Dienstag, 26. Februar 2013
Seminar: The Intersection of Sexism and Racism
Heute war der erste Tag des Rosa Luxemburg Seminars "The Intersection of Sexism and Racism - Developing Feminist Strategies" in Tel Aviv, das von der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Kooperation mit der Organisation Achoti - for Women in Israel durchgeführt wird.



Heute mit einem Vortrag der Mizrahi feministischen Rechtsanwältin Claris Harbon. Sie sprach über die Situation von Mizrahi Frauen in Israel und nutzte dafür das Konzept der 'Outsider wihin' - und ich habe ganz viel dazu gelernt. Soweit ich es verstanden habe, sind Mizrahi jene jüdischen Israeli, die nicht aus Europa stammen (mit einem möglichen Schwerpunkt auf 'orientalischen' Jüd_innen). Harbon sprach über die rassistische Ausgrenzung der Mizrahi sowie der Schwierigkeit als Mizrahi Frau rechtliche Anerkennung von Diskriminierung zu bekommen.

Über die Situation von arabischen jüdischen Israelis (oder so ähnlich) hatte ich auch schon in Eli Amirs Roman Jasmin gelesen. Dieser spielt nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 und hat als Hauptfiguren einen aus Bagdad zugewanderten Israeli und eine christliche Araberin aus Jerusalem.

Mein Bild des 'weißen' Israels, das ich vor dieser Reise hatte, wandelt sich so immer mehr. Auch auf der Straße sowohl in Tel Aviv wie in Jerusalem war ich überrascht wie vielfältig die Bewohner_innen Israels sind (sowohl die jüdischen wie die nicht-jüdischen). Mit Nivedita Prasad bin ich viel durch Tel Aviv spaziert und wir wurden immer wieder auf Hebräisch angesprochen, was wir erstmal als Anzeichen dafür nehmen, dass wir potentiell Israelis sein könnten.

Morgen wird bei der Konferenz auch die Palästinenserin Areen Hawari sprechen. Ich bin gespannt, welche Punkte sie da einbringt. Heute hat sie schon gute Nachfragen gestellt und dabei auch Arabsich gesprochen - und so die Konferenz wirklich dreisprachig (Englisch, Hebräisch, Arabisch) gemacht. Was dazu führte, dass einige noch schnell einen Kopfhörer für die Übersetzung holen mussten - was sie mit der Nachfrage kommentierte, dass wohl nicht mit einem arabischen Redebeitrag gerechnet worden sei.

Mein Vortrag über deutsche Debatten zu Rassismus und Heternormativität scheint bei einigen auch gut angedockt zu haben. Viele Probleme dieser Verflechtung scheinen ähnlich zu sein. Zum Konzept des Homonationalismus gab es interessierte Nachfragen.

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Montag, 25. Februar 2013
Entscheidungen
In Jerusalem war ich von Donnerstagnachmittag bis Sonntagmittag - zwei volle Tage und zwei Teiltage. Die Frage war, was mache ich mit dieser Zeit. Zu tun gibt es in Jerusalem viel. Natürlich die Altstadt ansehen, mit ihren verschiedenen religiösen Stätten. Ausserdem ist in Jerusalem Yad VaShem - die Gedenkstätte für die Opfer des Holocaust. Und gleich ausserhalb von Jerusalem ist die Mauer zur Westbank, die zum Beispiel bei einem Ausflug nach Bethlehem zu durchqueren ist. Es war aber auch klar, dass ich die drei Programmpunkte nicht in der Zeit schaffen würde, da ich sowohl für Yad VaShem wie Bethlehem jeweils einen ganzen Tag brauchen würde - und die Altstadt in der restlichen Zeit kaum erkunden könnte.

Den Besuch in Yad VaShem musste ich dann streichen, da die Gedenkstätte am Samstag ganz geschlossen ist und Freitags nur bis mittags geöffnet ist (das hätte ich nicht geschafft).

So plante ich dann für Samstag nach Bethlehem zu fahren, da ich am Shabat im jüdischen Teil Jerusalems sowieso wenig machen können würde. Ein bisschen unwohl war mir bei der Überlegung, da mein Orientierungssinn noch nicht so ganz zufriedenstellend war und ich in Ost-Jerusalem einen Bus zur Mauer hätte finden müssen. Zudem hatte ich in der Zeitung gelesen, dass es in den letzten Tagen Konflikte zwischen Palästinenser_innen und Israelis gegeben habe. Ganz überzeugt von meinem Plan war ich also noch nicht, als ich am Samstagvormittag zur Altstadt lief, um diese zu durchqueren und zum Busbahnhof in Ost-Jerusalem zu kommen.



Und dann kam ich in die Altstadt nicht rein. Erst lief ich an den wartenden Autos einfach vorbei und bezog die Sperre gar nicht auf mich. Aber dann verstand ich, dass auch keine Zufußgehenden in die Altstadt gelassen wurden. Vor dem Jaffa Tor standen Polizist_innen und Soldat_innen und riegelten dieses ab. Ein paar Minuten später durften wir dann rein. Aber mir reichte das: irgendwas war und ich wusste nicht was. Das war mir zu viel Unsicherheit für einen Ausflug in die Westbank und ich blieb lieber in der Altstadt (ging in die Ausstellung "The Kaiser is coming"). Die Miltärpräsenz war da wie an den anderen Tagen hoch. In der Nähe der Via Dolorsa gab es dann am Nachmittag kurz noch einen Aufruhr. Ich sass in einem Imbiss und bekam die Einzelheiten nicht mit, sah aber viel Militär vorbeiziehen und Palästinenser_innen aufmerksam nach draussen schauen (und christliche Pilger_innen vorbeiziehen).

Heute nun lese ich in der Zeitung, dass es nach dem Tod eines inhaftierten Palästinensers gestern zu einigenen Zusammenstössen kam. Es war dann wohl doch gut, auf mein Bauchgefühl zu hören und nicht unbedingt in die Westbank zu fahren.

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Mittwoch, 20. Februar 2013
Orientierungschwierigkeiten


Wie schon beim Young Media Summit in Kairo bin ich mal wieder praktische Analphabetin. Und hatte irgendwie nicht damit gerechnet bzw. nicht genug nachgedacht. Ich bin wohl davon ausgegangen, dass ich auch Beschriftungen in lateinischen Buchstaben finden würde, um mich so orientieren zu können. Aber vieles ist nur in Hebräisch geschrieben (bei den Lebensmitteln im Supermarkt zum Teil auch in Arabisch, aber das kann ich ja auch nicht lesen). So bin ich denn heute Abend durch Tel Aviv gelaufen und hatte etwas Schwierigkeiten, mir ein Abendessen zu besorgen. Dank Stadtplan und in lateinischer Schrift geschriebenen Straßenschildern konnte ich mich allerdings auf den Straßen ganz gut orientieren.

Mal sehen, welche Orientierungs- und Verständnisschwierigkeiten sich mir in der nächsten Woche noch auftuen werden - und welche Perspektiven sich mir neu eröffnen werden.

Nachtrag 23.02.13: Nach drei Tagen in Israel und zwei Tagen durch Jerusalem Gehen nimmt die Orientierung langsam zu. Zumindest gehend finde ich mich weitgehend zurecht und auch das Essen wird mir vertrauter. Meine fehlenden Sprachkenntnisse bleiben eine große Barriere und meine geringen Kenntnisse über die soziale und politische Lage hier behindern mich auch. Zu bloggen habe ich mittlerweile einiges, allerdings gerade keine Energie dafür. Mal sehen, wann ich dazu komme.

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Dienstag, 19. Februar 2013
Verpflichtungserklärung
Warteraum für die Verpflichtungserklaerung


Eine Freundin aus Indien will mich im Sommer besuchen. Dafür braucht sie ein Visum. Und dafür muss ich eine Verpflichtungserklärung abgeben, dass ich nicht nur all ihre Aufenthaltskosten trage, sondern auch alle Kosten, die von der Krankenversicherung nicht abgedeckt werden, sowie die Abschiebungskosten. Ganz schön abschreckend das Ganze. Die Abfertigung ist effizient: mensch muss einen Termin buchen, Unterlagen zusammensuchen, dann auf den Bildschirm starren und warten bis die Vorgangsnummer angezeigt wird. Dann prüft ein_e Sachbearbeiter_in die Unterlagen, weisst mich zurecht, dass ich meinen zweiten Vornamen nicht eingetragen habe, dass ich ihn dann nicht ausreichend gut leserlich nachgetragen habe, fragt, wo mein Vorname her sei. Und ich habe nur eine Option: freundlich bleiben, schliesslich will ich, dass sie meine Verpflichtungserklärung absegnet. Dafür muss mensch ausreichend Einkommen oder Vermögen nachweisen - und 25 € Gebühren zahlen.

Und jetzt hoffen, dass es mit dem Visum klappt.

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Für Studienliebhabende
Letzte Woche wurde eine Studie des Zentrums für Türkeistudien öffentlich vorgestellt (siehe taz), die zeigt, dass:

"Diskriminierungserfahrungen und Benachteiligungen von Menschen mit Migrationshintergrund beeinträchtigen deren gesellschaftliche Integration negativ. "

So eine Studie lässt sich gut nutzen, um zu argumentieren, dass Rassismus ein gesellschaftliches Problem in Deutschland ist. Auch wenn das Wort Rassismus im Artikel nicht vorkommt.

Mir behagt das Nutzen der Studie für diesen Zweck allerdings nicht. Den diese argumentiert (zumindest laut taz-Artikel) innerhalb des Integrationsdiskurses, nimmt Integration (die nicht näher definiert wird) als unhinterfragbares Ziel - und reprduziert so die Konstruktion des problematischen Anderen.

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Sonntag, 17. Februar 2013
Berlinale: Nachlese
Habi, La Extranjera: Die argentinische Filmemacherin Maria Florencia Alvarez erzählt in ihrem Spielfilm die Geschichte einer jungen Frau, die von den Praktiken der Muslim_innen angezogen ist, mitmacht und sich eine neue Identität aneignet. Schön erzählt, ohne antimuslimische Bilder zu reproduzieren.

Inch'Allah: Zur Illustration des Israel-Palästina-Konflikts stellt die Filmemacherin Anais Barbeu-Lavalette in den Mittelpunkt ihres Spielfilms eine französische Ärztin, die in Israel lebt und in der Westbank arbeitet, die auf beiden Seiten der Grenze Freund_innen hat und wie dies schwer miteinander vereinbar ist.

Kai Po Che: Ein Bollywood-Film von Abhishek Kapoor der eindrucksvoll zeigt, wie sich politisch uninteressierte Cricket-Fans in Pogrome gegen Muslime verstricken.

Powerless: Ein Dokumentarfilm von Fahad Mustafa und Deepti Kakar über die Probleme der Energieversorgung in Kanpur. In den Mittelpunkt stellen sie einen 'Strom-Dieb' und die Chefin der städtischen Energieversorger. Ein eindrucksvoller Film über die Ineffizienz der Energieversorgung, individuelle Strategien des Umgangs (und Scheiterns), der allerdings bei westlichen Publikum viel Raum für die Reproduktion von orientalistischen Bildern lässt und eine Tedenz dazu hat, den 'Strom-Dieb' als lächerlich vorzuführen. Mehr hätte ich gerne über den Abgeordneten erfahren, der mich sehr an den Kandidaten aus Kai Po Che erinnert hat.

Out in Ost-Berlin: Ein Dokumentarfilm über Schwule und wenige Lesben in der DDR mit interessanten Personen, mit filmisch wenig interessanter Umsetzung und verantwortungslosem Umgang mit den Protagonist_innen. Die haben den fertigen Film erst bei der Premiere gesehen, so dass einer, der sich verzerrt dargestellt fühlte (als Ostalgiker) dies vor dem kompletten Publikum sagen musste. Sehr mutig von ihm.

Epizoda u zivotu beraca zeljeza: Ein bosnischer Spielfilm über die Ausgrenzung von Roma auf der Basis eines realen Falles. Hat mich filmisch nicht überzeugt.

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Donnerstag, 14. Februar 2013
Wir sind hier in Deutschland
Bei der Berlinale gibt es nach den Filmvorführungen in der Regel ein Q & A ('Question and Answer' - ein Gespräch mit der Regisseur_in). So auch nach Lamma Shoftak. Dieser palästinensische Film lief im arabischen Original mit englischen Untertiteln. Eine Frau meldete sich in der Q&A und forderte mit Nachdruck, dass die Diskussion aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt werden müsse. Nachdruck versuchte sie dieser Forderung zu verleihen mit dem zweimal vorgetragenen Argument "Wir sind hier in Deutschland".

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Montag, 11. Februar 2013
Katholikenphobie
Laut taz beklagt der Kölner Kardinal Meisner eine 'Katholikenphobie' in der Gesellschaft. Der Erzbischof Müller ist sogar an Pogromstimmung erinnert.

Grundlage für diese Einschätzungen scheinen die Diskussionen über die Abweisungen eines Vergewaltigungsopfers in katholischen Kliniken und die Diskussion um die beendete Zusammenarbeit der katholischen Kirche und dem Kriminologen Pfeiffer. Es geht also um Kritik an konkreten Maßnahmen der katholischen Kirche. Und es scheint als ob es darum geht, dass Vertreter_innen der katholischen Kirche (und nicht Katholik_innen per se) davon betroffen sind.

Dafür das Wort Katholikenphobie zu benutzen, finde ich schon stark. Den es knüpft an die Begriffe Homophobie und Xenophobie an, bei denen es darum geht, dass Menschen aufgrund einer zugeschriebenen Eigenschaft ausgegrenzt werden - und nicht darum Vertreter_innen einer Institution für deren Politik zu kritisieren.

Wenn der Kardinal tatsächlich meint, dass alle als Katholik_innen wahrgenommenen Personen davon betroffen sind, dann stimmt die Analogie schon eher. Eine solche Phobie nehme ich allerdings nicht wahr. Sowohl bei der Kritik der Abweisung des Vergewaltigungsopfers wie bei der Kritik des Umgangs mit sexuellem Missbrauch von Kindern geht es auch gerade darum, das eine gesellschaftlich sehr mächtige Institution (in manchen Regionen Deutschlands die einzige Option) ihre Machtposition ausnutzt und Menschen darunter leiden.

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