaltstitel sie hatten, etc. Abschieben scheint die Lösung für alles zu sein. Bloß weg von hier. Raus aus Deutschland. Deutschland reinigen. Wenn wir diese Täter rausschmeißen (und zur Sicherheit vielleicht noch ein paar mehr), dann ist wieder alles gut im Land. Dann können wir die alltägliche sexualisierte Gewalt wieder ignorieren und so tun als ob Frauen (ob Cis oder Trans) und andere von der Norm der Cis-Männlichkeit Abweichende, sich nicht fürchten müssten.
Die taz am 6.1.16 zitierte den Berliner Landesvorsitzenden der Linkspartei Klaus Lederer mit “Wenn man gegen das Patriarchat und sexuelle Belästigung vorgehen will, kann man das auch ohne Rassismus tun.“ Darauf sollten mehr Leute hören. Viele der Feminist_innen, die sich in den letzten Tagen zu Wort gemeldet haben, versuchen das (so z.B. Antje Schrupp (auch im DLF-Interview) und Hilal Sezgin), sowie auch einige bekannte Journalisten (z.B. Anja Reschke und Duja Hayali). Ich bin beeindruckt, wie schnell sie es geschafft haben, sich differenziert zu Wort zu melden. Ich war dazu nicht so schnell in der Lage.
Das Problem ist allerdings, dass viele es gar nicht wollen. Sie nehmen die differenzierten Analysen nicht wahr, suchen nur nach Futter für ihre rassistischen Argumentationen.
Mich stören aber nicht nur jene, die die sexualisierte Gewalt für Rassismus ausnutzen. Ich finde auch jene daneben, die sich jetzt nur über den Rassismus beschweren und denen die sexualisierte Gewalt mehr oder weniger egal ist. Diejenigen, dies sich vorher nicht darum gekümmert haben und sie jetzt auch nicht weiter wichtig finden. Das ist genauso eklig wie jene, die sich nicht um Rassismus kümmern. Die engagierten Feminist_innen gehören hierzu aber sicherlich nicht, egal was z.B. Jens Spahn von sich gibt.
Nachtrag: Margarete Stokowski hat auch eine pointierte Kolumne geschrieben.
Nachtrag 13.01.16: Und noch ein Beitrag von Mely Kiyak und noch ein zweiter.
Dass es nun viel öffentliche Aufmerksamkeit für sexualisierte Gewalt gibt, ist erst mal zu begrüßen. Endlich wird sie thematisiert. Aber leider dann doch nicht wirklich. Interessant wird das Ganze für die Öffentlichkeit nur, weil die Täter „nordafrikanisch“ aussahen (was immer das bedeuten mag). Gewalterfahrungen von Frauen werden instrumentalisiert für rassistische Argumentationen. Ein immer wiederkehrendes Vorgehen in den letzten Jahrhunderten. Mal müssen angeblich die „braunen Frauen vor den braunen Männern“ gerettet werden, was nur durch Kolonialisierung/ Abschiebung/ etc. geht. Mal muss die „weiße Frau vor dem schwarzen Mann“ gerettet werden. (Woher wissen die Vertreter_innen dieses Topos eigentlich, dass in Köln/ Hamburg/ etc. nur weiße Frauen Opfer sexualisierter Gewalt wurden?)
Besonders hervor tun sich dabei jene, denen Frauenrechte sonst völlig egal sind. Aktuell, zum Beispiel, die dezidiert antifeministische Politik machen und/oder den #aufschrei für völlig übertrieben hielten. Auf einmal treten sie (angeblich) für Frauen ein, in einer höchst patriarchalen Geste. Sie schreien laut auf, während jene, die schon seit Jahrzehnten gegen sexualisierte Gewalt arbeiten viel weniger Öffentlichkeit bekommen. Letztere haben auch nicht so schön einfache Lösungen wie die nun Empörten.
Das ist ähnlich wie in Indien nach der ersten Massenvergewaltigung, die viel Öffentlichkeit bekommen hat. Auf einmal gab es einen großen Aufschrei. Viel Unterstützung. Grundsätzlich zu begrüßen. Aber auch da sind es nicht die feministischen Stimmen, die sich schon lange engagieren und differenzierte Lösungsstrategien haben, die am meisten Aufmerksamkeit bekommen, sondern die mit den einfachen Lösungsvorstellungen: Todesstrafe. Überzeugten Feminist_innen stellen sich dabei die Nackenhaare auf. Eine Menschenrechtsverletzung kann nicht durch eine andere gesühnt werden. Aber wer patriarchal denkt, dem/der fällt wahrscheinlich nichts anderes als die Forderung nach Gewalt ein.
In Deutschland wird jetzt wieder die Abschiebung von „ausländischen Kriminellen“ diskutiert (siehe tagesschau.de). Bevor überhaupt klar ist, wer die Täter waren, welchen Aufenthaltstitel sie hatten, etc. Abschieben scheint die Lösung für alles zu sein. Bloß weg von hier. Raus aus Deutschland. Deutschland reinigen. Wenn wir diese Täter rausschmeißen (und zur Sicherheit vielleicht noch ein paar mehr), dann ist wieder alles gut im Land. Dann können wir die alltägliche sexualisierte Gewalt wieder ignorieren und so tun als ob Frauen (ob Cis oder Trans) und andere von der Norm der Cis-Männlichkeit Abweichende, sich nicht fürchten müssten.
Die taz am 6.1.16 zitierte den Berliner Landesvorsitzenden der Linkspartei Klaus Lederer mit “Wenn man gegen das Patriarchat und sexuelle Belästigung vorgehen will, kann man das auch ohne Rassismus tun.“ Darauf sollten mehr Leute hören. Viele der Feminist_innen, die sich in den letzten Tagen zu Wort gemeldet haben, versuchen das (so z.B. Antje Schrupp (auch im DLF-Interview) und Hilal Sezgin), sowie auch einige bekannte Journalisten (z.B. Anja Reschke und Duja Hayali). Ich bin beeindruckt, wie schnell sie es geschafft haben, sich differenziert zu Wort zu melden. Ich war dazu nicht so schnell in der Lage.
Das Problem ist allerdings, dass viele es gar nicht wollen. Sie nehmen die differenzierten Analysen nicht wahr, suchen nur nach Futter für ihre rassistischen Argumentationen.
Mich stören aber nicht nur jene, die die sexualisierte Gewalt für Rassismus ausnutzen. Ich finde auch jene daneben, die sich jetzt nur über den Rassismus beschweren und denen die sexualisierte Gewalt mehr oder weniger egal ist. Diejenigen, dies sich vorher nicht darum gekümmert haben und sie jetzt auch nicht weiter wichtig finden. Das ist genauso eklig wie jene, die sich nicht um Rassismus kümmern. Die engagierten Feminist_innen gehören hierzu aber sicherlich nicht, egal was z.B. Jens Spahn von sich gibt.
Nachtrag: Margarete Stokowski hat auch eine pointierte Kolumne geschrieben.
Nachtrag 13.01.16: Und noch ein Beitrag von Mely Kiyak und noch ein zweiter.
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Montag, 28. Dezember 2015
Flüchtlinge in der Straßenbahn
urmila, 23:44h
Die Schwester einer Freundin will sie aus dem Kino abholen. Mit dem Auto. Obwohl es eine direkte Straßenbahnverbindung zu ihr nach hause gibt. Die Freundin versteht nicht warum. Auch nicht nachdem ihre Schwester es erklärt hat: die Flüchtlinge!
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