Dienstag, 19. Februar 2013
Verpflichtungserklärung
Warteraum für die Verpflichtungserklaerung


Eine Freundin aus Indien will mich im Sommer besuchen. Dafür braucht sie ein Visum. Und dafür muss ich eine Verpflichtungserklärung abgeben, dass ich nicht nur all ihre Aufenthaltskosten trage, sondern auch alle Kosten, die von der Krankenversicherung nicht abgedeckt werden, sowie die Abschiebungskosten. Ganz schön abschreckend das Ganze. Die Abfertigung ist effizient: mensch muss einen Termin buchen, Unterlagen zusammensuchen, dann auf den Bildschirm starren und warten bis die Vorgangsnummer angezeigt wird. Dann prüft ein_e Sachbearbeiter_in die Unterlagen, weisst mich zurecht, dass ich meinen zweiten Vornamen nicht eingetragen habe, dass ich ihn dann nicht ausreichend gut leserlich nachgetragen habe, fragt, wo mein Vorname her sei. Und ich habe nur eine Option: freundlich bleiben, schliesslich will ich, dass sie meine Verpflichtungserklärung absegnet. Dafür muss mensch ausreichend Einkommen oder Vermögen nachweisen - und 25 € Gebühren zahlen.

Und jetzt hoffen, dass es mit dem Visum klappt.

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Für Studienliebhabende
Letzte Woche wurde eine Studie des Zentrums für Türkeistudien öffentlich vorgestellt (siehe taz), die zeigt, dass:

"Diskriminierungserfahrungen und Benachteiligungen von Menschen mit Migrationshintergrund beeinträchtigen deren gesellschaftliche Integration negativ. "

So eine Studie lässt sich gut nutzen, um zu argumentieren, dass Rassismus ein gesellschaftliches Problem in Deutschland ist. Auch wenn das Wort Rassismus im Artikel nicht vorkommt.

Mir behagt das Nutzen der Studie für diesen Zweck allerdings nicht. Den diese argumentiert (zumindest laut taz-Artikel) innerhalb des Integrationsdiskurses, nimmt Integration (die nicht näher definiert wird) als unhinterfragbares Ziel - und reprduziert so die Konstruktion des problematischen Anderen.

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Sonntag, 17. Februar 2013
Berlinale: Nachlese
Habi, La Extranjera: Die argentinische Filmemacherin Maria Florencia Alvarez erzählt in ihrem Spielfilm die Geschichte einer jungen Frau, die von den Praktiken der Muslim_innen angezogen ist, mitmacht und sich eine neue Identität aneignet. Schön erzählt, ohne antimuslimische Bilder zu reproduzieren.

Inch'Allah: Zur Illustration des Israel-Palästina-Konflikts stellt die Filmemacherin Anais Barbeu-Lavalette in den Mittelpunkt ihres Spielfilms eine französische Ärztin, die in Israel lebt und in der Westbank arbeitet, die auf beiden Seiten der Grenze Freund_innen hat und wie dies schwer miteinander vereinbar ist.

Kai Po Che: Ein Bollywood-Film von Abhishek Kapoor der eindrucksvoll zeigt, wie sich politisch uninteressierte Cricket-Fans in Pogrome gegen Muslime verstricken.

Powerless: Ein Dokumentarfilm von Fahad Mustafa und Deepti Kakar über die Probleme der Energieversorgung in Kanpur. In den Mittelpunkt stellen sie einen 'Strom-Dieb' und die Chefin der städtischen Energieversorger. Ein eindrucksvoller Film über die Ineffizienz der Energieversorgung, individuelle Strategien des Umgangs (und Scheiterns), der allerdings bei westlichen Publikum viel Raum für die Reproduktion von orientalistischen Bildern lässt und eine Tedenz dazu hat, den 'Strom-Dieb' als lächerlich vorzuführen. Mehr hätte ich gerne über den Abgeordneten erfahren, der mich sehr an den Kandidaten aus Kai Po Che erinnert hat.

Out in Ost-Berlin: Ein Dokumentarfilm über Schwule und wenige Lesben in der DDR mit interessanten Personen, mit filmisch wenig interessanter Umsetzung und verantwortungslosem Umgang mit den Protagonist_innen. Die haben den fertigen Film erst bei der Premiere gesehen, so dass einer, der sich verzerrt dargestellt fühlte (als Ostalgiker) dies vor dem kompletten Publikum sagen musste. Sehr mutig von ihm.

Epizoda u zivotu beraca zeljeza: Ein bosnischer Spielfilm über die Ausgrenzung von Roma auf der Basis eines realen Falles. Hat mich filmisch nicht überzeugt.

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Donnerstag, 14. Februar 2013
Wir sind hier in Deutschland
Bei der Berlinale gibt es nach den Filmvorführungen in der Regel ein Q & A ('Question and Answer' - ein Gespräch mit der Regisseur_in). So auch nach Lamma Shoftak. Dieser palästinensische Film lief im arabischen Original mit englischen Untertiteln. Eine Frau meldete sich in der Q&A und forderte mit Nachdruck, dass die Diskussion aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt werden müsse. Nachdruck versuchte sie dieser Forderung zu verleihen mit dem zweimal vorgetragenen Argument "Wir sind hier in Deutschland".

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Montag, 11. Februar 2013
Katholikenphobie
Laut taz beklagt der Kölner Kardinal Meisner eine 'Katholikenphobie' in der Gesellschaft. Der Erzbischof Müller ist sogar an Pogromstimmung erinnert.

Grundlage für diese Einschätzungen scheinen die Diskussionen über die Abweisungen eines Vergewaltigungsopfers in katholischen Kliniken und die Diskussion um die beendete Zusammenarbeit der katholischen Kirche und dem Kriminologen Pfeiffer. Es geht also um Kritik an konkreten Maßnahmen der katholischen Kirche. Und es scheint als ob es darum geht, dass Vertreter_innen der katholischen Kirche (und nicht Katholik_innen per se) davon betroffen sind.

Dafür das Wort Katholikenphobie zu benutzen, finde ich schon stark. Den es knüpft an die Begriffe Homophobie und Xenophobie an, bei denen es darum geht, dass Menschen aufgrund einer zugeschriebenen Eigenschaft ausgegrenzt werden - und nicht darum Vertreter_innen einer Institution für deren Politik zu kritisieren.

Wenn der Kardinal tatsächlich meint, dass alle als Katholik_innen wahrgenommenen Personen davon betroffen sind, dann stimmt die Analogie schon eher. Eine solche Phobie nehme ich allerdings nicht wahr. Sowohl bei der Kritik der Abweisung des Vergewaltigungsopfers wie bei der Kritik des Umgangs mit sexuellem Missbrauch von Kindern geht es auch gerade darum, das eine gesellschaftlich sehr mächtige Institution (in manchen Regionen Deutschlands die einzige Option) ihre Machtposition ausnutzt und Menschen darunter leiden.

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Sonntag, 10. Februar 2013
Berlinale: Die 727 Tage ohne Karamo
Ein sehr empfehlenswerter Dokumentarfilm von der Österreicherin Anja Salomonowitz: Die 727 Tage ohne Karamo. Salomonowitz hat eine tolle filmische Form gefunden, um die strukturelle Verunmöglichung von binantionalen Ehen zu zeigen.

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Samstag, 9. Februar 2013
Internet im Abschiebegewahrsan
Die Berliner Piraten fodern laut taz zwar weder die Abschaffung von Abschiebung noch Abschiebehaft aber immerhin finden sie den Berliner Abschiebegewahrsam zu groß und sie fordern Internetzugang für die Menschen im Abschiebegewahrsam. Der frühere Innensenator Körting hatte laut taz keine Bedenken dagegen, wollte aber kein Geld dafür geben. Der CDU-Staatssekretär Statzkowski hingegen hat ganz grundsätzliche bedenken, was die gefährlichen Menschen im Abschiebegewahrsam dann alles machen könnten, wenn sie denn Internet hätten:

" „Ein freier Internetzugang zu Inhalten, die Bauanleitungen für gefährliche Gegenstände oder Schulungen zum Öffnen oder Manipulieren von Sicherheitseinrichtungen enthalten, können die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Abschiebungsgewahrsam erschweren.

Darüber hinaus kann ein freier Zugang zu Inhalten mit (ethnischen) Beleidigungen, mit Verunglimpfungen von Religionen oder ein Zugriff auf pornografische, gewaltverherrlichende, rassistische oder menschenverachtende Inhalte den sozialen Frieden im Abschiebungsgewahrsam negativ beeinflussen.“


Rassistische, sexistische und andere menschenverachtende Handlungen und Äußerungen sind laut Steffi Holz Studie tatsächlich nicht nur ein strukturelles Problem des Berliner Abschiebegewahrsams. Dabei hat sie aber weniger die eingesperrten Personen als Täter_innen im Blick.

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Berlinale: Zwei Dokumentarfilme Indien / Palästina
Zum Berlinale-Auftakt habe ich zwei Dokumentarfilme gesehen, die sehr gegensäztlich waren.

Zuerst war ich in Kya hua iss shar ko? einem politischen Dokumentarfilm von 1986. Der Film von Deepa Dhanraj beschäftigt sich mit Ausschreitungen zwischen Hindus und Muslim_innen 1984 in Hyderabad.

Der Film zeigt eindrucksvoll wie sowohl arme Hindus wie arme Muslim_innen unter den Ausschreitungen leiden. Sie werden getötet, verletzt, ihnen wird ihre ökonomische Lebensgrundlage vernichtet und sie leiden am meisten unter der Ausgangssperre, da sie dadurch keine Einkommen mehr erzielen können. Die Erzählungen der Hindus und Muslim_innen gleichen sich dabei sehr. Es gleichen sich auch die Aussagen der porträtierten Politiker (nur Männer), sowohl des muslimischen wie des hindu-nationalistischen. Sie heizen die Massen an, geben den Anderen die Schuld und verfolgen ihre politische Karriere.

Nicole Wolf vom Living Archive-Projekt hat vor der Filmvorführung erzählt, dass dieser Film ein wichtiger politischer Dokumentarfilm sei, der viele Leute beeindruckt hat und von dem sie viel gehört hat. Lange aber gab es keine Kopie, die sie sehen konnte, bis sie im Arsenal-Archiv eine alte Berlinale-Kopie mit deutschen Untertiteln gefunden hat. Für die Vorführung bei der Berlinale dieses Jahr, wurde der Film auf der Grundlage eines gefundenen Negativs und der detuschen Version digitalisiert - und dabei blieben einige Fehler.

Leider konnte ich nicht zur Diskussion bleiben, da ich zum nächsten Film musste. State 194 war dann auf vielen Ebenen ein Gegenstück zu Kya hua iss shar ko?: ein glänzender Digitalfilm, ganz ohne Fehler (ausser ein leicht asynchronen Tonspur, für die sich die Berlinale nach dem Film entschuldigte) und mit großen glatten Bildern. Der Film des israelischen Dokumentarfilmers Dan Setton begleitet den palästinensischen Premierminister Salam Fayyed bei seinem Vorhaben einen funktionierenden Staat in der Westbank aufzubauen und als 194. Staat der UN anerkannt zu werden. Der Film ist klar für ein Massenpublikum gemacht und ist filmisch völlig uninteressant. Zudem zählt er bewusst nur eine Geschichte und lässt keinen Raum für Komplexitäten und Widersprüche. Politisch mag das ein sinnvoller Ansatz sein, um eine andere Realität von Palästina zu zeichnen, als jene die in westlichen Medien dominiert. Filmisch fand ich den (Werbe)Film aber sehr langeweilig.

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Freitag, 8. Februar 2013
Die Schwierigkeit nicht p/maternalistisch zu sein
In einem Artikel über die Beschneidung von Frauen, zititert die taz die Aktivistin Faduma Korn mit Kritik am Vorgehen von terre des femmes:

" Sie prangern die Menschenrechtsverletzung an. Können aber die Kluft, die Faduma Korn so gut kennt, nicht auffangen. „Genitalverstümmelung sagen sie auf ihrem Anrufbeantworter“, so Korn. „Sie müssen diese Wortwahl ändern. Keine Beschnittene wird dort noch einmal anrufen.“

Das Problem sei, dass Frauen, die sich bisher als schön und rein erlebten, plötzlich als Überlebende eines Verbrechens gelten würden, als Verstümmelte. Und dass Weiße dies so definiert hätten. „In diesen Organisationen sind keine schwarzen Frauen“, hat Korn beobachtet. Die Mütter sehe man als Verbrecherinnen, die Töchter als Opfer, meint sie."


Die taz schreibt in dem Artikel zur Kritik:

"Terre des Femmes hat gelernt, dass Weiße aus dem neokolonialen Duktus der weißen Frau, die die Schwarze „retten“ will, kaum herauskommen."

Der folgende Satz lässt allerdings daran zweifeln, dass wirklich gelernt wurde:

"Deshalb geht die Organisation nicht selbst zu den Einwanderern. „Afrikanerinnen sind für uns in den Communitys unterwegs“, erklärt Gruber."

Wenn sie Afrikanerinnen für ihre Zwecke nutzen, haben sie nicht gelernt. Gelernt hätten sie, wenn sie Aktivistinnen wie Faduma Korn ihre Ressourcen zur Verfügung stellen würden und sie das Vorgehen bestimmen lassen würden.

In einem zweiten Artikel fragt die taz, ob die angestrebte Gesetzesveränderung zur Verfolgung von 'Genitalverstümmelung' Aktionismus ohne Anlass ist. Ob nicht andere Maßnahmen sinnvoller wären.

Und anlässlich des Gerichtsverfahrens gegen den Vater der ermordeten Arzu Özmen (siehe taz) geht es um sogenannten Ehrenmord. Dabei weisst ein zweiter taz-Artikel daraufhin, dass patriarchales gewalttätiges Verhalten nicht nur in muslimischen Gesellschaften legitimiert wird:

"Auch in Brasilien können Männer, die ihre Frauen aus Untreue ermorden, immer noch freigesprochen werden, auch wenn nach starkem Druck durch Frauenorganisationen dieser Teil aus dem Strafgesetz gestrichen wurde. Klauseln zur Verteidigung der Ehre finden sich auch in den Strafgesetzbüchern von Peru, Bangladesch, Argentinien, Ecuador, Ägypten, Guatemala, Iran, Israel, Jordanien, Syrien, Libanon, der Türkei, dem Westjordanland, Venezuela, dem Irak, Tunesien, Libyen, Algerien und Kuwait. "

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Neue Einbürgerungsregelungen in Österreich
In Österreich sollen, wie die taz berichtet, die Einbürgerungsregeln geändert werden. Schneller eingebürgert wird, wer sich ehrenamtlich engagiert und mehr als durchschnittlich 1000 € im Monat verdient. Es sollen also nur überdurchschnittlich wohlhabende Menschen und vor allem Männer eingebürgert werden:

"Valchars hält auch die Einkommensgrenze für zu hoch. „Selbst 30 bis 40 Prozent der Arbeitnehmer und 60 bis 70 der Arbeitnehmerinnen in Österreich erreichen dieses Niveau nicht“. "

Zudem soll nur genehmes ehrenamtliches Engagement honoriert werden:

"Allerdings fordert ein Zusatzpassus „integrationsrelevanten Mehrwert für die Integration in Österreich“ ein. Und im Büro von Sebastian Kurz spricht man dazu Klartext: „Die Mitgliedschaft in einem türkischen Kulturverein etwa wäre im Gegensatz dazu segregativ.“ "

Migrationsforscher Gerd Valchars hält dagegen:

"Anders als die Regierungspolitiker meint er, die Staatsbürgerschaft solle kein pädagogisches Instrument sein: „Sie ist ein demokratisches Recht.“ "

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Nützlichkeitsrassismus
Eine Studie der OECD zeigte, dass Hochqualifizierte eher nicht nach Deutschland kommen (siehe taz). Christian Jakob schreibt dazu ein einem taz-Kommentar:

"Die wirtschaftliche und demografische Lage zwingt Deutschland mittlerweile, sich um Zuwanderer zu bemühen. Von der Leyens Ankündigung, die Verdienstgrenzen für „Mangelberufe“ abzusenken, ist ein richtiger Schritt. Aber solange es kein vorbehaltloses Bekenntnis der Bundesregierung zur Zuwanderung gibt, bleibt sie nur eine neue Form des alten deutschen Nützlichkeitsrassismus."

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