Sonntag, 19. August 2007
Über Moscheebauten in Deutschland
Die taz interviewt den Sozialgeograf Thomas M. Schmitt über die Auseinandersetzungen rund um Moscheebauten in Deutschland. Schmitt entwirft ein differenziertes Bild und weist auch darauf hin, dass es die Auseinandersetzungen schon vor dem 11.9.01 gab:

"Es hat keine Diskursverschiebung gegeben: Die Konflikte, die ich in den 90er-Jahren beobachtet habe, haben lokal vorweggenommen, was dann später eine bundesdeutsche Debatte wurde. Schon damals tauchten alle Argumente wie der islamische Fundamentalismus und die Unterdrückung muslimischer Frauen auf."

Wenn Schmitt über Kooperationen und Integration spricht, kommt aber leider mal wieder zu kurz, dass es hier um eine Kooperation bei asymmetrischer Macht geht. Die Moscheebauten sind von dem Grundgesetz gedeckt, die islamophobe Hetze gegen sie nicht. Von den Muslimen aber wird gefordert, auf die als legitim angesehenen Anfeindungen kooperativ einzugehen. Die 'weißen' grundgesetzwidrigen Empfindsamkeiten bleiben das Mass der Dinge.

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Immerhin gibt es hier ein Grundgesetz.
In Riad, Dschidda oder sonstwo unterm Halbmond kann ich die Diskussion über die Errichtung einer christlichen Kathedrale dort von vornherein knicken.

Sicher sind in der Debatte um die Moscheebauten hierzulande zum Teil auch dumpfe Ressentiments mit im Spiel. Das Maß der Dinge sind sie aber nicht, sonst wäre beispielsweise die große Moschee in Mannheim nie verwirklicht worden.

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Erstens, ist es für das Anprangern von Rassismus/ Islamophobie in Deutschland völlig unerheblich, ob es solche Ausgrenzungssysteme auch woanders gibt.

Zweitens, zeugt es von Islamophobie, wenn alle muslimisch geprägten Länder der Welt als homogen angesehen und ihnen pauschal unterstellt wird, dass dort keine Kirchen errichtet werden dürfen und vor allem dass es dort keine Verfassungen gibt.

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So unerheblich
ist das m. E. nicht, wenn man den Gesamtzusammenhang verstehen will. Aber klar, wenns hier nur ums Anprangern geht, wäre umfassenderes Verständnis hiesiger Befindlichkeiten ja kontraproduktiv.

Sicher war Saudi-Arabien ein extremes Beispiel, ich bin auch in der Lage, zwischen Wahabiten, Sunniten, Schiiten und wenns sein muss auch septimanischen Neu-Ismaeliten und Sufi-Mystikern zu differenzieren. Ich bin persönlich auch der Meinung, dass die Muslime hier ihre Moscheen bauen sollen. Soweit ich das in Mannheim sehen konnte, sind die Horrorszenarien der Moschee-Gegner weitgehend gegenstandslos geblieben.

Aber die Erfahrung dort hat auch gezeigt, dass es der Sache der Muslime nicht geholfen hätte, immer nur in die "Islamophobie"-Alarmtröte zu blasen, anstatt den Dialog zu suchen.

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Ich bezweifele, dass die islamophobe Hetze hier mit den Zuständen in anderen Ländern zu tun hat. Es geht dabei viel eher um die Wahrung von Privilegien in diesem Land.

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Das ist mit Sicherheit ein Punkt. Vielfach ist es aber auch Angst vor dem Anderen, die da mitreinspielt.

Ein Privileg haben aber allenfalls die beiden großen Staatskirchen und deren Anhänger zu verteidigen. Für die Mehrheit der kirchlich-christlich wenig oder gar nicht Engagierten ist das doch kein Privileg, ausschließlich von Kirchengebimmel und nicht auch noch von plärrenden Muezzins genervt zu werden, oder?

Wie gesagt: Ich für mein Teil habe wirklich null Aktien drin in der Frage, ob diese oder jene Moschee hier gebaut wird oder nicht. Ich habe 14 Jahre lang in unmittelbarer Nachbarschaft eines Lokals gewohnt, dessen vorderer Teil den Zeugen Jehovas als Versammlungssaal diente und dessen Nebensaal Freitags von Muslimen als Gebetsraum genutzt wurde. OK, da war es Freitagmittags etwas schwerer, einen Parkplatz zu finden, aber eine weitergehende Beeinträchtigung meiner Lebensqualität brachte das nicht mit sich. Von daher finde ich den Erklärungsansatz mit der Wahrung von Privilegien etwas zu, naja, eindimensional.

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Es ist ein Privileg
zu wissen, dass frau als dazugehörig angesehen wird, dass sie nicht befürchten muss, aus dem Land geworfen zu werden, zu wissen, dass die eigene Sprache etc. als Norm gesehen werden, usw.

Wenn also gegen die Moschee Sturm gelaufen wird, dann auch und vor allem, um dass Privileg zum Wir zu gehören zu sichern. Würden Wir Moscheen hier zulassen, dann wäre ja gar nicht mehr so klar, was Wir eigentlich ist. Dann müssten Wir auch die Macht teilen.

Ausführlicher zu den 'weißen' Privilegien bei Peggy McIntosh (via katunia).

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Ähm, ja.
Mit einem so derart extensiv gefassten Privilegien-Begriff muss man natürlich permanent fündig werden, egal, in welchen Teilbereich der bundesrepublikanischen Wirklichkeit man schaut. Etwas überzogen könnte man resümieren, dass allein schon meine schiere Existenz als männlicher deutscher Staatsbürger (römisch-katholisch getauft) vom kaukasischen Typus mit einigermaßen elaboriertem Code Tausende, wenn nicht gar Millionen Menschen in diesem Lande (und globalisierungsbedingt auch anderswo) Tag für Tag unterprivilegiert. Wenn das Befürworten von Moscheen dazu beiträgt, die drückende Last meiner ansehnlichen Privilegiensammlung zu mindern, bin ich gerne dabei. Kostet mich ja nichts von meiner exorbitanten Machtfülle.

Frau McIntosh geht ja auch der Frage nach, warum die weißen Männer strukturell meist nicht in der Lage sind, ihre Privilegien als solche zu erkennen. Ich weiß nicht, ob sie wirklich verstanden hat, dass dieses "Wir", von dem auch Sie sprechen, ein Konstrukt ist, das in der Außenansicht viel stärker und homogener aussieht als es in der Innensicht tatsächlich empfunden wird. Ich könnte noch einen Schritt weiter gehen und behaupten, Die Entität "Wir" existiert nur, weil "Ihr" uns als eine solche seht. Anders gesagt: "Ihr" macht uns gleicher als wir sind. Und das bedingt sich wechselseitig: Tatsächlich habe ich auch keinen Bock drauf, wegen irgendwelcher Dumpfbacken mit deutschem Pass als Fremdenfeind, Rassist, Anti-Islamist oder was auch immer in Sippenhaft genommen zu werden. Es steht Ihnen natürlich frei, das angesichts meiner allumfassenden Segnung mit Privilegien als Luxusproblem abzutun. ;-)

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