Mittwoch, 16. April 2014
Anerkennung von Transgender als drittes Geschlecht
durch das Höchste Gerichts Indien heute. Mehr dazu auf suedasien.info:

Nachdem im Dezember der indische Supreme Court Homosexualität rekriminalisiert hat , hat das gleiche Gericht jetzt Transgender als Drittes Geschlecht anerkannt . Meine Facebook-Nachrichtenseite quoll heute von Freudenausdrücken queer aktivistischer Freund_innen über und so gehe ich davon aus, dass dies ein Meilenstein für die Anerkennung von nicht-heteronormativer Lebensweisen ist.

In einer Email, die ich bekam, wurden die wesentlichen Punkte des Urteils wie folgt zusammengefasst:

" 1. Recognition of third gender.
2. Recognition of people who identify in the opposite sex based on self-identification. Includes female identifying as male and male identifying as female.
3. Non-recognition of gender identity amounts to discrimination under Arts 14, 15 and 16.
4. Discrimination on the ground of sexual orientation and gender identity amounts to discrimination on the ground of sex under Art 15.
5. No SRS required for recogntition of gender identity.
6. Persons gender identity based on their choice is protected under the constitution.
7. A series of directions have been given to the Centre and States based on the above.

Das gesamt Urteil habe ich leider nicht freizugänglich im Internet gefunden, sondern nur auf einer Facebook-Seite und kann es so nicht verlinken. Der Blog kafila zitiert aber zumindest das Urteil. Transgender müssen als drittes Geschlecht anerkannt werden (wenn sie dies wünschen, soweit ich es verstanden habe), zudem muss gegen die Diskriminierung von Transgender vorgegangen werden."


In Absatz 55 des Urteils heißt es

" Discrimination on the ground of sexual orientation or gender identity, therefore, impairs equality before law and equal protection of law and violates Article 14 of the Constitution of India."

Einen solchen Schutz der Rechte jeder einzelnen Person hat Ponni Arasu beim Urteil zu Section 377 vermisst. Es hängt wohl sehr von den jeweiligen Richter_innen ab, wie sie das Recht auslegen. Mit der Argumentation dürfteauch die Section 377 nicht haltbar sein. Soviel ich weiss, gibt es aber keine Möglichkeit mehr, sie vor Gericht zu verhandeln.

Initiiert wurde der Rechtsstreit, wenn ich das richtig verstanden habe, insbesondere von Hijras . Diese werden im Urteil auch immer wieder explizit benannt (und in den internationalen Medien vorallem beachtet). Es geht aber auch um Transgender allgemein und auch explizit um Female-to-Male:

" 46. Social exclusion and discrimination on the ground of gender stating that one does not conform to the binary gender (male/female) does prevail in India. Discussion on gender identity
including self-identification of gender of male/female or as transgender mostly focuses on those persons who are assigned male sex at birth, whether one talks of Hijra transgender, woman or male or male to female transgender persons, while concern voiced by those who are identified as female to male trans-sexual persons often not properly addressed. Female to male unlike Hijra/transgender persons are not quite visible in public unlike Hijra/transgender persons. Many of them, however, do experience
violence and discrimination because of their sexual orientation or gender identity."


Das ist ein wichtiger Aspekt, weil er die Vielfalt von trans*-Identitäten anerkennt und auch auf Ausblendungen in der Diskussion verweist.

Die Richter_innen begründen ihr Urteil auch damit, dass dies in einer Demokratie notwendig sei:

" If democracy is based on the recognition of the individuality and
dignity of man, as a fortiori we have to recognize the right of a human being to choose his sex/gender identity which is integral his/her personality and is one of the most basic aspect of selfdetermination dignity and freedom. In fact, there is a growing recognition that the true measure of development of a nation is not economic growth; it is human dignity."


Soweit eine Collage von Aspekten aus dem Urteil, die mir heute an verschiedenen virtuellen Orten begegnet sind. Ich gehe davon aus, dass es in der nächsten Zeit auch systematischere und kenntnisreichere Berichte geben wird, zum Beispiel auf dem Blog kafila .

Nachtrag 16.04.14: Auf dem Blog kafila gibt es jetzt eine ausführliche Bewertung des Urteils von Siddharth Narrain. Lesenswert!

"There are two central questions that the court addresses. The first is the recognition of a third gender category for hijras or equivalent cultural identities in order to facilitate legal rights. The second is that transgender persons, for the purposes of the law, should be able to identify in the gender of their choice, which could be male, female or a third gender category. In the operative part of the judgment, the court the Court held that hijras and eunuchs be treated as a “third gender” to safeguard their fundamental rights. The Court also held that and transgender persons have the right to decide their self identified gender."

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Freitag, 11. April 2014
Oranienplatz: Staat hält Zusagen nicht ein
Ein Teil der Vereinbarung zwischen Flüchtlingen und der Politik war, dass auf dem Oranienplatz ein Informationspunkt erhalten bleibt und so der Protest gegen die deutsche Asylpolitik öffentlich bleiben kann. Aber gerade scheint das nicht der Fall.

Die taz berichtet:

"Wann der Infocontainer wiedereröffnet werden kann, kann auch Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) noch nicht sagen. Erst müssten Fachleute vom Grünflächenamt kommen und die Schäden begutachten und die Schädlingsbekämpfung angehen. Das könne gut und gerne vier Wochen dauern – aber auch ganz schnell gehen. "

Damit kann der Bezirk die Zusage nicht einhalten und müsste nach einer Alternative suchen (z.B. an anderer Stelle auf dem Oranienplatz). Stattdessen bleibt es bei vagen Absichtserklärungen. An anderer Stellt zitiert die taz im Interview die grüne Bezirksbürgermeisterin:

"Der kleine Container für den Infopoint muss ausgetauscht werden durch einen größeren mit Wasser, Strom, Wärme. Ich habe mit Frau Kolat besprochen, dass es wichtig ist, den bald aufzustellen. Dann hoffe ich, dass neue Besetzungen nicht mehr sein müssen, weil die Leute wissen: Man kann vom O-Platz auch Aktionen starten ohne Besetzung."

Wer ist da jetzt zuständig? Im ersten taz-Artikel hiess noch, der Bezirk sei zuständig. Dann könnte Herrmann das doch selbst veranlassen, oder?

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Oranienplatz: Teile und Herrsche
Seit Herbst 2012 gab es am Berliner Oranienplatz ein Flüchtlingscamp. Errichtet wurde es als Teil eines politischen Kampfes für die Abschaffung der menschenunwürdigen Asylregelungen in Deutschland. Mit der Zeit kamen auch andere Flüchtlinge dazu. Und Frustrationen. Anfang dieses Jahres waren auf dem Oranienplatz und in seinem Umfeld unterschiedliche Flüchtlinge mit verschiedenen rechtlichen Statusen und politischen Zielen.

Die Kreuzberger Regierung hat das Camp gedultet, konservative Kräfte dagegen gekämpft. So entstand immer mehr politischer Handlungsdruck. Dieses Jahr verhandelte die Senatorin Dilek Kolat mit einigen der Flüchtlinge. Einige stimmten einem Kompromiss bei, der möglicherweise auch für einige eine Verbesserung der Situation sorgt. Andere waren gegen den Kompromiss, weil sie andere Ziele hatten und/oder weil sie nichts davon hatten. Ein komplizierte Lage.



Schlimm aber, dass die Politik die unterschiedlichen Situationen der Flüchtlinge und ihre unterschiedlichen Ziele ausgenutzt hat, um sie zu teilen und dann dafür zu sorgen, dass die einen die anderen vom Platz vertreiben. Gestern wurde das Camp geräumt. Zuerst nicht von der Polizei, sondern von Flüchtlingen, die auf den Kompromiss setzen. Die taz beschreibt eindrücklich, wie die Flüchtlinge von der Politik gegeneinander ausgespielt wurden.

Schlimm auch, dass Kolat im Interview so tut, als ob alle Flüchtlinge mit der Lösung zufrieden sind und nur ein paar Aktivsten stören, weil ihnen ihr Spielzeug weggenommen worden sei. Das nimmt zum einen die politische Auseinandersetzung nicht ernst (es geht nicht um ein Spielzeug sondern um politische Forderung) und zum anderen tut es so, als ob die Flüchtlinge keine Aktivst_innen seien, als ob sie nicht politisch handeln würden. Das ist eine völlig patriarchalische und demokratiefeindliche Einstellung.



Nachtrag 10.04.14: Die taz wertet Kolats Vorgehen als erfolgreich. Weil sie dafür gesorgt hat, dass es friedlich abgelaufen ist. Friedlich war es aber laut des taz-Artikels von gestern nicht. Nur wurde die Gewalt an einen Teil der Flüchtlinge delegiert (anstatt von der Polizei ausgeübt zu werden). So läuft erfolgreiches Teile und Herrsche.

Nachtrag 11.04.14: Die taz berlin stellt die beiden Flüchtlinge Napuli Langa, die einen Baum auf den Oranienplatz besetzt, und Bashir Zaharia, der für den Abriss des Camps gesorgt hat, vor.

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Mittwoch, 9. April 2014
Frauen in der syrischen Revolution
Razan Ghazzawi schreibt über die Rolle von Frauen in der syrischen Revolution und die fehlende Aufmerksamkeit, die sie bekommen.

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Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration des Bundes
Bei einer Konferenz habe ich gestern zum ersten mal die neue Bundesbeauftragte für Migration usw. Aydan Özoğuz sprechen gehört. Nach ihrer unsäglichen Vorgängerin Böhmer war das sehr erfrischend. Özoğuz bezieht eigene Erfahrungen als MmM mit ein, hat Erfahrungen mit Ausländerbehörden etc. gemacht, spricht von Ausgrenzung und Rassismus. Das ist ein ziemlicher Wandel. Auch wenn sie nicht von institutionellen Rassismus in Bezug auf die NSU sprechen wollte.

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Sonntag, 6. April 2014
Sprachtest als Barriere
Die taz berichtet:

"Auch im Jahr 2013 fiel fast ein Drittel aller nachzugswilligen Ehegatten durch den Sprachtest, von knapp 40.000 Prüflingen waren das 12.828."

und fügt hinzu:

"Die Bundesregierung räumte in ihrer Antwort zwar ein, dass es sich bei der Sprachanforderung beim Ehegattennachzug "in besonderen Einzelfällen um ein tatsächliches Zuzugshindernis handeln kann". Die integrationspolitische Sprecherin der Linkspartei, Sevim Dagdelen, hält das aber für "eine euphemistische Formulierung". "

So scheint die Sprachtest-Regelung ihren Zweck, also Zuwanderung zu verhindern, zu erfüllen.

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Donnerstag, 3. April 2014
Frontex hat keine Verantwortung
In der taz kommentiert Christian Jakob die "Europäische Geschlossenheit":

"Das Schöne am freien Meer ist, dass dort jeder machen kann, was er will. Das jedenfalls scheint sich die EU zu denken. Nur so ist zu erklären, dass ihre Grenzschützer in Zukunft schon auf Hoher See in Aktion treten sollen. Flüchtlingsboote stoppen, kontrollieren, durchsuchen, die Insassen festsetzen und an Orte bringen, an die sie nicht wollen - dazu wird Frontex in wenigen Wochen ermächtigt: ganz so, als befinde man sich auf dem eigenen Territorium."

Dazu interviewt die taz auch den Frontex-Vizedirektor Gil Arias-Fernandez. Ein interessantes Interview, nicht weil mensch Antworten auf Fragen bekommt, sondern weil sich Arias weigert, Fragen zu beantworten. Ganz unschuldig ist Frontex. Die EU entscheidet, kann Sachen einschätzen, etc., Frontex setzt nur um. Und in die Zukunft gucken kann er auch nicht, daher kann er natürlich nicht die anstehenden Änderungen kommentieren. Ein gruseliges Interview.

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Mittwoch, 2. April 2014
Aprilscherz
Gestern berichtete das Migazin:

"Einem geheimen BAMF-Dokument zufolge sollen ausländerfeindlich eingestellte Beamte in Ausländerbehörden keinen Kundenkontakt mehr haben. Die Gesinnung soll das BAMF per Prüfung ermitteln. Wie aus dem Papier außerdem hervorgeht, soll Lächeln in Zukunft Pflicht werden."

Im Laufe des Tages sah sich das BAMF genötigt, den Aprilscherz zu enttarnen.

Heute brichtet das Migazin über die Reaktionen auf den Artikel:

"Dem MiGAZIN Aprilscherz, wonach ausländerfeindlich eingestellte Beamte in Ausländerbehörden versetzt werden sollen, gingen zahlreiche Behördenmitarbeiter auf den Leim. Erst das BAMF-Dementi beruhigte die Gemüter, dafür zeigten sich zahlreiche Leser enttäuscht."

Schöne Aktion.

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Montag, 31. März 2014
Visapolitik torpediert Kulturpolitik
Die taz berlin berichtet, dass ein steuerfinanziertes Kulturprojekt durch restriktive Visapolitik teilweise verunmöglicht wird. Der deutsche Staat will einen Kulturaustausch mit Künstler_innen aus afrikanischen Ländern, aber er ist gleichzeitig nicht gewillt all diesen Künstler_innen Visa auszustellen. So was passiert immer wieder (zum Beispiel 2006: Straßenfußball und 2010: Discover Football).

Diese restriktive Visapolitik verursacht unnötige Kosten, im aktuellen Fall laut taz berlin:

"Die Hotelkosten für die Wartezeit auf das Visum, die Kosten für verschobene und letztendlich nicht angetretene Flüge etc. (der Arbeitsaufwand der Projektmanager an deutschen Theatern nicht eingerechnet) beliefen sich allein für die zwei kongolesischen Künstler auf etwa 6000 Euro. Gedeckt durch großenteils von der KdB verwaltete Steuergelder, die zur Kulturförderung vorgesehen waren."

Aber das ist nicht das Hauptproblem. Es ist eine grundlegende politische Frage, die zu stellen ist, wie die taz berlin formuliert:

"Wäre es nicht an der Zeit, dass KulturpolitikerInnen sich überlegen, wie sinnvoll ihre Arbeit bei entsprechenden außenpolitischen Tendenzen ist und anfangen, effektiv gegenzusteuern statt den Theatern die Arbeit zu überlassen? "

Abschottung (restriktive Visapolitik) und Austausch passen nicht zusammen.

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