Sonntag, 26. November 2006
Mail aus Kreuzberg
Eine Freundin aus Kreuzberg schrieb mir: "Du wirst ja wahrscheinlich relativ viele Infos über das hiesige Geschehen bekommen - unsere Mitte der Gesellschaft tobt über den Wrangelkiez und das ist zur Zeit ziemlich widerlich."

Da ich weiß, dass ich von ihr sehr viel mehr Informationen bekommen kann als aus der Zeitung, bat ich sie um weitere Ausführungen und bekam sie:

"Das Schreckliche am ganzen Diskurs zum Wrangelkiez ist, dass es ja scheinbar alles so logisch zusammenpasst.Damit meine ich nicht nur den Überfall auf die Eberhard-Klein-Schule um die Ecke (die ich im übrigen ganz gut kenne weil meine Tochter da hingegangen war).Es gibt da überhaupt keinen Zusammenhang, außer dass ein Teil der Kids eben im Wrangelkiez wohnt.

Scheinbar passen tut auch, dass es sich bei den Jugendlichen, die öffentlich wahrgenommen werden, fast ausschließlich um junge, meist machistische Männer handelt, so gut wie nie Mädchen oder junge Frauen (so öffentlich!) auftauchen und wenn doch, werden sie als Anhängsel oder gar nicht wahr genommen.
Was da an sexistischen Tönen und Handlungen zu hören war/ist, ist echt eklig, in einer der auf die Vorfälle folgenden Diskussionen geht ein Nachwuchsmacker zu einer sicher 40+ jährigen Frau und fragt sie nach ihren sexuellen Erfahrungen (leider war sie sprachlos und hat nicht gefragt ob er so auch mit seiner Mutter redet... so viel zu meiner Wut in dem Moment)

Auch dass 12jährige Ärger bekommen, wenn sie einem anderen den MP3 Player mit Gewalt klauen, finde ich ja nicht falsch.

Das ganze ist aber natürlich völlig schief wenn die quasi "natürliche" Einheit Migranten/Muslime/Ausländer konstruiert wird- was, wie wir wissen, ja auch ein gegenseitiger Prozess ist. Da darf dann auch die feministisch gebildete, sich mit Genderfragen beschäftigende aufgeklärte (das ist ja auch son Standortvorteil den wir haben, gell) Mittelstandsfrau mal so richtig loslegen und die entsprechenden Männer sowieso.
Zusammen passt auch, dass zur oben genannten Konstruktion noch die Kategorie "arm" + "Unterschicht" hinzu kommt. Weiß zwar keine genau was das sein soll, ist aber meistens igitt.
Etabliertenvorrechte im Heitmeyerschen Sinne werden dann -ein bisschen völkisch aufpoliert- völlig ungeniert eingefordert. Die müssen dann da weg, ausgewiesen werden, die volle Härte spüren... wo die Deutschland-Deutschen (auch noch zu recht) aufschreien würden wenn ihr sensibler Nachwuchs so behandelt werden würde wie die beiden Jungs.
(Aber Körting wusste ja, dass die alle ein Messer in der Tasche haben und das deshalb notwendig war Handschellen anzulegen. Haben auch alle eingesehen, so weit reicht es doch mit der Anpassung)

Ich erinnere mich auch noch an die Aufschreie nach jedem rechten "Vorfall" (auch so ein hübscher Euphemismus wenns um Teutonen geht)doch nicht von diesem einen, wirklich einzelnen Vorfall einfach auf den ganzen Ort/ die soziale Umgebung zu schließen und doch bitte sachlich zu bleiben und nicht solch ein isoliertes Jugendproblem zu generalisieren.

Und im Grunde genommen haben die Jungs natürlich auch eine der wichtigsten Tugenden gelernt: Ellenbogenmentalität und Konsum ist ja eigentlich gefragt, leider haben sie - wie so viele dieser Looser, die natürlich genau wissen, dass sie eigentlich nichts, gar nichts an Perspektiven zu erwarten haben außer dem Job bei Verwandten, im Internetcafe oder ALG2- nur nicht geblickt wo das gefragt ist.

Ach ja und noch ein paar Fakten die eigentlich keine interessieren: Dass die Polizei vor Ort nach den Deeskalationsversuchen und Gesprächsrunden gestern mal wieder klar gestellt hat, was sie von "Parallelgesellschaften" hält, hast Du bestimmt in der taz gelesen. Dass die Polizei inzwischen zugibt, dass es sich zuvor im Wrangelkiez um vereinzelte Auseinandersetzungen und nicht um eine Massenschlägerei gehandelt hat, interessiert ja auch nicht- der RBB, Radio1 hat 3 Tage nach der Richtigstellung den ganzen Tag lang die "Info" von den 100 Türken, die die Polizei behelligt haben, verbreitet.

Lustig auch die Info, dass die Jugendstadträtin auf das vorhandene Freizeitangebot hingewiesen hat, tatsächlich sind die meisten Jungendfreizeiteinrichtungen zwar nicht wirklich weit weg (z.B. Reichenberger Straße) aber eben in anderen Kiezen, für die Jugendlichen eben doch zu weit, bzw. eine oft zu hohe schwelle. Die einzige wirklich nahe Einrichtung ist (nach heftigen Problemen mit Gewalt) geschlossen und als Familienzentrum wieder eröffnet worden, wenn die Jungs gerne töpfern oder seidenmalen sind sie da ganz tolerant gut aufgehoben. Ich glaube, dass denen damals wirklich nichts anderes übrig blieb als den Laden dicht zu machen. Ist aber bloß die Frage ob man sich dann gleich ersatzlos aus der Arbeit mit diesen Jugendlichen zurückzieht- ist doch genau so absurd wie eine Schuldnerberatung zu schließen weil es so viele Verschuldete gibt (was genauso passiert, ich weiß).

Eine Frau, die ich von ihrer Sozialarbeit mit rechtsextremen Jugendlichen kenne,erzählte mir einen ganz gravierenden Unterschied: Wenn sie heute mit ihren kleinen und großen Arschlöchern (was bei den meisten wirklich keine Übertreibung ist, die haben schwerste Straftaten begangen und bereuen oft genug nur dass sie erwischt worden sind) zur Berufsberatung, zum Jobcenter o.ä. geht, dann ernten diese Leute Mitleid, Verständnis und Hilfsbereitschaft- mit ihren Worten "die kriegen alles" (im Rahmen dessen was die Ämter so zu bieten haben, allerdings). Früher hat sie hier in Kreuzberg mit jugendlichen Migranten gearbeitet und da war oft das Gegenteil der Fall.

Hier ist noch was aus dem gehobenen Bürgertum- eben die, von denen Guido Westerwelle ja so treffend erzählt, dass das ja die mit den wirklich prekären Lebensverhältnissen sind. Das merkt man: FAZ

Die Kommentare in der FAZ sind auch klasse:

"Viele dieser sogenannten "Deutschen" haben doch nur einen deutschen Paß, weil das für sie so bequemer ist, nicht weil sie sich als Deutsche fühlen oder fühlen wollen. Kann man ihnen ja auch kaum zum Vorwurf machen, genau das hatten rote und grüne Politiker ja bewußt angestrebt, als sie sich jahrelang dafür einsetzten, massenhaft deutsche Pässe an Menschen zu verteilen, die von deutscher Kultur gar nichts wissen wollten. "Deutschland muß sterben" war doch jahrelang einer der Standardslogans auf linken Demos und kreuzberger Hauswänden, und Masseneinwanderung schien offenbar ein probates Mittel zur Durchsetzung dieses linken Wunschtraums. "

aber den hab ich auch gefunden.....

"wie schön, dass nach der no-go-area-prekariats-ausländermob-parallelgesellschafts-alleabschieben-orgie in der bild, die von der mehrzahl der berliner journallie ebenso wie anscheinend auch im rest der republik fraglos kopiert wurde,jetzt auch die faz die kerbe sieht und nachtreten will. was tatsächlich geschah interessiert nicht, nur soweit, dass es der sueddeutschen zeitung als einzigen ein bericht im panorama[sic!] wert war. immerhin. für die faz reicht es offensichtlich, um aus der frankfurter apfelwein-senke eine detaillierte sozialstudie des berliner ausländerjugendlichen an sich zu liefern. ...achtzig wütende jugendliche? soviele gibt es nicht mal beim strassenfest gleichzeitig auf der wrangelstrasse. der polizeipräsident redet von einigen wenigen, und davon, dass er ein ermittlungsverfahren gegen die beiden polizisten wegen unbilliger härte und rassistischen übergriffs anstrengt! ...ein blockierter krankenwagen in moabit? 'bürgerkriegszustände' weil einer mit 35 km/h durch die 30er zone rast? ... fast ist, der 'mob' wollte des (kindsan)fahrers habhaft werden. Zivilcourage! chapeau! aber für die faz müssen die auskländerkinder die pisa-misere retten. und wehe sie sind nicht gut genug.
die deutschen schaffens nie! ""

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