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Dienstag, 28. Februar 2023
Alternative Mobilität
urmila, 19:00h
Die deutsche Kollegin wohnt 3 km vom Büro entfernt. Die Metro lohnt sich nicht, da sie zu lange zu den Haltestellen laufen müsste. Den ganzen Weg laufen ist nicht nur lang, sondern auch unschön. Auto-Rikscha-Fahren findet sie auch anstrengend. Fahrradfahren ist zu gefährlich.
Und so hat sie sich einen Tretroller gekauft und kommt damit täglich ins Büro. Beeindruckend. Ich würde mich das nicht trauen - auf der Strasse! Nicht nur ich bin beeindruckt. Auch die anderen Kolleg_innen. Ab und zu probiert eine* den Tretroller aus. Nicht allen gelingt es auf Anhieb. Ich bin mir sicher, dass die Kollegin auf ihrer Strecke auch schon bekannt ist.
Ein Sicherheitsproblem bleiben die Autos, die nach dem Prinzip der Stärkere hat Recht fahren. Und die Hunde, die Menschen auf Roller nicht kennen und insbesondere in Dämmerung/Dunkelheit aggressiv reagieren. Sagt sie.
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Montag, 27. Februar 2023
Loitering
urmila, 17:05h
Bei einem Workshop letzte Woche sprach Shilpa Phadke über Loitering, also über das Recht von Frauen*, sich einfach so im öffentlichen Raum aufzuhalten. Ohne dass ihnen der Vorwurf gemacht wird, deshalb für etwaige Übergriffe verantwortlich zu sein. Es geht um Sicherheit, Freiheit und öffentlichen Raum. Es geht um die Kontrolle von Frauen*körpern, ihre Verbannung aus dem öffentlichen Raum und damit die Einschränkung ihrer Handlungsmöglichkeiten.
Beim Zuhören hat sich das Thema in meinem Kopf weiterbewegt. Verbunden mit dem Thema Sicherheit, gerade auch für Frauen*, aber nicht nur, ist auch das Autofahren der Ober-/und oberen Mittelklasse. Da es im öffentlichen Raum nicht sicher genug ist, fahren sie überallhin bzw. lassen sich überallhin fahren. Am liebsten mit einem großen SUV.
Die Metro mit ihrem Frauenabteil wäre zwar auch sicher (und sauber). Aber die hat das Last Mile-Problem. Die Haltestellen sind weit auseinander und mensch muss erstmal zur und von der Metrostation kommen. Wenn mensch nicht läuft, ist da da wieder ein Auto/eine Auto-Rikscha nötig.
Und Ober- und Mittelklasse-Inder_innen laufen eher nicht. Aus Sicherheitsgründen, aber auch weil sie gar nicht auf die Idee kommen. Als nach dem Workshop der Fahrer der einen Kollegin nicht zur Verfügung stand und sie nicht so recht wusste wie sie nach hause kommen soll, bot ich ihr an, dass ich mit ihr laufe, etwa 1,5 km. Davon ein guter Teil durch den Lodi Garden. Sie hat bereitwillig zugestimmt. Im zweiten Teil des Weges merkte ich dann aber, dass es nicht so ein toller Fußweg ist. Wir mussten zwei Roundabouts und eine Kreuzung mit viel Verkehr (vor allem SUVs und ein paar Busse) queren und das ohne Überwege für Zufußgehende. Nicht so nett. Ich kann verstehen, wenn sie das nicht täglich mehrfach machen will. Am Wochenende ist sie dann aber nochmal mit einem Freund aus Oxford zu Fuß gegangen. Sie meinte, von ihren indischen Freund_innen käme niemand auf so eine Idee, aber so schlecht sei die gar nicht. Angst vor Übergriffen hat sie aber weiter.
Am Tag zuvor hatte es beim Workshop noch Buffet gegeben. Danach ging es in der Dunkelheit nach hause. Die Kollegin machte sich Sorgen um mich, die ich zu Fuß gehen wollte. Der Weg waren keine 10 Minuten. Eigentlich. Denn durch den Park konnte ich um die Zeit nicht mehr gehen. Ich musste an der Strasse lang. Und ich konnte nicht durch mein normales Fußgänger_innentor in der Gated Community gehen. Das war schon geschlossen. Ich weiss nicht genau, wann es geschlossen wird. Irgendwann zwischen 19 und 21 Uhr. Und dann verlängert sich mein Weg um gut 5 Minuten, denn ich muss zum Haupteingang gehen und zurück. Das ist natürlich unsicherer, weil mehr Gefahr von Autos und Hunden.
Die Gated Communities sollen ihre Bewohner_innen schützen. Vor den Ungewollten, den Armen, den Gefährlichen? Es gibt nur ein paar Tore. Bei uns tagsüber mehrere für Zufußgehend und drei für Autos. Ab 21 Uhr nur noch das Haupttor. Wenn ich von der Metro komme, ist das ein Umweg von 10 Minuten und führt mich durch einsamere Gegenden. Dass die geschlossenen Tore die Wege für Zufußgehende unsicherer machen, ist denn meisten aber wohl nicht bewusst. Denn sie gehen nicht zu Fuß. Sie lassen sich fahren (und gefährenden damit die Zufußgehenden weiter).
Ihre Sicherheitssuche schränkt sie aber natürlich auch ein. Auch sie müssen Umwege fahren. Auch sie müssen ihre Wege danach einstellen. Auch sie müssen überlegen, bis wann sie zu hause sein müssen, um noch anzukommen. Das Sicherheitsdenken strukturiert auch das Leben von reichen Männern* und schränkt sie ein.
Damit bin ich ziemlich vom Thema Loitering weggekommen, aber die Frage von (scheinbarer) Sicherheit und öffentlichem Raum ist damit verbunden. Ich finde es spannend, wie sehr die Reichen sich selbst einschränken und dabei Andere oder auch sich selbst gefährden.
Beim Zuhören hat sich das Thema in meinem Kopf weiterbewegt. Verbunden mit dem Thema Sicherheit, gerade auch für Frauen*, aber nicht nur, ist auch das Autofahren der Ober-/und oberen Mittelklasse. Da es im öffentlichen Raum nicht sicher genug ist, fahren sie überallhin bzw. lassen sich überallhin fahren. Am liebsten mit einem großen SUV.
Die Metro mit ihrem Frauenabteil wäre zwar auch sicher (und sauber). Aber die hat das Last Mile-Problem. Die Haltestellen sind weit auseinander und mensch muss erstmal zur und von der Metrostation kommen. Wenn mensch nicht läuft, ist da da wieder ein Auto/eine Auto-Rikscha nötig.
Und Ober- und Mittelklasse-Inder_innen laufen eher nicht. Aus Sicherheitsgründen, aber auch weil sie gar nicht auf die Idee kommen. Als nach dem Workshop der Fahrer der einen Kollegin nicht zur Verfügung stand und sie nicht so recht wusste wie sie nach hause kommen soll, bot ich ihr an, dass ich mit ihr laufe, etwa 1,5 km. Davon ein guter Teil durch den Lodi Garden. Sie hat bereitwillig zugestimmt. Im zweiten Teil des Weges merkte ich dann aber, dass es nicht so ein toller Fußweg ist. Wir mussten zwei Roundabouts und eine Kreuzung mit viel Verkehr (vor allem SUVs und ein paar Busse) queren und das ohne Überwege für Zufußgehende. Nicht so nett. Ich kann verstehen, wenn sie das nicht täglich mehrfach machen will. Am Wochenende ist sie dann aber nochmal mit einem Freund aus Oxford zu Fuß gegangen. Sie meinte, von ihren indischen Freund_innen käme niemand auf so eine Idee, aber so schlecht sei die gar nicht. Angst vor Übergriffen hat sie aber weiter.
Am Tag zuvor hatte es beim Workshop noch Buffet gegeben. Danach ging es in der Dunkelheit nach hause. Die Kollegin machte sich Sorgen um mich, die ich zu Fuß gehen wollte. Der Weg waren keine 10 Minuten. Eigentlich. Denn durch den Park konnte ich um die Zeit nicht mehr gehen. Ich musste an der Strasse lang. Und ich konnte nicht durch mein normales Fußgänger_innentor in der Gated Community gehen. Das war schon geschlossen. Ich weiss nicht genau, wann es geschlossen wird. Irgendwann zwischen 19 und 21 Uhr. Und dann verlängert sich mein Weg um gut 5 Minuten, denn ich muss zum Haupteingang gehen und zurück. Das ist natürlich unsicherer, weil mehr Gefahr von Autos und Hunden.
Die Gated Communities sollen ihre Bewohner_innen schützen. Vor den Ungewollten, den Armen, den Gefährlichen? Es gibt nur ein paar Tore. Bei uns tagsüber mehrere für Zufußgehend und drei für Autos. Ab 21 Uhr nur noch das Haupttor. Wenn ich von der Metro komme, ist das ein Umweg von 10 Minuten und führt mich durch einsamere Gegenden. Dass die geschlossenen Tore die Wege für Zufußgehende unsicherer machen, ist denn meisten aber wohl nicht bewusst. Denn sie gehen nicht zu Fuß. Sie lassen sich fahren (und gefährenden damit die Zufußgehenden weiter).
Ihre Sicherheitssuche schränkt sie aber natürlich auch ein. Auch sie müssen Umwege fahren. Auch sie müssen ihre Wege danach einstellen. Auch sie müssen überlegen, bis wann sie zu hause sein müssen, um noch anzukommen. Das Sicherheitsdenken strukturiert auch das Leben von reichen Männern* und schränkt sie ein.
Damit bin ich ziemlich vom Thema Loitering weggekommen, aber die Frage von (scheinbarer) Sicherheit und öffentlichem Raum ist damit verbunden. Ich finde es spannend, wie sehr die Reichen sich selbst einschränken und dabei Andere oder auch sich selbst gefährden.
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Donnerstag, 9. Februar 2023
Masala Tea
urmila, 06:22h
Als ich nach Indien aufgebrochen bin, habe ich mich auf den Tee gefreut. Tschai heisst in Hindi Tee. Der wird traditionellerweise mit Milch und Wasser gekocht. Dann kommt massenweise Zucker rein. Ich bevorzuge weniger. Im Winter kommt auch Ingwer und Kardamom rein. Seit ich meine eigene Küche habe, koche ich ihn mir täglich.
Vor Weihnachten habe ich dann in einem Teeladen um die Ecke eine Masala Tea-Mischung gefunden. Masala heisst Gewürze. Da ist mehr drin als nur Kardamom und Ingwer. Im Gegensatz zu deutschen Mischungen ist aber auch hier der Hauptbestandteil Assam-Tee. Diese Mischung ist ganz lecker.
Im Spice Market von Old Delhi hat der Guide am Montag behauptet, diese Mischung würde auch gegen Covid helfen. Das bezweifele ich sehr. Bei Erkältung ist es aber nicht schlecht.
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Dienstag, 7. Februar 2023
Old Delhi
urmila, 15:16h
Schlechtes Timing. Zum erstenmal nach vier Monaten hatte ich etwas Magen-Darm-Probleme. Und eine Street Food Tour durch Alt-Delhi gebucht. Gegessen habe ich dann nicht so viel. Die Freundin aber. Und die war begeistert.
Mir war alles zu viel. Zu viele Menschen. Zu viel Lärm. Zu wenig Platz. Damit kann ich nicht gut umgehen. Eine Migräne kam hinzu. Und ich erinnerte mich, vor zehn Jahren war es auch ein Besuch in Alt-Delhi, der mir zu anstrengend war. Als junge Frau bin ich damit noch besser klar gekommen. Da bin ich alleine durch den Stadtteil gezogen und habe das Haus meiner Tante Mittendrin im Durcheinander besucht. Die anderen Touris der Tour schienen auch viel weniger unter dem Sinneseindrücken zu leiden. Die meisten waren den ersten oder zweiten Tag in Indien und hatten sich gleich ins Gedrängel begeben. Interessant.
Was sehr gut war (neben dem Essen, was ich nicht wirklich beurteilen kann), waren die beiden Führer von Reality Tours. Die Tour war sehr gut organisiert, sie haben sich sehr gut gekümmert und waren sehr angenehm. Ganz anders als die andere Alt-Delhi-Tour, die wir im letzten Jahr hatten. Da war ein Bus gemietet worden und der Führer kam kostenlos dazu. Das haben wir teuer bezahlt. An jeder Stelle gab es Extra-Kosten, dafür war es schlecht organisiert. Schon beim ersten Stopp habe ich mich daher mit einigen Ko-Fellows von der Tour verabschiedet. Es lohnt sich, eine ordentliche Tour zu buchen.
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Samstag, 4. Februar 2023
Massaker von 1984
urmila, 18:58h
1984 wurde Indira Gandhi umgebracht. Von einem Sikh. Vorausgegangen war die Operation Blue Star und eine längere Geschichte der separatistischen Bewegung von Sikhs und deren staatlicher Unterdrückung. Dies alles kulminierte im Herbst 1984 in Massakern von Sikhs in Nord-Indien. Laut Wikipedia wurden alleine in Delhi 2800 Sikhs umgebracht. Mukundans Roman "Delhi. A Soliloquy" beschreibt die Grauen eindrücklich.
Als ich letztes mit meinen drei Nichten (Jahrgänge 1969, 1977 und 1979) zusammen sass, kamen wir darauf zu sprechen. Sie lebten damals im Zentrum Delhis, in der Nähe des Bengali Markets. Alle drei erinnerten sich an die Massaker, obwohl sie erst 5, 7 und 15 Jahre alt waren. Sie wussten wie grausam sie waren. Wie Sikhs auf offener Strasse umgebracht wurden. Sie erzählten wir in ihrer Nachbarschaft Patrouille gelaufen wurde, um die dort lebenden Sikhs zu schützen. In ihrer Erinnerung ist dort auch nichts passiert. In ihrem Haus wohnte ein Sikh. Bis zu den Massakern trug er Bart, wie dies für Sikhs üblich war und was sie erkennbar machte. Meine Nichten erinnerten sich, wie er dann auf einmal glatt rassiert war.
Als ich Mukundans Roman gelesen hatte, war mir bewusst geworden, wie stark die Massaker in Delhi Spuren hinterlassen haben müssen. Mein Vermieter ist Sikh, sein Vater hat Turban getragen. Sie müssen schlimmes durchgemacht haben. Das ist aber etwas, wonach ich nicht fragen kann. Um so überraschter war ich, als meine Nichten so eine klare Erinnerung daran hatten und darüber sprachen.
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Freitag, 3. Februar 2023
Eine neue Generation
urmila, 19:38h
Als ich im Oktober nach Delhi kam, hatte ich nicht wirklich Lust, meine Familie zu treffen. In der Vergangenheit fand ich Aufenthalte bei der Familie häufig sehr langweilig und anstrengend. Wir hatten keine gemeinsamen Themen und haben uns gegenseitig nicht wirklich verstanden.
Und so habe ich meine Familie erstmal nicht kontaktiert. Zwei Nichten (Töchter einer Cousine), mit denen ich auf Facebook befreundet bin, haben mitbekommen, dass ich da bin und haben mich angeschrieben. Bei der Familie war ich mittlerweile zweimal und es war ganz nett. Ich kann Spaß mit ihnen haben und offen mit ihnen reden, auch über meine Partnerin.
Und so habe ich dann auch noch eine andere Nichte (Tochter eines Cousins) kontaktiert (sie ist Mitte Zwanzig, die anderen über Vierzig). Vor zehn Jahren war sie ein netter Teenager und hat uns in Deutschland besucht. Und ist jetzt eine selbstbewusste junge Frau. Mit ihr und ihren Freundinnen konnte ich unter anderem über unterschiedlichste Genderfragen kritisch reden und hatte Spaß beim Kartenspielen. Das meine Freundin meine Partnerin ist, war ihnen klar. Auch wenn eine arrangierte Ehe für sie eine Option ist, stellen sie Anforderungen (sie wollen weiter berufstätig sein, nicht mit den Schwiegereltern zusammenleben, sich trennen können, etc.). Die Einstellungen und Reflektion hat sich sehr geändert. Und auch die Eltern gehen Teile mit, lassen sich auf die Anforderungen beim Arrangieren ein und würden auch eine Liebesheirat akzeptieren. Nur geheiratet muss werden, möglichst bald.
In den nächsten Tagen werde ich beide Familien mit meiner Partnerin besuchen. So was hätte ich vor zwanzig, dreissig Jahren in meiner Familie nicht gemacht.
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Donnerstag, 2. Februar 2023
Unlimited Girls
urmila, 20:01h
2004 bin ich durch das Queere Indien gereist und habe Interviews gemacht (und danach auch dazu geschrieben). Dabei habe ich Paromita Vohras Dokumentarfilm Unlimited Girls kennengelernt.
Heute haben wir den im Büro gemeinsam angeschaut. Einige kannten ihn schon, die meisten nicht. Manche kannten einzelne feministische Protagonistinnen*. Auch wenn er 20 Jahre alt war, hat er auch heute noch zu uns gesprochen. Aber er kam ganz offensichtlich auch aus einer anderen politischen Zeit, in der die Bundespolitik nicht so zum Fürchten war wie zur Zeit.
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