Freitag, 3. Februar 2023
Eine neue Generation
Meine Nichte und zwei Freundinnen in Gurgaon


Als ich im Oktober nach Delhi kam, hatte ich nicht wirklich Lust, meine Familie zu treffen. In der Vergangenheit fand ich Aufenthalte bei der Familie häufig sehr langweilig und anstrengend. Wir hatten keine gemeinsamen Themen und haben uns gegenseitig nicht wirklich verstanden.

Und so habe ich meine Familie erstmal nicht kontaktiert. Zwei Nichten (Töchter einer Cousine), mit denen ich auf Facebook befreundet bin, haben mitbekommen, dass ich da bin und haben mich angeschrieben. Bei der Familie war ich mittlerweile zweimal und es war ganz nett. Ich kann Spaß mit ihnen haben und offen mit ihnen reden, auch über meine Partnerin.

Und so habe ich dann auch noch eine andere Nichte (Tochter eines Cousins) kontaktiert (sie ist Mitte Zwanzig, die anderen über Vierzig). Vor zehn Jahren war sie ein netter Teenager und hat uns in Deutschland besucht. Und ist jetzt eine selbstbewusste junge Frau. Mit ihr und ihren Freundinnen konnte ich unter anderem über unterschiedlichste Genderfragen kritisch reden und hatte Spaß beim Kartenspielen. Das meine Freundin meine Partnerin ist, war ihnen klar. Auch wenn eine arrangierte Ehe für sie eine Option ist, stellen sie Anforderungen (sie wollen weiter berufstätig sein, nicht mit den Schwiegereltern zusammenleben, sich trennen können, etc.). Die Einstellungen und Reflektion hat sich sehr geändert. Und auch die Eltern gehen Teile mit, lassen sich auf die Anforderungen beim Arrangieren ein und würden auch eine Liebesheirat akzeptieren. Nur geheiratet muss werden, möglichst bald.

In den nächsten Tagen werde ich beide Familien mit meiner Partnerin besuchen. So was hätte ich vor zwanzig, dreissig Jahren in meiner Familie nicht gemacht.

0 Kommentare in: indien   ... comment ... link


Donnerstag, 2. Februar 2023
Unlimited Girls
Filmvorführung "Unlimited Girls"


2004 bin ich durch das Queere Indien gereist und habe Interviews gemacht (und danach auch dazu geschrieben). Dabei habe ich Paromita Vohras Dokumentarfilm Unlimited Girls kennengelernt.

Heute haben wir den im Büro gemeinsam angeschaut. Einige kannten ihn schon, die meisten nicht. Manche kannten einzelne feministische Protagonistinnen*. Auch wenn er 20 Jahre alt war, hat er auch heute noch zu uns gesprochen. Aber er kam ganz offensichtlich auch aus einer anderen politischen Zeit, in der die Bundespolitik nicht so zum Fürchten war wie zur Zeit.

0 Kommentare in: indien   ... comment ... link


Mittwoch, 1. Februar 2023
Metro fahren
Ladies Coach an der Endhaltestelle


Eine der besten Sachen, die Delhi in den letzten 20 Jahren verändert hat, ist die Metro. Damit kommt mensch gut und sicher an viele Orte in der Stadt. Im Ladies Coach ist es auch meistens nicht überfüllt.

Wir Berliner Fellows fahren damit in der Regel zu unserem Kolloquium in den Norden der Stadt. Und schwärmen davon. Das hat Auswirkungen. Die junge Kollegin, die die Metro für zu voll gehalten hat, fährt jetzt auch meist nach dem Kolloquium mit der Metro nach hause. Eine andere indische Fellow hat sich auch von uns mitziehen lassen und ist zum erstenmal seit 15 Jahren wieder Metro gefahren. Und sie war begeistert, über die Sauberkeit und Nutzbarkeit. Dass wir zu Fuß zur Metro gehen, und das auch bei Dunkelheit, fand sie erst überraschend, hat sich aber dann darauf eingelassen. Abends hat sie sich dann vom Fahrer ihrer Familie von der Metrostation abholen lassen.

Dass die Verkehrsmittelwahl mit Klassenstatus zusammenhängt, ist auch in Deutschland nicht anders. Will mensch hier Mitglieder der Mittelklasse in die Metro holen, muss wohl aber noch mehr als in Deutschland Überzeugungsarbeit gemacht werden.

Und natürlich ist die Verkehrsmittelwahl auch gegendert. Frauen* sind hier weniger mobil als Männer*. Der öffentliche Raum gilt als unsicher und ist es teilweise auch. Wenn frau es sich da leisten kann, nimmt sie daher eher das Auto als die Metro. Um das zu ändern, müssen auch die Wege von und zur Metro sicherer werden.

0 Kommentare in: indien   ... comment ... link


Montag, 30. Januar 2023
Kochen
Indische Gewürze


Ich habe mir nun endlich auch indische Gewürze gekauft. Und ein Nudelholz. Und Atta, das lokale Mehl. So konnte ich nun auch beginnen, indisches Essen zu kochen. Das Weißkohlgericht habe ich schon unzählige Male in Deutschland gekocht. Chapatis habe ich aber (fast) erstmalig versucht. Und sie waren essbar! wenn auch noch verbeserungsfähig.

Chapatis mit Weißkohl

0 Kommentare in: indien   ... comment ... link


Freitag, 27. Januar 2023
Affen
Affe auf dem Weg zur Dachterasse


Die deutsche Kollegin ist ganz begeistert von den Affen, setzt sich in den Park, um sie zu beobachten, und möchte sie am liebsten auch mit Leckereien versorgen.

Die indische Kollegin reagiert eher negativ auf den Affen, der vor dem Bürofenster rumturnt. Affen sind in ihre Wohnung eingedrungen, haben den Kühlschrank gefunden, das Obst gegessen und die Reste rumgeworfen. Und sie hat gehört, dass sie randalieren, wenn sie nichts Leckeres finden. Ausserdem müssen Wassertanks gut verriegelt werden, damit die Affen nicht dort trinken und baden.

Die Tiere scheinen ziemlich clever zu sein. Zu clever für eine gute Ko-Existenz mit den Menschen. Daher gehen wohl die Angestellten bei mir im Haus auch immer wieder auf Affen-Verscheuch-Tour.

Ach ja, aggressiv können sie auch werden. Als Fünfjährige musste ein Cousin mich mal vor Affen retten, die mir den Rückweg ins Haus versperrt hatten.

0 Kommentare in: indien   ... comment ... link


Donnerstag, 26. Januar 2023
Republic Day
Michpackung mit Grüßen zum Republic Day


Heute war der indische Republic Day, der an die Inkraftsetzung der indischen Verfassung vor 74 Jahren erinnert. Eigentlich etwas sehr Republikanisches. Aber auch schon immer sehr Militaristisch, denn zentral ist eine Parade der Armee. Und natürlich nutzen die Hindu-Nationalist_innen das Ganze für ihre Zwecke. So gibt es zum Beispiel jedes Jahr als Ehrengast einen ausländischen Regierungschef. Eine meiner Kolleg_innen hatte im Vorfeld gefragt, welcher Faschist denn wohl dieses Jahr eingeladen wird. Es war dann der ägyptische Regierungschef.

Hingehen wollte ich nicht, und weiss auch nicht, ob ich ein Ticket bekommen hätte (1976 hatten wir eines, ich erinnere mich aber nicht mehr). Ich habe mir allerdings einen Teil der Live-Übertragung angeschaut. Eingeschaltet habe ich als die Motorradartisten (ich vermute das Gender ist richtig) an der Tribüne vorbei gefahren sind. Dann war die Luftwaffe dran. Schon seit Tagen sind die Militärflugzeuge über Delhi gedonnert, um für heute zu üben. Dann war es aber heute sehr wolkig und neblig. Sie waren kaum zu sehen, wie auch auf dem Bildschirm deutlich wurde. Gehört habe ich sie auch zu hause.

Screenshot von der Übertragung des Republic Days


Nachtrag 27.01.23: Hier noch Berichterstattung aus dem Indian Express: India exhibits military might, cultural diversity during parade und Egyptian Army contingent, 23 tableaux, fly-past through misty skies.

0 Kommentare in: indien   ... comment ... link


Mittwoch, 25. Januar 2023
Shah Rukh Khan
Bis jetzt habe ich den Bollywood-Star Shah Rukh Khan vor allem für einen mässig begabten Schauspieler gehalten, der nur zwei Gesichtsausdrücke hat, bei denen er immer wie er selbst aussieht. Und habe mich gewundert, dass er auch mit über 50 Jahren immer noch den jugendlichen Held spielt.

Vielleicht muss ich meine Haltung zu SRK aber doch noch überdenken. Seit ich hierbin bekomme ich immer wieder mit, wie er zur beliebten Zielfigur der Hindu-Nationalist_innen wird, z.B. gerade wegen seines neuen Films "Pathaan" (siehe Indian Express). Und bekomme auch mit, dass er seine Bekanntheit auch nutzt, um Position zu beziehen.

"Pathaan" reizt mich ja eigentlich so gar nicht. Nationalistischer Action-Film. Aber vielleicht schaue ich ihn mir doch an.

Nachtrag 26.01.23: Gestern ist "Pathaan" angelaufen und war wohl ein voller Erfolg (siehe Scroll.in). Vinzenz Hediger hat in seinem Kolloquiumsvortrag gestern vorhergesagt, dass es einer der bedeutendsten SRK-Filme sein wird. Der massive Ticketverkauf wird als Zeichen der Opposition zur Regierung angesehen.

Hindu-Nationalist_innen stören daher auch Vorführungen, wie z.B. gestern in Faridabad.

Und dass SRK eine Person mit Haltung ist, war wohl den meisten anderen Interessierten und Informierten schon klar. Nur mir noch nicht.

Nachtrag 01.02.23: Eines der Hauptdiskussionsthemen ist zur Zeit "Pathaan". Wie ist der Nationalismus des Filmes einzuschätzen? Ist es ein inklusiver oder nicht? etc.

Auf Scroll.in gibt es einen Artikel, der versucht die politischen Folgen abzuschätzen.

0 Kommentare in: indien   ... comment ... link