Sonntag, 24. Februar 2008
Natürlich
In der Diskussion meines Vortrags heute ging es unter anderem darum, ob Kategorien natürlich sind. Als Beispiel wurde erwähnt, dass zum Beispiel die Unterscheidung in Männer und Frauen eine natürliche sei. Auf meinen Einwurf hin, dass es auch Intersexuelle gebe und die erst durch einen medizinischen Eingriff zwangsweise eindeutig gemacht werden, kam ein interessanter Einwurf:

"Dass die Natur nicht immer so eindeutig in den Unterscheidungen ist, sollte nicht als Indiz genommen werden, dass die Unterscheidung nicht natürlich sei."

Was ist denn dann natürlich, wenn schon die Natur nicht natürlich ist?

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Dann versuchen wirs doch mal andersrum:
Was soll am dieser Unterscheidung unnatürlich sein? Meine Tochter und die anderen Kinder im Kindergarten sehen mich automatisch als Mann und meine Frau als Frau, ich kann mich nicht erinnern, dass mich irgendeines der Kinder je gefragt hätte, ob ich intersexuell sei.

Auf die Idee, dass es sowas geben könnte, kommt man vermutlich nicht von alleine, dazu muss man davon gehört haben oder einen Fall persönlich kennengelernt haben. Insofern glaube ich nicht, dass die Wahrnehmung einer Kategorie "intersexuell" von der Natur vorgegeben ist - im Gegensatz zu den Kategorien Mann und Frau.

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Wovon muss mensch nicht gehört haben, um es zu kennen?
Aha. Ich muss schon mal von dem Begriff "intersexuell" gehört haben, um jemanden so einordnen zu können. Welch großartiger Einwand. Aber genau so muss ich doch die Kategorien "Mann" und "Frau" lernen. Sonst kann ich auch niemanden so einordnen. Das ist nämlich genau der Punkt.

Mein Neffe meinte mal: "Frauen sie die ohne Haare unter den Armen." So kann mensch das auch gelernt haben.

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Natürlich kann Mensch
auch die Kategorie "intersexuell" lernen, das zu bestreiten war nicht mein Punkt. Aber es liegt halt (allein schon durch die Fallzahl bedingt) nicht sonderlich nahe, dass irgendjemand von selbst ohne zusätzliche Information von außen die zwingende Schlussfolgerung zieht, es müsse da zwischen Mann und Frau noch ein drittes, irgendwie diffuses Geschlecht geben. Das meinte ich - durchaus mit dem Wissen im Hinterkopf, dass der Begriff "natürlich" im Zusammenhang mit menschlichem-allzumenschlichem und gesellschaftlichen Fragen sowieso problematisch, wenn nicht gar völlig fehl am Platze ist.

So gesehen ist es natürlich ein ziemlich plattes durchschaubares rhetorisches Manöver, die Zuhörer mit dieser Frage auf sexististisches/heteronormatives/sonstwiepolitischunkorrektes Glatteis zu führen, das man dann genüsslich dekonstruieren kann mit seiner Judith-Butler-Keule. ;-))

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Meine Frage war durchaus rhetorisch zu verstehen.
Sie sollte vor dem Glatteis warnen und nicht dazu verführen, es zu betreten.

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