Mittwoch, 15. März 2023
Rücksichtslosigkeit im öffentlichen Raum
Spice Basar in Alt-Delhi


Seit ein paar Wochen bin ich nun wieder in meiner Bubble rund um die Lodhi Gardens. Hier ist es ruhig und angenehm.

Davor hatte ich Besuch und bin mehr unterwegs gewesen. Vor allem in Delhi und Jaipur. Das war anstrengend. Wegen der vielen Leute. Und der Rücksichtslosigkeit im öffentichen Raum.

Überall drängeln sich die Leute vor, egal ob in der Frauentoilette oder am Security Check am Bahnhof. Wenn auch nur 5 cm Abstand sind, dann kann mensch da durch. Als wir einen Typen am Bahnhof angemacht haben, warum er sich vordrängelt, meinte er doch glatt, er hat uns nicht gesehen. Mit 1,78 m und 90 kg plus Riesen-Rucksack bin ich natürlich auch leicht zu übersehen. Irgendwann habe ich angefangen, meine Körpergröße und mein Gewicht einzusetzen und Leute zur Seite zu kegeln, wenn sie mir den Weg blockiert haben. Da bekam ich so manch überraschten Blick von dem ein oder anderen Typen.

Auf der Straße passiert es mir häufiger, dass mich ein Auto oder sonstiges motorisiertes Gefährt überholt, dann vor mir abbiegt und mir dabei fast über die Füsse fährt. Auch wenn es da dann kein Weiterkommen gibt und sie vor mir stehen bleiben müssen. Das passiert auch hier in der reichen Umgebung.

In der Metro, im Zug, auf der Strasse, auch mal im Restaurant wird laut am Telefon gesprochen, Musik gehört oder so. Lärm wird mit Lärm übertönt, ganz selbstverständlich.

Und der Müll wird einfach weggeworfen, aus dem Zug, auf die Straße, wo auch immer mensch gerade ist. Weg damit.

Diese Rücksichtslosigkeit macht mich immer wieder fassungslos. Wie geht das? Im Privaten ist es vermutlich nicht so. Da werden Respekt und Rücksicht, so weit ich das erlebe, hoch gehalten.

Ach ja, und immer wenn ich anfing, mich darüber aufzuregen wie rücksichtslos DIE Inder_innen sind, kam mit ziemlicher Sicherheit eine weiße Person vorbei, die mindestens genauso rücksichtslos war.

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Dienstag, 14. März 2023
Ampeln für G20
Zebrastreifen mit Baum und Absperrgitter


Indien ist der Gastgeber für G20 dieses Jahr. Dafür soll Delhi schöner gemacht werden. Damit sich die Delegierten auch wohl fühlen. Blumen werden an Straßen gestellt. Häuser werden niedergewalzt. Touristische Orte aufgehübscht. Und Druck-Ampeln für Zufussgehende sollen installiert werden. Sollen, aber da sind sie hinter dem Plan her. Beim Häuserabreissen waren sie schneller, bis ein Gericht sie gestoppt hat. Und ja, es wäre nicht schlecht, wenn mensch als Zufußgehende in Delhi besser über die Strasse käme. Aber darum geht es ja nicht. Nur die Delegierten sollen besser über die Straße kommen. Es wäre ja auch doof, wenn die überfahren werden würden. Nachhaltig gedacht, ist das alles nicht. Und um eine Verkehrswende geht es erst recht nicht.

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Montag, 13. März 2023
Situierte Identifikation
Beim Quatab Minar


Als ich mit der Freundin aus Berlin auf den Eingang des Qutub Minars zulaufe, wird uns gesagt, ich müsse meinen Rucksack abgeben. Also gehe ich, nachdem wir unsere Tickets gekauft haben - die Freundin geht problemlos als Inderin durch, ich muss meine OCI-Karte zeigen und dann geht es - zum Cloak Room. Ich habe meinen Rucksack schon abgeben, möchte aber noch einen Nachweis dafür. Da merken sie, dass ich Ausländerin bin und geben mir den Rucksack zurück: "No Foreigner Bags." Ich komme problemlos mit ihm ins Qutub Minar, muss allerdings durch eine Taschenkontrolle.

Diese Szene ist typisch für meine unklare Identifikation hier in Delhi. Mal werde ich als lokal angesehen (und soll die Tasche abgeben), mal muss ich meinen OCI-Status (Overseas Citizen of India) nachweisen, mal gelte ich als Ausländerin. Wenn ich mit der als Inderin passenden Freundin aus Berlin unterwegs bin, bin ich tendenziell Inderin. Wenn ich alleine unterwegs bin, kann es auch schon mal vorkommen, dass ich auf Hindi angesprochen werde. War ich allerdings mit meiner klar weiß positionierten Freundin unterwegs, gingen die Preise für die Autorikshas sofort auf Ausländerpreis hoch und mein Inderinnensein war kaum vermittelbar.

Für wen ich gehalten werde, hängt klar von den Umständen ab. Auch zeitlich. Vor 10/20 Jahren wurde ich fast nie als Inderin anerkannt, die OCI-Karte hat auch kaum geholfen. Das liegt zum einen daran, dass die OCI-Karte damals noch nicht so bekannt war. Aber es liegt wohl vorallem daran, dass meine Gender-Performanz damals so klar unindisch war und dass die gleiche Performanz heute nicht mehr so klar ausländisch ist. Indische Frauen* sind heute viel vielfältiger als damals und ich bin nicht mehr so seltsam.

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Freitag, 10. März 2023
Holi
Holi spielen in Lodi Gardens.


Am Mittwoch war nicht nur Internationaler Frauen*kampftag sondern auch Holi. Ein farbenfrohes Fest, dass ich zuletzt 1990 gespielt habe. Die Frage war nun, was macht mensch an Holi. Und da gab es ganz unterschiedliche Antworten drauf, auch unter meinen Kolleg_innen.

Es gibt die, die eigene Wohnung nicht verlassen. Hier dominiert vor allem die Sorge, dass an Holi Berühren erlaubt ist und dies auch für sexualisierte Übergriffe ausgenutzt wird. Oder aber dass mensch mit Farbe überschüttet wird, die nicht wieder abgeht. Das sicherste ist da, zu hause zu bleiben.

Oder aber Holi im eigenen Freundes- oder Verwandtenkreis zu spielen. Da ist dann auch klar, was die Regeln sind.

Einige der deutschen Fellows sind mit einer einheimischen Begleitung zur JNU, der linken Universität, gegangen. Vorher haben sie sich Kleidung angezogen, die dreckig werden darf und haben ihre Gesichter mit Fettcreme vor langfristiger Verfärbung geschützt. Bhang haben sie nicht getrunken. Spass hatten sie aber trotzdem. Sie wurden auch immer gefragt, bevor Farbe ins Spiel kam. Und die liess sich nachher problemlos herauswaschen. Holi kann also auch in großen Gruppen gut gespielt werden.

Ich bin nicht mit zur JNU und habe nur einen kleinen Spaziergang in meinem Kiez und in den Lodi Gardens gemacht. Farbe kam nicht ins Spiel. Nur meine Vermieterin hat mich gesehen und mir etwas Farbe auf die Stirn gemacht. Allerdings bekam ich nicht weit von meiner Wohnung mit großer Wucht einen Wasserbombe auf den Rücken. Geworfen von einem Kind in einem Auto, das extra langsam dafür gefahren ist. Witzig fand ich das nicht, sondern eher gewaltsam.

Eine Kollegin aus Delhi wollte eigentlich nicht spielen. Ist dann aber doch von Freund_innen/Verwandten dazu gebracht worden und hat es genossen. Sie meinte nachher, sie sollte mehr mitmachen.

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Mittwoch, 8. März 2023
Internationaler Frauen*kampftag: Gender und Mobilität
Podcast Verkehrsvisionen Folge 1


In Berlin und Mecklenburg-Vorpommern ist der Internationale Frauen*kampftag Feiertag. Der VCD Nordost nimmt das zum Anlass einen neuen Podcast Verkehrsvisionen - der feministische Podcast zur Mobilitätswende zu starten.

In der ersten Folge sprechen die Hosts Ulrike Mausolf und Anja Bell mit der Expertin für Mobiltiät und Gender Ines Kawgan-Kagan. Viel Spass beim Zuhören!

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Dienstag, 7. März 2023
Akshardam
Der Tempel hinter einem riesigen Parkplatz und Sicherungsanlagen.


Wir waren heute im Akshardham Tempel in Delhi. Versprochen worden war mir ein hindu-nationalistisches Disneyland. Nachdem die Sicherheitsanlagen überwunden sind. Reinnehmen darf mensch fast nichts, ausser dem Geldbeutel und einer Wasserflasche.

Drinnen ist es dann sehr sauber, geradezu steril. Auch das, was wohl der Tempel sein soll. Es hatte die Atmosphäre eines Ausstellungsraums, etwas kitschig. Ich konnte mir in keiner Weise vorstellen, dass dort jemand beten könnte, dass es ein spiritueller Ort sein könnte. Im kleineren Tempel scheuchte uns ein Volunteer aus den USA weiter, wir durften auf keinen Fall stehen bleiben, auch wenn ausser uns kaum jemand da war. Das lud auch nicht gerade zu einer spirituellen Erfahrung ein.

Nach einigem Suchen haben wir dann auch die Ausstellung gefunden. Meine Begleitung hatte gelesen, dass mensch eine Bootstour machen könnte und das wollte sie. Dafür mussten wir das Ticket für die Ausstellung kaufen und das war geschickt gemacht. Mensch konnte nicht einfach zum Boot gehen. Zuerst waren 40 Minuten Ausstellung mit Aufführung zu Bhagwan Swami Narayan. Wir haben uns da etwas durchgemogelt, nachdem wir die Vorführung zu seiner Erleuchtung mit 4 Jahren gesehen hatten, und waren nach 10 Minuten wieder draussen. An der zweiten Halle mit den Filmen sind wir vorbei gegangen. Direkt zum Boot. Das fuhr aber erst wieder in einer Stunde. Also erstmal zum Food Court. Dann zurück. Die Bootstour entpuppte sich dann als eine Fahrt auf einem schienengebundenen Gefährt durch Wasser und mehre Ausstellungsräume. In denen wurde das Leben in vedischen Zeiten dargestellt. Bei Wikipedia findet sich eine Definition der vedischen Zeiten. In der Ausstellung wurde das nicht so genau genommen. Es ging wild durch die Jahrtausende. Nebeneinander waren Situationen mehrere Jahrhunderte vor Christus neben jenen aus der mehreren Jahrhunderten nach Christus. Alles vedisch irgendwie. Auch die Flugzeuge. Nur Frauen gab es wohl in vedischen Zeiten nicht so viel bzw. nur in der Küche, beim Tempeltanz und im Krankenhaus. Zum Ende dann noch ein nationalistisches Lied aus dem Lautsprecher.

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Montag, 6. März 2023
Demokratie
Bei der Buchvorstellung


Bei der Vorstellung des neuen Buches von Rajeev Bhargava Between Hope and Despair. 100 Ethical Reflections on Contemporary India hat unter anderem Romila Thapar gesprochen. Sie sagte, dass eine Demokratie ohne Ethik keine Demokratie sei. Zudem, das betonten auch mehrere andere Redner_innen, brauche Demokratie das Gespräch miteinander.

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