Mittwoch, 21. Juni 2006
No-Go-Realität
Ein Junge, der 'Äthiopier' genannt wird, wird zusammen geschlagen. Er hat sich offensichtlich nicht daran gehalten, bestimmte Ecken und Tageszeiten zu vermeiden, denn da wo er war, wurden gerade NPD-Aufkleber geklebt. Die Fussballerin Navina Omilade versucht, vorsichtiger zu sein:

taz: Kurz vor der WM wurde heftig über No-Go-Areas diskutiert, also Orte, die Menschen mit dunkler Hautfarbe wegen rechter Schläger besser meiden sollten. Was denken Sie darüber?

Omilade: Die Diskussion ist berechtigt. Es gibt Regionen, die ausländisch aussehende Menschen meiden, weil sie Angst haben. Für Menschen mit anderer Hautfarbe wie mich ist das aber keine neue Erkenntnis. Man erzählt sich eben, du, geh da besser nicht hin.

taz: Es gibt für Sie also in Potsdam Orte, an denen Sie zu bestimmten Zeiten nicht hingehen?

Omilade: Meistens bin ich mit dem Auto unterwegs, entsprechend muss ich mir weniger Sorgen machen. Aber zu Fuß würde ich nachts schon einige Viertel meiden. Ich muss es ja auch nicht provozieren.


Hoffentlich gelingt es ihr auch weiterhin. Der Engländer Noel Martin zahlt mit seinem Leben für einen Aufenthalt in Deutschland. Allein im April gab es nach offziellen Angaben 55 rechts motivierte Gewalttaten.

Rassismus gibt es natürlich auch woanders, z.B. in Ecuador. Und auch im Berliner Ethnologischen Museum:

Sogar eine programmatische Brücke zum WM-Konzept des Ethnologischen Museums findet sie noch:. "Eigentlich sind die Brasilianer auch mal Afrikaner gewesen."

Die 'Deutschen' auch?

Nachtrag 22.06.06: "Auf einer Podiumsdiskussion in der Akademie der Künste über rechte Gewalt in Deutschland herrschte gar keine patriotische WM-Laune."

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Weltflüchtlingstag
Gestern war Weltflüchtlingstag, den hat Schäuble dazu benutzt, dass 'wir' mehr 'Rückfuhrüngen' brauchen, "weil wir sonst die Geschäftsgrundlage der Schleuserbanden fördern". Es ist doch schön, wenn 'unser' Innenminister sich so um die Flüchtlinge sorgt. Das Auswärtige Amt sorgt sich mit und verweigert schon mal gerne Visa ohne jegliche Begründung. Und Körting schiebt fleissig weiter diejenigen ab, die es doch nach Deutschland geschafft haben:

Der zuständige Mitarbeiter der Ausländerbehörde habe ihm mitgeteilt, dass seine Enkelkinder erst dann einen sicheren Aufenthaltsstatus bekämen, wenn er als Vormund ein Einkommen von 3.000 Euro und außerdem 20 Quadratmeter Wohnfläche für jedes Kind nachweisen könne. Für Milos S., der als Gastarbeiter nach Berlin kam und über eine unbefristete Niederlassungserlaubnis verfügt, sind das unerfüllbare Bedingungen: Der 60-Jährige ist Rentner.

Überdies habe der Beamte, so S. zur taz, ihm vorgeschlagen, er könne doch mit den Kindern nach Bosnien gehen, wenn er verhindern wolle, dass sie dort in ein Heim kämen. "Ich würde alles für meine Enkel tun, aber das nicht." Denn die Kinder gehörten hierher: "Sie sind gute Deutsche!"


Warum nur spricht Bernd Msovic bei soviel Sorge 'unserer' Innenminister um die Flüchtlinge in seinem Kommentar von Zonen der Rechtlosigkeit? Immer diese Gutmenschen, die Rechte auch für 'Illegale' einfordern. Das geht dann doch zu weit.

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Dienstag, 20. Juni 2006
Alltägliches
"hallo liebe leute,
hier drei schöne rassismusanekdoten aus der letzten woche:

1. eignungsprüfung an einer hochschule:
begrüßung durch die sekretärin an die 12 köpfige gruppe (alles deutsche): "herzlich willkommen auch an die drei exotinnen unter uns"
gemeint waren eine deutsch-iranerin, eine deutsch-asiatin (weiß leider kein genaues land) und ich.

2. auswahlworkshop einer politischen stiftung:
es gab vier gruppen a 9 leute, in denen die berühmten gruppendiskussionen unter beobachtung stattfinden sollten. ich fand mich auf der liste der
gruppe, in der nur menschen mit ausländischem namen waren. einige "wirkliche ausländer" (austauschstudenten aus lateinamerika) und mehrere mit migrationshintergrund: eine deutsch-iranerin, ein deutsch-iraker, eine deutsch-polin, eine frau mit serbischem namane (ihr opa war serbe...) und
ich. auf meine frage hin wieso es eine gruppe gäbe, in der nur menschen mit ausländischem namen seien:
- 1. antwort: zufall, 2. antwort: interkulturelle erfahrung als auswahlkriterium.
das thema der gruppendiskussion war: wie mit der hamas-regierung umgehen. es sollte wohl beobachtet werden, wie wir über ein so brisantes emotional
aufgeladenes thema diskutieren. in meinem feedback wurde mir gesagt, ich wäre ja sehr emotional in das thema involviert, hätte oft nonverbal kommuniziert und nicht sachbezogen argumentiert.
das wars dann wohl mit dieser stiftung

3. mein argentinischer freund und ich fahren am grunewaldsee fahrrad. es ist sehr voll mit hunden und hundebesitzerinnen. mein freund muss einem
hundebsitzer haarscharf ausweichen, der schreit uns hinterher: "du zigeuner, kannst nicht richtig fahrrad fahren"

wollte euch an diesen schönen erlebnissen teilhaben lassen. frage mich, ob es zufall ist oder einfach durch erhöhte sensibilität wahrgenommen."


Soweit die mail einer Freundin, die ich anonymisiert habe für diesen Eintrag.

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Montag, 19. Juni 2006
masala.de
masala.de

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Montag, 19. Juni 2006
Ausgebootet
Dominic Johnson und Francois Misser beschreiben in der taz wie die Europäische Union mit ihrer Förderpolitik, 'afrikanischen' FischerInnen die Lebensgrundlage zerstört:

"Eigentlich leben die meisten Küstenstädte Westafrikas, von Marokko bis hinunter nach Guinea, von der Fischerei. Diese 2.000 Kilometer Atlantikküste beherbergen eine der letzten großen Fischreserven der Welt. In Senegal stellt der Sektor laut Regierung 15 Prozent aller Arbeitsplätze und erwirtschaftet ein Drittel der Exporteinnahmen; Fisch ist ein beliebtes Grundnahrungsmittel. Aber seit mindestens zehn Jahren, so warnen Umweltschützer, werden die westafrikanischen Gewässer systematisch überfischt. Maximal 420.000 Tonnen Fisch dürften aus Senegals Territorialgewässern jährlich geholt werden, um die Bestände zu erhalten, sagte die Regierung Ende der 90er Jahre; real seien es durchschnittlich 450.000. Bis 2002 sank die Fangmenge auf 374.000 Tonnen. Exportiert von Senegals Fisch wird rund ein Viertel, zumeist nach Europa; der Rest wird vor Ort gegessen.

Das Problem: Zu den Kleinbooten der afrikanischen Fischer kommt die industrielle Fischerei aus Europa. Die EU, deren eigene Gewässer zu großen Teilen bereits leer gefischt sind, schickt ihre hoch subventionierten Fischereiflotten immer öfter vor die Küste Afrikas und kauft den betroffenen Regierungen Fischereirechte ab."

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WM, Stereotype und Verharmlosung
Die WM scheint die ideale Angelegenheit zu sein, um altbewährte Sterotype aufzufrischen und nochmal zu präsentieren - zumindest in der taz. Die bringt täglich acht Sonderseiten zur WM. An diesem Wochenende beginnen diese mit dem Blick in ein Dekollete und widmet sich der Frage, ob Frauen anders sind. Im Blog zu den Sonderseiten fragt ein Nutzer:

"Muss die taz wirklich mit dieser Frage diese sexistischen Klischees aufgreifen? Ist WM-Bloggen mit der taz doof - für alle?"

Aber nicht nur Sexismus wird hier saloonfähig, auch von Rassismen wimmelt es nur so. In dem Artikel über den brasilianischen Torhüter Dida häufen sich Formulierungen wie "einer lächelnden Rasse", "das erste multirassische Team" und "Rassentoleranz". Auch wenn der Autor Alex Bellos sich von all diesen Stereotypen abgrenzt und im weiteren Verlauf des Artikels auf Rassismus eingeht, werden hier zu Beginn unkommentiert 'Rassebegriffe' reproduziert. Wahrscheinlich geht diese Häufung des Begriffs 'Rasse' darauf zurück, dass der Autor 'Brite' ist und im Englischen der Begriff 'race' benutzt wird. Das entschuldigt es aber nicht. Dieser Begriff sollte gar nicht benutzt werden, er reproduziert die Idee, dass es 'Rassen' tatsächlich gibt und legitimiert damit Rassismus.

Letzten Dienstag schon gab es eine Seite über korrupte Fußballverbände in Afrika. Was sicher ein Problem ist, noch sicherer aber nicht nur ein 'afrikanisches'. Da aber Chaos gut in die 'deutschen' Afrikabilder passt, sollte die Berichterstattung hier vielleicht etwas vorsichtiger sein und einen solchen Artikel in eine Reihe mit anderen über Korruption in 'europäischen' Verbänden stellen, anstatt nur auf 'Afrika' zu fokussieren.

Befremdlich ist auch ein bisschen wie stark nun Klose und Podolski zu Polen geschrieben werden (zum Beispiel am letzten Mittwoch unter dem Titel "Sein Heimspiel"). Das sind 'deutsche' Nationalspieler und es ist gut zu zeigen, dass 'Deutsche' etwas vielfältiger sind als die 'Deutsche' gemeinhin denkt. Wenn das aber dazu führt, die 'Deutschen' zu 'Polen' zu machen, ist das Ziel eindeutig verfehlt. Am gleichen Tage wurde zudem im Artikel "Emigrierte Stars" ein Nazikollaborateur als armes Opfer der Verhältnisse dargestellt, was wohl auch etwas verfehlt ist.

Interessant auch, dass kaum über pöbelnde Fans geschrieben wird und wenn doch, dann der Bericht sehr verharmlosend ist, wie zum Beispiel letzten Freitag "Erstmals Randale", der zu Anfang beschreibt:

Doch je näher der Anstoß rückte, desto ungemütlicher wurde die Atmosphäre. "Spargelstecher, Erdbeerpflücker", schallte es den polnischen Fans entgegen. Auch er Brunnen auf dem Alten Markt wurde plötzlich zur "No-Go-Area".

und endet:"Ohne Polen fahr'n wir nach Berlin", sangen sie lautstark. Doch selbst das konnte niemanden mehr provozieren.

Es ist alles halt doch nicht so schlimm, 'wir' lassen uns den Spaß nicht verderben. Eine klar rassistische Tat landet daher Freitag sogar nur in einer Kurzmitteilung:

Jungmänner, Fahren schwarzrotgold, ein Londsdale-Sweatshirt, befeuert von einer Allianz aus Adrenalin, Alkohol und Testosteron. "Ihr könnt nach Hause fahr'n", skandieren sie. Adressat: drei polnische Päärchenin Rotweiß, allerhöchstens 20 Jahre alt. Sie lachen, sie sind zu Gast. "Ihr könnt nach Hause fahr'n", immer wieder, un einer der Gastgeber reckt den rechten Arm zum deutschen Gruß."

Nachtrag 03.07.06: Es geht weiter mit Hitlergrüßen und ähnlichem:

"Singt hier jetzt schon ein Bimbo für den anderen?"

Aber das ist ja alles ganz harmlos .... und positiv patriotisch.

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Vergangenheitsbewältigung
Wir 'Deutschen' rühmen uns ja gerne unserer Vergangenheitsbewältigung. Damit meinen wir die Aufarbeitung des Nationalsozialismus und mittlerweile auch der DDR. Zwei Systeme, die zusammen gebrochen sind. Zweimal gab es Zwang von außen, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Und das war gut so. Es gibt allerdings nicht immer so viel Zwang, die Verbrechen der Vergangenheit aufzuarbeiten. Seine Kolonien hat Deutschland zwar als Folge des Ersten Weltkriegs verlorgen, aber niemand zwang hier zu einer Aufarbeitung. So fehlt bis heute jede offizielle Entschuldigung gegenüber den gewaltsam Kolonisierten, Umgebrachten und Ausgebeuteten. Der hunderste Jahrestag des Genozids an den Herero 2004 hat zwar zu kleinen Schritten geführt, aber ausreichend sind sie noch lange nicht: Keine Versöhnung zur Versöhnungsinitiative.

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Dienstag, 13. Juni 2006
Strukturelle Diskriminierung
Auch während der WM wird weiter abgeschoben. Heute schafft es die Geschichte von Hee-Seo Jin in die taz. Sie illustriert sehr gut, wie die strukturelle und systematische Diskriminierung von nicht-deutschen StaatsbürgerInnen im deutschen Gesetz verankert ist. Die Forderungen, die das 'Ausländergesetz' an Hee-Seo Jin stellt, kann sie gar nicht erfüllen.

Dass MusikerInnen, KünstlerInnen, etc. in der Regel keine festen Anstellungen bekommen und tendentiell in prekären Verhältnissen leben, ist sicher ein Problem. Es lässt sich aber nur sehr unzureichend dadurch beheben, dass 'ausländische' Freischaffende abgeschoben werden.

Nachtrag 24.07.06: Mehr über die gut-integrierte, deutsch-kultivierte Dirigentin in der taz, die eine Reihe von UnterstützerInnen hat:

"Neuerdings steht Michael Gahler, ein EU-Abgeordneter der CDU, auf ihrer Unterstützerliste. Jins Fall nennt er einzigartig. Das stimmt, weil jedes Schicksal einzigartig ist. Er hat einen Brief an den Innenminister Wolfgang Schäuble geschrieben. Darin beklagt er, dass gegen Islamisten keine Handhabe gefunden werde, sie auszuweisen, wohl aber gegen eine, die die deutsche Kultur liebt. "Manchmal hilft es, wenn eine so hartnäckig ist wie sie", meint er."

Dieses islamophobe, menschenfeindliche Argument zeigt, wie unmöglich 'Integration' in Deutschland ist. Selbst die, die sich 'integrieren', sollen abgeschoben werden. Auch wenn das dann dem einen oder anderen leid tut.

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Fahnen schwenken
Fahnen, überall Fahnen. Egal wohin ich schaue. Auf Autos, an Fahrrädern, in Schaufenstern, an Balkonen, in Händen, Fenstern, in der Krankengymnastikpraxis, auf Köpfen, in Gesichtern. Überall Fahnen.

Ausserdem: "Deutschland, Deutschlaaand"-Rufe, gelegentlich auch "Deutschland den Deutschen - Ausländer raus", gerne auch mal der Hiltergruß, oder aber als Kommentar zum Sieg der deutschen Männermannschaft vom Freitag "Die Wehrmacht hat gesiegt".

Überall auch Fernseher, auf Bürgersteigen, in (fast) jedem Cafe, Restaurant. Davor Menschen, die darauf starren. Kollektiver WM-Taumel.

Gestern vor einem WM-freien Cafe: Eine Gruppe will WM schauen, eine Cafebesucherin weisst sie darauf hin, dass sie da woanders hin müssen. Einer aus der Gruppe zu ihr: "Wohl WM-geschädigt?" Sie zu ihm: "Wir nicht, aber ihr!"

Zu erklären ist dieser Tage aber nicht der WM-Taumel, sondern die Opposition dazu. Täglich mehrere Diskussionen: in meinem Seminar, mit meiner Krankengymnastin, mit FreundInnen, MitbewohnerInnen, Nachbarn. Und immer wieder: das ist doch nicht schlimm. Die Fahnen sind doch unschuldig. Sogar in der taz berlin gestern hält Uwe Rada, das Verbot von Deutschlandfahnen an Polizeifahrzeugen für die "erste WM-Posse" und führt aus:

"Aber glaubt im Ernst einer, sie würden einen randalierenden Fan anders behandeln, nur weil eine Deutschlandfahne an der Wanne wedelt."

Nein, das glaubt eine nicht. Die Gefahr schlechter behandelt zu werden, hat ein Schwarzer auch dann wenn keine Deutschlandfahne da wedelt. Aber eine glaubt im Ernst, dass einer noch mulmiger wird, wenn sie Deutschlandfahnen an den Wannen sieht. Was macht eine denn, wenn sie eine rassitischen Überfall oder eine Diskriminierungserfahrung anzeigen will und sieht bei der Polizei die gleichen Symbole?

Rada scheint auch zu glauben, dass das Ignorieren von Hitlergrüßen ein gutes Zeichen ist:

"So wagte am Freitagabend auf der Fanmeile eine kleine Gruppe offensichtlich rechtsextremer Jugendlicher ab und zu den Hitlergruß. Gleichwohl gingen Gesten wie diese fast unter. Die Fans ignorierten die Rechten ..."

Verfassungsfeindliche Symbole zu ignorieren, zeugt nicht von etwas Positiven. Sie müssen verfolgt werden. Nicht toleriert. Denn auch wenn viele sie vielleicht ignorieren können, fühlen sich andere durch sie massiv bedroht. Die letzteren brauchen Unterstützung, sie brauchen die Gegenwehr.

Eine meiner Studentinnen rief bei einem solchen Erlebnis letzten Freitag spontan: "Arschloch". Ihre Freundin war besorgt um sie, leicht hätte die Situation eskalieren können. Den Hitlgergrußzeigenden wird sie damit nicht geläutert haben, aber sie hat den allgemeinen Konsens gebrochen. Das ist wichtig.

Bei der Männer-WM geht es nicht um Fussball (zumindest nicht für die meisten). Es geht um Zugehörigkeit zu einer Nation (und damit die Abgrenzung zu anderen). Nationen sind die Grundlage für gewaltsames Vorgehen gegen andere Nationen und gegen Individuen, die aus der Nation ausgesondert werden.

Nationalfahnen sind nicht unschuldig. Sie stehen für die Ideologie der Nation. Egal welcher. Ich mag keine Fahnen, keine deutsche, keine indische, keine brasilianische. (Wobei natürlich im Namen der deutschen mehr Unheil angerichtet wurde als im Namen von ehemals Kolonialisierten.) Fahnen, in den Massen wie sie gerade geschwenkt werden ekeln mich nicht nur, sie bereiten mir ein ganz mulmiges Gefühl. Und nicht nur mir, auch annabexis und yeahpope haben schon zum Nationaltaumel anlässlich der Männer-WM geschrieben.

Nachtrag 18.06.06: Die Medien überschlagen sich ja geradezu, ob der friedlichen WM und dem positiven Fahnenschwenken. Der Tagesspiegel, die taz, die Junge Freiheit. Nur seltsam die so in einer Reihe zu lesen. Sollte es nicht ein bisschen zum Nachdenken anregen, wenn die Junge Freiheit das Fahnenschwenken als ein gutes Zeichen sieht?

Und es gibt übrigens auch noch Teile Deutschlands, die nicht ganz in schwarzrotgold getaucht sind. In Dresden habe ich in den letzten Tagen erfreulich wenige Fahnen gesehen.

Nachtrag 20.06.06: Zum schwarzrotgoldenen Patriotismus lohnt sich auch ein Besuch beim bildblog.

Nachtrag 22.06.06: Während sich alle nach wie vor in Freudentaumel über die ach so patriotisch-friedliche WM ergehen, werden nach wie vor der Hitlergruß von Fans gezeigt.

Nachtrag 28.06.06 Zur allgemeinen Verwunderung flaggen auch 'Andere Deutsche' schwarz-rot-gold und ziehen "Deutschland Deutschlaaand" rufend durch die Kieze. Viele interpretieren das nun als geglückte Identifikation mit Deutschland. Andere sind da skeptischer:

Muharrem Aras, Rechtsanwalt und Vorsitzender eines Vereins türkischstämmiger Sozialdemokraten, ist skeptischer. Er habe das Gefühl, "eine Entwicklung verpasst zu haben", wenn er seine Deutschlandfahnen schwenkenden türkischstämmigen Landsleute sehe, sagt Aras. Der 34-Jährige, selbst aktiver Fußballer, drückt Argentinien die Daumen: "Ich war immer gegen die deutsche Nationalmannschaft", erzählt Aras. Denn der DFB sei für ihn "die letzte deutsche Hochburg": "Es hat unheimlich lange gedauert, bis auch mal ein paar Migranten in die deutsche Nationalelf gekommen sind." Insbesondere Türkischstämmige hätten bis heute kaum Chancen. Die neue nationale Begeisterung vieler türkischer Migranten für die deutsche Mannschaft sieht er eher mit Beunruhigung: Er findet "Fahnenschwenken generell nicht so doll". "

Nachtrag 30.06.06: Neues aus Berliner Abgeordnetenhaus:

"Als die CDU-Abgeordneten gestern zu ihren Plätzen im Parlamentsplenum gingen, standen auf den 35 Tischen kleine schwarz-rot-goldene Papierfähnchen, eingepflanzt in winzige Blumentöpfchen, die in den 80er-Jahren den Neid der Alternativen Liste erzeugt hätten. Doch wollte die Union laut einem Sprecher ein "Bekenntnis" zur deutschen Nationalmannschaft vor dem heutigen WM-Viertelfinalspiel ablegen und zeigen, dass sie "gute Patrioten" seien. Demokratie-Liebe offenbart sich bekanntlich am besten im kollektiven Präsentieren kleiner Winkelemente.

Nachtrag 21.07.06: Die Hitze macht auch Schönbohm zu schaffen.

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Freitag, 9. Juni 2006
Andere Sorgen
Schlechte Leistungen von 'Anderen Deutschen' in der Schule haben viele Gründe, z.B. institutionelle Diskriminierung wie schon gestern gebloggt. Zu diesen gehört auch, dass die Lebenssituation von Prekarisierten nicht berücksichtigt wird. Die taz zitierte gestern einen Vater:

Was ein grundsätzliches Problem ist, potenziert sich im Norden Neuköllns: "Viele Araber sind Flüchtlinge und leben in der ständigen Angst abgeschoben zu werden", sagt Kheir, "das ist eine Realität, die häufig präsenter ist als die nächste Mathearbeit."

Ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht würde hier Wunder wirken. Da das aber wohl vorerst ein Wunder bleibt, wären auch schon schulpädagogische Massnahmen gut. Doch selbst wo die gut laufen, ist das keine Gewähr, dass sie weiter finanziert werden:

Doch dass Ideen gut und erfolgreich sind, bedeutet in Verwaltungen nicht immer, dass sie auch weiterhin gefördert werden. Im kommenden Jahr sollen die Gelder für das interkulturelle Programm und für den Schülerclub "arche" gestrichen werden.

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Kurzmitteilung
in der taz:

EU: Kampf gegen Illegale

DAKAR afp Angesichts der Zunahme illegaler Einwanderung nach Europa haben sich Vertreter europäischer und afrikanischer Staaten auf einen Aktionsplan aus repressiven und präventiven Maßnahmen geeinigt. Nach Angaben von Diplomaten wurde bei einem Treffen in der senegalesischen Hauptstadt Dakar ein von Frankreich unterstützter Vorschlag Marokkos und Spaniens nach einigen Änderungen einstimmig angenommen. Das Treffen diente als Vorbereitung einer europäisch-afrikanischen Migrationskonferenz, die am 10. und 11. Juli in Rabat auf Ministerebene stattfindet.


Andere Kurzmitteilungen der letzten Tage berichteten von Toten, die aus dem Mittelmeer gezogen wurden. Etwas alltägliches. Eine Kurzmeldung, nicht mehr.

Menschen werden zu 'Illegalen' und dann kann man repressive Mittel anwenden, und sie ertrinken lassen, ohne das dies besonders berichtenswert ist.

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Widerstand
Die Landesregierung von NRW verbietet Lehrerinnen das Tragen von Kopftüchern. Eine Schule wehrt sich:

"Wenn es sein muss, werden die 50 Lehrer und Lehrerinnen am Georg-Büchner-Gymnasium in Düsseldorf demnächst mit Kopftuch unterrichten. So wollen sie gegen das Kopftuchverbot protestieren, das der nordrhein-westfälische Landtag am vorigen Mittwoch verabschiedet hat."

Nachtrag 09.08.06: Die Lehrerin hat laut taz dem Druck nachgegeben und wird ohne Kopftuch zum Unterricht kommen. Der Rektor hält das Gesetz nach wie vor für ungesetzlich und unsinnig:

"Hoffentlich findet sich noch jemand, der sich weiter widersetzt und gegen dieses unsinnige Gesetz klagt."

Nachtrag 06.06.07: Aus der taz: "Das Verwaltungsgericht Düsseldorf entschied gestern, "das Tragen eines Kopftuchs aus religiösen Gründen" verstoße gegen das nordrhein-westfälische Schulgesetz. Die Richter stellten jedoch gleichzeitig fest, die von der Landesregierung ausdrücklich gewollte Privilegierung christlich-jüdischer Bekenntnisse verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und sei damit unzulässig."

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Mittwoch, 7. Juni 2006
Schulische Diskriminierung
Die taz berichtet:

"Bei gleichen Leistungen erhalten Schüler mit Migrationshintergrund in der Grundschule etwas schlechtere Noten, was auch die Chance des Übergangs auf höhere Schulen beeinflusst", heißt es dort.

und:

Bei "gleichen Fachleistungen" ist die Chance für Migrantenkinder eine qualifizierte Ausbildung zu bekommen nur halb so hoch wie für Deutschstämmige.

Zu betonen ist, dass hier jeweils um gleiche Leistung geht. Es ist also nicht eine Frage, das die SchülerInnen mit Migrationshintergrund, irgendwie schlechter sind. Nein, sie sind nicht schlechter, sie werden nur schlicht diskriminiert. Im deutschen Schulsystem und auf dem deutschen Arbeitsmarkt.

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Andere Nationalspieler
Die StatistikerInnen haben festgestellt (auch wenn das keine besonders neue Erkenntnis ist), Deutschland ist ein Zuwanderungsland. Die taz stellt fest:

"Jürgen Klinsmann hat für die WM übrigens eine durchaus repräsentative Mannschaft nominiert: Mit Gerald Asamoah, Miroslav Klose, Oliver Neuville, David Odonkor und Lukas Podolski sind fünf Spieler mit Migrationshintergrund im Kader - eine Quote von 20 Prozent."

Bei den Spielern auf abruf ist der Anteil sogar noch höher.

Nicht repräsentativ ist allerdings, dass unter all diesen kein einziger mit 'türkischen' Migrationshintergrund ist. Die werden in der Vereinsarbeit systematisch ausgesiebt, kommen erst gar nicht so weit. Und die, die es bis in die Bundesliga schaffen, sind nicht eingebürgert und spielen daher eher für die türkische Nationalmannschaft, oder verleugnen wie Mehmet Scholl ihren Migrationshintergrund. Die Auslese funktioniert.

Der Rassismus ist alltäglich auf dem Fussballfeld, auch wenn die Verantwortlichen dazu keine Antworten haben.

Nachtrag 28.06.06: Zum Rassismus im Vereinsfussball sagt der Filmemacher Neco Celik im taz-Interview:

"Viele geben auf, weil sie auf Typen und Strukturen treffen, die reaktionär und rassistisch sind. Sie fühlen sich verloren und ausgegrenzt. Das kenne ich selbst von meiner eigenen Karriere."

Nachtrag 30.08.06 Und wieder ein 'Anderer Deutscher', der für eine andere Nationalmannschaft spielt. Die taz berichtet:

"Dann schlägt der Teenager einen gesellschaftspolitischen Querpass. "Eigentlich bin ich ja gut integriert", so der Gymnasiast von der Ernst-Reuter-Oberschule im Wedding.

Aus Cakins Worten meint man einen Unterton des Bedauerns zu hören. Der 17-Jährige hat sich sportlich für das Heimatland seiner Eltern entschieden, obwohl er in Berlin aufgewachsen ist."


Wieso meint die taz, dass Cakin sich für das Heimatland seiner Eltern entschieden hat? Hatte er eine Wahl? Die taz zitiert ihn mit: "Ich habe von Deutschland nie ein Angebot bekommen"

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